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Oehl im Interview: »Zu lieben in jeder Facette ist ein Risiko«

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Ein Ausdruck von Zuneigung und spätestens seit Shirin David fester Bestandteil der Jugendsprache – „lieben wir“ heißt das zuletzt veröffentlichte Album des österreichischen Musikers Oehl, das die Liebe zum Leitmotiv macht und uns musikalisch umarmt, bis wir uns nicht mehr ganz sicher sind – Ist das aufsteigendes Fieber oder haben wir uns gerade frisch verliebt?

Im Interview sprechen wir über den vergangenen Konzertabend in Berlin, Lieblingsfarben, lange Songtitel und warum „Grower“ die besseren Songs sind. Lieben wir!

Oehl im Interview

Lucas: Ich habe es leider verpasst, als ihr letztens in Berlin wart, wollte aber eigentlich unbedingt kommen, weil ich im letzten Jahr bei deinem Konzert in Berlin war und das als eines meiner schönsten Konzerte des letzten Jahres abgespeichert habe, weil ich die Stimmung so schön fand. Das war im Franz Club. Wie hast du das Konzert in Erinnerung?

Oehl: Das war echt schön. Frannz Club war gut, wir waren jetzt im Säälchen und ich fand das eigentlich die perfekte Location.

Lucas: Weshalb?

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Oehl: Es ist ein Neubau, aber sie haben sich redlich bemüht, dass der ganze Vibe von diesem Areal nicht so wie ein Neubau wirkt, sondern gewachsen, auch das Gebäude selber. Es ist akustisch sehr toll, es hat eine Größe, es ist sehr hoch, es hat eine Galerie, also man kann oben stehen, unten stehen. Es hat eine Größe von der Wirkung her, aber auch mit weniger Leuten würde es funktionieren. Bei uns war es voll, aber ich glaube, es ist eine gute, dynamische Location, die auch frei steht. Und ich liebe das ja, wenn Häuser freistehen, wenn man von allen Seiten quasi reingehen kann. Du kannst ebenerdig rein, es ist sehr luftig und es vibed irgendwie Ballsaal, obwohl es ein Neubau ist. Und das finde ich, ist eine Kunst architektonisch. 

Lucas: Jetzt beschreibst du vor allem das Gebäude. Hast du einen Unterschied wahrgenommen zwischen der Stimmung im Frannz Klub war und jetzt im Säälchen?

Oehl: Ich glaube, als wir im Frannz Club gespielt haben, war es Weihnachtszeit. Kann das sein? Und dementsprechend war davor so ein Weihnachtsmarkt auf diesem Areal und jetzt haben wir halt Frühling. Das heißt jetzt hatten wir noch Leute draußen sitzen vor dem Konzert auf der Straße mit ihrem Bier oder haben gerade was gegessen. Und es ist so diese wir-können-draußen-sein-und-hängen-ab-Stimmung im Vergleich zum Weihnachtsmarkt, was auch anders ist. In der Weihnachtszeit erwarten die Leute immer ein bisschen mehr Besinnlichkeit. 

Ehrlicherweise funktionieren unsere Konzerte auf Tour immer sehr gut und es sind nicht alle Leute sehr auf eine andere Art beseelt, würde ich sagen. Es gehen immer alle recht mit. Und die Dynamik? Ich glaube, es ist halbwegs gelungen, dass wir so ein Programm machen, was von der Dramaturgie ganz gut funktioniert. Ich finde ja immer, dass Konzerte nicht nur die Songs sind und die Performance, sondern auch wie man den Bogen schafft und was man rundherum erzählt. Und das ist dieses Mal ganz gut gelungen, finde ich. Ich meine, im Frannz Club hatten wir auch eine Art von Dramaturgie, falls dir das in Erinnerung ist, einfach wie wir die Show strukturieren, wo wir Lachmomente setzen oder wann es auch ein bisschen traurig wird. Und das haben wir diesmal, glaube ich, nochmal ein bisschen verstärkt. Diese Gedanken mache ich mir eigentlich ganz gerne. 

„Ich glaube, es gibt keine Jahreszeit, in der das Thema des lieben üben nicht relevant ist“

Lucas: Du sprichst gerade auch die Jahreszeit an, als die Konzerte stattfanden. Inwiefern würdest du sagen, dass dein beziehungsweise euer neues Album vielleicht auch zu der aktuellen Jahreszeit passt, Anfang Frühling?

