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Wild, ikonisch und innovativ: ZOUJ und „Tagat“

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Schon die erste Single, die Adam Lenox alias ZOUJ letztes Jahr herausgebracht hat, hat mich jegliche Fassung verlieren lassen. Danach ging es stetig weiter, die Songs und die Videos wurden immer krasser und langsam zeichnete sich ein Gesamtwerk ab. Tja, und jetzt ist es soweit: Mit „Tagat“ erscheint jetzt endlich ein Mixtape voller experimenteller, elektronischer Musik, versehen mit diesem unverwechselbaren ZOUJ-Charakter. Und Mixtape heißt in diesem Falle wirklich Mixtape — es erscheint tatsächlich auf Kassette.

༼ ºل͟º ༼ ºل͟º ༼ ºل͟º ༽ ºل͟º ༽ ºل͟º ༽

Wenn man sich ein wenig mit ZOUJ beschäftigt, wird ziemlich schnell klar, dass sein Schaffen ein gefestigtes Konzept hat. Es ist nicht nur seine Musik, die auf dem Mixtape nahtlos ineinander übergeht und wie eine einzige riesige Komposition wirkt — es sind auch die animierten 3D-Musikvideos, die Fotos, seine Instagrampage und seine Liebe zu Textfaces. Ihr wisst nicht was das ist? Dann solltet ihr unbedingt mal bei seinen Social Media-Accounts vorbeischauen. Denn er ist ein wahrer Meister dieser fast schon urzeitlichen Hieroglyphen, die er auch gerne anstelle von Songnamen verwendet. Die Faszination für seine Kunst greift bei mir wirklich tief. Ich habe das Gefühl, derartige Musik einfach noch nie vorher gehört zu haben. Ich versuche euch jetzt mal ein bisschen in diese seltsame Welt mitzunehmen.

So, what’s new here? Vier der neun Tracks auf „Tagat“ sollten dem eingefleischten Fan schon bekannt vorkommen, waren sie doch vorab schon als Single samt Video erschienen. Gleich zu Beginn werden wir aber mit zwei neuen Tracks belohnt, nämlich „o╮༼;´༎ຶ..̸̸̨̨۝ ༎ຶ༽╭o. (ten of swords)“ und „Embryo 2“. Während sich ersterer als ein klassisches Intro mit nihilistischen Gedankenentwürfen entpuppt, wird es bei „Embryo 2“ schon etwas wilder. Bei beiden Tracks fällt sofort auf: Die Synthesizer sind in ZOUJs Musik der zentrale Dreh- und Angelpunkt. Und Adam Lenox ist wirklich ein mächtiger dunkler Magier an diesen modularen Instrumenten. Im Song vermischt sich eine blühende Geräuschelandschaft mit minimalistischem Drumset und tiefen Synthbässen. Auf jeden Fall so treibend, dass die Beine gleich zu Anfang des Mixtapes schon zu zucken beginnen.

Gamechanger für mich ist dann die Melodie des Synthesizers im letzten Part des Songs, die an orientalische Musik erinnert und endgültig zum Dancebattle auffordert. Bereits nach zwei Tracks ist die Richtung, in die es weitergehen soll, klar. Wir finden fortan immer wieder auf allen Achsen verzerrte und gepitchte Vocals, teilweise bis zur Unkenntlichkeit verändert. Außerdem viele vertrackte perkussive Elemente und Noise aller Art aus den verschiedensten Ecken, die den Songs eine unglaublich tiefe Räumlichkeit verleihen.

(^O^)~♪

Sehr gut zu hören ist das schon in den folgenden Tracks. „Fl00te“ startet mit genau solchen perkussiven Synthelementen, die einfach genial random klingen. Bereits hier ist als Hörer nichts mehr vorhersagbar. Im ganzen Song gibt es immer wieder kurze Pausen, Stop and Go und plötzliche Stille. Dadurch wirkt die Musik rastlos und aufgewühlt. Das animierte 3D-Musikvideo nimmt uns in ein völlig absurdes Videogame mit, in dem ein glänzender Stier das melodische Hauptthema des Tracks auf einem blauen Flötemännchen. Klingt weird? Ist weird!

Dieser blaue Flöten-Cha ist irgendwie total beängstigend, aber auch niedlich zugleich und lässt in Verbindung mit den Lyrics einige Interpretationen zu. Zwischen dem Stier und der kleinen Flöte auf zwei Beinen könnte man eine Art Oppressor/Untergebener-Verhältnis herauslesen. In den Lyrics hören wir ebenfalls Anspielungen auf ein solches Verhältnis. Daraus entsteht dann einerseits vielleicht eine aufkeimende Revolte, oder andererseits die endgültige Resignation bzw. Kapitulation. Wie so häufig in derartigen toxischen Strukturen.

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„This is not a pop hit we´ll leave that to the good boys
Stop the radios im staying with my own blood“

Cool finde ich auch diese Zeile des Texts. Hier wird noch einmal deutlich, dass ZOUJ wirklich ein ziemlicher Anti-Pop-Held ist, der mit seinem Hang zum Okkulten zwar überhaupt nicht in diese Welt passt, aber durch seine Melodien durchaus eingehende Ohrwürmer produziert, die sich irgendwo unter dem ganzen Wulst an Sounds verbergen.

(﹡ꑓ ︿ ꑓ`﹡)

„Anxious Sleep“ ist dafür wohl das beste Beispiel. Im Intro des Songs hören wir tatsächlich eine verhältnismäßig fast cleane Vocalline, begleitet von einer Art E-Piano. Der Drop von Drums und Bass könnte dann kaum mehr Gänsehaut erzeugen. Die Trägheit des Tracks passt hervorragend zu Thema Schlaflosigkeit und -störungen und die Lyrics geben den letzten Rest zum Nightmarefeeling. Wieder werden wir von allen Seiten überrascht von Sounds, Wassergeräuschen oder abrupten Pausen. Es ist schwierig zu folgen, allerdings werden die Strukturen mit jedem Durchlauf erkennbarer. Alle, die schon einmal Musik produziert haben, bekommen hier eine Ahnung, wie viel f*cking Arbeit in der Programmierung dieser Musik stecken muss. Denn auch wenn hier vieles zufällig wirkt, ist mit Sicherheit alles genau da, wo es hingehört.

An dieser Stelle vielleicht ein kurzer Exkurs zum Thema Modular Synthesizer, die Adam in seiner Musik häufig verwendet. Für alle, die sich darunter nichts vorstellen können: Optisch ungefähr eine Mischung aus der Star Trek Kontrollbrücke und einem experimentellen russischen Atomkraftwerk, mit tausenden Kabeln, Steckern und kleinen blinkenden Lichtern. Von der Komplexität mal mindestens gleiches Niveau wie Thermodynamik, Teilchenphsyik oder das PAX Regalsystem von IKEA. Mit einem solchen Monster gilt es Sounds zu generieren, zu verändern oder gar gänzlich zu zerstören. Wenn ihr mal einen freien Nachmittag habt, schaut euch auf YouTube mal ein paar Videos an, das ist eine komplette Parallelwelt (die, glaube ich, auch eine bleiben möchte).

„I’m trying to make my machines sound human by emulating errors, randomness and tempo ups-and-downs while i’m trying my best as a human to sound like a machine.”

ᕕ( ཀ ʖ̯ ཀ)ᕗ

Die Mensch-Maschine-Beziehung ist defintiv in jedem Song deutlich zu hören, während ZOUJ offensichtlich mit seinen Musikmaschinen verschmilzt. Allerdings ist der Mensch eben keine Maschine, was man in Adams Texten immer wieder heraushören kann. Vom Instinkt sich permanent anpassen zu wollen und die resultierende Panik, nicht in bestehende Muster zu passen und die Zeit lieber alleine in sicherer Umgebung zu verbringen, handelt „j0_0j“.

Passend dazu ist der Track auf jeden Fall auch ein Vorzeigemodell, wenn es darum geht, NICHT in Muster zu passen. Die generierten Bleeps und Bloops fliegen mir nur so um die Ohren, ein scheinbar unbezwingbares Chaos mit unstetigem Schlagzeug. Bis zum Refrain, denn dann löst sich auf einmal alles ziemlich in Wohlgefallen auf und ein kleiner Fetzen jazziger Popmusik blitzt auf. Vielleicht bin ich zu konservativ, aber natürlich fiebere ich jedes Mal auf diese „gefällige“ Hook hin, denn diese ist erstens einfach geil und zweitens kann man super mitsingen:

„Run home where I’ll be safe in my skin
(All) My life (has) been trying to fit in
Most days something is stabbing in my spleen“

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Dass Adam auf seinem Mixtape neben der Masse an elektronischen Instrumenten auch „echte“ Instrumente (wie unsere Dads sagen würden) verwendet hat, hören wir besonders gut an den Drums von „Lefty“. Für sein Projekt hat er sich nämlich einfach mal eine der besten DrumerInnen überhaupt mit ins Boot geholt: Linda-Philomène Tsoungui (MINE, Tarek K.I.Z., Fatoni, uvm.). Was diese Frau aus einem Drumset herausholt ist unbeschreiblich und passt einfach wie Fell auf Kessel zu ZOUJ. Definitiv einer meiner Lieblingssongs, geht dieser allerdings auch in eine etwas andere Richtung; der progressive, klarere Charakter erinnert mich am meisten an Adam Lenox‚ bisheriges Bandprojekt Lingua Nada. Und es steht mit seiner Präzession und der filigranen Geschicklichkeit im kompletten Gegensatz zu der in den Lyrics thematisierten Tollpatschigkeit, wenn sich wegen der großen Liebe mal wieder alles upside down dreht.

Ab und zu geht es auf „Tagat“ auch funky zu. „St00pid“ ist eigentlich ein astreiner Dancetrack, der mich stark an frühe Chicago-House Nummern erinnert. Die Bassline rollt und die Drums geben mit dem 4-On-The-Floor-Beat alles, um mich zum Ende hin noch mal aus dem Sessel zu holen. Im Text geht es um Fehler, die wohl gemacht werden müssen, um daraus zu lernen. Gleichzeitig spielt die akute und permanente Unzufriedenheit über den Status Quo des eigenen Nutzens eine Rolle; die Reflexion der „Work-Life-Balance“ ist damit wohl ein Thema, das eine ganze Generation momentan herumtreibt und von ZOUJ im Song verarbeitet wird.

Fazit ( ಠ ͜ʖರೃ)

Das hier ist future shit, ich sag’s wie es ist. Ich traue mich wirklich nicht, es einzuordnen. ZOUJs Songs sind so neu, dass sie mir teilweise zwar Angst machen, ich aber hauptsächlich süchtig danach geworden bin. Es gibt so viele Details! Wie ein Kaleidoskop, bei dem sich das Bild bei der kleinsten Bewegung schon verändert. Das ist Musik, die ich meinen Freunden zeigen möchte, einfach nur im sie zu überwältigen. Und um sehen, ob sie genauso im positiven Sinne shocked sind, wie ich es immer noch bin. „Tagat“ ist zum einen sicherlich Musik für Nerds, zum anderen aber der beste Beweis für eine spannende Subkultur in der Popmusik. Ich will mehr!

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Fotocredit: BENJAKON

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