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Provinz im Interview: »Ich hab diese Zeit noch nie erlebt, aber ich kann’s eigentlich auch kaum noch erwarten.«

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Provinz – muss man sie wirklich noch vorstellen? Die Band aus Ravensburg hat in dem letzten Jahr schneller den Status „Newcomer“ verlassen, als sie ihn betreten haben. Ohne Album und nur mit einer Handvoll Songs haben sie sich Indie-Folk-Deutschland wie in einem Rausch erspielt. Von Straßenmusik zu ausverkauften Touren in Clubs, die zu groß sind, um sie noch Clubs zu nennen. Provinz sind erst am Anfang ihrer Karriere und beweisen jetzt mit ihrem Debütalbum Wir bauten uns Amerika, dass der Hype weit weg von unberechtigt ist. Anna hat Frontsänger Vincent auf ein ausführliches Interview vor Release erwischt und ist jetzt noch größerer Fan als davor.
 
Anna: Hey Vincent, was ein Auf und Ab um euer Debütalbum Release, doch jetzt ist es endlich so weit: „Wir bauten uns Amerika“ kommt Freitag endlich raus in die Welt! Wie fühlt sich das an?
 
Vincent: Boah, voll komisch (lacht). Also man arbeitet an so einem Album ja ewig lang irgendwie. Wir haben die letzten zwei Jahre dran gearbeitet und jetzt hat sich das irgendwie noch länger herausgezögert wegen der Corona-Krise. Aber jetzt ist es endlich so weit und ich bin krass nervös und gerade in der Release Woche wird’s jeden Tag noch schlimmer. Ich bin mega erleichtert wenn’s draußen ist. Das ist einfach wichtig gerade, dass man das raushaut und dass es die Leute endlich mal hören können.
 
Anna: Euch liegen alle Lieder wahrscheinlich ähnlichnah am Herzen. Gibt es welche, die sich besonders anfühlen, Lieblingslieder oder Lieder, die bei der Aufnahme/Produktion herausfordernd waren?
 
Vincent: Der besonderste Song für mich ist glaub ich Ich baute Dir Amerika, der letzte Song auf dem Album. Der ist ganz spät entstanden, und es war eigentlich auch gar nicht so klar, ob wir den direkt draufnehmen sollen oder nicht. Der Song war sehr persönlich und auch sehr anspruchsvoll für uns alle. Deswegen sticht der so ein bisschen heraus. Live spiel ich am liebsten Wenn die Party vorbei ist, weil der halt irgendwie krass abgeht. Das sind so die zwei Favoriten im Moment, aber das wechselt die ganze Zeit, ich hab jede Woche gefühlt ‘nen neuen Lieblingssong (lacht).
 
Anna: Wie kamt ihr auf den Titel Wir bauten uns Amerika? Das hat doch bestimmt auch was mit dem letzten Song auf dem Album zu tun oder?
 
Vincent: Genau.
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Provinz sind krass stolz auf ihr Album und wir auch
Amerika steht ja für sehr viel und in dem Zusammenhang steht es als Metapher für ein Ziel, auf das man hinarbeitet, was zwar ‘ne Illusion ist, aber einen antreibt. Und das war irgendwie das Album für uns und ich denke, jeder hat sein Amerika, sein Ziel und seine Illusion, die vielleicht irgendwann die Wahrheit wird, aber im Moment eben nur in weiter Ferne ist. Das Album war unser großes Ziel bzw. unsere große Herausforderung und wir haben jetzt quasi unsereigenes Amerika gebaut. Und dazu kam halt der geile Gegensatz mit unserem Bandnamen Provinz und Wir bauten uns Amerika, und deswegen haben wir uns dafür entschieden.
 
Anna: Da steckt also noch eine zweite Ebene hinter.
 
Vincent: Genau (schmunzelt).
 
