Kategorie: untold stories

  • LOKI im Interview: »Cyan fühlt sich an wie ein altes Holzhaus, in dem jeder Raum einen Song portraitiert.«

    LOKI im Interview: »Cyan fühlt sich an wie ein altes Holzhaus, in dem jeder Raum einen Song portraitiert.«

    LOKI ist eine Band, von der wir uns fragen, ob ihr sie eigentlich auch alle schon kennt – und wenn nicht, warum nicht? Das achtköpfige Projekt rund um Marc Grünhäuser macht Indie-Neo-Folk fürs Herz und hat mit Cyan nun endlich (!) ihr Debütalbum released. Dazu sprechen wir nicht nur unsere Glückwünsche aus, sondern haben sie direkt auch für ein paar Fragen im Interview.

    Cyan ist ein Album, das die Reise selbst feiert. Es geht nicht um das Ankommen, sondern um die kleinen Umwege – und um das gemeinsame Erleben und Erschaffen dieser Erinnerungen. So wholesome wie sich das anhört, so klingt und ist es auch. Eine große Empfehlung von uns an euch.

    LOKI im Interview

    Anna: Hi! Wie geht’s euch? Es ist viel los bei euch, aber auch in der Welt. Wie navigiert ihr euch gerade durch die Zeit?

    Marc: Hey! Ganz gut. Danke für die Nachfrage. Es ist tatsächlich auf allen Ebenen viel los. Navigieren klingt da schon fast zu kontrolliert. Es fühlt sich eher an, als wäre man in einen Bus gestiegen, ohne wirklich zu wissen wo’s hingeht, samt all der Schönheit und all der Überforderungen die eine solche Fahrt mit sich bringen kann.

    Wenn ich mich richtig erinner, ist LOKI als ein Uni-Projekt gestartet. Was sind die Dinge, an die ihr euch jetzt noch am liebsten von der Anfangszeit erinnert? Was waren die Hürden, die ihr seitdem überkommen habt (oder noch überkommt)?

    Marc: Nicht ganz. LOKI war kein klassisches Uni-Projekt, die heutige Konstellation hat sich allerdings an einer Uni kennengelernt. Ich erinnere mich an den Anfang so gerne, weil es einfacher war äußere Umstände, wie Streaming-Zahlen, Ticketverkäufe etc., auszublenden. Mit der Zeit wird ein Projekt meist professioneller, was sehr viele Vorteile mit sich bringt, aber eben auch mit mehr Verantwortung daherkommt.

    Ich glaube die große Hürde, aber auch die große Stärke von LOKI ist die Größe und Vielseitigkeit der Gruppe. Wir sind insgesamt 8 Leute mit verschiedenen Geschmäckern, Ideen & Visionen. Das alles in einem Projekt zu vereinen kann schonmal aufreibend sein, lohnt sich jedoch jedes Mal. Heute denke ich etwas anders darüber nach – ich bin dankbar dafür, dass ich die Möglichkeit hatte, alle diese Orte zu sehen. Ich glaube tatsächlich sogar, dass all das genau richtig war, sonst hätte ich die Songs, die ich schreibe, nie so schreiben können, ohne all diese Einflüsse.

    „In jedem Raum findet sich ein neuer Song.“

    Wann habt ihr gemerkt, jetzt ist der Zeitpunkt, um an einem Album zu arbeiten?

    Marc: Wir haben einfach irgendwann gespürt, dass es nach all den EPs die wir schon veröffentlicht, hatten nun an der Zeit ist ein Album anzugehen – dieses Bauchgefühl hat vermutlich vor ca. 1 1/2 Jahren eingesetzt. Wir hatten zu diesem Zeitpunkt schon einige Demos angesammelt hatten und sobald der Prozess erstmal ins Laufen kam, waren die Unterschiede zu vorherigen Produktionen gar nicht mehr so groß.

    Eurer Album lebt (laut Pressetext) “irgendwo zwischen Blau und Grün” – wo genau ist das? In welcher Szenerie würdet ihr Cyan sehen?

    Marc: Cyan fühlt sich wie ein altes Holzhaus an, das irgendwo auf dem Land steht, aber durch einen modernen Anbau samt Tanzfläche ergänzt wird. In jedem Raum findet sich ein neuer Song, der mal die musikalische Reise von LOKI über die Jahre portraitiert, aber auch neue Einflüsse und Ideen hervorhebt.

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    Wie ist es, zu acht Musik zu machen? Habt ihr euch da mittlerweile gut eingespielt oder gibt es noch ab und zu kreative Differenzen?

    Marc: Ich denke, wir haben uns schon sehr gut eingespielt und trotzdem muss man in Bezug auf kreative Entscheidungen durchgehend Kompromisse eingehen, da es schlichtweg unmöglich ist acht Visionen, die vielleicht zu sogar konträr zueinander sind, in jedem Song zu vereinen. Wir versuchen möglichst viel zu kommunizieren, demokratisch zu handeln und haben ein Veto Recht, das jede:r ziehen kann sobald er oder sie sich mit einer Entscheidung unwohl fühlt. Natürlich benötigen solche Prozesse viel Zeit und können anstrengend sein. Die Erfahrung mit acht Freund:innen auf einer Bühne zu stehen und Musik zu machen, ist es aber auf jeden Fall wert.

    „Wenn man sich die Mühe macht, genau hinzuhören, lernt man uns ein bisschen besser kennen.“


    Was ist euer jeweilige Lieblingssong vom Album, und warum?

    Marc: Ich mag „Greedy“ sehr gerne, weil ich die Produktion und das Songwriting sowohl spannend als auch schön finde.


    Was sind die Momente eurer letzten Jahre, die ihr auf Cyan verarbeitet habt?

    Marc: Cyan verarbeitet ein breites Spektrum an Themen. Manche Texte sind beispielsweise schon ein paar Jahre alt und unterscheiden sich daher auf vielen Ebenen von den neueren. Letztlich schreiben wir immer über unser Leben bzw. unser Erfahrungen – wenn man sich die Mühe macht genau hinzuhören, lernt man uns also ein bisschen besser kennen.

    Gab es einen Song, der besonders lange gebraucht hat, bis er fertig war, bzw. einen, über den ihr gar nicht lange nachdenken musstet, und er hat gepasst?

    Kai: Viele Cyan Songs waren schon vor den Recordings relativ weit, sodass wir die Zeit im Studio zum Experimentieren nutzen konnten, um unsere Vorproduktionen aufsnächste Level zu bringen. „Greedy“ war vermutlich der Song, der am längsten gebraucht hat. Es gab viele Ideen, Parts und Richtungen, die sich erst ganz knapp vor Deadline zusammenführen ließen. Das Outro hingegen ist komplett in einer Livesession entstanden und war innerhalb von drei Takes im Kasten.

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    Ein Rezept á la LOKI

    Wie unterstützt ihr euch gegenseitig im miteinander Musik machen? Und denkt ihr, ihr hättet auch in einer anderen Realität zueinander gefunden?

    Kai: Unser Zusammenfinden ist von derartig vielen Zufällen geprägt, dass wir uns kaum vorstellen können, auf irgendeinem anderen Weg davonzukommen, wo wir jetzt sind. Das macht unsere gemeinsame Zeit so einzigartig und wertvoll. Die Dankbarkeit dafür zeigt sich vor allem, wenn wir zusammen Musikmachen, wo wir voller Respekt und Spielfreude aufeinander hören und uns gegenseitig begeistern.

     Im Oktober geht ihr auf Tour! Falls hier jemand mitliest und noch kein Ticket gekauft hat – was erwartet uns auf Tour und warum sollten wir alle kommen?

    Kai: Auf der Cyan Tour erwarten euch acht Leute, die sich nicht nur aufeinander freuen, sondern auch seit einem Jahr kaum erwarten können, die neuen Songs live zu präsentieren. Wir wollen auf der Tour aber auch eine kleine Reise in die Geschichte der Band wagen und auf die Bühne bringen, inwiefern wir als Gruppe in den vergangenen Jahren zusammengewachsen sind.

    Die letzte Frage bezieht sich bei uns immer auf eine untold story, etwas, was ihr bisher in keinem Interview erzählt habt. Das kann alles Mögliche sein, ein Fun-Fact über eine Songentstehung, euer Lieblingsrezept aus diesem Jahr oder was ihr sonst noch gerne loswollen möchtet.

    Anna: Es gibt tatsächlich ein Rezept, was wir jedes Mal, wenn wir zusammenkommen, gemeinsam kochen: nudeln mit vegetarischer Bolognese-sauce, darauf Apfelmus und ein Spiegelei nach Rezept von Marcs Oma. klingt erstmal weird aber schmeckt richtig lecker.

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    Hier gibt es mehr Infos & Tickets zur Cyan-Tour 2025! Kommt alle vorbei, es wird wunderschön.

    Foto: Caren Detje

  • ANTHI im Interview: »Musik war das einzige, was mir niemand wegnehmen konnte.«

    ANTHI im Interview: »Musik war das einzige, was mir niemand wegnehmen konnte.«

    Heute stellen wir euch eine Newcomerin vor, die was für alle sein könnte, die melancholische Musik á la Lana Del Rey mögen. ANTHI hat am Freitag ihre Debüt-EP Verwelkte Rosen veröffentlicht, auf der sie nicht nur ihren musikalischen Werdegang aufzeichnet, sondern auch viele persönliche Dinge verarbeitet. Die EP ist geprägt von toxischen Beziehungen aber auch dem Cut und dem Weg zur Heilung. Sie ist geprägt von einer Leidenschaft fürs Storytelling, tiefgründigen Reflektionen und einer Nahbarkeit und Emotionalität, die verbindet. Wir haben mit ANTHI über ihren Werdegang zur Musik und die Inhalte der EP gesprochen.

    ANTHI im Interview

    Anna: Hey! Bald ist es so weit und deine Debüt-EP kommt in die Welt! Es ist das erste Mal, dass deine Songs gesammelt in einem Werk veröffentlicht werden. Wie fühlt sich dieser Moment für dich an? Bist du aufgeregt?

    Ich bin unfassbar aufgeregt! Die Menschen da draußen hören meine intimsten Gedanken aus meinem Tagebuch, die ich auch teilweise nicht mal meinen engsten Freunden erzählt habe. Es ist wie ein Geständnis. Es fühlt sich einerseits sehr aufregend und befreiend an, aber irgendwie macht man sich dadurch sehr verletzlich.

    Du bist als Kind mehrfach umgezogen, auch in unterschiedliche Länder. Wie war diese Zeit für dich, wie hat sie dich geprägt? Gibt es Orte, die du besonders vermisst?

    Als Kind war diese Erfahrung sehr schlimm für mich. Immer wieder neue Städte, neue Länder und neue Sprachen. Immer wieder aus allem, was mir je Halt gegeben hat, rausgerissen werden. Ich hatte nie feste Freunde oder einen Ort, den ich „Zuhause“ nennen kann. Ich wusste auch nie, dass wir umziehen werden: Ich hab mich fertig gemacht für die Schule und hab plötzlich gemerkt, dass das nicht der Schulweg ist.. Dadurch konnte ich mich nie wirklich verabschieden.

    Heute denke ich etwas anders darüber nach – ich bin dankbar dafür, dass ich die Möglichkeit hatte, alle diese Orte zu sehen. Ich glaube tatsächlich sogar, dass all das genau richtig war, sonst hätte ich die Songs, die ich schreibe, nie so schreiben können, ohne all diese Einflüsse.

    „Ich liebe einfach Melancholie.“

    Wie hast du inmitten all dem zur Musik gefunden? Und welche musikalischen Einflüsse haben dich besonders geprägt?

    Musik war das einzige was, mir niemand wegnehmen konnte als Kind. Mich hat klassische Musik wirklich geprägt – diese Dramatik und Sinnlichkeit war schon immer meins. Mein Traum war es immer in einer Oper meine Songs zu singen. Aber natürlich habe ich auch schon immer Rihanna & Adele sehr bewundert, genau so Lana del Rey. Ich liebe einfach Melancholie.

    Kannst du dich noch erinnern als du deinen ersten Song geschrieben hast? Worüber war er?

    Ich habe schon nach paar Monaten in Deutschland angefangen Gedichte zu schreiben. Meine Lehrer haben die nie bewertet, weil sie mir unterstellt haben, sie nicht geschrieben zu haben, da eine 12 jährige in der fünften Klasse nicht dazu fähig wäre – vor allem nicht nach wenn sie erst seit 2 Monaten in Deutschland lebt. In dem Gedicht ging es um Verluste und den Neuanfang des Frühlings. Jetzt, wo ich darüber nachdenke, so ein bisschen wie mein neuer Song „Nur für dich“.

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    Worum geht’s in Nur für dich?

