Wir dürfen mit super viel Aufregung und ganz viel Freude unsere neue Kategorie ankündigen: Die Homestory. Es ist keine Review, es ist kein Interview, es ist alles kombiniert und noch viel besser. In unseren Homestoriesnehmen wir euch einmal im Monat mit zu uns sehr ans Herz gewachsenen Künstler*innen, die kurz vor einem wichtigen Release stehen –und dann reden wir darüber. Wir treffen uns an einem Ort, der für die Entstehung des Albums wichtig war und dann wird wie früher in der Bravo einmal alles hervorgekramt. Von Bandgeschichte zu Studioanekdoten und kleinen Fan-Insidern. Ganz ausführlich, ganz ehrlich und vor allem auch ganz nah. Das sind unsere Homestories.
A Tale Of Golden Keys –Der Geheimtipp der Indie-Szene
Für unser eigenes Debüt, wenn man so will, treffen wir uns mit A Tale Of Golden Keys, der lang etablierten dennoch leicht unterschätzten Indie-Pop-Rock-Band aus Nürnberg. Nürnberg liegt bekanntlich im schönen Süden Deutschlands, Berlin bekanntlich nicht. Das heißt für mich 3.5 Stunden Zug fahren, am letzten schönen Spätsommertag in Berlin mit romantischen 21°. War ich ein bisschen wehmütig? Ja, vielleicht. Aber war ich umso aufgeregter, das erste Mal ganz offiziell professionell in einen ICE zu steigen? Ja. Ja, doch, definitiv.
Nach dreieinhalb Stunden war ich im süßen Nürnberg angekommen und Jonas, der Drummer der Band, holt uns ab. Von hier geht es nochmal 20 Minuten weiter, ins noch süßere Dorf Eckersmühlen, wo sich die Jungs für ihre Albumproduktion eingenistet haben. Wir werden begrüßt von Hannes (Gesang, Gitarre) und Flo (Bass), die das Trio komplett machen. Beide haben im Gastgeber-Game in der Sekunde gewonnen, als sie uns einen Tisch voll mit belegten Nürnberger Brezeln präsentierten, für die ich locker Geld gezahlt hätte, so gut sahen die aus. Bei der Rundführung erfahre ich ein bisschen mehr über das Haus: „Jonas’s Oma hat hier vorher gewohnt, wir sind 2011 dann reingezogen. Und da sah’s noch so aus als … würde sie hier noch leben. (lacht) Dann haben wir alles nach und nach so ausgeräumt und eher zweckmäßig für Bandproben und so genutzt. Jetzt haben wir es endlich ein bisschen renoviert“.
Jeder Anfang hat einen Bandnamen, mit dem niemand zufrieden ist
Eine Rose zur Rosenhochzeit
Was macht man, wenn ein Song fast fertig ist, aber einen Schnuff zu langsam? Genau, löschen.
A Tale Of Golden Keys feat. Lena Mayer-Landrut
„Der Song hat alles, was ich an Get Well Soon scheiße finde!“
Glorifizierende Schlüsselmomente und bescheuerte Album-Titel
Eine ebenfalls interessante Geschichte gibt es zu „Hockey Pants“. Die Inspiration hierfür kam von Hannes, der rauchend Flo zum Schreiben aufgefordert hat („Schreib mal ‘n Text!“). Daraus sind schnell die ersten Zeilen des Songs entstanden: handrolled cigarettes, smoked in flamboyant style. Der daraus entstehende Schlüsselmoment (Jonas war dieses Wort in dem Artikel sehr wichtig), hat die Band vielleicht sogar noch ein klein bisschen enger zusammengebracht. Sie haben eine Nacht in Erinnerungen geschwelgt, wie man früher in seiner Jugend geraucht hat, um vor seinem Schwarm „cool“ zu wirken. Ich, als langweilige Nicht-Raucherin, kann das nicht ganz so nachvollziehen, aber es war ja auch nicht mein Schlüsselmoment. Am Ende waren sich aber alle einig „Drauf geschissen, wir können auch mal Love Madness singen! Paar cheesige Synthies runter, fertig“.
Im Interview habe ich öfter das Gefühl, dass die drei wirklich einfach nur lustige Typen sind mit der gemeinsamen Leidenschaft für Musik. Ihre Art für Humor spiegelt sich aber nicht nur im Gespräch wider, sondern lässt sich auch in den Artworks aller vorherigen Alben finden. Über Dinos, zu der Shrimp-Taube bis hin zum Familienporträt mit Axolotl (Credits hier gehen alle an Yvonne vom Kreativbüro Würzburg, die hat einfach mal ein extra Shoutout verdient). Aber auch die Suche nach dem Albumnamenstellte sich als sehr witzig heraus. Dafür hatten A Tale Of Golden Keys extra einen Chat nur für diese Diskussion erstellt, aus der mir Hannes unter kleinen Tränen seine Lieblingsvorschläge zum Besten gibt. Zur „Auswahl“ waren unter Anderem „salted caramel kisses, doctor brokkoli, doctor dentist, hits hits hits vol.2“ und „party noise“.
Dr. Brokkoli sagt, ihr sollt dieses Album anhören!
Auch wenn der Albumtitel nicht ganz so witzig geworden ist wie „Doctor Brokkoli“, ist es dennoch ein unfassbar gutes Album. Von „No Endodontic Treamtent“, was entstand, weil Jonas Zahnschmerzen hatte und keine Wurzelbehandlung wollte, zu „Gin Tonic State Of Mind“, der einfach nur wegen des Songtitels eine extra Benennung verdient hat. Das gesamte Album stellt A Tale Of Golden Keys in ihrer vielleicht endlich gefundenen Grundessenz dar. Ohne Angst, sich auszuprobieren und auch ohne großen Druck (Coroni hat das gesamte Jahr ja sehr entschleunigt) haben sie erneut bewiesen, dass man sich als Indie-Band in Deutschland mit immer wieder neuen, guten Releases eine stabile Fangemeinschaft erspielen kann. Und sich währenddessen nicht nur weiterentwickelt, sondern vielleicht sogar selbst findet. Wenn das kein deeper Abschluss ist, weiß ich auch nicht.
Besonderer Fotocredit-Shoutout: Paul Knop