Seit Jahren supporten sich die Kasseler Musiker MOA, Fullax und Ma Fleur gegenseitig bei ihren Releases oder Videos. Und nun bekommt dieser Support einen Namen und ein Zuhause: Stadt Land Flucht – ein Kollektiv, das die Jungs aus einem gemeinsamen Song heraus gegründet haben. Und dieser Song ist absolut hörenswert, weil er auf die vielleicht perfekteste Weise die drei unterschiedlichen Sounds der Jungs vereint und den Hörer:innen so den musikalischen Zusammenhalt näherbringt. Unsere Kassel-Beauftragte Jule hat die Jungs virtuell im Proberaum zum Interview getroffen und mit ihnen über Songwriting-Sessions via Zoom, ihre Zukunftspläne und – Achtung! – Konzerte gesprochen.
MOA, Fullax und Ma Fleur im Interview
Jule: Hey! Schön, dass ihr euch die Zeit genommen habt. Wie ist es dazu gekommen, dass ihr einen gemeinsamen Song aufgenommen habt. Und: Warum nicht schon früher, ihr kennt euch ja auch schon ziemlich lange.
MOA: Gute Frage. Ich glaube, wir wollten es alle nie so erzwingen, dass wir uns hinsetzen und einen gemeinsamen Song schreiben – auch wenn wir da nie so drüber gesprochen haben. Aber in dem Fall hat es sich einfach natürlich so ergeben. Ich hatte diese Demo und habe sie, wie all meine Demos, rumgeschickt. Dann hat Ma Fleur einen C-Part drauf gesungen, Fullax haben die zweite Strophe gemacht. Und dann dachten wir uns „hey, von uns ist keiner gerade dabei, eine große Produktion zu machen, wir sind alle in diesem Winter-Lockdown-Modus, also nutzen wir unsere Zeit einfach“. Das war auch total schön, weil wir dadurch eigentlich jede Woche gezoomt und uns eben digital getroffen haben. So ist dann nach und nach der Song entstanden. Fullax haben ihn dann fertig produziert. Es ist einfach, wie schon gesagt, so richtig natürlich entstanden.
Jule: Stadt Land Flucht ist ja nicht nur ein Song, es ist auch ein Kollektiv. Wie habt ihr das für die Zukunft geplant, auch hinsichtlich neuer eigener Songs?
Jonas (Fullax): An sich gibt es bis jetzt auch eigentlich keine großen Pläne, wir lassen das alles total auf uns zukommen. Ich glaube, jeder hat so für sich Pläne für die nächsten Monate und den Sommer. Aber insgesamt als Kollektiv lassen wir das erstmal offen.
MOA: Wir haben uns ja alle schon immer gegenseitig unterstützt, gegenseitig unsere Videos gemacht, bei den Produktionen geholfen und sowas. Und jetzt hat das einfach so ein Zuhause und einen Namen bekommen. Wir werden uns natürlich auch zukünftig alle unterstützen. Es ist auch geplant, dass zukünftige Releases von uns auch unter diesem Kollektiv veröffentlicht werden. Ähnlich wie bei einem Label, nur, dass wir noch mit einem externen Vertrieb zusammenarbeiten. Weil wir halt keine Business-Futzis sind, sondern einfach Künstler, die sich gegenseitig unterstützen.
Jule: Was hat es denn eigentlich mit der Stadt Land Flucht-Plakataktion auf sich?
Ma Fleur: Das ist eine Art Promo-Aktion, die wir zwar in der realen Welt gefilmt haben, die aber einfach nur im Internet stattfindet. Das war eigentlich mehr eine gefakte Plakataktion (lacht). Wir haben viele in der Unterführung an der Uni in Kassel aufgehängt, die müssten auch noch da sein. Aber alle anderen wahrscheinlich nicht mehr.
MOA: Die Idee war auch ein bisschen, dass das Stadt Land Flucht-Thema wie eine Bewegung dargestellt werden sollte, auch in dem Video. Die Plakataktion hat dann auch so zu dem Video hingeführt. Dieses Thema, was ja auch ziemlich politisch ist, soll auch als Bewegung gesehen werden. Dass die Leute mal wieder ihren Kopf leeren können und wenn es in der Stadt zu viel wird, einfach mal aufs Land flüchten.
„Größere Städte überfordern mich einfach“
Jule: Das Thema des Songs ist ja grundlegend durch MOA entstanden. Ist es trotzdem eins, was euch alle irgendwie beschäftigt?