    Letztes Jahr hat sich jemand aus meiner Vergangenheit wieder gemeldet und wollte sich entschuldigen für die Dinge, die vor langer Zeit zwischen uns passiert sind. Wir standen uns gegenüber und das einzige, was ich gehört habe, waren die Blätter und der Wind. Er fängt an sich zu entschuldigen und mir zu sagen, dass er seitdem ein sehr schlechtes Gewissen hat und nachts nicht schlafen kann. „Kannst du mir verzeihen“, fragt er mich. Und das einzige, was ist höre ist, dass er sich besser fühlen will und es nur für sich macht. Hätte ich von seinen Tagen nicht erfahren, würde es ihm nicht leid tun. Am nächsten Tag war ich im Studio und die Fenster waren auf. Und plötzlich höre ich den Wind und die Blätter der Bäume und da wusste ich, dass das der Song wird.

    „Es ist okay, nicht zu verzeihen.“

    Was hast du aus dieser zerbrochenen, toxischen Beziehung gelernt?

    Dass ich keine Verantwortung für die Fehler anderer übernehmen muss. Es ist nicht meine Schuld, dass mir das passiert ist und es ist okay nicht zu verzeihen.

    Hast du Tipps oder unterstützende Worte für Leute, die in einer toxischen Beziehung stecken und es noch nicht rausgeschafft haben oder gerade dabei sind, sie zu verlassen?

    Es ist so schwer, weil es nicht „die eine Lösung“ dafür gibt. Aber ich kenne es, wenn man sich „wertlos“ fühlt und es einem eingeredet wird. Ich kenne es, wenn man sich die Schuld an allem gibt und das tut weh. Wenn ihr selbstlos seid, werdet ihr nicht dafür „mehr“ geliebt. Die Person wird sich dadurch nicht ändern. Wenn euch jemand so behandelt, dann nicht, weil ihr es verdient habt, sondern weil er einfach ein schlechter Mensch ist. Ich wünschte, das hätte mir jemand gesagt.

    Wie hat dir Musik geholfen, das alles zu verarbeiten?

    Ich schreibe unfassbar gerne. Ich hab tagelang oder sogar wochenlang jeden Tag so viel über den Schmerz, den ich in dem Moment gefühlt habe, geschrieben, bis ich mich etwas besser gefühlt habe. Schreiben heilt – manchmal hilft aber auch einfach in ein Kissen zu schreien. Oder halt mehrmals.

    „Azadi is my story: pain, resistence, rebirth.“

    Was sind deine weiteren Pläne dieses Jahr?

    Ich möchte öfters Live singen. Mehr auf die Bühne gehen und mir die Seele raussingen mit Menschen, die es fühlen oder auch mal so etwas erlebt haben.

    Die letzte Frage bezieht sich bei uns immer auf eine untold story. Das kann alles sein, was du noch nie in einem Interview erzählt hast, aber jetzt gerne loswerden würdest.

    Ich hab jahrelang gemalt. Viel abstrakte Kunst. Ich hab überlegt, Kunst zu studieren und ich lese sehr viele naturwissenschaftliche & philosophische Bücher.

    Hört hier in Verwelkte Rosen von ANTHI rein!

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  • Faravaz im Interview: »Through music, I fight for freedom, justice, and the right to exist as we are.«

    Faravaz im Interview: »Through music, I fight for freedom, justice, and the right to exist as we are.«

    Faravaz‘ musikalische Reise begann im Iran, wo Sologesang für Frauen verboten war und sie rechtlich gesehen nur als Backgroundsängerin auftreten durfte. „Jedes Mal, wenn ich zu einem Konzert ging, habe ich geweint“, erinnert sie sich. Sie wurde als Untergrundsängerin aktiv, nutzte Social Media, um ihre Musik zu verbreiten. Das führte zu ihrer Verhaftung und sie war gezwungen, ins Exil zu fliehen. In Berlin startete sie ihre Karriere neu, und ist nun kurz vor der Veröffentlichung ihres Debütalbums! Mit kraftvollen, provokanten Texten in Englisch und einer einzigartigen Mischung aus alternativer Popmusik und orientalischen Elementen gibt sie ihrer Geschichte und ihrem Aktivismus eine Stimme. Wir haben mit ihr über all das im Interview gesprochen.

    Faravaz im Interview

    Anna: Hey Faravaz, I hope you’re good! Since not everyone will know you, do you want to introduce yourself in a few sentences?

    
Hi! I’m Faravaz, an Iranian singer, composer, and activist currently living in exile in Berlin. My journey began in Tehran, where making music as a woman was nearly impossible. But I’ve never been able to stay silent – my voice is my weapon, and through music, I fight for freedom, justice, and the right to simply exist as we are.

    You are now releasing your very first debut album but your path to it has been the opposite of an easy one. Before we get into that though, how did you find your love for music? What is it in music that touches your soul and makes you not want to do anything else?

    In school singing for other students and in the car for my parents and sister when we were on the road. They loved me singing and that’s how I learned that I have a voice for singing.
    Music was always my escape. Even as a little girl, when I wasn’t allowed to sing in public, I would hum melodies to myself, imagining a world where I could be heard. Music doesn’t just express my emotions – it becomes them. It’s my way of surviving pain, celebrating resilience, and connecting with something deeper than words.

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    „I had no choice but to go into exile.“

    Growing up as a woman in Iran, you being were heavily restricted from making music and singing on stage – unless you performed as a background singer. How did you deal with that struggle?

    
It was heartbreaking. Being told that your voice is a threat just because you’re a woman – it stays with you. But I never gave in to silence. I performed underground, behind closed doors, wherever I could. And I always knew: one day, I would sing freely. It always made me cry watching my male friends on stage singing in Iran!
    And I never could understand what is the difference between our voices. But also was hard to see that most of the men in my country didn’t really stand for us female singers. We were their friends, fan and colleagues…

    Were you scared for rebelling the restrictions by going into the underground? How did your family and friends react?

    Of course I was scared. Every performance felt like a risk. But I couldn’t live in fear forever. My family was torn – some were terrified for me, others proud. But they all knew: music is who I am.

    What happened then?

    Eventually, the fear caught up with me. I was arrested, interrogated, threatened and sentenced to one year of prison because of only singing. I knew I couldn’t stay if I wanted to keep creating, so i had to decide between going to prison or living in exile. So I left Iran. I had no choice but to go into exile.

    „It fuels my fire.“

    You’re living in exile in Berlin for a couple of years now. How did the city welcome you? What are the things you miss most about Teheran?

    
Berlin gave me space to breathe and create again. And to be me, more than ever in my life.
    I found my best friends in Berlin. I am loved and supported here. It’s a city full of contrast and courage. But I miss Tehran’s warmth, the smell of my mother’s cooking, the chaos of the bazaars, the mountains, my people and of course speaking Farsi.

    You continued to make music here, already releasing a couple of songs the last years. One of them is Ey Iran. What are the things you’re telling your home country in that song? Does it make you more angry or more sad?

    Ey Iran is my love letter and my cry. It’s filled with grief – for what we’ve lost – and rage, for what we continue to endure. It makes me sad, yes, but mostly it fuels my fire. I sing it with hope that one day we can return to a free Iran.

    Another song is Enemy Of God, where you sing “If god gave a man all the power | Then why you killing women like a coward | Condemn us to death from your tower”. How would you describe your relationship to religion?

    My relationship to religion is not good. I grew up surrounded by faith used as a tool for oppression. I believe religion always been weaponized against human specially women, flinta and queer people, and I also believe patriarchy needs religion to create more borders, taboos, hate and war! This song was dedicated by me to all the political prisoners who stands for humanity and dignity all around the world.

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    „Azadi is my story: pain, resistence, rebirth.“

    You also continue to be very passionate about human rights, especially for women and queer communities in the Middle East. As the founder of the non-profit organisation The Right to Sing e.V., you fight to make marginalised groups heard. What can you tell us about that?

    The Right to Sing is more than an organisation – it’s a movement. We work to give voice to those forced into silence. Whether you’re a woman, queer, exiled, or censored, your voice matters. We create platforms, offer workshops, and build communities that reclaim the right to be loud. Also sponsoring Iranian and Afghan female singers who are still living in Iran and Afghanistan.

    On May 11th you will finally release your debut album Azadi (Freedom in Farsi) – how excited are you for the release? What are the things that were the most fun but also challenging when making it?

    ’m beyond excited—it still doesn’t feel real. Azadi is my story: pain, resistance, rebirth. The fun part was collaborating with other artists who felt the same fire. The hard part? Revisiting my traumas to turn them into sound. But that’s also what made it healing.

    This isn’t just a concert – it’s a celebration of survival.“

    On the same day, May 11th, you will perform the release concert in SO36 – it will be a beyond special moment for you, I’m sure. You’re also premiering your documentary The Orange Garden, a film that captures your imprisonment, exile and resilience. What would you tell people, who haven’t got a ticket yet – what will make this evening so special that they should come?

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You come to my concert to celebrate my residence, a women who is singing at her first solo concert after 35 years!
    I have fight with my love to see this moment.
    This isn’t just a concert – it’s a celebration of survival. It’s a night where every note carries a story of defiance. The documentary is deeply personal, and I’ve never shared this much before. If you want to witness the truth behind the headlines, and feel the power of freedom in music – come. Be part of it.

    For our last question we always ask for an untold story – is there something you haven’t told in an interview before and want to get off your chest now? Could be literally anything.

    Honestly I am truly scared and stressed when I am thinking about my future and my music career in exile!
    To be weird, loud and straight to the point! Already being a refugee, woman, fat and a person in colour make it hard to have peace and safety. And my music and character might make it even more scary…
    But that’s my goal in my life. To live and be myself as it’s possible.

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    Fotocredit: Beyond Binary

  • Soft Loft im Interview: »Wenn plötzlich irgendwo in Dänemark Menschen deine Songs mitsingen, ist das ganz verrückt – verrückt schön.«

    Soft Loft im Interview: »Wenn plötzlich irgendwo in Dänemark Menschen deine Songs mitsingen, ist das ganz verrückt – verrückt schön.«

    Soft Loft sollten alle die von euch kennen, die sich wie wir knee-deep in der Newcomer-Indie-Bubble bewegen. Wir haben sie euch auch schon als einer unserer Artists To Watch 2024 vorgestellt und eigentlich ist der Begriff „Newcomer“ auch bald überfällig. Falls ihr noch nichts von der Band mit dem wunderschönen Namen Soft Loft gehört habt, dann findet ihr hier euer nächstes Indie-Wunder aus der Schweiz, das ihr beim Durchbruch begleiten könnt. Nach ihrem Debütalbum The Party And The Mess, haben sie letzten Freitag ihre neue EP Modern Roses veröffenlicht. Wir haben mit ihnen über all das gesprochen, was die EP begleitet – unter anderem die 46 starke Sommer- und Herbst Tour, die sie letzte Woche angekündigt haben. 2025 ist das Jahr von Soft Loft und wir sind bereit!

    Soft Loft im Interview

    Anna: Hey! 🙂 Ein paar Tage vor eurem EP-Release und kurz nach Ankündigung einer riesen Welle Live-Termine, wie fühlt ihr euch gerade?

    Jorina: Wir sitzen gerade im Auto auf dem Weg ins Studio, um neue Songs aufzunehmen. Deshalb kommt gerade alles zusammen, aber alles, was passiert, fühlt sich sehr gut an. Wir freuen uns mega, dass die EP nun endlich mit der Welt geteilt werden darf und wir dann auch im Herbst groß auf Tour gehen, um sie auch live zu spielen. Die Herbsttour ist für uns ein Riesentraum und fühlt sich noch sehr surreal an.

    Ihr seid schon eine Weile zusammen Soft Loft – bisher noch in Eigenregie, mit der neuen EP jetzt bei PIAS gesigned. In wenigen Jahren seid ihr von kleinen Shows in der Schweiz zu mehreren Clubshows in ganz Europa gewachsen! Wie habt ihr selbst die Entwicklung eurer Band die letzten Jahre wahrgenommen?

    Irgendwie fliegt die Zeit gerade an uns vorbei. Es passiert super viel und wenn wir so zurückblicken, haben wir schon ordentlich Kilometer und Erfahrungen hinter uns. Und trotzdem fühlt sich auch alles noch sehr neu und aufregend an. Unser gemeinsames Wachsen fühlt sich aber sehr natürlich und nicht nach allem auf einmal an. In Gesprächen und auch in unserer Musik spüren wir die Entwicklung dann aber schon sehr, haha. Einerseits sind wir als Band in den letzten Jahren mega fest zusammengewachsen, wir kennen uns immer besser und sind durch die viele gemeinsame Zeit, die wir miteinander verbringen, auch quasi dazu gezwungen gut miteinander zu kommunizieren. Andererseits fühlt sich unsere Musik auch immer reifer und besser an über die Jahre. Und auch live wird das Ganze nach 45 Shows im Jahr natürlich schon immer besser hehe.

