„Die meisten Vögel ziehen über den Winter in wärmere Gefilde. Der Sperling jedoch bleibt und harrt aus, bis es wieder wärmer wird.“
Die Band SPERLING bezieht ihren Bandnamen aus genau dieser Charaktereigenschaft. Sie verarbeiten mentale Rückschläge, innere Dämonen und alle Zweifel, die namensgebend waren für ihr Debütalbum. Musikalisch sind sie ein Muss für alle Heisskalt-Fans, die sich wieder nach ehrlicher Rockmusik sehnen, die auch trostspendend ist. Anna hat mit ihnen über ihr heute erschienenes Debütalbum „Zweifel„ gesprochen, die Produktion und welchen Song sie als erstes live spielen wollen, wenn es wieder möglich ist.
SPERLING im Interview
Anna: Hey ihr, cool, dass ihr euch die Zeit nehmt! Wie geht’s euch, seid ihr gut ins neue Jahr gerutscht?
SPERLING: Hey Anna, uns geht’s gut soweit! Wir sind natürlich sehr aufgeregt bei dem Blick auf das jetzt vor uns liegende Jahr. Bei uns steht viel an und wir hoffen darauf, dass der Release unseres Debütalbums so läuft, wie wir uns das gedacht haben.
Wir sind alle gut in das neue Jahr gekommen, nur natürlich viel stiller als normalerweise. Bei uns ist es inzwischen eine Tradition, dass wir Silvester als Band zusammen feiern. Malte und Luca haben um Weihnachten herum Geburtstag und wir sehen uns da einfach immer. Das ist halt leider alles ausgefallen, was natürlich mega schade war. Aber das ist natürlich nicht das Ende der Welt. Wir müssen halt gerade alle gegenseitig auf uns und unsere Mitmenschen aufpassen – und vielleicht klappt das Feiern am Ende dieses Jahres ja wieder. Und „nicht feiern können“ ist ja sowieso eher ein Luxusproblem.
Anna: Als kleine Vorstellung für diejenigen, die euch noch nicht kennen: Wer steckt hinter „Sperling“ und was für Musik macht ihr?
SPERLING: Wir sind fünf Jungs aus dem Rhein-Hunsrück-Kreis und machen Rapmusik kombiniert mit Indie- und Post-Hardcore-Elementen sowie einem Cello. Uns gibt’s seit 2013, allerdings damals noch unter anderem Bandnamen. Als 2015 dann Max am Bass zu uns kam, waren wir komplett und sind es bis heute. Wenn wir über unseren Sound reden, dann würden wir uns als eine Art Mischung aus Casper-ähnlichem Sprechgesang gepaart mit Fjørt-mäßigen Post-Hardcore-Wänden beschreiben. Wir stehen auf viel Wärme und Breite in unserem Sound, außerdem lieben wir den Reverb und den hölzernen Klang des Cellos.
„Was uns wirklich am schwersten fiel, war auf die Auftritte verzichten zu müssen.“
Anna: „SPERLING“ ist ja noch ganz frisch – im Mai letzten Jahres erst habt ihr euch für den neuen Bandnamen entschieden und damit ein ganz neues Kapitel aufgemacht. Wie war das letzte Jahr für euch, wie habt ihr all das wahrgenommen?
SPERLING: Es war natürlich keine leichte Aufgabe einen Bandnamen abzulegen, den wir schon so lange mit uns tragen. Aber wir sind sehr froh, dass wir es gemacht haben! Wir können jetzt vollkommen hinter diesem Namen stehen und sind glücklich, dass unser erstes Album nun endlich unter unserem neuen Namen veröffentlicht wird.
