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Panda Lux und ihr einfach nur phänomenales zweites Album

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Panda Lux sollte man kennen. Seit ein paar Jahren bringen sie schon frischen Wind in die deutschsprachige Indie-Szene und hauen einfach auf einem konstanten Level gute Musik raus, die mich ein bisschen verzweifeln lässt, wieso sie noch so klein sind. Aber das kann sich mit ihrem zweiten Album „Fun, Fun, Fun“ jetzt ändern. Panda Lux stehen in den Startlöchern, um uns die Faszination der deutschen Sprache lyrisch um die Ohren zu hauen. Aber und vor allem auch musikalisch setzen sie ein Zeichen für mehr Experimentierfreude und zeigen uns, was man alles mit Musik machen kann.
 
Die vier Jungs aus der Schweiz haben alle einen musiktheoretischen Hintergrund, der ihnen bei diesem Album und auch zukünftigen sehr zu Gute kommt. Bassist Janos hat Filmkomposition studiert, Gitarrist Samuel Jazz-Gitarre, Sänger Silvan klassische Gitarre und Schlagzeuger Moritz hat einen Master in Komposition und Theorie. Krass, ich weiß. Zusammen haben sie sich zu Panda Lux zusammengefunden und nun endlich ihr zweites Album veröffentlich. Hier die ausführliche Review.
„Gib mir dein Herz, dazu ein Bier“
Freunde Sein ist der Einstieg ins Album. Ich weiß gar nicht, ob ich zuerst über Musik, Texte oder das Zusammenspiel von beiden reden soll, weil mich alles ein bisschen schwer beeindruckt. Musikalisch gibt Freunde Sein auf jeden Fall die Richtung an, die man für das Album der Schweizer erwarten kann: Experimentell und stetig umfangreich. Wer Panda Lux kennt, kennt auch Silvans Stimme. Sie leitet ruhig durch die einzelnen Strophen von Freunde Sein, erreicht aber im Refrain nochmal ein ganz andere Stimmhöhe, von der mir nicht ganz bewusst war, dass er sie so souverän erreichen und halten kann. Ich versuch erst gar nicht mitzusingen, weil nope, meine Stimmhöhe ist es nicht. Textlich, da könnt ihr euch mental schon mal drauf vorbereiten, gibt es hier einiges vorzuweisen. Panda Lux eröffnen ein komplett neues Level an Storytelling, spielen mit der deutschen Sprache als wäre es nichts. Sie sind der Alligatoah im Indie-Game.

„Schenk mir alles, was du warst in mein Glas. Schenk nochmal nach, ich habe Durst.“

Leute. Ich hab gar keine Zeit, das sacken zu lassen, geht direkt weiter mit dem nächsten Song.
„Ich brauch ne Massage und ein neues Hirn“
Karambolage holt mein Indie-Pop Herz seehr ab. Leicht groovig steigt Silvan wieder mit dieser hohen Stimme ein (ich frage mich jetzt, ob ich das vorher nur einfach nicht richtig wahrgenommen habe??) und ich bin schon nach 15 Sekunden am Tanzen. Während man denkt, der Song baut sich ganz organisch auf, wird man nach knapp einer Minute mit griffigen Bilderbuch-Gitarrenriffs aus dieser Illusion geholt und der Song hat mit einem Schlag viel mehr Energie. Hier wird einfach mit allem, was Indie-Pop zu bieten hat, herumexperimentiert, um eben nicht „nur“ Indie-Pop zu sein. Karambolage kam schon im Mai raus, genau wie der folgende Song auch ein Vorbote für’s Album war:
 
 
Leute, hört euch dieses Lied an. Ich persönlich hab bestimmt schon die 200 Plays für den Song dieses Jahr geknackt. Mir fehlen tatsächlich ein bisschen die Worte, zu beschreiben, warum genau. Staub ist Harmonie, Staub ist das, was rauskommt, wenn vier Musiker ein neues Soundkonzept brainstormen und das vom Produzenten perfekt umgesetzt wird (hier kann man schon mal Namen droppen, Aaron Ahrends). Staub ist für mich schon seit Release im März einer der Top Songs 2020.
„Mindestens haltbar bis ich drauf geh“
1/4 Life ist nicht nur für Silvan ein Schlüsselstück des Albums, sondern auch für mich. Passend ist es der vierte Track und beschreibt alles, was unsere Generation in den Mitte Zwanzigern empfindet. Es heißt nicht umsonst Quarter-Life-Crisis. Mit Mitte zwanzig ist auf einmal alles ernst, man wird nicht mehr erwachsen, sondern einfach nur alt.