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    „Wenn sich Musik so anfühlt, ist das doch das Schönste.“

    Soft Loft hat schon immer als Live-Band funktioniert. Was macht euch am meisten Spaß auf der Bühne? Gibt es Momente, an die ihr euch heute noch gerne erinnert?

    Ich persönlich kann gar nicht genau beschreiben, was mir am meisten Spass macht. Ich glaube zu spüren, dass die Zuschauer*innen dabei sind und dass unsere Musik ihnen gut tut. Das ist ein schönes Gefühl. Wenn du plötzlich irgendwo in Dänemark ein Konzert spielst und Menschen deine Songs mitsingen, ist das schon ganz verrückt – verrückt schön. Erst neulich ist nach dem Konzert jemand zu mir gekommen und meinte unsere Musik hätte sie grad kurz wieder zusammengeflickt. Wenn sich Musik so anfühlt, ist das doch das Schönste. Als Band kommen wir auch immer mehr an auf der Bühne, wir fühlen uns immer wohler und es geht auch einfach darum gemeinsam Spaß auf der Bühne zu haben. Es muss nichts perfekt sein, obwohl viele in der Band zum Perfektionismus neigen 😉

    Ich hab mich letztes Jahr Hals über Kopf in euer Debütalbum The Party And The Mess verliebt. Wo setzt die neue EP Modern Roses an? Nach der Party?

    Oh wie schön! Modern Roses probiert mehr aus und ist vielleicht fast mutiger als The Party And The Mess. Auf Modern Roses stelle ich mir viele Fragen bezüglich Zuneigung, die modernen Rosen sollen aber noch immer umarmend sein, vielleicht so wie sich Zuneigung halt anfühlen soll. Nachdem wir unser Debütalbum released hatten, hat sich das Schreiben irgendwie noch freier angefühlt, der Druck von dem ersten Eindruck war weg und wir wussten, die Leute wissen jetzt irgendwie was Soft Loft ist, und wir können mit den nächsten Songs noch weiter in andere Richtungen gehen und anknüpfen.

    „Und, wie klingt es?“

    Kannst du den Prozess hinter den neuen Songs ein wenig beschreiben? War er anders als bei eurem Album?

    Es ging alles viel schneller. Wir haben uns sehr schnell ein Datum gesetzt, um ins Studio zu gehen und quasi diese 6 Momentaufnahmen mitgenommen. Es war wie oben beschrieben viel weniger Druck auf den Songs. Nicht, dass wir den beim Album sehr verspürt hätten, aber irgendwie waren wir alle befreiter von „das muss jetzt richtig gut werden, weil das unser erstes Album wird„. Die Einstellung war mehr „wir machen gerade Musik, die sich für uns gut anfühlt und wenn es verträumter, weirder ist als das Album ist das total egal“. Zum Album zurückgehen kann man ja immer. Zudem haben wir für die EP-Songs alles selbst gemacht! Wir wollten nach dem Prozess mit unserem Produzenten, mit dem wir die Arbeit geliebt hatten, auch hier aber wieder wissen: wie weit kommen wir, wenn wir das alles allein machen? Und wie klingt es?

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    Habt ihr einen Lieblingssong auf der EP? Und warum?

    Ich glaube alle haben einen anderen Lieblingssong aber Can, Paper Plane und Le Parfait sind wohl weit vorne im Rennen. Für mich persönlich fühlen sich Can und Paper Plane je nach Stimmung am besten an. Can gibt mir Comfort an einem eher nachdenklichen Tag und Paper Plane tanzt mit mir durch den sonnigen Frühling.

    In Modern Roses geht es viel um zwischenmenschliche Beziehungen. Findet ihr, dass es schwieriger geworden ist, sich zu finden und verbunden zu fühlen?

    Ich kann nur für mich sprechen, aber das passt glaub auch ganz gut, da ich die Texte schreibe, haha. Ich denke, die anderen aus der Band sehen das nicht alle gleich. In Bezug auf Dating finde ich es persönlich super schwierig, sich zu finden: es gibt zwar sehr viele Optionen, die unterstützend sein sollen, aber einfach jemanden kennenlernen da draussen ist irgendwie kein Thema mehr. Und wenn du dann nicht gerade matchst mit all den Optionen, wirds schwierig.

    Was ist das süßeste/liebste, was je jemand für dich gemacht hat?

    Ich hab eine Zeit lang Gedichte bekommen; das war sehr cute. Aber wir sind froh um jegliche Tipps für Modern Roses! (Notfalls sonst auch immer Paper Planes)

    „Wir fühlen uns alle mal verloren, aber gemeinsam verloren zu sein, ist immer besser.“

    Wir haben alle ein bisschen das Gefühl, verloren zu sein in dem Strudel des Erwachsenenwerdens – gibt es Dinge, die euch geholfen haben, die ihr teilen könnt? Mit welchen Dingen fühlt ihr euch noch immer überfordert?

    Ja! Die beste Medizin hierzu, glaube ich, ist, sich damit nicht alleine zu fühlen. Wir fühlen uns alle mal wieder verloren, aber gemeinsam verloren zu sein, ist immer besser. Und was auch hilft, ist Musik. Sich durch Musik verstanden fühlen und sich somit nicht alleine fühlen, hilft mir persönlich auch oft. Und Laufen! Ich habe die letzten Monate gemerkt, wenn ich mich schlecht fühle, kann ich das manchmal auch einfach weglaufen und fühl mich danach besser. Und wenn du dich wirklich absolut überfordert fühlst, sprich mit deinen Freundinnen oder einer Psychologin, das ist nicht schlimm, für das sind die ja da 🙂

    Vielleicht seid ihr das zu oft gefragt worden und es ist ein wenig offensichtlich, aber wie seid ihr auf den Bandnamen Soft Loft gekommen? Er geht einfach genauso schön und sanft über die Lippen.

    Werden wir tatsächlich in fast jedem Interview gefragt, aber was gibt es auch Spannenderes als die Herkunft eines Namens zu wissen, haha. Der Name ist eigentlich auch irgendwie random entstanden: Wir waren aktiv auf der Suche nach Bandnamen und ich habe damals mit meiner Mitbewohnerin mit einem Bandnamengenerator rumgespielt und plötzlich war da das Wort „soft“, das ich irgendwie sehr passend gefunden hab und dann kam noch „loft“ dazu, um den Namen zu vervollständigen und irgendwie passt der Name jetzt ganz gut.

    Die letzte Frage bezieht sich bei uns immer auf eine untold story. Das mag eine Anekdote aus dem Studio, eine Empfehlung von Herzen oder etwas komplettes Random sein. Hier ist euer Space:

    Untolder geht nicht: eine Songzeile aus einem noch unreleasten Song:


    oh love, keep calm
    the world will not stay mad
    oh love, be smart
    the world will not stay mad

    <3

    Fotocredit: Flavio Leone

  • Oehl im Interview: »Zu lieben in jeder Facette ist ein Risiko«

    Ein Ausdruck von Zuneigung und spätestens seit Shirin David fester Bestandteil der Jugendsprache – „lieben wir“ heißt das zuletzt veröffentlichte Album des österreichischen Musikers Oehl, das die Liebe zum Leitmotiv macht und uns musikalisch umarmt, bis wir uns nicht mehr ganz sicher sind – Ist das aufsteigendes Fieber oder haben wir uns gerade frisch verliebt?

    Im Interview sprechen wir über den vergangenen Konzertabend in Berlin, Lieblingsfarben, lange Songtitel und warum „Grower“ die besseren Songs sind. Lieben wir!

    Oehl im Interview

    Lucas: Ich habe es leider verpasst, als ihr letztens in Berlin wart, wollte aber eigentlich unbedingt kommen, weil ich im letzten Jahr bei deinem Konzert in Berlin war und das als eines meiner schönsten Konzerte des letzten Jahres abgespeichert habe, weil ich die Stimmung so schön fand. Das war im Franz Club. Wie hast du das Konzert in Erinnerung?

    Oehl: Das war echt schön. Frannz Club war gut, wir waren jetzt im Säälchen und ich fand das eigentlich die perfekte Location.

    Lucas: Weshalb?

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    Oehl: Es ist ein Neubau, aber sie haben sich redlich bemüht, dass der ganze Vibe von diesem Areal nicht so wie ein Neubau wirkt, sondern gewachsen, auch das Gebäude selber. Es ist akustisch sehr toll, es hat eine Größe, es ist sehr hoch, es hat eine Galerie, also man kann oben stehen, unten stehen. Es hat eine Größe von der Wirkung her, aber auch mit weniger Leuten würde es funktionieren. Bei uns war es voll, aber ich glaube, es ist eine gute, dynamische Location, die auch frei steht. Und ich liebe das ja, wenn Häuser freistehen, wenn man von allen Seiten quasi reingehen kann. Du kannst ebenerdig rein, es ist sehr luftig und es vibed irgendwie Ballsaal, obwohl es ein Neubau ist. Und das finde ich, ist eine Kunst architektonisch. 

    Lucas: Jetzt beschreibst du vor allem das Gebäude. Hast du einen Unterschied wahrgenommen zwischen der Stimmung im Frannz Klub war und jetzt im Säälchen?

    Oehl: Ich glaube, als wir im Frannz Club gespielt haben, war es Weihnachtszeit. Kann das sein? Und dementsprechend war davor so ein Weihnachtsmarkt auf diesem Areal und jetzt haben wir halt Frühling. Das heißt jetzt hatten wir noch Leute draußen sitzen vor dem Konzert auf der Straße mit ihrem Bier oder haben gerade was gegessen. Und es ist so diese wir-können-draußen-sein-und-hängen-ab-Stimmung im Vergleich zum Weihnachtsmarkt, was auch anders ist. In der Weihnachtszeit erwarten die Leute immer ein bisschen mehr Besinnlichkeit. 

    Ehrlicherweise funktionieren unsere Konzerte auf Tour immer sehr gut und es sind nicht alle Leute sehr auf eine andere Art beseelt, würde ich sagen. Es gehen immer alle recht mit. Und die Dynamik? Ich glaube, es ist halbwegs gelungen, dass wir so ein Programm machen, was von der Dramaturgie ganz gut funktioniert. Ich finde ja immer, dass Konzerte nicht nur die Songs sind und die Performance, sondern auch wie man den Bogen schafft und was man rundherum erzählt. Und das ist dieses Mal ganz gut gelungen, finde ich. Ich meine, im Frannz Club hatten wir auch eine Art von Dramaturgie, falls dir das in Erinnerung ist, einfach wie wir die Show strukturieren, wo wir Lachmomente setzen oder wann es auch ein bisschen traurig wird. Und das haben wir diesmal, glaube ich, nochmal ein bisschen verstärkt. Diese Gedanken mache ich mir eigentlich ganz gerne. 

    „Ich glaube, es gibt keine Jahreszeit, in der das Thema des lieben üben nicht relevant ist“

    Lucas: Du sprichst gerade auch die Jahreszeit an, als die Konzerte stattfanden. Inwiefern würdest du sagen, dass dein beziehungsweise euer neues Album vielleicht auch zu der aktuellen Jahreszeit passt, Anfang Frühling?

    Oehl: Ich glaube, es gibt keine Jahreszeit, in der das Thema des lieben üben nicht relevant ist. Und gerade im Frühling fällt es vielleicht leichter, weil dann öffnet man sich wieder und kommt aus der Winterdepression raus. Aber ich halte es eigentlich für die falsche Frage, weil es ja gerade Ende November oder vielleicht Anfang Januar, wo man irgendwie triste ist und die Welt noch sehr grau ausschaut, Musik braucht, die einem nicht diese triste Welt spiegelt. Also ich glaube, das ist auch ein bisschen für mich ein Thema auf dem Album. „Keine Blumen“ ist ja doch irgendwie ein Abschiedsalbum auf eine Art und es ist doch irgendwie sehr traurig von den Texten her und nimmt sich so politischen Dingen an und ist dann auch noch ein bisschen persönlicher. Und auf „lieben wir“ dachte ich so – Boah, ich glaube, ich brauche nicht noch ein Album, wo mir jemand von Selbstzweifeln und Depressionen oder von der gespaltenen Gesellschaft erzählt.

    Ich sehne mich halt einfach nach einem Album, das so sagt – Hey, nehmen wir uns an der Hand, stellen wir uns im Kreis und haben uns lieb, so dumm es klingt. Und natürlich ist das nicht trivial und natürlich auch nicht einfach, weil ein Album, das genauso klingt, wird nach zwei Songs langweilig. Dann klingt es halt so wie triviale Hippiemusik oder so. Deswegen hat dieses Thema Lieben schon ein bisschen so einen gesellschaftlichen Anspruch auch.

