independent music magazine

Dolphin Love im Interview: »Ich schreibe Songs für live – nicht für Algorithmen.«

Dolphin Love, Who Speaks Your Mind, untoldency

Weite Fläche, flirrendes Licht, irgendwo ganz hinten klingt Musik an – wie eine Erinnerung, die plötzlich wiederkommt. So beginnt nicht nur der Kurzfilm zur zweiten EP „Who Speaks Your Mind“ von Dolphin Love, sondern auch der Eintritt in seine Soundwelt, die irgendwo zwischen Nostalgie, Aufbruch und völliger Entrücktheit schwebt.

Seit der Debüt-EP 999 im Jahr 2022 ist klar: Dolphin Loves Musik ist keine, die sich einfach in ein Genre pressen lässt. Sie ist mal beatlastig und verspielt, mal roh und introspektiv. Zwischen Hip-Hop-Produktion, Gitarrenflächen und einer Stimme, die manchmal mehr Textur als Erzählstimme ist, entsteht eine Musik, die nicht gefallen will – sondern fühlen. Mit der dritten EP Not From Here, die am Freitag, 11. April, erschienen ist, wird dieser Eindruck noch einmal vertieft: Es geht ums Verlorensein, um das Schweben zwischen gestern und morgen, zwischen Wunsch und Wirklichkeit.

Dass Dolphin Love am liebsten alles selbst macht – von der ersten Idee bis zum finalen Mix –, merkt man der Musik sofort an. Hier wird nicht für TikTok produziert, sondern für die echten Momente: fürs Zugfahren bei Regen, fürs Rumliegen mit offenen Fenstern, fürs Da-sein (oder eben Nicht-Da-sein).

Wir haben mit Dolphin Love über das Entstehen der neuen EP gesprochen, über das Gefühl, ständig zwischen Zeiten zu hängen – und darüber, warum Musik manchmal der einzige Ort ist, an dem man wirklich hier sein kann.

Dolphin Love im Interview

Hi Coco, wie geht’s dir gerade so?

Mir geht’s echt ganz gut. Ich mache gerade wieder viel neue Musik, arbeite mit einem anderen Künstler zusammen – das ist gerade echt schön. Und die Sonne hat eben geschienen! Das hebt die Stimmung total. Und ich bin gerade auf wieder auf dem Land, das tut immer ganz gut nach einer intensiven Zeit in Berlin.

Das kann ich mir gut vorstellen! Wenn du deine Musik in drei Worten beschreiben müsstest – welche wären das?

Leicht, unkompliziert und frei. Irgendwie beschreibt das ganz gut diese Weite, wenn ich Musik mache und auch eine gewisse Leere.

Wie wird aus so einem Gefühl dann eigentlich ein Song bei dir?

Ganz unterschiedlich. Es ist total tagesformabhängig. Meistens passiert’s einfach. So ein Moment, der plötzlich da ist – und den muss man dann greifen. Die besten Songs entstehen oft ganz schnell, wenn man den Impuls direkt aufnimmt und nicht zu lange dran rumbastelt.

Hast du dann später manchmal so das Gefühl: Hätte ich das doch noch verändert…?

Früher auf jeden Fall! Aber mittlerweile bin ich da entspannter. Ich denk mir: Das war’s – besser fertig als perfekt. Das ist eigentlich viel schöner. Zu viel Feinschliff killt manchmal den ursprünglichen Vibe.

Produzierst du deshalb auch lieber alleine?

Ich liebe beides. Allein zu schreiben hat was Besonderes – aber mit anderen gemeinsam Musik machen, das ist auch richtig schön. Das ist immer ein ganz besonderer Moment. Ich produziere auch gerne für andere. Diese Momente zusammen sind total wertvoll.

Könntest du dir ein Feature vorstellen?

Auf jeden Fall! Ich plane gerade, Dolphin Love zu erweitern und mit anderen Künstler*innen zusammenzuarbeiten. Gerade mit Leuten, die musikalisch einen Kontrast bilden – das reizt mich total. Ich bin auch einfach sehr hungrig danach, Input von anderen Leuten zu bekommen.

Und wenn du träumen dürftest: Wen würdest du gerne mal featuren?

Boah, gute Frage. Vielleicht Spacey Jane, die australische Band. Oder ein Rapper wie Larry June – ich mach den Beat und er rappt drüber. Irgendwas außerhalb meiner Indie-Comfort-Zone.

Früher hast du ja viel solo gespielt, jetzt öfter mit Band – was gefällt dir besser?

Mit Band ist’s tausendmal geiler. Früher hab ich in The Attic Nights gespielt und auch Schlagzeug in anderen Bands. Live mit Leuten auf der Bühne – das ist so eine Energie, die man teilen kann. So ist das auch mit Jan, meinem Drummer. Er ist einfach ein Herzensmensch. Mit ihm ist’s auf und neben der Bühne einfach schön. Schöner als alleine.