Oehl: Ich glaube, es gibt keine Jahreszeit, in der das Thema des lieben üben nicht relevant ist. Und gerade im Frühling fällt es vielleicht leichter, weil dann öffnet man sich wieder und kommt aus der Winterdepression raus. Aber ich halte es eigentlich für die falsche Frage, weil es ja gerade Ende November oder vielleicht Anfang Januar, wo man irgendwie triste ist und die Welt noch sehr grau ausschaut, Musik braucht, die einem nicht diese triste Welt spiegelt. Also ich glaube, das ist auch ein bisschen für mich ein Thema auf dem Album. „Keine Blumen“ ist ja doch irgendwie ein Abschiedsalbum auf eine Art und es ist doch irgendwie sehr traurig von den Texten her und nimmt sich so politischen Dingen an und ist dann auch noch ein bisschen persönlicher. Und auf „lieben wir“ dachte ich so – Boah, ich glaube, ich brauche nicht noch ein Album, wo mir jemand von Selbstzweifeln und Depressionen oder von der gespaltenen Gesellschaft erzählt.

Ich sehne mich halt einfach nach einem Album, das so sagt – Hey, nehmen wir uns an der Hand, stellen wir uns im Kreis und haben uns lieb, so dumm es klingt. Und natürlich ist das nicht trivial und natürlich auch nicht einfach, weil ein Album, das genauso klingt, wird nach zwei Songs langweilig. Dann klingt es halt so wie triviale Hippiemusik oder so. Deswegen hat dieses Thema Lieben schon ein bisschen so einen gesellschaftlichen Anspruch auch.

Lucas: Darf ich dich fragen, ob du eine Lieblingsfarbe hast und wenn ja, welche? 

Oehl: Momentan ist es natürlich rot, weil auf dem Album sehr viel rot passiert und ich habe mir vorgenommen, jeden Tag irgendetwas Rotes zu tragen und ich glaube, ich ziehe es auch durch. Es ist dann manchmal nur so ein Halstuch oder Socken oder ein Cap. Das gibt mir eine gute Laune und Ich kriege gutes Feedback. Ich würde sagen rot als Lieblignsfarbe: Ja! Also ich habe ganz viel blaue Sachen in der Wohnung. Die habe ich aber eingerichtet, als das letzte Album dran war und das war blau. Muss ich jetzt umsatteln auf rote Sachen? Also, ich habe tatsächlich viele blaue Dinge im Zimmer hier. 

Lucas: Würdest du sagen, es war erst die Farbe rot da oder erst das Album? Hat die Farbe das Album geprägt oder ist die Farbe aus dem Album heraus entstanden?

Oehl: Ich glaube, die Sachen sind gleichzeitig entstanden, weil ich habe ja kein Album geschrieben, das „Liebe“ heißt, sondern ich habe halt Songs geschrieben. Ich schreibe irgendiwe immer Songs und irgendwann hab ich gedacht – was ist denn so eine verbindende Klammer von vielen Songs, die schon da sind? Gerade mit einem Song wie „I Love You“ oder „In diesem Jahr reden wir nur gut voneinander“ – das sind schon Themen, die zwangsläufig mit zwischenmenschlicher Liebe zu tun haben.

Und dann war ich gerade in Berlin Mitte spazieren, weil ich irgendwas abholen musste vom Shop, was es nur dort gibt. Das mache ich dann einmal im Jahr und ich kann mich erinnern, dass ich mir immer sehr viel auch über visuelle Themen Gedanken mache. Und ich dachte, wenn das jetzt ein Liebesalbum ist, wie kann man das visuell erzählen? Dann war ich so – perfekt, es muss einfach in jedem Video irgendetwas Rotes vorkommen und dann ist es erzählt. Also wie ein roter Faden, der sich durchzieht. Das war für mich, glaube ich, das Rot, mehr als das Konzept. Und es ist auch praktischer. Wenn du sagst, dein Thema ist schwarz und du hast in jedem Video oder Foto, das du machst, etwas Schwarzes – es wird dir nicht auffallen. Es wird auch etwas Blaues nicht auffallen. Aber neongrün oder starkes Rot in jedem Foto erkennst du, du spürst das.