    Lucas: Darf ich dich fragen, ob du eine Lieblingsfarbe hast und wenn ja, welche? 

    Oehl: Momentan ist es natürlich rot, weil auf dem Album sehr viel rot passiert und ich habe mir vorgenommen, jeden Tag irgendetwas Rotes zu tragen und ich glaube, ich ziehe es auch durch. Es ist dann manchmal nur so ein Halstuch oder Socken oder ein Cap. Das gibt mir eine gute Laune und Ich kriege gutes Feedback. Ich würde sagen rot als Lieblignsfarbe: Ja! Also ich habe ganz viel blaue Sachen in der Wohnung. Die habe ich aber eingerichtet, als das letzte Album dran war und das war blau. Muss ich jetzt umsatteln auf rote Sachen? Also, ich habe tatsächlich viele blaue Dinge im Zimmer hier. 

    Lucas: Würdest du sagen, es war erst die Farbe rot da oder erst das Album? Hat die Farbe das Album geprägt oder ist die Farbe aus dem Album heraus entstanden?

    Oehl: Ich glaube, die Sachen sind gleichzeitig entstanden, weil ich habe ja kein Album geschrieben, das „Liebe“ heißt, sondern ich habe halt Songs geschrieben. Ich schreibe irgendiwe immer Songs und irgendwann hab ich gedacht – was ist denn so eine verbindende Klammer von vielen Songs, die schon da sind? Gerade mit einem Song wie „I Love You“ oder „In diesem Jahr reden wir nur gut voneinander“ – das sind schon Themen, die zwangsläufig mit zwischenmenschlicher Liebe zu tun haben.

    Und dann war ich gerade in Berlin Mitte spazieren, weil ich irgendwas abholen musste vom Shop, was es nur dort gibt. Das mache ich dann einmal im Jahr und ich kann mich erinnern, dass ich mir immer sehr viel auch über visuelle Themen Gedanken mache. Und ich dachte, wenn das jetzt ein Liebesalbum ist, wie kann man das visuell erzählen? Dann war ich so – perfekt, es muss einfach in jedem Video irgendetwas Rotes vorkommen und dann ist es erzählt. Also wie ein roter Faden, der sich durchzieht. Das war für mich, glaube ich, das Rot, mehr als das Konzept. Und es ist auch praktischer. Wenn du sagst, dein Thema ist schwarz und du hast in jedem Video oder Foto, das du machst, etwas Schwarzes – es wird dir nicht auffallen. Es wird auch etwas Blaues nicht auffallen. Aber neongrün oder starkes Rot in jedem Foto erkennst du, du spürst das.

    Ich glaube, mein erster Ansatz war auch, ein Cover zu machen, das so ein bisschen „brat“ (Charli XCX) ist. Also im Sinne von einer starken Farbe und dann Text drauf. Aber ich fand das dann ein bisschen zu wannabe auch so konzeptionell zu sein. Dachte ich so, irgendwie hätte ich dann trotzdem gerne ein bisschen ein fühligeres Cover. Also tatsächlich habe ich auch viele Covers gemacht mit meinem besten Freund, Fotograf und mit meiner Stylistin. Und es wurde dann das Cover. Weil alle Leute, die ich in meinem Umfeld gefragt habe, gesagt haben, es gefallen ihnen die anderen teilweise besser, aber das ist irgendwie emotionaler und sie können es gar nicht einordnen. Also rein nach logischen Gesichtspunkten ist das nicht Ihr Lieblingscover. Sie finden es ganz schön, aber emotional macht es was mit ihnen. Das fand ich dann irgendwie einen guten Punkt.

    Das mag ich auch an diesem Konzept nicht, dass das Konzept halt ein Konzept ist und es bleibt ein Konzept. Die neue Platte von Bon Iver versucht ja auch so stark „brat“ zu sein mit diesem Quadrat auf diesem Millennial Pink von 2019. Das will halt irgendwie ganz viel. Dann dachte ich, nehmen wir ein Foto, das emotional was macht, aber nicht in die Fresse sagt: das ist es und du musst jetzt mein Konzept hier – sei geil dabei.

    Es ist eher so ein Gefühl und entweder du fühlst oder du fühlst es nicht, ist auch okay. Und natürlich ist es auch eine Umarmung auf dem Cover, wie es auch schon 2020 mal gab bei einer EP und das fand ich irgendwie auch ganz schön, diese Motive wiederkehren zu lassen. Ja, also. Also die Farbe Rot hat sich dann doch ziemlich entwickelt, zum Cover zum Beispiel.

    „Diese Grower auch als Beweis, dass Musik nicht immer über Playlists funktionieren muss“
    Oehl, Tim Cavadini, Interview, Album, Lieben wir, Konzert, Untoldency, online Blog, Music

    Lucas: Das klingt alles sehr plausibel. Ich habe dich ursprünglich mit „Keine Blumen“ entdeckt. Und seitdem ist es so, dass immer wenn ich neue Songs höre, ich kurz denke. Es überzeugt mich beim ersten Hören nicht so sehr wie ältere Tracks. Und dann weiß ich mittlerweile, dass ich noch ein, zwei Mal reinhören muss bis alles so langsam aufgeht. Ein bisschen auch wie eine Blume, die langsam aufblüht, spüre ich allmählich den Gehalt der Songs und verliebe mich dann immer doller. Mittlerweile höre ich deine aktuelle Platte und habe das Gefühl, jeder Song ist ein Ohrwurm, der nicht aus meinem Kopf rausgehen will. Ist es dir lieber, dass deine Songs Grower sind, die Zeit brauchen, um anzukommen? Oder Hits, die sofort bei den Zuhörenden ankommen.

    Oehl: Ich glaube, es ist auch wieder die falsche Frage, weil im Endeffekt wünsche ich mir, dass ich Musik machen kann, wie sie gerade rauskommt und wenn ich sie nicht konstruieren muss, sondern wenn ich sie einfach intuitiv mache und sie auch mir authentisch entspricht. Dann sind es einfach eher Grower. Ich glaube, weil ich selber auch Musik höre, die sich einfach beim ersten oder zweiten Mal nicht erschließt, die man paar Mal hören muss – also aus meiner eigenen Hörgewohnheit. Insofern wünsche ich mir von mir, dass ich zulassen kann, nicht an einem Beat so lange zu schrauben, bis ich das Gefühl habe und jetzt, jetzt ist er Radio. Das ist aber eher ein Wunsch an mich selber, als was beim Publikum ankommt.

    Es ist ein ziemliches Glück, dass ich von der Musik leben kann. Das kann ich gerade, aber es ist mir auch ein bisschen wurscht, welcher Song jetzt mehr gehört wird oder welcher weniger. Unterm Strich muss ich die Rechnung ausgehen. Ich bin jetzt auch nicht beleidigt, wenn das Album dann ganz wenige Leute hören. Es tangiert mich echt wenig. Zahlen generell sind mir einfach egal. Also ich denke mir, ich finde es toll, wenn andere Künstlerinnen, die in der Szene sind, dann größer sind oder ich. Solange ich irgendwie davon leben kann und solange ich das machen kann, ist es mir ein bisschen wurscht.

    Was mich freut, ist immer, wenn ich das Gefühl habe, dass Leute auf diese Grower draufkommen. Ich merke das ja auf Spotify. Da gibt es immer die Singles. Am Anfang haben die am meisten Plays und dann gibt es diese Grower. Beim Album „Keine Blumen“ war das zum Beispiel „Was Bleibt“. Der war nicht Mal auf dem Album, der ist auf der Vinyl gar nicht drauf. Der ist auf der Extended Edition vom Album auf Spotify ein paar Wochen später gekommen, ohne große Ankündigung, der war einfach da und der hat dann sukzessive die anderen Songs überholt. Ich glaube „Schönland“ hat noch mehr Plays und noch einer, aber dann kommen nicht die anderen Singles, dann kommt diese Extended irgendwas „Was Bleibt“, einfach weil Leute den gehört haben und zu ihren Playlists hinzugefügt haben.

    Und sozusagen diese Grower auch als Beweis, dass Musik nicht immer über Playlists funktionieren muss und über Editorial und über Marketing. Weil es für den Song eben kein Marketing gab – den Grower als Bestandteil dieses algorithmischen Denkens mag ich gern. Weil es haben dann genug Leute den so oft gehört, dass Spotify Radio gesagt hat: Na gut, dann spielen wir den halt noch mehr Leuten ab, probieren wir das mal aus. Füttern wir diesen nichtexistenten Single-Song Leuten und plötzlich hören das Leute. Also ja, du hast mir eine eindeutige Antwort entlockt – The Grower!

    Lucas: Beim Hören deines Albums ist mir noch aufgefallen, dass ich ausschließlich weiblich gelesene Features sehe, mit Ami Warning und Eva Riegel (Juli) und dich auch einige weibliche Stimmen auf dem Album supporten, die dann nicht immer als Feature angegeben sind. Würdest du sagen, es ist eine bewusste Entscheidung gewesen, weiblich gelesene Personen auf das Album zu holen oder war es eher ein natürlich gewachsener Prozess?

    Oehl: Tatsächlich, es ist eher Zufall. Also, ich arbeite schon die letzten Jahre einfach gerne mit Leuten zusammen. Zuletzt gab es ein Feature mit Maeckes auf seinem Album oder auch mit der Band Juno. Es gab aber eben auch vorher schon ein Feature mit Mola, jetzt halt mit Ami Warning und Eva Briegel slash Juli. Und den Song haben wir dann eben auch aufgenommen mit Jonas von Juli. Ne, es ist eigentlich keine bewusste Entscheidung. Es gibt einfach Menschen, mit denen ich sehr gut arbeiten kann und das sind tatsächlich für mich oft weibliche Personen, aber eher aus dem heraus, das wir gut viben und das ist dann tatsächlich auch Zufall.

    Nach unserem ersten Album haben wir eine EP rausgebracht, wo es Coverversionen von den Songs vom ersten Album gab. Da haben wir bewusst weibliche Personen gesucht oder FLINTA*-Personen, die diese Alben covern, weil wir dachten, jetzt sind wir ein Boys-Duo. Wäre es nicht spannend eine andere Seite der Songs zu hören? Da war es eine bewusste Entscheidung, also 2020. Mira Lu Kovaczum Beispiel ist dabei. Und andere, die die Songs covern. Das ist ein bisschen untergegangen, auch in Corona, aber das war ein schönes Projekt. In meiner Live-Band zum Beispiel haben wir auch eigentlich eine Quote. Mir ist wichtig, dass die Hälfte, die auf der Bühne stehen, keine Dudes sind, weil es auch Repräsentation bedeutet.

    Am Album selber fand ich es dann eher, wie es im Prozess sich gut ausgeht. Weil das Kuratieren von den Songs, die übrig bleiben, soll keine Agenda haben. Jetzt ist halt zufällig so, ich habe auch mit Bruckner an einem Song gearbeitet, der es noch nicht drauf geschafft hat. Mal schauen, wann der kommt. Also kann sein, dass die nächsten fünf Features dann nur mit Männern sind, aber ich bezweifle es. Also, es stecken bewusste Entscheidungen auch hinter Zufällen.

    Lucas: Gibt es wiederkehrende Motive auf dem neuen Album, die du womöglich auch erst im Nachhinein entdeckt hast oder die dir im Prozess aufgefallen sind.

    Oehl: Lange Titel sind wiederkehrend: „ich weiß nicht wie man jemand bittet zu bleiben“, „in diesem Jahr reden wir nur gut voneinander“, „Nett hier, aber waren sie schon mal in Therapie?“, „Kleinigkeiten, die keine sind“. Also schon so ein bisschen sperrig, schon so ein bisschen Hirnwichserei diese Titelgebung – hätte man auch abkürzen können. Tatsächlich hatten wir noch viel länger Songtitel: „Eine Umarmung, die genau die richtige Temperatur hat“ hieß der Song (lacht). Aber das war dann auch so, dass das Label gesagt hatte, magst ihn nicht einfach „Eine Umarmung“ nennen. Wobei „Eine Umarmung, die genau die richtige Temperatur hat“ eigentlich mehr on Point ist.

    Wie gesagt, mir ist mittlerweile auch diese Idee wurscht von wie lässt es sich vermarkten. Wenn ich gerade Lust drauf habe, mache ich es und das ist vielleicht auch entspannend, dass ich weiß, ich werde nie in der Größe von „Provinz“ ankommen, weil es mich auch nicht interessiert und weil ich es auch nicht könnte. Also, gar nicht negativ. Aber das heißt, ich kann ein bisschen mehr machen, was ich will. Und wenn ich gerade Lust auf lange Titel habe – das beruhigt mich gerade sehr.