Das letzte Jahr war für uns kein leichtes Jahr. Ein neues Kapitel aufzumachen dauert seine Zeit und braucht viel Platz für Diskussionen. Man verbindet viele Erinnerungen mit dem alten Namen, aber es ist letztendlich auch nur ein Begriff. Wir selbst formen daraus, was er bedeuten soll. Wir sind ja immer noch dieselben. Außerdem hat sich unser Release um fast ein ganzes Jahr verschoben, und somit natürlich unser gesamter Zeitplan. Was uns wirklich am schwersten fiel, war auf die Auftritte verzichten zu müssen. Wir als Musiker lieben nichts mehr als draußen vor Leuten unsere Musik zu spielen und mit unserem Publikum und unserer Crew eine gute Zeit zu haben. So etwas lässt sich auch durch Livestreams leider nicht ganz ersetzen – auch wenn es natürlich eine gute Alternative war, um wenigstens irgendetwas spielen zu können.
Diese gewonnene Zeit haben wir aber auch genutzt, um uns neu aufzustellen. Wir haben die genialen Leute vom Label Uncle M und der Booking-Agentur Kingstar kennen gelernt und sind super glücklich mit ihnen zusammenzuarbeiten. Auch unser Musikverlag Kick The Flame ist mit ins Boot gerutscht. Mit ihnen allen konnten wir unseren Release komplett neu aufrollen.
„Die Produktion des Albums war für uns eine sehr intensive Zeit.“
Anna: Davor hattet ihr schon Singles und EPs draußen, aber jetzt kommt das Debütalbum „Zweifel“. So ein Release fühlt sich ja nochmal ganz anders an. Auf einer Skala von 1 bis 10, wie aufgeregt seid ihr, es in die Welt zu lassen?
SPERLING: Wir würden sagen, es ist schon eine 9! Wir sind schon sehr aufgeregt und freuen uns total darauf! Wir arbeiten seit fast zwei Jahren an diesem Album und es ist ein seltsames und auch großartiges Gefühl, es den Menschen endlich zeigen zu können.
Die Produktion des Albums war für uns eine sehr intensive Zeit. Wir haben uns viele Wochenenden alleine im Proberaum eingeschlossen. Aber auch mit unserem Produzenten Beray Habip haben wir viel Zeit, Mühe und auch Liebe in dieses Album gesteckt. Wir sind jetzt einfach nur froh, es endlich veröffentlichen zu können. Wir haben eine Woche vor der Produktion mit Beray ein Wohnmobil und ein großes Zelt aufgestellt und an den Songs geschraubt. Danach ging es dann mit ihm ins Studio und wir wussten so genau, was zu tun ist. Es war eine unfassbar produktive und gute Zeit.
Bei unseren beiden EPs war das damals eine ganz andere Sache. Auf deren Veröffentlichungen hatten wir uns nicht großartig vorbereitet, obwohl die Freude und der Spaß beim Produzieren natürlich auch da waren. Jetzt haben wir uns aber, wie gesagt, lange und intensiv vorbereitet und in Zukunft auch noch einige coole Sachen in der Rückhand. Eine Tour und Shows für 2021 sind ebenfalls geplant. Da können wir zum jetzigen Zeitpunkt aber noch nichts Festes zu sagen, da wir natürlich alle nicht wissen, wie sich das Jahr so entwickeln wird.
„Es gibt Sachen, die man nicht hinter Metaphern und Bildern verstecken kann“
Anna: Welche Themen verarbeitet ihr auf „Zweifel“? Und was steckt hinter dem Albumtitel?
SPERLING: Unsere Texte beschäftigen sich hauptsächlich mit dem, was in unseren Köpfen vor sich geht. Unsere Geschichten handeln oft vom Zweifeln und daher kommt auch der Albumtitel. Der „Zweifel“ steckt einfach in jedem Song mit drin. Es geht um die Zweifel an uns selbst, unseren Entscheidungen, unserer Zukunft, und an der Gesellschaft an sich. Das allerdings auch immer mit dem Zeigefinger auf uns selbst, da wir ja selbst Teil dieser Gesellschaft sind.