Ich glaube, mein erster Ansatz war auch, ein Cover zu machen, das so ein bisschen „brat“ (Charli XCX) ist. Also im Sinne von einer starken Farbe und dann Text drauf. Aber ich fand das dann ein bisschen zu wannabe auch so konzeptionell zu sein. Dachte ich so, irgendwie hätte ich dann trotzdem gerne ein bisschen ein fühligeres Cover. Also tatsächlich habe ich auch viele Covers gemacht mit meinem besten Freund, Fotograf und mit meiner Stylistin. Und es wurde dann das Cover. Weil alle Leute, die ich in meinem Umfeld gefragt habe, gesagt haben, es gefallen ihnen die anderen teilweise besser, aber das ist irgendwie emotionaler und sie können es gar nicht einordnen. Also rein nach logischen Gesichtspunkten ist das nicht Ihr Lieblingscover. Sie finden es ganz schön, aber emotional macht es was mit ihnen. Das fand ich dann irgendwie einen guten Punkt.

Das mag ich auch an diesem Konzept nicht, dass das Konzept halt ein Konzept ist und es bleibt ein Konzept. Die neue Platte von Bon Iver versucht ja auch so stark „brat“ zu sein mit diesem Quadrat auf diesem Millennial Pink von 2019. Das will halt irgendwie ganz viel. Dann dachte ich, nehmen wir ein Foto, das emotional was macht, aber nicht in die Fresse sagt: das ist es und du musst jetzt mein Konzept hier – sei geil dabei.

Es ist eher so ein Gefühl und entweder du fühlst oder du fühlst es nicht, ist auch okay. Und natürlich ist es auch eine Umarmung auf dem Cover, wie es auch schon 2020 mal gab bei einer EP und das fand ich irgendwie auch ganz schön, diese Motive wiederkehren zu lassen. Ja, also. Also die Farbe Rot hat sich dann doch ziemlich entwickelt, zum Cover zum Beispiel.

„Diese Grower auch als Beweis, dass Musik nicht immer über Playlists funktionieren muss“
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Lucas: Das klingt alles sehr plausibel. Ich habe dich ursprünglich mit „Keine Blumen“ entdeckt. Und seitdem ist es so, dass immer wenn ich neue Songs höre, ich kurz denke. Es überzeugt mich beim ersten Hören nicht so sehr wie ältere Tracks. Und dann weiß ich mittlerweile, dass ich noch ein, zwei Mal reinhören muss bis alles so langsam aufgeht. Ein bisschen auch wie eine Blume, die langsam aufblüht, spüre ich allmählich den Gehalt der Songs und verliebe mich dann immer doller. Mittlerweile höre ich deine aktuelle Platte und habe das Gefühl, jeder Song ist ein Ohrwurm, der nicht aus meinem Kopf rausgehen will. Ist es dir lieber, dass deine Songs Grower sind, die Zeit brauchen, um anzukommen? Oder Hits, die sofort bei den Zuhörenden ankommen.

Oehl: Ich glaube, es ist auch wieder die falsche Frage, weil im Endeffekt wünsche ich mir, dass ich Musik machen kann, wie sie gerade rauskommt und wenn ich sie nicht konstruieren muss, sondern wenn ich sie einfach intuitiv mache und sie auch mir authentisch entspricht. Dann sind es einfach eher Grower. Ich glaube, weil ich selber auch Musik höre, die sich einfach beim ersten oder zweiten Mal nicht erschließt, die man paar Mal hören muss – also aus meiner eigenen Hörgewohnheit. Insofern wünsche ich mir von mir, dass ich zulassen kann, nicht an einem Beat so lange zu schrauben, bis ich das Gefühl habe und jetzt, jetzt ist er Radio. Das ist aber eher ein Wunsch an mich selber, als was beim Publikum ankommt.

Es ist ein ziemliches Glück, dass ich von der Musik leben kann. Das kann ich gerade, aber es ist mir auch ein bisschen wurscht, welcher Song jetzt mehr gehört wird oder welcher weniger. Unterm Strich muss ich die Rechnung ausgehen. Ich bin jetzt auch nicht beleidigt, wenn das Album dann ganz wenige Leute hören. Es tangiert mich echt wenig. Zahlen generell sind mir einfach egal. Also ich denke mir, ich finde es toll, wenn andere Künstlerinnen, die in der Szene sind, dann größer sind oder ich. Solange ich irgendwie davon leben kann und solange ich das machen kann, ist es mir ein bisschen wurscht.