    Aber apropos wiederkehrende Motive, ich arbeite gerade an einem Weihnachtsalbum, das noch dieses Jahr kommen soll. Und da wird es ein großes, wiederkehrendes Motiv geben, nämlich ein Weihnachtsgefühl in jedem Song, was auch immer Weihnachten heißt. Meine Familie feiert gar nicht zu Weihnachten. Meine Mutter feiert nicht Weihnachten, mein Papa manchmal. Also, ich bin jetzt kein Traditionalist in der Hinsicht, aber ich gehe dem nach. Gibt es sowas wie ein Gefühl von Weihnachten, was verbindend ist und was Leute auch nostalgisch empfinden im Positiven. Und da mache ich ein ganzes Album dazu mit 24 Songs. Da setze ich sehr viel stärker auf wiederkehrende Motive.

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    „Für mich ist es ein echtes Lachen, wenn man das Foto nicht löschen will, weil es irgendwie doch so nett ist. Egal, wie man sich drauf gefällt.“

    Lucas: Ich singe sehr gerne auch Lieder nach, die mir gefallen. Und der Song, den ich zuletzt gesungen habe, der von deinem Album stammt, ist „Ein echtes Lachen“ und passend zum Titel möchte ich dich fragen, was für dich ein echtes Lachen auszeichnet.

    Oehl: Ein echtes Lachen ist sowas, wenn man ein Foto davon macht, das ist den Leuten nicht mehr unangenehm. Wenn Leute sich so verlachen oder beim Essen sind, wenn es nur halbe Bewegungen sind, dann ist es Leuten meistens unangenehm oder sie finden, sie sehen nicht gut aus, löscht das. Aber wenn es ein echtes Lachen ist, so ein strahlendes, wo wie so ein Blick in so ein inneres Kind geweckt wird, was einfach herzlich ist, dann erkennen die Leute, wie schön sie sind, weil sie irgendwie strahlen. Für mich ist es ein echtes Lachen, wenn man das Foto nicht löschen will, weil es irgendwie doch so nett ist. Egal, wie man sich drauf gefällt. Das war jetzt eine spontane Antwort.

    Lucas: Eine spontane, aber sehr schöne Antwort. Dadurch, dass ich den Song gesungen habe, bin ich ein bisschen tiefer eingetaucht, als ich es sonst manchmal schaffe. Mir ist aufgefallen, dass die Melodien sehr schön zum Nachsingen sind, ich sie mir gleichzeitig aber auch aktiv anschauen musste. Sonst habe ich den Song nach ein paar Mal hören eigentlich im Kopf. Bei „Ein echtes Lachen“ musste ich wirklich schauen, wo wandert die Melodie als nächstes hin? Meine Frage ist ein, wie diese Melodien entstehen?

    Oehl: „Ein echtes Lachen“ ist tatsächlich eigentlich eine Neuinterpretation von dem Song „In drei Leben“ von OehlSingt: „Hätte ich drei Leben, würde ich den zwei leben … du wirst heute eine halbe Stunde lang genau mein Lachen.“ Ich dachte einfach, da ist noch mehr drin (lacht). Und diese Melodie wiederum – da hat irgendjemand auf Instagram mal, „da da da da da …“ (singt), irgendwas gespielt. Es war ein bisschen anders, aber ich dachte, wie kann ich das klauen, ohne es zu klauen? Also, im Endeffekt haben mir die Melodie und die Akkorde zusammen gefallen und ich habe das dann genommen und zwei eigene Songs daraus gemacht. Aber es ist nicht nahe genug dran, dass es irgendwie ein Copyright-Ding wäre, aber einfach Inspiration.

    Lucas: Ich denke, dass das auch ein Grund sein kann, warum deine Songs oft Grower sind. Weil es einen Moment braucht, um die Melodien zu verstehen und wahrscheinlich gilt dasselbe auch an anderen Stellen. Was es aber für mich dann auch als singende Person super spaßig macht, weil es gibt beim Nachsingen dann Dinge zu entdecken.

    Oehl: Ja, das ist schön! Also ich hatte zum Beispiel als Jugendlicher eine Radiohead-Phase. Die kommen ja jetzt wieder mit diesem ganzen Britpop-Rock Ding. Radiohead kommt gerade wieder voll oder ist schon wieder da. Ich glaube bei H&M gab es jetzt wieder ein Radiohead-Tshirt, wo du merkst, die sind wieder voll da. Ich habe viel Radiohead gehört damals, glaube ich, weil ich keinen Bock auf Radiomusik hatte. Und Radiohead ist unmöglich, beim ersten Mal gut zu finden. Ich glaube, es ist auch eine Distinktion in der Schule zu sagen, ich höre jetzt Musik, die wird keiner von euch verstehen. Man muss sich so eine Art „Taste“ erarbeiten. Das ist, wie wenn man 16 ist und zum Ersten Mal Wein trinkt. Da sagt ja auch niemand: „Hm, gut!“ Sondern das gehört zum Erwachsenwerden dazu, dass ich mir jetzt einen „Taste acquire“, dass ich mir das antrainiere.

    Das ist ähnlich bei Radiohead. Du musst halt drei, viermal hören und irgendwann ist es halt sehr gut vom Gefühl her. Ich glaube, deswegen neige ich vielleicht eher auch dazu, Produkte zu machen, die vielleicht beim ersten Mal bisschen „interessant“ sind. „Interessant“ kommt ja von „Interesse“. Das beschreibt es auch ganz gut. „Inter“ kommt von dazwischen sein und wenn ich es schaffe, bei dir als Rezipient, als Zuhörer ein Gefühl auszulösen von, „ich muss mich da erst mal reinbegeben oder es zwingt mich dazu Teil davon zu sein“, in deinem Fall weil du es nachsingst oder wer anderes nicht versteht, was ich singe und dann die Texte nachlesen muss. Also es zwingt die Person in eine Position, wo sie, wenn sie sich dafür interessiert, Teil davon werden muss auf eine Art und das verbindet aber emotional noch viel stärker.

    In dem Moment, wo du den Song schon gesungen hast, ist er irgendwie auch deiner. In dem Moment, wo du die Platte auseinandernimmst, Texte nachliest, verknüpfst du noch viel mehr Erlebnis damit. Ich glaube, dass diese Einladung auch Teil davon zu sein, das ausmacht, selbst wenn es nicht so viele Leute hören wie eine richtig große Band, die Leute, die es hören, aber vielleicht teilweise emotionalisierter sind dadurch. Das finde ich eine Qualität.

    Lucas: Das Schöne ist, dass du mir schon die Überleitung gegeben hast zu meinem Finale. Ich bin nämlich hauptberuflich Musiklehrer und kann dich darin bestätigen, dass Radiohead wiederkommt, weil gefühlt der meistgewünschte Song, den alle im Musikunterricht singen wollen „Creep“ ist. Daran knüpft auch meine letzte Frage, ein bisschen klischeemäßig, aber in dem Kontext womöglich ganz schön. Ich als Musiklehrer frage mich immer, was möchte ich den Schülerinnen aus meiner pädagogische Perspektive als Musiklehrer heraus mitgeben?

    Was würdest du gerne den Hörenden mitgeben mit deinem aktuellen Album?

    Oehl: Zu lieben in jeder Facette ist ein Risiko, Kinder haben macht die Welt schwerer, Liebe macht einen verletzlicher, immer, aber wenn man es nicht nicht ausprobiert hat, dann hat man vielleicht einfach das Leben nicht gekannt. Also das Risiko zu leben. Let’s go!

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    Fotocredits: Tim Cavadini

  • Derya Yıldırım & Grup Şimşek im Interview: »Kultur und Herkunft sind lebendig, sie entwickeln sich – und sie geben uns das Gefühl von Tiefe, Zugehörigkeit und Sinn«

    Derya Yıldırım & Grup Şimşek im Interview: »Kultur und Herkunft sind lebendig, sie entwickeln sich – und sie geben uns das Gefühl von Tiefe, Zugehörigkeit und Sinn«

    Derya Yıldırım & Grup Şimşek bestehen darauf, dass man, wenn man ein altes Volkslied spielt, etwas Neues beisteuern muss, „sonst könnte man genauso gut einfach die alte Platte auflegen.“ Seit mehreren Jahren beeinflusst die Band um Derya Yıldırım die Wahrnehmung türkischer Volksmusik in Deutschland und weltweit. In Hamburg geboren und mit vielen Instrumenten aufgewachsen, hat sie sich schon von früh an intensiv mit Musik beschäftigt – und was es mit ihr macht. Anlässlich ihren neuen Albums Yarın Yoksa haben wir mit ihr über die Bandynamik, Volksmusik als Spiegel der Gegenwart und die Verbundenheit über Musik gesprochen.

    Derya Yıldırım & Grup Şimşek im Interview

    Anna: Hey! Es ist gerade wahrscheinlich sehr viel los bei euch, könnt ihr uns einen Einblick geben in alles, was gerade passiert und wie’s euch geht?

    Derya: Wir sind gerade von unserer Album Release Tour zurückgekommen und immer noch total überwältigt von den ersten Konzerten mit dem neuen Album. Die Tour begann mit einem sehr besonderen Konzert in der Elbphilharmonie in Hamburg – das war ein wunderschöner Auftakt und ein ganz besonderer Moment für uns. Es gab viele Überraschungen und die Resonanz war einfach unglaublich. Ich glaube, wir müssen alle erst mal wieder ein bisschen runterkommen und alles verarbeiten. Gerade jetzt, in der kleinen Verschnaufpause vor den Frühlingskonzerten im Mai, fühle ich mich sehr beseelt und dankbar.

    Yarın Yoksa, so der Titel eures neuen Albums, ist nun seit etwa zwei Wochen erhältlich. Wie fühlst du dich damit, dass die neue Musik endlich in der Welt ist?

    Es ist wirklich aufregend, dass das Album jetzt draußen ist. Wir haben ziemlich lange daran gearbeitet, aufgenommen haben wir es schon letzten Sommer. Jetzt endlich die Musik teilen zu können, fühlt sich sehr besonders an. Vor allem, weil ich das Gefühl habe, dass diese Lieder den Menschen in der aktuellen Zeit Halt geben können. Die politische Lage, die Unsicherheiten – all das spiegelt sich in gewisser Weise auch im Album. Es hat eine bestärkende, fast tröstende Energie. Es ist Musik, die versucht, die Welt zu verstehen, sie zu beobachten, und gleichzeitig die eigene innere Stimme zu finden.

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    „Es war der Beginn eines neuen Kapitels für uns.“

    Wie war das Schreiben und Produzieren des Albums? Habt ihr einen Unterschied im Vergleich zu euren vorherigen Alben festgestellt? Gab es etwas, das ihr anders geplant (oder nicht geplant) habt?

    Ja, da gab es tatsächlich eine große Veränderung. Unsere bisherigen Alben haben wir alle selbst geschrieben und produziert, komplett als Band. Bei Yarın Yoksa war das zum ersten Mal anders: Wir haben bei Big Crown Records unterschrieben und mit Lein Michels als Produzenten gearbeitet. Wir schätzen ihn sehr und die Arbeit mit ihm im Diamond Mine Studio war eine ganz neue, bereichernde Erfahrung. Seine Perspektive hat uns in unserer Entwicklung sehr weitergebracht. Das war der entscheidende Unterschied bei diesem Album – und in gewisser Weise auch der Beginn eines neuen Kapitels für uns.

    Kannst du uns den Entstehungsprozess (eines) deiner Lieblingssongs auf dem Album erklären? Warum und wann hat dieser Song begonnen, sich für dich besonders anzufühlen?

    Ein Lied, das mir besonders am Herzen liegt, ist Bilemedim Ki – auf Deutsch: Ich konnte es nicht wissen. Der Song erzählt von einem lyrischen Ich, das in einem kleinen Boot sitzt, im Auge des Sturms, und der Kompass ist kaputt. Diese schwankende Bewegung – wie ein Boot auf dem Wasser – wollten wir unbedingt auch musikalisch spürbar machen, und dabei die inneren Ruhe nicht verlieren. Anstatt eine Demo vorzuspielen, haben wir im Studio spontan eine reduzierte Version gespielt – mit Rahmentrommel, ein paar Akkorden und einem einfachen Groove. Es ging uns vor allem darum, das Gefühl und den Kern des Refrains erfahrbar zu machen… Besonders war auch das Experimtieren mit dem Sound der Bağlama, wie sie zum Beispiel durch einem Oilcan effect Pedal aufzunehmen. Dadurch hat der Song einen schimmernden, fast träumerischen Klang bekommen. Es war einer der ersten Titel, die wir aufgenommen haben – und beim gemeinsamen Spielen entstand sofort eine besondere Magie.