Es gibt Sachen, die man nicht hinter Metaphern und Bildern verstecken kann, aber auch nicht für sich behalten will. Der Entstehungsprozess des Albums war deshalb keine leichte Aufgabe für unseren Leadsänger Jojo. Er musste sich intensiv mit seinen Dämonen beschäftigen, die in den Texten verarbeitet werden. Für uns persönlich war es immer ein großer Trost in einem Song zu hören, wie jemand genau das beschreibt, was in einem selbst vorgeht. Man fühlt sich verstanden und weniger alleine. Es hat uns geholfen, das Chaos in unseren Köpfen zu sortieren. Genau das wollen wir auch mit unseren Texten erreichen. Wir möchten gerne ein Sicherheitsnetz sein für diejenigen, die sich genauso fühlen, um ihnen zu zeigen, dass alles oft nur halb so schlimm ist. Man kann mit jeder Schwierigkeit und jedem Problem fertig werden.
Anna: Habt ihr einen Moment während des Albumprozesses, der besonders prägend war oder an den ihr euch gerne zurückerinnert?
SPERLING: Was einen Song betrifft, da fällt uns spontan Mond ein. Normalerweise ist es so, dass unser Gitarrist Malte ein grobes Instrumental für unsere Songs schreibt oder schon ein paar ausgearbeitete Ideen hat, die dann im Proberaum zum fertigen Song werden. Die Texte schreibt Jojo dann in der Regel auf das fertige (oder halbfertige) Instrumental. Bei Mond war es jedoch so, dass Jojo den fertigen Text schon geschrieben hatte und ihn erst mal nur für sich behielt. Es war der bis dahin persönlichste und auch emotionalste Text, den er bisher geschrieben hatte. In einer unserer Proben hat Max dann zufällig eine Bass-Melodie gespielt, eigentlich nur um den Sound zu testen. Jojo fiel aber direkt der Text ein, der perfekt darauf gepasst hat. In dieser Nacht ist dann Mond entstanden und heute ist er einer unserer Lieblingssongs auf dem Album.
Anna: Ihr als Band lebt ja, kann ich mir vorstellen, auch gerade für das Live-Auftreten. Wenn das wieder möglich ist, gibt es ein Lied, worauf ihr euch besonders freut, das dann live zu spielen?
SPERLING: Wir freuen uns eigentlich auf alle Songs. Wir haben im Moment sogar Bock, die Songs zu spielen, die wir schon seit fünf Jahren spielen, einfach um nochmal live auftreten zu können. Aber wenn wir uns entscheiden müssten, freuen wir uns auf die Songs am meisten, die wir noch nie live gespielt haben. Es ist fast schon ein wenig seltsam, all diese Songs, die wir schon seit so langer Zeit kennen und fertig haben, immer noch nicht live gespielt zu haben. Wir hoffen einfach, dass es bald wieder möglich ist und wir endlich wieder auf eine Bühne dürfen.
Anna: Unsere Schlussfrage geht ein bisschen abseits der Musik: Welches Buch habt ihr zuletzt gelesen, dass euch so gut gefallen hat, dass ihr es hier weiterempfehlen könnt?
SPERLING: Wir empfehlen „Metro 2033“ und auch die beiden Fortsetzungen. Es ist ein russisches Buch und spielt im postapokalyptischen Moskau, bzw. in den U-Bahntunneln von Moskau, da die normale Welt so starker Strahlung ausgesetzt ist, dass sie unbegehbar geworden ist. Die Geschichte erzählt von einem jungen Mann namens Artjom, der seine persönliche Reise quer durch die Metro in Moskau bestreiten muss. Die Geschichte und ihre Welt ist wahnsinnig düster und zeigt gut die Abgründe der postapokalyptischen Menschheit. Es gibt auch einige Parallelen zu unserer Zeit. Alternativ ist auch die Hörbuchversion fantastisch. Ist vielleicht nicht für jeden was, aber wer auf dieses Genre steht, ist mit dieser Geschichte bestens bedient.
Hört hier ins neue Album „Zweifel“ rein:
Fotocredit: Simon von der Gathen und David Neff