Was mich freut, ist immer, wenn ich das Gefühl habe, dass Leute auf diese Grower draufkommen. Ich merke das ja auf Spotify. Da gibt es immer die Singles. Am Anfang haben die am meisten Plays und dann gibt es diese Grower. Beim Album „Keine Blumen“ war das zum Beispiel „Was Bleibt“. Der war nicht Mal auf dem Album, der ist auf der Vinyl gar nicht drauf. Der ist auf der Extended Edition vom Album auf Spotify ein paar Wochen später gekommen, ohne große Ankündigung, der war einfach da und der hat dann sukzessive die anderen Songs überholt. Ich glaube „Schönland“ hat noch mehr Plays und noch einer, aber dann kommen nicht die anderen Singles, dann kommt diese Extended irgendwas „Was Bleibt“, einfach weil Leute den gehört haben und zu ihren Playlists hinzugefügt haben.

Und sozusagen diese Grower auch als Beweis, dass Musik nicht immer über Playlists funktionieren muss und über Editorial und über Marketing. Weil es für den Song eben kein Marketing gab – den Grower als Bestandteil dieses algorithmischen Denkens mag ich gern. Weil es haben dann genug Leute den so oft gehört, dass Spotify Radio gesagt hat: Na gut, dann spielen wir den halt noch mehr Leuten ab, probieren wir das mal aus. Füttern wir diesen nichtexistenten Single-Song Leuten und plötzlich hören das Leute. Also ja, du hast mir eine eindeutige Antwort entlockt – The Grower!

Lucas: Beim Hören deines Albums ist mir noch aufgefallen, dass ich ausschließlich weiblich gelesene Features sehe, mit Ami Warning und Eva Riegel (Juli) und dich auch einige weibliche Stimmen auf dem Album supporten, die dann nicht immer als Feature angegeben sind. Würdest du sagen, es ist eine bewusste Entscheidung gewesen, weiblich gelesene Personen auf das Album zu holen oder war es eher ein natürlich gewachsener Prozess?

Oehl: Tatsächlich, es ist eher Zufall. Also, ich arbeite schon die letzten Jahre einfach gerne mit Leuten zusammen. Zuletzt gab es ein Feature mit Maeckes auf seinem Album oder auch mit der Band Juno. Es gab aber eben auch vorher schon ein Feature mit Mola, jetzt halt mit Ami Warning und Eva Briegel slash Juli. Und den Song haben wir dann eben auch aufgenommen mit Jonas von Juli. Ne, es ist eigentlich keine bewusste Entscheidung. Es gibt einfach Menschen, mit denen ich sehr gut arbeiten kann und das sind tatsächlich für mich oft weibliche Personen, aber eher aus dem heraus, das wir gut viben und das ist dann tatsächlich auch Zufall.

Nach unserem ersten Album haben wir eine EP rausgebracht, wo es Coverversionen von den Songs vom ersten Album gab. Da haben wir bewusst weibliche Personen gesucht oder FLINTA*-Personen, die diese Alben covern, weil wir dachten, jetzt sind wir ein Boys-Duo. Wäre es nicht spannend eine andere Seite der Songs zu hören? Da war es eine bewusste Entscheidung, also 2020. Mira Lu Kovaczum Beispiel ist dabei. Und andere, die die Songs covern. Das ist ein bisschen untergegangen, auch in Corona, aber das war ein schönes Projekt. In meiner Live-Band zum Beispiel haben wir auch eigentlich eine Quote. Mir ist wichtig, dass die Hälfte, die auf der Bühne stehen, keine Dudes sind, weil es auch Repräsentation bedeutet.

Am Album selber fand ich es dann eher, wie es im Prozess sich gut ausgeht. Weil das Kuratieren von den Songs, die übrig bleiben, soll keine Agenda haben. Jetzt ist halt zufällig so, ich habe auch mit Bruckner an einem Song gearbeitet, der es noch nicht drauf geschafft hat. Mal schauen, wann der kommt. Also kann sein, dass die nächsten fünf Features dann nur mit Männern sind, aber ich bezweifle es. Also, es stecken bewusste Entscheidungen auch hinter Zufällen.

Lucas: Gibt es wiederkehrende Motive auf dem neuen Album, die du womöglich auch erst im Nachhinein entdeckt hast oder die dir im Prozess aufgefallen sind.

