Es ist inzwischen schon das dritte Mal, dass wir (Jule und Anna) uns in einem geteilten Google Doc zusammensetzen, um über die Künstler*innen und Bands zu philosophieren, die die Musiklandschaft des nächsten Jahres verändern werden. Wenn wir uns so unsere artists to watch-Auswahl aus dem letzten Jahr angucken (Novaa, Schmyt, Paula Hartmann, Edwin Rosen, …) und die aus dem Jahr davor (Arlo Parks, Betterov, Mele, Anaïs, …) dann sind wir mit unserem Bauchgefühl doch ganz zufrieden. Manche haben uns mit neuer Musik zwar ein wenig länger warten lassen als erhofft (@ Betterov, looking at you here), andere könnten auch noch nochmal aufgenommen werden (@ Mele, bald reißt du alles ab). Sie sind alle ein absoluter Geheimtipp für eure privaten Playlisten und die eures Freundeskreises.
2022 war auch wieder ein Jahr, in dem wir – obwohl so grauenvoll durchwachsen – viele neue Künstler*innen und Bands entdeckt und in unsere Herzen geschlossen haben. Und ihr habt in diesem Jahr hoffentlich auch viel neue Musik über uns finden können! Vor zwei Jahren, als wir dieses süße Magazin hier gegründet haben, war nämlich genau das unsere Prämisse: Wir wollten Musik teilen, die wir gut finden. Ob groß, ob klein, egal welches Genre, Hauptsache gut. Dass wir alles, was wir finden, inzwischen schon mit so vielen Leuten teilen dürfen, ist ein absolutes Privileg und wir werden immer noch ab und zu emotional darüber. Aber es ist bald Weihnachten, also können wir da schon nochmal Danke sagen! <3
Doch genug rum-gefühls-duseliert, ihr seid hier! Genau wie all die brillanten Künstler*innen, die darauf warten, von uns und euch gehört zu werden. Und diese 10 Artists hier könnten 2023 einen großen Schritt in ihrer Karriere weiterkommen – jedenfalls haben wir das so im Gefühl und wünschen uns es sehr.
(Hier klicken, um unsere artists to watch 2023 parallel zu hören.)
Brockhoff
Unser erster und somit auch diese Liste anführender musikalischer Geheimtipp für 2023 ist Brockhoff. Dabei ist Brockhoff nicht, wie das erste Google-Ergebnis anzeigt, der “größte lokale Gewerbemakler in Deutschland”, sondern empowernder Indie-Garagen-Rock der Hamburgerin Lina Brockhoff. Ihre Debüt-EP “Sharks” hat nicht nur uns aufblicken lassen, sondern hat sie wie in einem kleinen Wirbelsturm vom Tempelhofer Sounds bis hin zum Reeperbahn-Festival getragen. Überall war ihr Name zu hören – und das zu Recht! Wir haben sie für euch im Juni schon mal im Interview gehabt, in dem ihr auch mehr darüber erfahren könnt, wieso FLINTA* Präsenz auf Festivals und im ganzen Rock-Kosmos so wichtig ist. Brockhoff ist für uns auf jeden Fall ein safe bet, genau diesen Kosmos in Deutschland um so einiges zu erweitern. Nächstes Jahr geht sie auf ihre erste Tour, veröffentlicht noch mehr Musik und bringt neben Größen wie beadbadobee, Holly Humberstone oder Snail Mail endlich mehr Frauenpower im Indie-Rock-Game. 2022 war der Start, nächstes Jahr geht’s weiter. Wir können es kaum erwarten.