Wie lang dauert es bei dir eigentlich, bis ein Song fertig ist?

Kommt drauf an. Bei der neuen EP hatte ich es das erste Mal, dass die Versionen teilweise ewig rumlagen. Manche Songs haben sich echt über Monate entwickelt. Ein Song kommt sogar noch von April 2023. Manchmal lagen sie einfach rum, dann kam nach zwei Monaten plötzlich die Strophe. Ich hab sie lang reifen lassen und geguckt, ob sie auch nach vier, fünf Monaten noch für mich funktionieren. Erst dann war klar: Das sind die Songs für die EP.

Ich hab beim Hören gedacht: Die neue EP klingt anders als dein Debüt. Es ist immer noch Dolphin Love, aber schon sehr anders. Wie siehst du das?

Ja, voll. Die neue EP ist soundmäßig aufgeräumter. Ich hab beim Mixen viel dazugelernt. Früher war’s mehr Trial & Error, jetzt hab ich klarere Vorstellungen. Aber ich lieb’s auch, wieder rougher zu werden – weniger glatt, eher gefühlig. Da werden die nächsten Songs auch wieder eher hingehen.

Finde ich total spannend, weil du ja auch nicht drauf zu achten scheinst, wie lang deine Songs sind. Da gibt’s zwischen einer Minute Intro und 7 Minuten Versionen ja alles. Machst du dir da manchmal Gedanken, dass du Songs besser an einen Algorithmus anpassen müsstest?

Gar nicht. Ich schreibe für Live – nicht für Algorithmen. Wenn ein Song sieben Minuten braucht, dann bekommt er die auch. Ich liebe es, mich davon freizumachen, in ein Raster passen zu müssen. Es muss einfach zu dem Lied passen. Wir haben ja vor eineinhalb Jahren auch den Kurzfilm Who Speaks Your Mind gefilmt, der ist ein gutes Beispiel dafür: Die Geschichte braucht den langen Song, um zu wirken. Zwei Minuten hätten da nichts gebracht. Dann wäre es gar nicht rübergekommen.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Kommen wir zurück zur EP „NOT FROM HERE“: Worum geht’s thematisch?

Um das Gefühl, nicht richtig da zu sein. Deswegen heißt sie auch „Not From Here“. Ich bin oft zu weit vorne oder hinten im Leben, so zumindest mein Gefühl. Ich bin im Kopf immer wo anders – nie so richtig im Moment. Manchmal denk ich an die Zukunft und denk so: „Scheiße, wie wird das wohl?“ und dann denke ich wieder: Lebe doch einfach im Moment. An anderen Tagen hänge ich gedanklich noch total in der Vergangenheit. Aber das bringt auch nichts, weil ich das eh nicht mehr beeinflussen kann.

Klingt sehr relatable – auch ein bisschen nach dieser typischen 20er-Jahre-Existenzkrise.

Total! Dieses „Was mach ich eigentlich mit meinem Leben?“, gepaart mit dem Druck, alles absichern zu müssen. Ich versuche, im Jetzt zu leben – das bringt einfach mehr.

Okay, ich habe noch zwei Fragen zum Schluss. Nummer 1: Hast du einen Lieblingssong von dir?

Ja! Gerade ist es „BANGALOW“, der zusammen mit der EP rausgekommen ist. Ich liebe den live einfach total – der macht so viel Spaß.

Und zum Abschluss: Deine untold story.

Tatsächlich fällt mir da auch direkt eine ein. Ich war mal ziemlich betrunken und hab im Bett aus Versehen auf meinen Laptop gekotzt. Da war super viel Musik drauf. Am nächsten Morgen hab ich’s gerade noch geschafft, die Songs runterzuziehen. Dann zum Computerladen – und der Typ so: „Da ist nichts mehr zu machen.“ Ja, that’s the story. Memo an alle: Sichert eure Daten regelmäßig!

Oha, da hattest du ja gerade noch Glück im Unglück. Danke dir, Coco – für deine Zeit, deine Offenheit und natürlich deine Musik.

Danke dir! War voll schön!

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von Spotify zu laden.

Inhalt laden

Fotocredit: Fioni Versace, Jens Krahe

related articles
musikvideo der woche
YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

new untold releases

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von Spotify zu laden.

Inhalt laden

jahresrückblicke 2024
adventskalender
artists to watch 2025
untoldency presents
all of the untold

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von Spotify zu laden.

Inhalt laden

untold pop up shows
YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

untold secrets

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von Spotify zu laden.

Inhalt laden