Oehl: Lange Titel sind wiederkehrend: „ich weiß nicht wie man jemand bittet zu bleiben“, „in diesem Jahr reden wir nur gut voneinander“, „Nett hier, aber waren sie schon mal in Therapie?“, „Kleinigkeiten, die keine sind“. Also schon so ein bisschen sperrig, schon so ein bisschen Hirnwichserei diese Titelgebung – hätte man auch abkürzen können. Tatsächlich hatten wir noch viel länger Songtitel: „Eine Umarmung, die genau die richtige Temperatur hat“ hieß der Song (lacht). Aber das war dann auch so, dass das Label gesagt hatte, magst ihn nicht einfach „Eine Umarmung“ nennen. Wobei „Eine Umarmung, die genau die richtige Temperatur hat“ eigentlich mehr on Point ist.

Wie gesagt, mir ist mittlerweile auch diese Idee wurscht von wie lässt es sich vermarkten. Wenn ich gerade Lust drauf habe, mache ich es und das ist vielleicht auch entspannend, dass ich weiß, ich werde nie in der Größe von „Provinz“ ankommen, weil es mich auch nicht interessiert und weil ich es auch nicht könnte. Also, gar nicht negativ. Aber das heißt, ich kann ein bisschen mehr machen, was ich will. Und wenn ich gerade Lust auf lange Titel habe – das beruhigt mich gerade sehr.

Aber apropos wiederkehrende Motive, ich arbeite gerade an einem Weihnachtsalbum, das noch dieses Jahr kommen soll. Und da wird es ein großes, wiederkehrendes Motiv geben, nämlich ein Weihnachtsgefühl in jedem Song, was auch immer Weihnachten heißt. Meine Familie feiert gar nicht zu Weihnachten. Meine Mutter feiert nicht Weihnachten, mein Papa manchmal. Also, ich bin jetzt kein Traditionalist in der Hinsicht, aber ich gehe dem nach. Gibt es sowas wie ein Gefühl von Weihnachten, was verbindend ist und was Leute auch nostalgisch empfinden im Positiven. Und da mache ich ein ganzes Album dazu mit 24 Songs. Da setze ich sehr viel stärker auf wiederkehrende Motive.

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„Für mich ist es ein echtes Lachen, wenn man das Foto nicht löschen will, weil es irgendwie doch so nett ist. Egal, wie man sich drauf gefällt.“

Lucas: Ich singe sehr gerne auch Lieder nach, die mir gefallen. Und der Song, den ich zuletzt gesungen habe, der von deinem Album stammt, ist „Ein echtes Lachen“ und passend zum Titel möchte ich dich fragen, was für dich ein echtes Lachen auszeichnet.

Oehl: Ein echtes Lachen ist sowas, wenn man ein Foto davon macht, das ist den Leuten nicht mehr unangenehm. Wenn Leute sich so verlachen oder beim Essen sind, wenn es nur halbe Bewegungen sind, dann ist es Leuten meistens unangenehm oder sie finden, sie sehen nicht gut aus, löscht das. Aber wenn es ein echtes Lachen ist, so ein strahlendes, wo wie so ein Blick in so ein inneres Kind geweckt wird, was einfach herzlich ist, dann erkennen die Leute, wie schön sie sind, weil sie irgendwie strahlen. Für mich ist es ein echtes Lachen, wenn man das Foto nicht löschen will, weil es irgendwie doch so nett ist. Egal, wie man sich drauf gefällt. Das war jetzt eine spontane Antwort.

Lucas: Eine spontane, aber sehr schöne Antwort. Dadurch, dass ich den Song gesungen habe, bin ich ein bisschen tiefer eingetaucht, als ich es sonst manchmal schaffe. Mir ist aufgefallen, dass die Melodien sehr schön zum Nachsingen sind, ich sie mir gleichzeitig aber auch aktiv anschauen musste. Sonst habe ich den Song nach ein paar Mal hören eigentlich im Kopf. Bei „Ein echtes Lachen“ musste ich wirklich schauen, wo wandert die Melodie als nächstes hin? Meine Frage ist ein, wie diese Melodien entstehen?

Oehl: „Ein echtes Lachen“ ist tatsächlich eigentlich eine Neuinterpretation von dem Song „In drei Leben“ von OehlSingt: „Hätte ich drei Leben, würde ich den zwei leben … du wirst heute eine halbe Stunde lang genau mein Lachen.“ Ich dachte einfach, da ist noch mehr drin (lacht). Und diese Melodie wiederum – da hat irgendjemand auf Instagram mal, „da da da da da …“ (singt), irgendwas gespielt. Es war ein bisschen anders, aber ich dachte, wie kann ich das klauen, ohne es zu klauen? Also, im Endeffekt haben mir die Melodie und die Akkorde zusammen gefallen und ich habe das dann genommen und zwei eigene Songs daraus gemacht. Aber es ist nicht nahe genug dran, dass es irgendwie ein Copyright-Ding wäre, aber einfach Inspiration.