Sharktank
Kommen wir zu einer unserer Herzenbands aus Österreich, die ihr wahrscheinlich (hoffentlich?) alle schon auf dem Schirm habt: Sharktank. Mit ihrem Debütalbum “Get It Done” haben sie sich 2021 in einer Nische etabliert, die auf die sehr coole Genre-Einordnung “HipHop meets Indie” hört – oder so ähnlich. Müssten wir es beschreiben, würden wir sagen: “Sharktank? Die hören sich an, als hätten sich zwei aufbrausende Liebesaffären ineinander verloren und ein Baby gezeugt, das mit Feel-Good-Vibes, leichtlebigen Indiegitarren und gesellschaftskritisch englischsprachigen Rap daherkommt”. Anhand der Beschreibung merkt ihr vielleicht: wir sind Fan. Aber wie auch nicht? Die musikalischen Hintergründe der Band bewegen sich in derselben Bubble wie Oehl, Leyya und Bilderbuch – die österreichische Elite des Newcomer-Indie-Pops sozusagen. Das Motto der Band: Musik machen, weil es Spaß macht. Und das hört man! Sharktanks Musik ist an den richtigen Momenten lässig, frei, geballt, komplex und dann wieder leicht, schön und einfach nur cool. Für 2023 ist ihr zweites Album angekündigt und das ist für uns ein großer Grund zu sagen: hört euch das an! Es könnte sich durchaus zu einem musikalischen Highlight des nächsten Jahres mausern.
TEMMIS
Es wäre ein kleiner Skandal, würden wir TEMMIS nicht mit in diese Liste aufnehmen. Die Newcomer-Band aus Tübingen, die mittlerweile Hamburg-based ist, ist der Beweis dafür, wie wahnsinnig cool deutsche Musik sein kann – vor allem, wenn sie fast mehr zufällig entstanden ist. Hier das Rezept: Post-Punk meets New-Wave meets tiefgehende-Ratlosigkeit-einer-Generation. Das und die richtige Prise “fuck it, wir versuchen das einfach mal” ergibt diese Wundertüte, die auf den Namen TEMMIS hört und sehr, sehr wahrscheinlich 2023 einmal alles komplett durchrütteln wird. Den Anfang haben sie dieses Jahr mit ihren EPs “Wenn du da bist” und “Klinge” gemacht, und wenn sogar Casper sie auf sein renommiertes Zurück Zu Hause-Festival in Bielefeld einlädt, dann hat er da schon den richtigen Riecher. Im Umfeld von Edwin Rosen, Flawless Issues und Max Rieger (Die Nerven) werden TEMMIS das Game der neuen neuen deutschen Welle maßgeblich beeinflussen – und eventuell werden wir sie dafür Anfang Januar in einem Interview mal zu ausquetschen! Stay tuned also.
Dilla
Und wenn wir schon bei „stay tuned“ sind, richten wir unser Augenmerk direkt weiter zu Dilla. Seit 2021 veröffentlicht die in Berlin lebende Münchnerin ihre Songs und hat mit „photosynthese“ oder zuletzt mit dem futurebae-Feature „Sektfrühstück“ für extrem gute Stimmung in unseren Ohren gesorgt und es mit „Avenue“ vor einigen Wochen auch auf das Cover unserer new untold releases-Playlist geschafft. Die Sängerin, Produzentin und Songwriterin trifft mit ihren Hyperpop-Techno-Beats einfach genau den musikalischen Gute-Laune-Punkt, der uns in den letzten Jahren gefehlt hat. Fleißige Festival-Besucher*innen konnten in diesem Jahr schon auf so einigen Bühnen des Landes mit Dilla feiern – und im März 2023 geht es für sie dann auf große Headliner-Tour. Ihre Songs leben von massiven Augenzwinkern (“klingt billig und ist auch einfach nicht so gut”, sagt ihre Spotify-Bio), ihre Lyrics sorgen gerne für Lacher und all das, obwohl sie in ihrer Musik durchaus die tiefgründigen Themen unserer Generation aufgreift. Klingt für uns nach einer nahezu perfekten Kombination und einem erfolgreichen Musikjahr 2023 für Dilla.