Ma Fleur: Ich spreche mal nur für mich: Mir geht es auf jeden Fall auch so, dass größere Städte wie Berlin oder London… die überfordern mich einfach. Da ist so viel los, es gibt so viele Eindrücke, die da auf dich einprasseln. Und genau dieses Gefühl habe ich versucht, in meinem Part des Songs zu verarbeiten. Dass man super viele Möglichkeiten hat und einem alle Türen offenstehen, ich aber für mich in der Stadt trotzdem das Gefühl habe, ich komme nicht voran.
Julian (Fullax): Für die Hawaii-EP, die wir 2017 aufgenommen haben, waren wir in Berlin. Schon nach 5 oder 6 Tagen war uns das irgendwie zu viel und wir hatten das Bedürfnis, nach Potsdam zu fahren. Weil wir einfach raus wollten und keinen Bock mehr auf die große Stadt hatten. Also mir geht das in großen Städten dann echt schon oft so.
Jule: Ich lebe ja in Berlin, wobei ich im ruhigen Südwesten wohne. Tatsächlich wäre mir Kreuzberg oder Neukölln auf Dauer auch zu viel. Ich bin froh, wenn ich in mein grünes, leises Viertel komme und Zuhause einfach meine Ruhe habe. Wobei ich dauerhaft auf dem Land auch eingehen würde, dafür bin ich dann doch zu viel Stadtmensch. Tricky (lacht).
MOA: Ja, Ma Fleur und ich wohnen auch am Rand von Kassel, das ist auch schon fast Land. Und jetzt gerade sind wir auch am Arsch der Welt (lacht).
Jonas (Fullax): Genau, wir kommen nämlich so richtig vom Land, eine halbe Stunde südlich von Kassel, aus einer Mini-Kleinstadt. Und genau, da sind wir jetzt auch gerade, in unserem Proberaum.
Jule: Apropos Proberaum, da seid ihr ja jetzt nicht ohne Grund. Ihr habt mir im Vorfeld unseres Interviews ja schon etwas verraten, das mit einem gemeinsamen Konzert zu tun hat. Erzählt doch mal.
MOA: Voll gerne. Wir dürfen in ein paar Tagen gemeinsam für den Hessischen Rundfunk ein Konzert spielen. Der HR möchte hessischen Musiker:innen in diesen Zeiten eine Bühne bieten und sie unterstützen. Dafür konnte man sich bewerben, was wir dann auch getan haben. Die Konzerte werden dann in voller Länge in der ARD-Mediathek zur Verfügung stehen.
Jule: Spielt dann jeder seine Sets alleine oder werdet ihr euch auch auf der Bühne unterstützt?
Ma Fleur: Also MOA und ich spielen jeweils alleine mit Gitarre, ein bisschen stripped down.
Julian (Fullax): Wir spielen wie immer zu zweit unser Set (lacht).
Jonas (Fullax): Und wir spielen natürlich auch als eine große Band sozusagen gemeinsam den „Stadt Land Flucht“-Song, das können wir uns natürlich auf gar keinen Fall nehmen lassen.
Jule: Das freut mich total für euch, das ist ja wirklich ein krasses Privileg. Seid ihr aufgeregt?
MOA: Für mich ist das auf jeden Fall krass. Im ersten Moment habe ich mich ultra gefreut, dass ich endlich wieder live spielen kann. Und im zweiten Moment habe ich mich gefragt, ob ich das überhaupt noch kann (lacht). Weil halt so richtig in einem Setup und nicht nur vor einem Laptop habe ich das letzte Mal vor 1,5 Jahren gespielt. Das fühlt sich für mich gerade ein bisschen wie ein Neuanfang an. Ich bin auf jeden Fall aufgeregt, auch anders aufgeregt, als ich es vor 1,5 Jahren vor Konzerten war.
Ma Fleur: Ich find’s vor allen Dingen spannend, weil das ja eine richtige Fernsehproduktion ist. Ich bin deswegen aufgeregt, wegen dieser ganzen Umstände, die damit verbunden sind. Die Proben jetzt liefen eigentlich ganz gut, da mache ich mir wenig Sorgen, dass wir das verhauen könnten oder so. Aber das ganze Setting ist einfach interessant.
„Mir fehlen beispielsweise Konzerte total“
Jule: Klingt nach einem Lichtblick für euch in diesen crazy times. Wie kommt ihr ansonsten so klar? Aktuell gibt es ja nicht allzu viel, was die Kreativität fördern könnte, zu erleben. Bemerkt ihr das, wenn ihr Musik schreiben oder produzieren wollt?