Anna: Eure Fanbase ist ja unglaublich gewachsen und ihr hattet ja bis jetzt nicht mal ein Album draußen. Wann habt ihr angefangen, zu realisieren, dass das alles ein bisschen schneller ein bisschen größer wird als vielleicht anfangs gedacht?
 
Vincent: Eigentlich als wir live gespielt und die Leute mitgesungen haben, das war so letzten Sommer. Da haben dann alle Menschen angefangen Was uns high macht mitzubrüllen und so, und das war dann schon auf jeden Fall, wo ich gedacht hab „irre, wie sich das anfühlt und was daraus werden kann“. Und die Leute haben dann auch angefangen, Bilder zu wollen und so, was ich glaub ich immer noch nicht ganz verdaut hab oder was zum Glück auch noch nicht normal ist. Aber da hab ich erkannt, dass da mehr dahinter stecken kann.
 
Anna: Wenn man plötzlich so ein bisschen aus der eigenen Bubble die Reaktion und das positive Feedback mitbekommt.
 
Vincent: Genau. Bisher ist es ja so, dass wir in Vogt aufgewachsen sind, in so ‘nem Dorf, und da haben uns eigentlich nur die Familie gehört und vielleicht mal mit Straßenmusik ein paar Passanten. Aber als wir dann erkannt haben, dass es sogar außerhalb unseres Landkreises Leute gibt, die das hören wollen, war das auf jeden Fall verrückt.
 
Anna: Das wäre jetzt auch meine nächste Frage gewesen: Möchtest du für die, die den frühen Sprung auf die neue Musikgröße „Provinz“ noch nicht geschafft haben, euch und eure Bandgeschichte noch einmal kurz vorstellen?
 
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Provinz vorgestellt: Robin, Leon, Moritz und Vincent (©Maximilian Mack)
Vincent: Ja gerne, wir sind vier insgesamt, Leon, Moritz, Robin und ich. Moritz, Robin und ich sind Cousins. Wir haben eine sehr musikalische Familie und bei uns war es früher immer so Pflicht, ein Instrument zu spielen und auch wenn man das gar nicht wollte (lacht). Irgendwann saß ich dann mit Robin zusammen, glaub‘ an Weihnachten bei Oma oder so, und dann haben wir angefangen, Songs zu schreiben, einfach so aus Spaß. Da haben wir entdeckt, hey, krass, man muss ja gar nicht immer so langweilige Noten spielen, man kann ja auch einfach spielen, wie man Bock hat. Dann haben wir angefangen, Musik zu machen, da war ich vielleicht 12… Wir haben englische Lieder geschrieben, die waren auch mega schlecht zu dem Zeitpunkt noch, und dann hat sich das so daraus entwickelt. Wir haben zu zweit Straßenmusik gemacht am Bodensee, da wo wir auch herkommen, weil da die reichen Rentner rumlaufen und uns immer gut Geld gegeben haben (lacht). Ich musste immer sehr viel schreien, bis mich jemand gehört hat, deswegen hat sich meine Stimme auch so entwickelt, glaub ich. Und irgendwann kam Mosse dazu, der dann anfangs noch Cajón gespielt hat und dann hießen wir „Twice feat. Mo“, sehr kreativ, ich weiß (lacht). Und in der Oberstufe hat sich das so ein bisschen verlaufen, Robin ging auf Weltreise, und wir haben nicht mehr so regelmäßig Musik gemacht. Als er wieder da war, haben wir Leon kennengelernt, und wollten wieder ne Band gründen und haben ihn einfach gefragt, ob er mitmachen will. Das war so vor zweieinhalb, drei Jahren und seitdem ging alles eigentlich relativ steil und relativ schnell.
 
Anna: Was eine süße Geschichte. Wie würdest du die Zusammenarbeit eurer Band beschreiben? Macht es es einfacher, oder schwerer, dass ihr euch euer Leben lang schon kennt? Wie kann man sich das vorstellen, hinter den Kulissen, habt ihr eine Aufgabenverteilung oder harmonisiert ihr alle relativ?
 