Lucas: Ich denke, dass das auch ein Grund sein kann, warum deine Songs oft Grower sind. Weil es einen Moment braucht, um die Melodien zu verstehen und wahrscheinlich gilt dasselbe auch an anderen Stellen. Was es aber für mich dann auch als singende Person super spaßig macht, weil es gibt beim Nachsingen dann Dinge zu entdecken.

Oehl: Ja, das ist schön! Also ich hatte zum Beispiel als Jugendlicher eine Radiohead-Phase. Die kommen ja jetzt wieder mit diesem ganzen Britpop-Rock Ding. Radiohead kommt gerade wieder voll oder ist schon wieder da. Ich glaube bei H&M gab es jetzt wieder ein Radiohead-Tshirt, wo du merkst, die sind wieder voll da. Ich habe viel Radiohead gehört damals, glaube ich, weil ich keinen Bock auf Radiomusik hatte. Und Radiohead ist unmöglich, beim ersten Mal gut zu finden. Ich glaube, es ist auch eine Distinktion in der Schule zu sagen, ich höre jetzt Musik, die wird keiner von euch verstehen. Man muss sich so eine Art „Taste“ erarbeiten. Das ist, wie wenn man 16 ist und zum Ersten Mal Wein trinkt. Da sagt ja auch niemand: „Hm, gut!“ Sondern das gehört zum Erwachsenwerden dazu, dass ich mir jetzt einen „Taste acquire“, dass ich mir das antrainiere.

Das ist ähnlich bei Radiohead. Du musst halt drei, viermal hören und irgendwann ist es halt sehr gut vom Gefühl her. Ich glaube, deswegen neige ich vielleicht eher auch dazu, Produkte zu machen, die vielleicht beim ersten Mal bisschen „interessant“ sind. „Interessant“ kommt ja von „Interesse“. Das beschreibt es auch ganz gut. „Inter“ kommt von dazwischen sein und wenn ich es schaffe, bei dir als Rezipient, als Zuhörer ein Gefühl auszulösen von, „ich muss mich da erst mal reinbegeben oder es zwingt mich dazu Teil davon zu sein“, in deinem Fall weil du es nachsingst oder wer anderes nicht versteht, was ich singe und dann die Texte nachlesen muss. Also es zwingt die Person in eine Position, wo sie, wenn sie sich dafür interessiert, Teil davon werden muss auf eine Art und das verbindet aber emotional noch viel stärker.

In dem Moment, wo du den Song schon gesungen hast, ist er irgendwie auch deiner. In dem Moment, wo du die Platte auseinandernimmst, Texte nachliest, verknüpfst du noch viel mehr Erlebnis damit. Ich glaube, dass diese Einladung auch Teil davon zu sein, das ausmacht, selbst wenn es nicht so viele Leute hören wie eine richtig große Band, die Leute, die es hören, aber vielleicht teilweise emotionalisierter sind dadurch. Das finde ich eine Qualität.

Lucas: Das Schöne ist, dass du mir schon die Überleitung gegeben hast zu meinem Finale. Ich bin nämlich hauptberuflich Musiklehrer und kann dich darin bestätigen, dass Radiohead wiederkommt, weil gefühlt der meistgewünschte Song, den alle im Musikunterricht singen wollen „Creep“ ist. Daran knüpft auch meine letzte Frage, ein bisschen klischeemäßig, aber in dem Kontext womöglich ganz schön. Ich als Musiklehrer frage mich immer, was möchte ich den Schülerinnen aus meiner pädagogische Perspektive als Musiklehrer heraus mitgeben?

Was würdest du gerne den Hörenden mitgeben mit deinem aktuellen Album?

Oehl: Zu lieben in jeder Facette ist ein Risiko, Kinder haben macht die Welt schwerer, Liebe macht einen verletzlicher, immer, aber wenn man es nicht nicht ausprobiert hat, dann hat man vielleicht einfach das Leben nicht gekannt. Also das Risiko zu leben. Let’s go!

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Fotocredits: Tim Cavadini

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