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Braucht Popmusik eine Frauenquote?

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Kurz vorab: ich bin ein weißer Cis-Mann und meine Mutter hat mir im Streit in meiner jugendlichen Sturm-und-Drang-Phase oft vorgeworfen, ich sei als Kind schon ein Macho gewesen. „Danke Mama“ dachte ich dann immer halbironisch. Dass da allerdings erschreckend viel dran ist, habe ich vor einiger Zeit erst in einem Selbstexperiment erfahren müssen.


Musik nur als nettes Nebenprodukt?

Als ich so durch meine Shazam- und Spotify-Playlists scrollte, fiel mir auf, dass ich in letzter Zeit erstaunlich viel Musik mit weiblichem Hauptgesang aufgeschnappt hatte. Mehr als Songs mit Männerstimmen. Das war gefühlt noch nie vorgekommen und das brachte mich ins Grübeln. Habe ich überhaupt weibliche Vorbilder in der Musik? Lieblingsbands mit Frontfrauen oder Künstlerinnen, die ich bewundere? Die Ausbeute meiner Suche war gering bis nicht existent. Doch woran liegt das?

Zu behaupten, es gäbe keine Frauen in der Popmusik ist ja offensichtlich falsch. Von Janis Joplin über Tina Turner, Madonna, Britney Spears bis hin zu Billie Eilish gibt es offensichtlich in jedem Genre und jeder Generation entsprechende Vertretungen des weiblichen Geschlechts, nur um jetzt mal ein paar wirklich prominente Beispiele zu nennen. Was mich störte war aber zunächst folgender Punkt: sind diese Frauen wirklich hauptsächlich MusikerInnen, die ihre eigenen Songs schreiben und performen? Oder sind es in den meisten Fällen doch eher bis in die letzte Haarsträhne kommerzialisierte Sexobjekte, deren Musik ein nettes Nebenprodukt ist?

But slow down: Sowohl Songs nicht selber zu schreiben und dafür großartige Songwriter zu engagieren, als auch die Vermarktung der Person oder des Aussehens darf eigentlich kein Kriterium sein, Musik der entsprechenden KünstlerInnen „schlecht“ zu finden. Auffällig für mich war nur, dass der „handwerkliche“ Aspekt der Musik bei Künstlerinnen weit weniger in den Vordergrund gestellt wird, als bei ihren männlichen Kollegen. Und auch Bands mit ausschließlich weiblichen Mitgliedern gibt es sehr selten, Bands mit ausschließlich männlichen Musikern allerdings an jeder Straßenecke.

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Der perfekte Teufelskreis

Es scheint irgendwie schon in der frühen musikalischen Entwicklung einen springenden Punkt zu geben. Die Art und Weise, junge Menschen für das Musikmachen zu begeistern, funktioniert nicht besonders heterogen. Ein Beispiel: Jungs gründen eine Band, spielen Rockmusik und besaufen sich jeden Freitag im muffigen Keller des Drummers. Mädchen… Ja, was denn?
Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass heranwachsende Frauen weniger Interesse an einer Bandgründung oder an Pop- und Rockmusik haben respektive haben könnten. Auch hier sind es höchstwahrscheinlich wieder die gesellschaftlichen Gepflogenheiten, die die Wünsche und Chancen der Frauen systematisch unterdrücken, ja gar nicht erst aufkommen lassen. Unser popkulturelles System ist gar nicht darauf ausgelegt, weibliche Personen vollständig zu integrieren.

Dieses Konzept zieht sich wie ein roter Faden durch die Poplandschaft. Wie viele Festival Line-Ups habe ich in den letzten Jahren sehen müssen, die keinen einzigen weiblichen Act zu bieten hatten? Und dann ist der Teufelskreis ja perfekt: junge Frauen haben keine Vorbilder und verlieren das Interesse, in den entscheidenen Jahren Musik zu machen. Hinzu kommt eine völlig nachvollziehbare Abneigung, sich in einer männerdominierten Kultur buchstäblich Gehör verschaffen und durchbeißen zu müssen. Bei dem Gedanken, wie viele angehende KünstlerInnen wahrscheinlich schon Front of Stage und hinter den Kulissen tituliert oder belächelt worden sein müssen, kann ich mir wirklich nur die Finger in die Schläfen rammen. Vielen Männern wäre es wahrscheinlich ganz recht, Frauen blieben „einfach nur Groupies“.


Kein Platz für Ausreden

Also, braucht Popmusik eine Frauenquote, ja oder nein? Für mich ist die Antwort „Ja“. Allerdings muss die Methode stimmen. Eine platte Quote, beispielsweise im Radio, packt das Problem nicht an der Wurzel. Stattdessen müssen weibliche Jugendliche schon ganz früh gezielt und langfristig gefördert werden und das machen dürfen, worauf sie Bock haben. Vorstellen kann ich mir da vieles: Workshops, Coachings, Toursupport, Projektfinanzierung, etc. pp., die Liste ist lang. Etablierte Institutionen wie die Initiative Musik oder PopNRW müssen hier zum Vorreiter werden. Hier wäre es doch ein Leichtes, die Musikszene etwas diverser zu protegieren. Eine Quote, die solche Unterstützungen gerecht und angemessen an junge MusikerInnen verteilt, ist wahrscheinlich das hilfreichste Mittel.

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Sie lässt einfach keinen Platz für Ausreden. Außerdem hätten MusikerInnen weniger Hemmungen, sich für diese Fördermittel zu bewerben. Und daraus könnten so unendlich viele neue und kreative Möglichkeiten entstehen: ein ganz neues Songwriting, neue Produktionsweisen, neue Genres. Klar, das würde dauern, aber es geht bei diesem Thema auch um Nachhaltigkeit und nicht um Einzelphänomene. Parallel dazu müssten natürlich genauso trans- und intersexuelle MusikerInnen gestützt und geschützt werden, denn auch hier liegt das Niveau im Jahre 2021 weit unter dem Potenzial.

Als kleines Selbstexperiment zum Schluss empfehle ich, 10 Bands mit ausschließlich männlichen Akteuren aufzuzählen. War leicht, oder? Dann jetzt 10 Bands mit ausschließlich weiblichen. Hm? Hmm… Erschreckend, wo wir uns doch die Weltbevölkerung eigentlich fast 50/50 teilen.

Es wäre doch wirklich spannend, wenn wir erst eine Hälfte der Popmusik kennengelernt hätten, oder?



Ihr habt Lust, starke Künsterinnen zu entdecken? Hier eine ein paar Links unserer letzten Reviews auf untoldency:

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