„Fun, Fun, ohne Euphorie, nichts turnt mich an, what the fuck, who is texting me”

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So fresh waren die Outfits von Panda Lux im Musivideo zu 1/4 Life
Musikalisch ist es auch ein ganz enger Kandidat für meinen Lieblingstrack. Panda Lux setzten diese dramatische Melancholie, die eigentlich gar keinen handfesten Grund hat, perfekt um. Die Gitarre, Silvans hingehauchte Stimme, ist das ein Saxophon? und ein leichter, dennoch schneller Beat, all das machen 1/4 Life zu einem einfach wunderschönen Song. Falls ihr das Gefühl kennt, mit allem ein bisschen überfordert zu sein, was auf einmal aus dem Nichts auf einen einstürzt obwohl man eigentlich noch in dem Chill-Spirit der Anfang Zwanziger ist, dann könnt ihr euch mindestens genauso mit dem Song identifizieren wie ich. Wenn nicht, ist das fast noch besser, weil ihr den Song einfach nur so genießen könnt. Ich empfehle mit Augen zu ganz leicht durchs Zimmer schwingend (dann bin ich wenigstens nicht die Einzige, die das tut).
„Ich hab mich jahrelang belogen“
Optimist fängt an mit einem verzerrten „Ich hab dich nie geliebt, ich hab dich jahrelang belogen“ und baut sich musikalisch relativ langsam auf. Während ich erst an eine sehr dramatische Beziehungsgeschichte denke, klärt sich ein paar Zeilen später auf, dass ich falsch liege: „Wenn ich nicht du wär, wärst du schon lange nicht mehr bei mir“. Hier steckt also eine viel tiefere Geschichte hinter als nur eine gescheiterte Liebe zweier Menschen: die gescheiterte Liebe zu sich selbst. Silvan besingt das zwiespältige Verhältnis zu sich selbst, die Sehnsucht, ständig Optimist sein zu können und nicht mit der dunklen Hälfte seiner Selbst klarkommen zu müssen.
 
Es folgen zwei sehr beeindruckende Instrumentals, Sakamoto und Sakafunko. Was wenige wissen, ist, dass Panda Lux schon 2006 angefangen haben, Musik zu machen, damals aber noch als Instrumentalband. Und das hört man. Mir persönlich gefällt Sakafunko einen Schnuff besser, einfach weil ich eine riesengroße Schwäche für Bass-und Gitarren-Jams habe. Silvan hat Recht, wenn er sagt, dass sich im Bezug auf Panda Lux immer sehr auf die Texte fokussiert wird (trotzdem zu Recht), und diese zwei Stücke sind ein Beweis dafür, dass hinter Panda Lux mehr steckt als nur das. Sie fungieren in der Mitte des Albums nicht nur als kleine Atempause zwischen den Liedern, sondern zeigen, was die Band musikalisch drauf hat: Unfassbar viel.Nächster Punkt auf meiner Bucket List für irgendwann mal ist also mit Panda Lux im Studio hängen. Nicht um zu quatschen oder bei der Produktion dabei zu sein, sondern um ihnen einfach ein paar Stunden zuzuhören.
„Einmal Fahrschein ins Glück“
Fahrschein ins Glück war der erste Vorbote in diesem Jahr, der jeden Panda Lux-Fan aufhorchen lassen hat. Es war mein Lieblingslied bis Staub um die Ecke kam und ich wusste, dieses Album wird der Shit. Und das wurde es auch. Track 9 und nicht einer dabei, der mich ein bisschen von meiner Euphorie-Achterbahn runtersteigen lässt. Fahrschein ins Glück behandelt eine ähnliche Thematik wie 1/4 Life. Das stetige Suchen und Verlangen nach Glück und purer Glückseligkeit, die eigentlich nie zu erreichen ist, deren Illusion uns aber als absolut erreichbar verkauft wird.