ENNIO
Eine extrem steile Kurve legt derzeit auch ENNIO hin – Ende absolut nicht in Sicht. Seit gerade einmal knapp einem Jahr veröffentlicht der Münchner, der sich vorher als Emotional Club einen Namen gemacht hat, seine Musik und trotzdem kommt seine im März 2022 erschienene zweite Single „Kippe“ schon auf unfassbare 5,6 Mio. Streams. Das ganze Jahr über hat er sich z.B. als Support für Provinz und MAJAN und verschiedensten Festivals in die Herzen seiner Fans gespielt und wurde völlig verdient nicht selten als einer der spannendsten Newcomer*innen aufgezählt. Am 02.12.2022 veröffentlichte er sein Debütalbum „Nirvana“ und spätestens seitdem gibt es wirklich kein Halten mehr. Aktuell ist ENNIO mit diesem Album auf hochverlegter und trotzdem ausverkaufter Tour. Mit seiner Bandbreite an musikalischer Raffinesse und Vielfalt hat er bei allen Indie-Fans einen Nerv getroffen und bereichert unsere heißgeliebte Bubble, als wäre er einfach schon immer da gewesen. Sein Kalender für nächstes Jahr ist auch schon massig gefüllt, so dass ein Vorbeikommen an ihm quasi ausgeschlossen ist. Wenn 2023 also so weitergeht, wie 2022 endet, dann wird das für ENNIO ein krasses Jahr.
Hazlett
Ein weiterer Künstler, den wir euch für 2023 ans Herz legen wollen, ist Hazlett. Der in Stockholm lebende Australier dürfte euch als Teil des wunderbaren Line Ups der Acoustics Concerts 2022 bekannt sein – und vielleicht hat sich eine Person unserer Redaktion dabei so sehr in seine Musik verliebt, dass er laut Spotify Wrapped ihr beliebtester Künstler 2022 war. Seit 2019 veröffentlicht er seine eigene Musik, nachdem er vorher als Ghostwriter lieber anderen Artists das Spotlight überlassen hat. Hazlett verarbeitet in seinen Folkpop-Songs seine intimsten Gedanken, wunden Punkte und Schmerzen und glänzt dabei mit ungeschönter Ehrlichkeit. Und dabei verpackt er seine Gefühle und Erlebnisse in wunderschöner Poesie und Melancholie. Wir fühlen also mit allen, bei denen er und seine Stimme in Songs wie „Everybody Hates Me“ oder „My Skin“ (oder allen anderen) eine Million Emotionen hervorruft. In diesem Jahr hat er die Side A seines im nächsten Jahr erscheinenden Debütalbums veröffentlicht. Und bis dahin versuchen wir einfach, emotional etwas stabiler zu werden, um uns dann aber doch wieder von Hazlett mitreißen zu lassen.
Willow Parlo
Und wenn ihr euch schon emotional mitreißen lasst, könnt ihr hiermit direkt weitermachen. Vier Songs auf einer EP hat die Hamburger Dream-Pop-Band Willow Parlo bisher veröffentlicht, alle in diesem Jahr, mit dem unsagbar wunderschön-verträumten „Silver Screens“ als Debütsingle. Und wir sind begeistert! Ein wenig verliebt. Und absolut überzeugt, dass was auch immer da nächstes Jahr kommen mag, wir möchten es sehen – und hören. Mit sehr viel Fingerspitzengefühl schaffen Willow Parlo akustische Melodien, die so kraftvoll nach vorne gehen, dass wir uns beim Zuhören fast ein wenig verlieren. Die self-titled Debüt-EP der Hamburger*innen ist nur ein Vorbote für eine vielversprechende Musikkarriere, die wir sehr gerne ab jetzt schon gespannt verfolgen. Es ist der zugegeben kleinste Geheimtipp auf dieser Liste, aber vielleicht gerade deswegen so besonders.
Blush Always
Wenn ihr aus Kiel kommt oder aber große Fans der Leoniden seid, dann dürfte euch Blush Always kein Fremdbegriff sein. Erst vor ein paar Monaten hat sie Support in der Columbiahalle in Berlin für die Band gespielt und alle waren – zu Recht – völlig begeistert. Indie-Rock hat Zukunft! Das haben wir so empfunden, als wir sie live in genau dieser großen Halle gesehen haben und als sie ihr Debütalbum “You Deserve Romance” für den 03.02.2023 (das ist ein schönes Datum) angekündigt hat. Die EP “Postpone” kam dieses Jahr schon raus und setzt auch ganz gut den Ton für die musikalische Einordnung. Geballte Hook-Kraft nach vorne wird mit persönlich berührenden Themen gebündelt, dann kommen da noch grungige Gitarren á la Snail Mail, Paramore oder Soccer Mommy dazu und schon hat man einen sehr soliden Newcomerinnen-Tipp aus Norddeutschland, bereit sich beständig und mit einem gewissen Überraschungsmoment sich in der Indie-Rock Szene zu etablieren. And we’re here for that.