    „Volksmusik ist kein Relikt aus der Vergangenheit, sondern ein Spiegel der Gesellschaft.“

    Ihr habt euch Musik immer aus einem ganz bestimmten Blickwinkel genähert. Was ist für euch so wichtig, wenn ihr traditionelle Musik in moderne Musik übersetzen? Ich glaube, man muss sehr behutsam vorgehen, um die Seele dieser Lieder nicht zu verlieren, ihnen aber dennoch eine neue Wendung zu geben.

    Für uns geht es gar nicht darum, traditionelle Musik modern zu machen – denn was bedeutet überhaupt modern? Volksmusik ist kein Relikt aus der Vergangenheit, sondern ein Spiegel der Gesellschaft. Sie war immer Ausdruck ihrer Zeit, ihrer Menschen, ihrer Kämpfe und Hoffnungen. In diesem Sinne ist sie auch heute relevant – vielleicht sogar notwendiger denn je. 

    Ein zentrales Anliegen für uns ist es, unsere eigene Sprache zu finden. Eine Stimme, die in unserer heutigen Gesellschaft schwingt und sich darin spiegelt. Die Volksmusik, insbesondere durch die Bağlama, ist ein wesentlicher Bestandteil unserer musikalischen Identität. Sie prägt unseren Sound, ohne dass wir sie „anpassen“ müssen. Es geht nicht um Tradition versus Moderne, sondern um das, was dazwischen liegt – um ein musikalisches Erbe, das weiterlebt, wenn man es ernst nimmt und ihm zuhört. Für uns heißt das: Kultur und Herkunft sind lebendig, sie entwickeln sich – und sie geben uns das Gefühl von Tiefe, Zugehörigkeit und Sinn. Das ist es, was wir mit unserer Musik ausdrücken wollen.

    Derya Yıldırım & Grup Şimşek, Yarın Yoksa, untoldency, interview, derya yilidrim

    Wie seid ihr zum Musikmachen gekommen? Kannst du dich an den Moment erinnern, in denen euch klar wurde, dass ihr dieser Leidenschaft professionell nachgehen und sie auf Bühnen und Festivals bringen wollt, um sie mit vielen anderen zu teilen?

    Wir haben uns 2014 bei einem Theaterprojekt kennengelernt – und diese intensive Zusammenarbeit hat uns nicht nur musikalisch, sondern auch freundschaftlich sehr zusammengeschweißt. Einer der Schlüsselmomente war, als wir unsere ersten Konzerte, die in England stattfanden, selbst organisiert haben. Das war aufregend, mutig und hat uns gezeigt, wie viel möglich ist, wenn man einfach loslegt. Kurz darauf entstand unsere erste EP Nem Kaldı, und die Resonanz auf unsere erste Single war überwältigend. Das war für uns der Wegweiser – da wussten wir: Das ist mehr als nur ein Projekt, das ist unser Weg. Und jetzt, über zehn Jahre später, sind wir immer noch gemeinsam unterwegs.

    „Es geht darum, den ständigen Kampf um Sichtbarkeit und Anerkennung weiterzuführen.“

    Wir haben mit ENGIN, einer deutsch-türkischen Indie-Band, die kürzlich eine EP mit türkischen Volksliedern und Klassikern des Anadolu-Rocks namens Mesafeler veröffentlicht hat, darüber gesprochen, wie türkische Musik in Deutschland wahrgenommen wird und wie sich das über die Jahre verändert hat. Was sind deine Erfahrungen damit?

    Definitiv hat sich die Wahrnehmung anatolischer Volksmusik in Deutschland verändert – sie hat sich auf neuen Ebenen etabliert. Früher fand sie oft eher im kleinen Rahmen statt: in der Nachbarschaft, in Kulturvereinen, innerhalb einer Community. Heute wird sie durch neue Generationen weitergetragen – und dadurch entstehen neue Räume für Begegnung. 

    Es geht nicht nur darum, mehr Aufmerksamkeit zu bekommen, sondern darum, den ständigen Kampf um Sichtbarkeit und Anerkennung weiterzuführen. Es fühlt sich an, als wären wir gerade an einer Schnittstelle angekommen, an der sich etwas öffnet: Es entstehen professionelle Alben, Konzerte, Festivals – und diese Musik erreicht ein neues Publikum. Ein starkes Zeichen dafür ist für uns, dass die Bağlama heute über die Grenzen hinweg klingt – dass wir mit einem Plattenvertrag in New York arbeiten und Musik machen, die tief in Anatolien verwurzelt ist, aber gleichzeitig ihren Platz in einem globalen Kontext findet. Da wo es auch hingehört. 

    „Uns fasziniert vor allem die Ästhetik des analogen Sounds.“

    What is it that pulls you to this era of music of the 60s and 70s?

    Uns fasziniert vor allem die Ästhetik des analogen Sounds – diese Wärme, Tiefe und Direktheit. Gleichzeitig steht bei uns immer die Suche nach einer eigenen musikalischen Sprache im Mittelpunkt. Geschmack und Klangästhetik spielen dabei eine zentrale Rolle. Natürlich ist die Musik dieser Zeit eine große Inspirationsquelle für uns, aber es geht uns nicht um Nostalgie oder Nachahmung. Ganz im Gegenteil: Wir wollen etwas Eigenes schaffen – mit Respekt vor dem, was war, aber mit dem Blick nach vorne.

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    Was sind deine schönsten Erinnerungen an deine Kindheit, was die Musik angeht? Welche Künstler und Lieder, sowohl deutsche, internationale als auch türkische, haben dich am meisten beeinflusst?

    Meine musikalische Sozialisation fand stark im familiären Kontext statt. Bei uns lief immer Musik – sei es die Plattensammlung meiner Großeltern oder die Kassetten meiner Eltern, die zu jeder Tageszeit liefen. Musik war ein ständiger Begleiter im Alltag. Besonders prägend war die Vielfalt türkischer Genres: von traditioneller Volksmusik über Pop und Rock bis hin zu Arabesque. Diese breite Mischung hat mich tief beeinflusst. Eine besonders schöne Erinnerung sind die Autofahrten zur Musikschule mit meinem Vater. Er hatte immer selbstgebrannte Compilations dabei – das war für mich etwas ganz Besonderes und hat mich musikalisch stark geprägt.

    Wenn wir gerade bei musikalischen Prägungen sind: gibt es türkische Bands/Künstler, die wir uns ansehen sollten? Wir sind immer auf der Suche nach neuem Input.

     AySay aus Dänemark – ein kurdischsprachiges Trio, die Musik ist sehr eigen, atmosphärisch.. und Meral Polat aus den Niederlanden – eine unglaublich vielseitige Künstlerin. Beide Projekte tragen zur Sichtbarkeit und Weiterentwicklung anatolischer und kurdischer Musik im europäischen Kontext bei.

    „Musik verbindet uns einfach.“

    Ihr macht jetzt seit fast 10 Jahren zusammen Musik – wie hat sich die Dynamik in eurer Band seitdem verändert?

    Unsere Banddynamik hat sich im Laufe der Zeit bestimmt verändert. Es ist schwer, das genau in Worte zu fassen, weil es einfach passiert, ohne dass man es wirklich merkt. Natürlich verändert man sich mit der Zeit, aber das Besondere ist, dass wir uns immer gegenseitig zuhören und die Lebensweisen des anderen respektieren. Es ist einfach dieser natürliche Flow, der es uns ermöglicht, auch mit unterschiedlichen Lebensrealitäten und Orten zu leben und trotzdem zusammenzukommen, um Musik zu machen. Für mich macht das die Band so besonders – Musik verbindet uns einfach.

    Für unsere letzte Frage fragen wir immer nach einer untold story – gibt es etwas, dass du noch keinem Interview erzählt hast und jetzt loswerden willst? Das kann eine zufällige Geschichte sein oder ein gutes Album, das Sie kürzlich gehört haben.

    … hmm weiß jetzt nicht genau, was ich erzählen soll. Kurz vor dem Albumaufnahmen wo wir noch auf Tour waren, hat mir Graham Mushnik Dorothy Ashbys Album The Rubáiyát of Dorothy Ashby empfohlen und drauf geschworen, dass ich es lieben werde und dass es genau was für mich wäre… und da kannte Graham mich einfach wirklich zu gut. Seither höre ich das Album immer wieder und hat mich während der Albumproduktion sehr inspiriert. Ich fühle mich sehr wohl in Dorothy Ashbys Stimme und in ihren Melodien.

    Fotocredit: Philomena Wolflingseder + Sebastian Madej

  • Dolphin Love im Interview: »Ich schreibe Songs für live – nicht für Algorithmen.«

    Dolphin Love im Interview: »Ich schreibe Songs für live – nicht für Algorithmen.«

    Weite Fläche, flirrendes Licht, irgendwo ganz hinten klingt Musik an – wie eine Erinnerung, die plötzlich wiederkommt. So beginnt nicht nur der Kurzfilm zur zweiten EP „Who Speaks Your Mind“ von Dolphin Love, sondern auch der Eintritt in seine Soundwelt, die irgendwo zwischen Nostalgie, Aufbruch und völliger Entrücktheit schwebt.

    Seit der Debüt-EP 999 im Jahr 2022 ist klar: Dolphin Loves Musik ist keine, die sich einfach in ein Genre pressen lässt. Sie ist mal beatlastig und verspielt, mal roh und introspektiv. Zwischen Hip-Hop-Produktion, Gitarrenflächen und einer Stimme, die manchmal mehr Textur als Erzählstimme ist, entsteht eine Musik, die nicht gefallen will – sondern fühlen. Mit der dritten EP Not From Here, die am Freitag, 11. April, erschienen ist, wird dieser Eindruck noch einmal vertieft: Es geht ums Verlorensein, um das Schweben zwischen gestern und morgen, zwischen Wunsch und Wirklichkeit.

    Dass Dolphin Love am liebsten alles selbst macht – von der ersten Idee bis zum finalen Mix –, merkt man der Musik sofort an. Hier wird nicht für TikTok produziert, sondern für die echten Momente: fürs Zugfahren bei Regen, fürs Rumliegen mit offenen Fenstern, fürs Da-sein (oder eben Nicht-Da-sein).

    Wir haben mit Dolphin Love über das Entstehen der neuen EP gesprochen, über das Gefühl, ständig zwischen Zeiten zu hängen – und darüber, warum Musik manchmal der einzige Ort ist, an dem man wirklich hier sein kann.

    Dolphin Love im Interview

    Hi Coco, wie geht’s dir gerade so?

    Mir geht’s echt ganz gut. Ich mache gerade wieder viel neue Musik, arbeite mit einem anderen Künstler zusammen – das ist gerade echt schön. Und die Sonne hat eben geschienen! Das hebt die Stimmung total. Und ich bin gerade auf wieder auf dem Land, das tut immer ganz gut nach einer intensiven Zeit in Berlin.

    Das kann ich mir gut vorstellen! Wenn du deine Musik in drei Worten beschreiben müsstest – welche wären das?

    Leicht, unkompliziert und frei. Irgendwie beschreibt das ganz gut diese Weite, wenn ich Musik mache und auch eine gewisse Leere.

    Wie wird aus so einem Gefühl dann eigentlich ein Song bei dir?

    Ganz unterschiedlich. Es ist total tagesformabhängig. Meistens passiert’s einfach. So ein Moment, der plötzlich da ist – und den muss man dann greifen. Die besten Songs entstehen oft ganz schnell, wenn man den Impuls direkt aufnimmt und nicht zu lange dran rumbastelt.

    Hast du dann später manchmal so das Gefühl: Hätte ich das doch noch verändert…?

    Früher auf jeden Fall! Aber mittlerweile bin ich da entspannter. Ich denk mir: Das war’s – besser fertig als perfekt. Das ist eigentlich viel schöner. Zu viel Feinschliff killt manchmal den ursprünglichen Vibe.

    Produzierst du deshalb auch lieber alleine?

    Ich liebe beides. Allein zu schreiben hat was Besonderes – aber mit anderen gemeinsam Musik machen, das ist auch richtig schön. Das ist immer ein ganz besonderer Moment. Ich produziere auch gerne für andere. Diese Momente zusammen sind total wertvoll.

    Könntest du dir ein Feature vorstellen?

    Auf jeden Fall! Ich plane gerade, Dolphin Love zu erweitern und mit anderen Künstler*innen zusammenzuarbeiten. Gerade mit Leuten, die musikalisch einen Kontrast bilden – das reizt mich total. Ich bin auch einfach sehr hungrig danach, Input von anderen Leuten zu bekommen.

    Und wenn du träumen dürftest: Wen würdest du gerne mal featuren?

    Boah, gute Frage. Vielleicht Spacey Jane, die australische Band. Oder ein Rapper wie Larry June – ich mach den Beat und er rappt drüber. Irgendwas außerhalb meiner Indie-Comfort-Zone.