„Auf der Suche nach ‘ner Pille, die dich tief innen glücklich macht, auf dem Beipackzettel steht in kleinem Arial Black, Glück ist nur Gift, vergifte dich nicht, es gibt keinen Weg zurück“

Diese musikalische Bandbreite, die Panda Lux auch in Fahrschein ins Glück beweisen, beeindruckt mich auch ein dreiviertel Jahr später. Ich weiß gar nicht, welche Instrumente hier alle mitwirken, aber sie erschaffen eine eigene Welt. Am Ende kommen sogar noch Trompeten dazu und runden alles ab. Klingt so Glück oder wird mir hier nur eine Illusion verkauft? Ich weiß es nicht, aber ich nehm diese Pille gerne, Panda Lux. Gibt keinen Weg zurück.
„Nur bei Bar Franca schaut es alles besser aus als es ist“
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Samuel, Moritz, Janos und Silvan
Okay, den solltet ihr aber alle kennen. Wenn nicht, das ist eine verbindliche Underground-Indie-Empfehlung an alle eure Freunde. Eigentlich ist das Panda Lux generell, aber Bar Franca ist so gut, dass er es von der Zoo EP aus 2018 auf’s Abum 2020 geschafft hat. Und geschrieben wurde der Song sogar schon im Januar 2017! Es passt aber perfekt in das ganze Stimmungsbild von Fun, Fun, Fun und steht deshalb auch ein bisschen für den „neuen Vibe“ der Band, der in Bar Franca seinen Ursprung fand. Die Gitarren bringen eine leichte spätsommerliche Melancholie mit sich, Silvan singt von einer italienischen Bar, die nur tiefgefrorene Pizza verkauft, meint aber seine Beziehung, in der mehr fakeist als echt, und spätestens in der zweiten Strophe sollte jeder im Raum mitschwingen.
Anekdote hierzu in Silvans eigenen Worten:
„Die „Bar Franca“ gibt es übrigens wirklich –im italienischen Levanto. Da war ich ein paarmal als Teenager im Urlaub. Die hatten draußen Schilder, auf denen stand: „Fresh Italian Pizza!“ Es ist aber eine Bar ohne Küche. Die haben nur eine Mikrowelle, hauen die Pizzen da rein und streuen noch ein wenig Rucola und ein paar Cherry Tomaten drüber. Diese Verarschung fand ich irgendwie geil und sie passte zu der Stimmung, die ich von dieser Beziehung hatte: mehr Fake als irgendwas, es wird nicht heiß, es taut nicht auf.“
„Sei Picasso, sei du selbst“
Wenn ihr bis hierhin gelesen habt und euch die Songs gefallen, solltet ihr auf jeden Fall noch ein bisschen weiterhören und vor allem weiterlesen. Picasso ist ein bisschen ruhiger, aber hat dennoch den unverkennbaren Panda Lux-Jam-Stil. Der rote Faden, der bei 1/4 Life anfing, führt sich hier weiter fort. Die Erwartungen von außen, wie Picasso zu sein, abzuliefern und progressiv zu sein stoßen sich mit den immer wieder aufkehrenden Aufrufen, immer nur du selbst zu sein. Dieser Widerspruch ist nicht nur absurd, sondern wird auch mal wieder von Silvan lyrisch top festgehalten:

„Ich mag die Skizze, die weißen Wände, mal mein Bild nie zu Ende“.

Beuteltier und Malle stammen ebenso wie Bar Franca noch aus der ZOO EP und sorgen dafür, dass sich die älteren Goldstücke der Musik, die die vier Schweizer da produziert haben, nicht verlieren. Beuteltier steckt voller Experimentierfreude, sowohl in Musik als auch in der Sprache. Malle dagegen beschreibt viel mehr die Banalität mancher Dinge, wie zum Beispiel einen Drink mit dem besten Freund in einer trashigen Bar auf Malle. Musikalisch ist er ein bisschen zugänglicher als Beuteltier und ein idealer, emotionaler Abschluss zum Ende des Albums hin. Der eigentliche Abschluss kommt zwar mit dem instrumentalen Outro Sakautro (dieses Wortspiel versteht hoffentlich jeder), bei dem diesmal Schlagzeuger Moritz sich experiementiell ausleben durfte.
 
Und damit schließe ich auch diese doch sehr lange, aber hoffentlich lesenswerte Review ab. Auf den, in Silvans Worten, cinematischen Filmkompositionsaspekt von Panda Lux, die mit Fun, Fun, Fun ein Album hervorgezaubert haben, das bestimmt noch ein paar Jahre lang die deutschsprachige Indie-Szene prägen wird.
 
 
 
Fotocredits gehen raus an Nils Lucas und Anja Furrer.
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