Zimmer90
Eine Band, die wir schon länger auf dem Schirm und bei der wir im Gefühl haben, dass sie 2023 einen noch größeren Sprung machen werden, ist Zimmer90. Seit 2018 veröffentlichen die drei Jungs aus Stuttgart gemeinsam Musik und haben dann 2021 mit ihrer Debüt-EP „Fall Back“ das erste große Ausrufezeichen gesetzt. Ihr Mix aus Indie und Electro-Pop strotzt nur so vor Vielfältigkeit, hat aber trotzdem – vielleicht auch durch die unverkennbare Stimme des Sänger Joscha – einen unfassbaren Wiedererkennungswert. Wir hatten sie im Sommer 2021 auch schon mal im Interview, das könnt ihr euch an dieser Stelle gerne noch einmal durchlesen. Für Januar 2023 haben Zimmer90 ihre neue EP “Spaces” angekündigt und nutzen die, um 2023 fett auf Tour zu gehen – 12 Städte im Frühjahr und dann nochmal 13 Städte im Herbst. Das klingt doch ganz danach, dass die Band sich ordentlich was vorgenommen hat. Und wir freuen uns tierisch, sie bei diesem wilden Ride begleiten zu können und sind uns sicher, dass die Sterne für Zimmer90 dafür ganz besonders gut stehen.
Nils Keppel
Zu guter Letzt wollen wir einmal ganz im Speziellen den imaginären Hut vor all den erstaunlichen Acts ziehen, die wir dieses Jahr im Rahmen der neuen neuen deutschen Welle entdeckt haben. Wir haben mit unserer new wave universe-Playlist dem Ganzen dieses Jahr schon zwei Mal sehr ausführlich unsere tief sitzende Begeisterung ausgesprochen. Seitdem beobachten wir ununterbrochen fasziniert, wie sich diese Szene gerade aufbaut, verändert, wächst. Mit Nils Keppel haben wir am Ende unserer artists to watch 2023-Liste jemanden aus genau dieser Szene gepackt. Den aus der Pfalz stammenden Künstler durften wir schon auf dem KiezKultur-Festival in Hannover kennenlernen, und ganz im engen Umfeld von auch TEMMIS befindend können wir euch sagen: merkt euch diesen Namen. Meist bleibt so ein Mythos um Künstler*innen nicht lange erhalten (Nils gibt auch noch keine Interviews), deshalb genießt mit uns die ein wenig nervenaufreibende Spannung vor dem “break”. Denn ob ein berauschendes Feiern auf dunklen Beats oder ein melancholisches Nachdenken auf kollabierenden Synth-Klängen, all das und mehr gibt uns Nils Keppel schon jetzt. Und wir können kaum erwarten, was 2023 hält.
Und damit haben wir sie! Unsere 10 artists to watch 2023: Brockhoff, Sharktank, TEMMIS, Dilla, ENNIO, Hazlett, Willow Parlo, Blush Always, Zimmer90 und Nils Keppel. Vielleicht wird 2023 genau ihr Jahr. So oder so lohnt es sich, sie für eure Musikempfehlungen und Playlisten im Auge zu behalten. Wir tun’s auf jeden Fall.
Hier könnt ihr euch unsere artists to watch 2023 noch einmal gesammelt anhören, viel Spaß!
Fotocredits:
Brockhoff: Charlotte Krusche / Sharktank: Hanna Fasching / TEMMIS: Marvin Schmidt / Dilla: Dilla PR / ENNIO: Basti Mowka / Hazlett: Olof Grind / Willow Parlo: Luna Ballmann / Blush Always: Hannes Meier / Zimmer90: Idoia Iriarte / Nils Keppel: Marina Monaco