    Früher hast du ja viel solo gespielt, jetzt öfter mit Band – was gefällt dir besser?

    Mit Band ist’s tausendmal geiler. Früher hab ich in The Attic Nights gespielt und auch Schlagzeug in anderen Bands. Live mit Leuten auf der Bühne – das ist so eine Energie, die man teilen kann. So ist das auch mit Jan, meinem Drummer. Er ist einfach ein Herzensmensch. Mit ihm ist’s auf und neben der Bühne einfach schön. Schöner als alleine.

    Wie lang dauert es bei dir eigentlich, bis ein Song fertig ist?

    Kommt drauf an. Bei der neuen EP hatte ich es das erste Mal, dass die Versionen teilweise ewig rumlagen. Manche Songs haben sich echt über Monate entwickelt. Ein Song kommt sogar noch von April 2023. Manchmal lagen sie einfach rum, dann kam nach zwei Monaten plötzlich die Strophe. Ich hab sie lang reifen lassen und geguckt, ob sie auch nach vier, fünf Monaten noch für mich funktionieren. Erst dann war klar: Das sind die Songs für die EP.

    Ich hab beim Hören gedacht: Die neue EP klingt anders als dein Debüt. Es ist immer noch Dolphin Love, aber schon sehr anders. Wie siehst du das?

    Ja, voll. Die neue EP ist soundmäßig aufgeräumter. Ich hab beim Mixen viel dazugelernt. Früher war’s mehr Trial & Error, jetzt hab ich klarere Vorstellungen. Aber ich lieb’s auch, wieder rougher zu werden – weniger glatt, eher gefühlig. Da werden die nächsten Songs auch wieder eher hingehen.

    Finde ich total spannend, weil du ja auch nicht drauf zu achten scheinst, wie lang deine Songs sind. Da gibt’s zwischen einer Minute Intro und 7 Minuten Versionen ja alles. Machst du dir da manchmal Gedanken, dass du Songs besser an einen Algorithmus anpassen müsstest?

    Gar nicht. Ich schreibe für Live – nicht für Algorithmen. Wenn ein Song sieben Minuten braucht, dann bekommt er die auch. Ich liebe es, mich davon freizumachen, in ein Raster passen zu müssen. Es muss einfach zu dem Lied passen. Wir haben ja vor eineinhalb Jahren auch den Kurzfilm Who Speaks Your Mind gefilmt, der ist ein gutes Beispiel dafür: Die Geschichte braucht den langen Song, um zu wirken. Zwei Minuten hätten da nichts gebracht. Dann wäre es gar nicht rübergekommen.

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    Kommen wir zurück zur EP „NOT FROM HERE“: Worum geht’s thematisch?

    Um das Gefühl, nicht richtig da zu sein. Deswegen heißt sie auch „Not From Here“. Ich bin oft zu weit vorne oder hinten im Leben, so zumindest mein Gefühl. Ich bin im Kopf immer wo anders – nie so richtig im Moment. Manchmal denk ich an die Zukunft und denk so: „Scheiße, wie wird das wohl?“ und dann denke ich wieder: Lebe doch einfach im Moment. An anderen Tagen hänge ich gedanklich noch total in der Vergangenheit. Aber das bringt auch nichts, weil ich das eh nicht mehr beeinflussen kann.

    Klingt sehr relatable – auch ein bisschen nach dieser typischen 20er-Jahre-Existenzkrise.

    Total! Dieses „Was mach ich eigentlich mit meinem Leben?“, gepaart mit dem Druck, alles absichern zu müssen. Ich versuche, im Jetzt zu leben – das bringt einfach mehr.

    Okay, ich habe noch zwei Fragen zum Schluss. Nummer 1: Hast du einen Lieblingssong von dir?

    Ja! Gerade ist es „BANGALOW“, der zusammen mit der EP rausgekommen ist. Ich liebe den live einfach total – der macht so viel Spaß.

    Und zum Abschluss: Deine untold story.

    Tatsächlich fällt mir da auch direkt eine ein. Ich war mal ziemlich betrunken und hab im Bett aus Versehen auf meinen Laptop gekotzt. Da war super viel Musik drauf. Am nächsten Morgen hab ich’s gerade noch geschafft, die Songs runterzuziehen. Dann zum Computerladen – und der Typ so: „Da ist nichts mehr zu machen.“ Ja, that’s the story. Memo an alle: Sichert eure Daten regelmäßig!

    Oha, da hattest du ja gerade noch Glück im Unglück. Danke dir, Coco – für deine Zeit, deine Offenheit und natürlich deine Musik.

    Danke dir! War voll schön!

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    Fotocredit: Fioni Versace, Jens Krahe

  • Akyol im Interview: »Alles beginnt in dem Moment bevor du einschläfst.«

    Akyol im Interview: »Alles beginnt in dem Moment bevor du einschläfst.«

    Akyol auch bekannt unter Safa, ist ein Bassgitarrist und Musikproduzent aus Izmir. Bevor er 2021 nach Weimar kam, um dort Musik zu studieren, tourte er mit einigen türkisch-bekannten Bands wie ATHENA, TNK und KALBEN. Heute ist er leitendes Mitglied vieler Bandprojekte, produziert in Deutschland und in der Türkei. Im März wird seine erste EP, bestehend aus fünf Singles, veröffentlicht und trägt den Namen JIVA24.

    Das Wort „Jiva“ kommt aus der indischen Philosophie und beschreibt die Seele als einen übergeordneter Teil zum Körper. In Akyols EP wird die Geschichte von der Entstehung dieses „Ich’s“ als ein Alter Ego dargestellt. „24“ spielt auf das letzte Jahr an, in dem durch Erfahrungen in verschiedenen Städten diese Ich-Version entstanden ist. Die EP beinhaltet Pop-, Electronic- und Soul-Elemente.

    Wir haben mit Akyol über den Hintergrund seiner EP, die deutsch-türkischen Unterschiede in der Musikszene und kommende Tage gesprochen.

    »Als ich durch Europa reiste (…), wurde mir klar, dass meine Träume noch nicht erfüllt sind.«

    Maja: Hey Akyol! Deine musikalische Reise ist lang, deine Route zurückverfolgend fragt man sich: Gab es einen Schlüsselevent, dass dich an die Musik gebunden hat? Und warum Musik?

    Akyol: Es gab mehr als einen Moment. Als ich 16 war bekam ich eine Geige und brachte mir selbst türkische Klassiker bei. Ab da trug jede Stadt, in die ich zog, einen Teil zu meiner Musik bei. Warum Musik? Ich denke Menschen brauchen ein Ventil um den Zwängen unserer Gesellschaft entfliehen zu können. Musik ist in dieser Hinsicht eine unglaublich faire und kraftvolle Methode. Mit fair meine ich, dass Musik mehr zurück gibt, verglichen mit dem, was man investiert.

    Maja: Wie unterscheidet sich die deutsche und die türkische Kultur-/Musikszene? Ist es in der Türkei einfacher sein Lebensunterhalt mit Musik zu finanzieren?

    Akyol: Obwohl es technisch gesehen große Unterschiede gibt, findet man noch größere Gemeinsamkeiten, besonders in den Volksliedern. Die Musikindustrie ist in Deutschland jedoch deutlich weiterentwickelt. Trotzdem ist es überall auf der Welt schwer mit Musik sein Leben zu finanzieren. Ich denke, Deutschland ist im Vergleich etwas weniger riskant.

    Maja: Das klingt als gäbe es einen anderen Grund warum du nach Deutschland kamst? Planst du in nächster Zeit aus Weimar wegzuziehen?

    Akyol: Das Einzige, was mir musikalisch fehlte, war eine systematische Ausbildung. Deshalb hab ich mich entschieden hierher zu ziehen. Auch, weil ich der Bildung in Deutschland vertraue. Außerdem sind die Kosten in anderen europäischen Ländern höher. Ich plane nach Köln oder London zu ziehen, aber Weimar wird für mich vermutlich immer ein besonderer Ort bleiben. Hier konnte ich mich psychologisch erholen und meinen eigenen Sound finden. Ich denke Weimar steckt tief in mir, sodass man glaubt, in meiner Musik den Klang des Kopfsteinpflasters zu hören.

    Maja: Ich werde beim nächsten Mal darauf achten. Warst du schon zuvor auf einer deiner Touren in Weimar? Und ich hab gelesen, dass du Bandleader bist. Wie heißt deine Band und habt ihr schon etwas veröffentlicht?

    Akyol: Als ich durch Europa gereist bin, war ich auf dem Höhepunkt meiner Karriere in der Türkei. Mir wurde klar, dass meine Träume noch nicht erfüllt sind. Ich wollte nach Weimar, ohne jemals da gewesen zu sein. Jetzt bin ich sehr glücklich über die Entscheidung, denn die Zusammenarbeit mit Professor Manfried Brüendl hat mich wirklich begeistert. Er ist einer der wenigen Menschen, die mein Leben so berührt haben. Bezüglich der Bandleader-Sache: Tatsächlich hab ich mehrere Bands und Bandformate geleitet, darunter Trios, Quartetts und Quintetts. Die hießen Akyol Trio, Acid Akyol 4 und Akyol Soul 4 sind ein paar der vielen Bandnamen.

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    Acid Akyol Live in Frankfurt

    Maja: Das ist richtig schön zu hören. Ich find’s sehr stark, dass du. an einem objektiv erfolgreichen Moment, dir Zeit nahmst zu reflektieren, was du überhaupt möchtest. Gibt es momentan etwas, dass du richtig feierst? Hast du momentan eine Lieblingskünstler*In oder Band?

    Akyol: Ich hab momentan mehrere Künstlerinnen und Alben im Auge. Ich komm nicht darum Robert Glaspers Album“ArtScience“ zu erwähnen, dass schon immer einen großen Einfluss auf mich hatte.


    „‚Jiva‘ hat mir Gesellschaft geleistet, mir Mut zugesprochen und mir aus dieser Zeit hochgeholfen“

    Maja: Das schreib ich mal direkt auf meine Liste. Aber lass uns finally über die EP sprechen. „JIVA24„, eine Art Hommage an 2024, was war das besondere an diesem Jahr? Wie hat es dich geprägt/verändert?

    Akyol: Ich hab mich gefühlt als wäre ich krank und „Jiva“ hat mir Gesellschaft geleistet, mir Mut zugesprochen und mir aus dieser Zeit hochgeholfen. In der Hoffnung er könnte durch meine Musik auch anderen die Hand reichen, hab ich beschlossen die EP zu teilen.

    Maja: Kannst du uns einen Einblick geben, wovon die Songs erzählen?

    Akyol: Sicher, also in „GIVE IT UP“ gehts um Ratschläge an mich selbst. Als ich den Song schrieb, ging es mir gesundheitlich schlecht. Deshalb habe ich beschlossen alle Ratschläge, die ich mir selbst gab in einem Song zusammenzufassen. Außerdem wollte ich zeigen wie sehr das Leben auf Wiederholung und Enttäuschung beruht. Der Song „LONDON“ ist ein Brief an das unglückliche, mitfühlende Kind in mir, dass mich verfolgen wird, egal wie oft ich den Ort wechsel. „CLOUDS“ begann als gewöhnliches Liebeslied. Später hat es mich zum Tanzen und ein wenig zum Denken angeregt. Am Ende haben wir versucht die Träume zu interpretieren, die wir nach dem Schlafen hinter uns ließen (-mehr dazu in der untold story am Ende-). „SILENCE TALK“ hab ich für die Momente geschrieben, in denen man gern etwas sagen würde, aber eine Stimme im Kopf einem sagt, man solle lieber leise sein. In „RIGHT TIME BOUNCE“ geht es um eine Liebesgeschichte, die aus einer Freundschaft entstand.


    »It is not about a love story/ It is just about life«

    Maja: Gibt es einen bestimmten Grund, warum die meisten Songs in englisch geschrieben sind?

    Akyol: Texte schreiben ist eine neue Leidenschaft von mir. Deswegen denk ich, dass ich mich mit dem einfachsten Englisch ausdrücken kann.

    Maja: Wird es Konzerte geben? Wenn ja wo und wann?

    Akyol: Die Konzertreihe startet im März in Istanbul, dann geht es nach Ankara und vielleicht nach Izmir, meiner Heimatstadt. Ende des Sommers möchte ich in Deutschland spielen. Vielleicht im Mai in London. Wo ich wann bin, kann man auf meinen Social Media Konten verfolgen.

    Maja: Kannst du uns noch eine untold story von dir erzählen?

    Akyol: Alles beginnt in dem Moment bevor du einschläfst. Du legst deinen Kopf auf das Kissen und schlitterst in das Land der Träume. Je weiter du hinein gehst, desto glücklicher wirst du. Dann, Tag für Tag gibst du dein Bestes um deine Träume zu erreichen. Während dieser Zeit ist Musik dein Begleiter und ich versuche die Geschichte von diesem Freund zu erzählen.