Alle: JA!
Julian (Fullax): Mir fehlen beispielsweise Konzerte total. Ich bin immer mega inspiriert, wenn ich auf Konzerte gehe und habe dann mega Bock, selbst Musik zu machen. Und das fehlt mir gerade so sehr, ich merke das absolut. Das ist super schwierig für mich.
Ma Fleur: Bei mir kommt das eher so schubweise – auch, wenn nicht Corona ist. Ich setze mich tatsächlich nicht jeden Tag hin und versuche etwas zu schreiben. Ich habe so phasenweise mal eine Woche, da schreibe ich viel und das reicht dann auch erstmal für die nächste Zeit. Da fällt dann immer wieder was weg, ein paar Zeilen bleiben und das entwickelt sich so. Das Songwriting ist bei mir weniger geplant, als dass es einfach passiert.
MOA: Mir fehlt auch total der Input für Songs. Es passiert irgendwie nichts und trotzdem viel. Aber man kann jetzt auch nicht 10 Corona-Songs schreiben, ne. Für mich ist es auch besonders doof, weil ich gerade auch viel mit anderen Leuten Songs schreibe und mit anderen Produzenten zusammenarbeite. Aber seit Herbst geplante Sessions müssen einfach immer wieder verschoben müssen. Das ist natürlich… doof.
Jule: Und so ist wahrscheinlich auch der „Stadt Land Flucht“-Song passiert. Wie kann ich mir Songwriting- und Produktions-Sessions via Zoom eigentlich vorstellen? Das klingt super schwierig für mich.
MOA: Das Gute ist ja, dass heutzutage alles irgendwie digital ganz gut machbar ist. Nachdem das Grundgerüst stand, haben wir über den Text gesprochen und beispielsweise Bass über Zoom aufgenommen. Das war eigentlich geil, ich habe das eingespielt, während die Jungs über Zoom zugehört haben, habe die Spur dann an Julian geschickt und schon war es in dem Projekt.
Julian (Fullax): Genau, er hat über Zoom seinen Bildschirm freigegeben, so dass ich sehen konnte, was er aufnimmt und wie es klingt. Wir konnten uns dadurch natürlich auch währenddessen besprechen. Das hat wirklich richtig gut funktioniert.
MOA: Eigentlich sogar erschreckend gut (lacht). Wir konnten es zwar logischerweise nicht gemeinsam aufnehmen, aber am Ende haben die einzelnen Spuren trotzdem einen tollen Song ergeben, das ist schon krass.
Jule: Das ist für mich echt kaum vorstellbar, wie man während eines Videocalls mit lauter einzelnen Vocal- und Instrument-Schnipseln die Vorstellungskraft für einen fertigen Song haben kann. Aber deshalb seid ihr wohl die Musiker und ich die, die euch ausfragt, ne? (lacht)
Ma Fleur: (lacht) Also die Demo, die MOA uns geschickt hat, die war dem Song, der jetzt am Ende dabei rausgekommen ist, zugegebenermaßen schon relativ ähnlich. Zum Beispiel das Gitarrenriff, das sich so durch den Song zieht, das war schon von Anfang an da und wurde eigentlich nur noch ausgefeilt.
Jonas (Fullax): Die Drums haben wir zwar nochmal neu aufgenommen und auch Kleinigkeiten verändert, aber das Grundlegende basiert schon auf der Demo. Daran haben wir uns orientiert. Ich glaube, hätten wir den Song von Null angefangen zu schreiben, dann muss ich dir Recht geben, das stelle ich mir über Zoom oder so auch echt schwer vor. Aber so war es eben der natürliche Lauf, der, wie MOA vorhin schon meinte, einfach passiert ist.
Jule: Dann kommen wir jetzt auch schon zur letzten Frage, bei der sich bei uns immer alles um eine untold story dreht. Vielleicht etwas Lustiges, was euch während der Aufnahmen passiert ist?
Julian (Fullax): (lacht) Ohje, für sowas sind wir doch viel zu langweilig.
MOA: Tatsächlich ist das mit dem Konzert unsere untold story, das haben wir bisher noch nicht öffentlich gemacht. Die haben wir jetzt schon ein bisschen vorweggenommen, naja (lacht).
Jule: Das ist gar nicht schlimm! Danke für eure Zeit und das schöne Interview. Ich wünsche euch ganz viel Spaß bei eurem Konzert – ich werde mir das natürlich ansehen, sobald es online ist!
Und hier könnt ihr euch den gemeinsamen Song von MOA, Fullax und Ma Fleur anhören: