Dinge, die mein Musik-Herz besonders hochschlagen lassen: Indie-Sounds von Newcomer*innen und Bands, die ein starkes Nostalgie-Gefühl in mir auslösen. Ein Duo, das genau dieses Gefühl ab dem ersten Ton in mir ausgelöst hat, möchte ich euch jetzt vorstellen: Spoon and the Forkestra. Das sind Emily-Mae Lewis und Timo Zell und am 7. Januar ist ihre Debut-EP „The Fondest Flinch“, um die es in diesem Artikel gehen soll, erschienen.
Irgendwas zwischen verspieltem, unbeschwertem Indie-Folk à la Of Monsters And Men und dunklem, mystischem Sound wie London Grammar
Aber weil die beiden selbst einfach zu schön schreiben und das nicht nur in ihren Songs zu hören ist, sondern sich einfach zu schön in ihrer Bandgeschichte liest, möchte ich euch die Erzählung der beiden nicht vorenthalten. So wurde aus Emily und Timo Spoon and the Forkestra:
Viele Zufälle sind es, die die junge Band zusammenwürfelten. Während Emily-Mae vorher im hohen Norden alleine mit ihrer Gitarre barfuß ihr Publikum verzaubert, studiert Timo im tiefen Süden Musik. Als sie mit ihrer warmen Stimme Gedichte aus überquellenden Notizbüchern in Musik verwandelt, kniet er nächtelang über sphärischen, einzigartigen Bass-Sounds, mit denen er als versierter Studio- und Livemusiker verschiedenste Projekte bereichert. Sie sehnt sich danach, die Bühne mit jemandem zu teilen, er will neue musikalische Wege beschreiten. Auf der Suche nach einer Kaffeemaschine in Hamburg, 2017, treffen die beiden in einem menschenleeren Korridor aufeinander und gründen zwei Jahre später auf einer Berliner Bordsteinkante des Sommers 2019 Spoon and the Forkestra.
Eine EP wie ein musikalisches Bilderbuch
Ähnlich wie die Entstehungeschichte von Spoon and the Forkestra liest sich auch „The Fondest Flinch“. Die EP mit fünf Songs erzählt eine Geschichte und malt Bilder. Sie ist quasi ein musikalisches Bilderbuch – oder noch besser: ein Wimmelbuch. Gedanklich und emotional passiert super viel auf einmal. Es hört sich an wie das Manifest eines Kindes, das sich gefangen und verloren fühlt in den stupiden Strukturen des Erwachsenseins. Und das fühle ich sehr! Geht es euch auch so, dass man sich mit Mitte 20 manchmal fragt, ob man jetzt eigentlich erwachsen ist und wie sich das genau anfühlen sollte? Da wünsche ich mir zumindest das ein oder andere Mal gerne die Naivität und Leichtigkeit zurück, mit der ich als Kind und Jugendliche noch durchs Leben gegangen bin.
„If patience is a virtue, someday I’ll understand“
Die EP beginnt mit „Mary Lou“. Ein Song, der mich zu Beginn direkt bei der Gefühlsverwirrung abholt, die ich gerade beschrieben habe. Mein erster Gedanke: „Wow, das klingt ja voll wie Of Monsters and Men“. Dann bekomme ich das starke Bedürfnis barfuß durch taufrisches Gras zu tanzen und einfach mal an nichts zu denken. Das passt ganz gut zu dem Wunsch nach der Leichtigkeit der Vergangenheit. Der Song kommt sehr verspielt und unbeschwerlich daher. Ich verliere mich in wohlig-warmen Gedanken.
Weiter geht’s mit „Pirates“. Ich fühle mich tatsächlich ein bisschen als würden Piraten meine Gedanken überfallen, da der Sound deutlich ernster daher kommt als „Mary Lou“. Das unbeschwerliche Kindsein, das gerade noch besungen wurde, schwindet in „Pirates“ der etwas ernüchternden Realität des nachdenklichen Erwachsenseins. Die Stimme der Sängerin Emily-Mae ist zwar immer noch sehr zart und einfühlsam, aber wird schon endringlicher.
„There is Karma in my dinner“
… and a lot more rock elements in this song. „Karma 8“ startet mit der zarten Stimme von Emily-Mae, die sich in den vorherigen Songs schon in mein Herz gesungen hat. Jetzt wird es allerdings etwas dunkler, irgendwie auch ernster. In „Karma 8“ kommt eine gewisse Eindringlichkeit rüber, die mit auffällig mehr Schlagzeugals zuvor gepaart ist.
Bei „Blue“ bekomme ich wieder direkt sehr starke Of Monsters And Men-Vibes – nur diesmal in der „sad girl autumn version“ (props an alle Taylor Swift-Ultras an dieser Stelle). Der Song ist für mich genau das, was ich mir unter typischem sad indie folk vorstelle. Mit verspielten Klavier-Parts im Hintergrund schaffen es Emily-Mae und Timo auf diesem Song, dass ich so sehr in meine Gedanken versinke, dass ich gar nicht bemerke wie der Song schon wieder zu Ende ist. Das ist aber auch nicht weiter schlimm, da ich im nächsten Song wieder zurück in die Realität gezogen werde.
Zarte Stimme auf starker Gitarre mit Hang zur Dramatik
In „Blink Twice“ wird die zarte Stimme, die sich wie ein roter Faden durch die EP zieht, durch eine starke Gitarre unterstützt. Das ist eine Kombination, die sich sehr schön ergänzt und auch eine gewisse Dramatik erzeugt. Der Sound ist auch wieder ein bisschen mystisch. Bei „Blink Twice“ sticht aber vor allem das Ende heraus. Emily-Mae’s Stimme wird auf einmal stark und intensiviert die Dramatik, die sich in den Songs zuvor aufgebaut hat.
Die EP „The Fondest Flinch” endet mit einem atmosphärischen Sound. “Kugs and Hisses – phone recording” ist mit seinen 54 Sekunden verträumten Gitarren-Sound ein sehr beruhigender Abschluss. Nach dem Hören habe ich das Gefühl, dass diese letzte Sequenz den Sound der EP sehr gut abrundet. Die angedeutete Aufregung durch den etwas intensivieren Part in „Blink Twice” wird hier wieder aufgehoben. Meine Gedanken können sich also jetzt erst einmal wieder etwas beruhigen und sich wieder in ihre Traumwelt verabschieden.
Fazit: Songs, die mit den Größen des Indie-Kosmos locker mithalten
Was ich von „The Fondest Flinch“ und dem Sound von Spoon and the Forkestra halte, ist glaube ich schon sehr deutlich geworden. Die Songs auf der EP hat für mich auf jeden Fall das Potenzial in die Schublade der klassischen Indie Tracks aufgenommen zu werden. Der Sound, den Spoon and the Forkestra auf „The Fondest Flinch” produziert haben, klingt für mein Empfinden schon sehr ausgefeilt und reif. Für mich ein klassischer Fall von: “Wieso ist dieses Duo noch so unbekannt?” Mein Newcomer*innen-Herz ist verletzt und glücklich gleichzeitig. Verletzt, dass die Songs noch so unbekannt sind. Glücklich, dass ich die Lieder in meine Playlists aufnehmen kann. Hoffnungsvoll, dass ihr das jetzt auch alle macht.
Hier geht’s zur EP “The Fondest Flinch” von Spoon and the Forkestra:
Fotocredit: Philipp Seliger