    Hier könnt ihr in den ersten Track von Akyols neue EP reinhören:

    https://akyol.bandcamp.com/track/clouds

    Fotografin: Constanze Zacharias

  • Interview Odd Couple: »Jo, das isses.«

    Passend zum Album Titel »Rush Hour des Lebens« zieht Odd Couple uns ICE-artig durch dieses Interview. Dabei bekommen wir Eindrücke ihrer Selbst und ihrer Kunst.

    Maja (untoldency) : Hey Odd Couple, willkommen im Interview mit untoldency. Wie würdet ihr das Jahr bis jetzt bewerten?

    Odd Couple: 10/10 – es ist schön wieder auf Tour zu sein und wir freuen uns wenn die Platte endlich draußen ist.

    Maja (untoldency): Habt ihr bis zum jetzigen Zeitpunkt eine Lieblingsmusik für 2025 (Song, Musiker*in,…)? 

    Odd Couple: Wir warten eigentlich nur auf den Moment, in dem AI anfängt, konsequent gute Musik zu schreiben, damit wir uns zur Ruhe setzen können.

    Maja (untoldency): Am 4.04 erscheint euer neues Album und ihr seid schon jetzt damit auf Tour. Was macht am meisten Spaß beim „auf Tour“ sein? 

    Odd Couple: Schlafen im Bus, Soundchecks in Hallen mit Hall und die Gigs sind auch ganz ok.

    Maja (untoldency): Habt ihr das Gefühl, es war richtig, das Album erst im Nachhinein zu veröffentlichen? 

    Odd Couple: Definitiv. Es ist interessant die Songs das erste mal im Live Kontext zu präsentieren.

    Odd Couple
    Odd Couple, Rush Hour des Lebens, 2025, Tour

    Maja (untoldency): Odd Couple – Was macht euch zu so einer guten odd couple? Referiert der Name (auch) auf anderes? 

    Odd Couple: Der Name beschreibt unser Verhältnis sehr gut. Wir sind wie ein altes Ehepaar.

    Maja (untoldency): Was denkt ihr, ist eine Eigenschaft des anderen, die wichtig für eure Musik ist? 

    Tammo (Odd Couple): Jascha hat ein unglaubliches Talent, aus allem einen guten Sound zu bekommen und Konzepte für Songs festzulegen. 

    Jascha (Odd Couple): Tammo kann innerhalb von Sekunden eine catchy Melodie aus dem Hut zaubern. Manchmal nervt es, weil es so easy aussieht.

    Maja (untoldency): Schreibt ihr zusammen oder schreibt ihr getrennt Songtexte? 

    Odd Couple: In der Regel schreiben wir getrennt und die Songs werden im Ping-Pong produziert.

    Maja (untoldency): Sucht ihr euch aktiv Inspiration oder kommt sie von allein? Wenn sie von allein kommt, gibt’s dafür typische Momente, von denen ihr erzählen könnt? 

    Odd Couple: Das kommt einfach und dafür gibt es auch keine Regel – bei uns zumindest.

    Maja (untoldency): Was waren konkrete Inspirationen für das Album? Gibt’s Filme, Philosophie oder andere Künstler*innen, die starken Einfluss auf das Album nahmen? 

    Odd Couple: Jede/r, die/der sich nicht zu schade ist, mal was Neues auszuprobieren. Der Lebensabschnitt, in dem wir uns befinden hat auch eine große Rolle gespielt. Deswegen der Titel „Rush-Hour des Lebens“.

    Maja (untoldency): Wie ist das Cover entstanden? 

    Odd Couple: Das Cover ist eigentlich ein zufälliger Schnappschuss von uns, den wir dann so lange angeguckt haben, bis wir uns dachten: „Jo, das isses.“

    Maja (untoldency): Wieso habt ihr euch dafür entschieden, aus den Songs ein Album zu machen und sie nicht einzeln hochzuladen? 

    Odd Couple: Weil Alben wichtig sind um gesamte Konzepte und/oder Abschnitt darzustellen.

    Maja (untoldency): Ihr spracht in einem Interview mit dem WDR davon, dass in diesem Album Demos Teil der Musik wären. Wieso habt ihr euch dafür entschieden?

    Odd Couple: Weil Demos oft die roheste, ehrlichste Form eines Songs sind. Unser Produzent Olaf Opal fand die Demos so lässig, dass wir uns dafür entschieden haben bei dem Vibe zu bleiben.

    Maja (untoldency): Überarbeitet ihr Songs auch noch nach der Veröffentlichung oder sind sie mit dem Release abgeschlossen? 

    Odd Couple: Die Songs ändern sich live eigentlich ständig in Nuancen und das ist auch das interessante am Live spielen.

    Maja (untoldency): Wann ist die Rush Hour des Lebens? 

    Odd Couple: Zwischen 30 und 40, wenn man glaubt, dass man jetzt alles auf die Reihe kriegen muss.

    Maja (untoldency) : Wo ist die Rush Hour des Lebens? (Mittelernst gemeint) 

    Odd Couple : Wahrscheinlich überall, wo man selbst ist.

    Maja (untoldency) : Warum lassen sich die Songs unter dem Titel am besten zusammenfassen? 

    Odd Couple: Die Songs sind über einen ziemlich langen Zeitraum entstanden und in diesem Zeitraum ist bei uns beiden viel passiert, was sich gut unter dieser Überschrift zusammen fassen lässt.

    Am 04.04.2025 erscheint »Rush Hour des Lebens«. Wem die aufblitzenden Antworten noch auf der Netzhaut brennen kann hier mehr von Odd Couple finden.

  • Victor Solf im Interview: »Willing to be a musician is not an easy task.«

    Victor Solf im Interview: »Willing to be a musician is not an easy task.«

    Kennt ihr noch Her? Das Duo hat mit Songs wie Five Minutes (2018) auch heute noch einen Platz in unseren Playlisten. Wenn ihr sie auch in euren Playlisten findet, wisst ihr, wie viel Potential leider verloren ging, als einer der zwei talentierten Franzosen vor einigen Jahren an Krebs verstarb. Die tragische Wendung hat seinen Bandkollegen Victor Solf bis in die Knochen erschüttert, doch nicht davon abgehalten, weiter Musik zu machen. Im Gegenteil: die Songs und Alben von Victor sind ehrlicher und berührender denje. In seinem neuen Album Tout peut durer singt er nun das erste Mal in seiner Muttersprache und lässt damit jegliche Schutzmauer hinter sich. Positiv und hoffnungsvoll getränkt ist Tout peut durer ein Album zwischen zeitlosen Soul und progressiven R’n’B. Wir haben mit ihm über alles rund um sein neues Album und seinen Weg dorthin gesprochen.

    Victor Solf im Interview

    Anna: Hey Victor! Last Friday you released your new album Tout peut durer. How do you feel starting 2025 off with such an important release? What are the feelings and thoughts in your mind right now?

    Victor: Releasing this album in January definitely feels like a fresh start. A symbolic way of allowing myself to turn a new page in my musical career and gently letting the past behind. I have probably never been as proud of an album as I am of this one. It is my fourth album release within the past ten years, but the first two albums were released as part of a band and two of them now as a solo artist. Except that this one if in French which makes a big difference to me. I feel very happy and honoured to be able to continue my musical journey.

    Anna: You’ve been making music for so long, it’s a great joy to have followed you through the years ever since Her. If you would have to describe the route through your last 10 years, how would you say your relationship to music has changed?

    Victor: Thanks for following the process 🙂

    Willing to be a musician is not an easy task. You must be confident enough to believe you can create your own music, then be bold enough to try to make a living out of it. In 10 years the most drastic change for me has been going through a collaborative process within a band to releasing music under my real name as a solo artist. It was never a choice I wanted to make but life lead me here. It has taught me to believe in myself and in what I can achieve on my own as a musician. Everything that I have learnt throughout the past 10 years lead me to this album and I believe it is my best craft so far. What I am sure of is that, no matter the obstacles and tragic events in my life, I will never be able to quit music.

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    „I can’t hide behind cool vibes anymore.“

    Anna: Finding yourself as an artist is hard, especially if you’re redefining yourself. How has music help you navigate through life? How did you first fell in love with music and knew you want to do this for a long part of your life?

    Victor: I was in high school when I started a band with my classmates. Surprisingly enough we started touring and playing big festivals by the time I turned 19. At first it was concerts that made me realize I wanted to do this for the rest of my life. I always felt like outcast and this type of life suited me well. All our band mates quitted the band when they realized they couldn’t make a proper living out of it. Simon and I pursued because we considered that no matter the outcome and success, we would continue making music together. That’s exactly when it blew up for us with Her, when we were not expecting anything anymore. Since then, it never occurred to me that I would do something else. I play piano and compose music every single day in my living room.

    Anna: On Tout peut durer you break down a lot of things – musically but also lyrically. What is the main message behind the album? What are the topics that you captured in your songs?

    Victor: It is my most intimate album lyrically because it is in French. In my mother tongue I couldn’t hide anymore behind cool vibes or big themes. First of all, I am 34 now and have experienced life, love, death, parenthood and all that blends into my music. My main topic is hope and positivity. I would like people to relate to what I say even though it is very personal.

    „Music is a love language.“

    Anna: Can you take us in the production process of songs? Which songs challenged you, how did they become what they are now and are you proud of how everything turned out?

    Victor: I am very proud of how it turned out.

    I composed all the music and toplines in my home studio for quite some time. Then I met with Vincha who wrote most of the lyrics with me. Once I had strong acoustic versions piano/vocal and production directions that I loved, we built a team of 10 musicians with my A&R Sylvain Taillet. Considering my background of beings in bands, I can’t help but cherishing making music with other people. Music a love language, it is about sharing. I was lucky enough to be able to make music in such a pure traditional way while adding some modern production to it. That’s how I love making an album.

    Anna: Singing in French, you made a huge change to your music that was mainly in English. I feel like even though I might not understand everything now, it is yet way more personal than your previous album. How did you approach writing songs for the first time in your mother language?  

    Victor: It was intimidating. I knew it was going to be a challenge both in the way I would sing and in the topics I would approach. The first song I wrote with the help of Barbara Pravi was about my dad. Once we recorded a rough demo, I remember walking down the streets of Paris for two hours just crying. French has been a catharsis move for me.

    „My self-expression is notes and music.“

    Anna: What did change for you when you started making music in French? And what stayed the same, maybe even surprisingly?

    Victor: What stayed the same is my musicality. I try to make music in the pure English/American Pop way but in French, to be more precise my challenge was to make a soul record in French which is not an easy task. I tried and I hope I succeeded.

    Anna: What song has been the most difficult to write on this album and why?

    Victor: Le Meilleur de Toi was the longest process. The lyrics first talked about the movie “Eternal Sunshine of the Spotless Mind”, about losing someone, the absence. After weeks of back and forth with Vincha, he is the one who told me I was actually talking about Simon, my former band mate who passed away from cancer at 27 yo. I wanted to make a personal song about loss but that anyone could identify to. Musically it was also the first demo of the album. I had 30 seconds that my manager and I loved, we felt it was special. It was also the last tweaks we made on the album until the very end of the recording.

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    Anna: How does songwriting help you with dealing with things you can’t control?

    Victor: When I am at my piano, I’m literally “in the zone”. I could stay there for hours just composing music. It has helped me a lot without a doubt. It’s how I truly express myself. It’s also why I always needed help with the lyrics. My self-expression is notes and music, not necessarily words.

    Anna: What was the most fun song to write on Tout peut durer?

    Victor: Plus Jamais Rentrer as it’s about parental burnout and just willing to go out for one night as we used to before we had kids.

    „Make yourself heard!“

    Anna: You will kick off your Release Headline Tour in France in February – what are you most excited about getting back on stage? And will there be any shows in Germany? Asking for a friend (me) and everyone else.

    Victor: I can’t wait to sing my songs live and to meet with my public again. I love them so much and I thank them for following me throughout my journey even though I made quite a few radical shifts. I’m afraid no gigs are booked in Germany as of now but if there are enough fans out there, make yourselves heard 🙂

    Anna: For our last question we always ask for an untold story – it’s your space to share whatever you like. A random anecdote, a deep meaning behind a song or just something you want to get off your chest.

    Victor: It has never been this hard to be an artist nowadays. There is little to no economy for most of us so if you love music and artists please support them by going to gigs and buying albums. It is a political act in 2025! Thank you for all the love and support.

    Um in die wunderschöne und vielfältige Welt einzutauchen, die Victor Solf mit seinem neuen Album Tout peut durer geschaffen hat, einfach hier auf Play klicken:

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    Fotocredit: Estévez + Belloso