Vincent: Ich denke, dass es ganz gut ist, wenn man sich so gut kennt. Man ist immer krass ehrlich zueinanderund auch wenn das oft persönlich wird und es schon mal Streit geben kann, sind wir halt einfach Familie. Und ich glaub bei Freunden ist es so, dass sich das dann, wenn man sich mal nicht so gut versteht, sich auch einfach verliert, den Kontakt nicht mehr pflegt und dementsprechend auseinanderlebt. Und wir sind eben so krass verbunden, dass das nicht möglich ist, wir müssen uns jedes Mal wieder zusammensetzen und offen ansprechen, was das Problem war. Deswegen ist es glaub ich ganz gut, dass wir Cousins sind, weil der Zusammenhalt noch tiefgehender ist vielleicht.
 
Anna: Ich hab euch selbst 2018 im kleinen Flux Bergfest gesehen und war von Sekunde eins überzeugt und riesen Fan. Ich kann mir deshalb auch vorstellen, dass eure Fans vor allem durch eure energetischen Live-Auftritte angezogen werden, bekommt ihr das Feedback direkt auch immer nach den Shows?
 
Vincent: Ja, auf jeden Fall. Die Leute kommen meistens und wollen Autogramme, unterschriebene Platten oder CDs, und machen viele Bilder. Also es gab da auf jeden Fall schon viele verrückte Momente. Als wir zum Beispiel einmal in München waren, ich glaub, das war eins der letzten Konzerte, die wir gespielt haben, wurden wir so krass überrannt, dass die Security kurz einschreiten musste. Ich weiß nicht, wir werden auf jeden Fall viel gefeiert für unsere Liveauftritte, was am Anfang gar nicht abzusehen war. Wir waren voll die schlechte Liveband am Anfang, unsere Booking Agentur, die Landstreicher, meinten am Anfang auch zu uns „Jungs, ihr werdet halt so nicht gebooked, weil ihr einfach zu schlecht seid“ (lacht)
 
Anna: Das ist sehr ehrlich (lacht)
 
Vincent: Ja, ist schroff, im Nachhinein, dass sie das so gesagt haben, und für uns war das auch ein bisschen so ne Ernüchterung, wo wir gesagt haben, nee, wir müssen uns echt mal dahinterklemmen. Wir haben dann krass angefangen zu proben und wurden tighter und dass wir so am Schluss als Liveband wahrgenommen werden, ist schon schön zu sehen, ja.
 
Anna: Da wir grad bei Live-Auftritten sind: eure erste Tour war innerhalb vier Tagen komplett ausverkauft und auch die zweite Tour, die dann im Herbst stattfinden sollte, wurde mehrfach hochverlegt und ausverkauft. Dazu erstmal Glückwunsch! Habt ihr damit gerechnet?
 
Vincent: Null, auf gar keinen Fall, das war voll das Experiment. Die erste Tour war ja auch noch voll klein und ist aktuell immer noch so klein, so 200-300er Clubs. Und als es plötzlich ausverkauft war dachten wir, „ok krass, aber es sind auch kleine Clubs“. Deswegen haben wir das noch so eingeordnet, aber als wir dann die große Tour angesagt haben und das war auch plötzlich alles ausverkauft und hochverlegt, das war schon das Unnormalste an all dem.
 
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Vincent kann’s kaum erwarten, wieder live zu spielen
Anna: So viele Leute haben sich einfach so viele Karten gekauft in so schneller Zeit.
 
Vincent: Ja, genau. So viele zahlen einfach Geld dafür, dass sie uns spielen sehen, das ist einfach ein ganz verrücktes Gefühl. Ich hab diese Zeit noch nie erlebt, aber ich kanns auch eigentlich kaum noch erwarten.
 
Anna: Es ist dann natürlich nochmal doppelt ärgerlich, diese Konzerte jetzt wegen Corona nicht spielen zu können. Auch die ganzen Festivals sind diesen Sommer ja ins Wasser gefallen. Ihr habt aber auch schon Alternativen gefunden, wie zum Beispiel die Picknick-Konzerte in Dresden und Leipzig Anfang August. Auf einer Skala von 1 bis 10, wie viel Bock habt ihr, wieder live zu spielen?
 
Vincent (ganz schnell): 12 (lacht). Wir wissen zwar noch nicht genau, wie das mit den Picknick Konzerten genau abläuft, aber uns ist es voll egal, wir spielen wieder live und die Leute sind da und das ist das Wichtigste. Ich glaub auch, dass das Verlangen der Leute extrem groß geworden ist, weil ja ein halbes Jahr ja gar nichts ging.Und da nimmt man ja auch, was man bekommt oder kriegt. Wir sehen das auf jeden Fall so und freuen uns daher extrem.
 
Anna: Ein bisschen Deep-Talk zum Ende hin: Wie habt ihr die erste Jahreshälfte 2020 wahrgenommen? Was hat es mit euch persönlich gemacht?
 
Vincent (überlegt): Wir haben unser Album fertig aufgenommen, dann wurdendie Touren angesagt und fast ausverkauft, wir standen in den Startlöchern, haben dann noch die Fil Bo Riva-Supportshow gespielt. Dann kam auch schon der Anruf, dass das jetzt alles nicht möglich ist, die Tour abgesagt wurde und das Album wahrscheinlich verschoben werden muss. Das hat uns auf jeden Fall krass getroffen, ich mein, keiner erwartet, dass so ‘ne Pandemie um die Ecke kommt und einfach so sagt „nee, so nicht“. Deswegen waren wir so krass perplex und haben uns ein bisschen ohnmächtig gefühlt. Aber dann war‘s auch so, ey keine Ahnung, wir haben die letzten zwei Jahre durchgehustled, wenn wir jetzt mal ‘ne dreimonatige Pause haben, werden wir das schon überstehen. Aber da es sich halt auch so lange gezogen hat, nervt es nur noch. Ich werd auch immer unruhig, wenn ich nichts mache, oder wenn ich mal nicht unterwegs bin. Ich glaube, das geht vielen so, dass einem dann ein bisschen die Existenzberechtigung fehlt. Das ist schon ‘ne schwierige Phase gewesen, aber jetzt ist Sommer, jetzt ist alles wieder ein bisschen positiver. Wir bringen das Album raus, wir können jetzt wieder die Picknick-Konzerte spielen, wir haben auch nach wie vor voll viele Ticktes verkauft, viele Albumvorbestellungen, das macht schon alles Bock. Deswegen hab ich eigentlich wenig Grund, mich so richtig zu beklagen.
 
Anna: Sind dadurch auch neue Projekte für die Zukunft schon entstanden?
 
Vincent: Ja, wir haben viele Songs geschrieben. Im Nachhinein ist es ganz witzig, denn ich schreib Songs eher so intuitiv, was mir gefällt, schreib ich auf. Ich hab in der Zeit schon ein paar Songs geschrieben, und die meisten handeln halt einfach so um Isolation, Fernweh, Sehnsucht nach Leuten, die man wieder sehen kann. Mir war nicht so bewusst, dass das dann doch so tiefgehende Struggles sind, die mich denn auch so emotional treffen, das ist eigentlich ganz witzig. Ich check dann eigentlich erst im Nachhinein, was mich eigentlich so beschäftigt, nachdem der Songs steht, so „ah ja, klar, macht Sinn“ (lacht).
 
Anna: Letzte Frage beim uns ist immer ein blank space für euch, die Künstler. Was möchtest du zum Schluss noch los werden?
 
Vincent: Am 17.07. kommt unser Album raus, vielleicht wisst ihr das auch sschon (lacht)! Das solltet ihr euch auf jeden Fall anhören, ansonsten wünsche ich euch einen schönen Sommer!

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