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M.Byrd im Interview: »Mit dem Album wollten wir etwas pflanzen, dass Comfort bringt«

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Im Rahmen der Acoustics Concerts 2023 haben wir uns mit Max von M. Byrd zum Interview getroffen und unter anderem über die Entstehung und Produktion seines Debütalbums “The Seed” gesprochen, das letzten Freitag erschienen ist. Der Sound des Albums erinnert an warme nostalgische Sommertage, die Sehnsucht nach einem Roadtrip schaffen. Es thematisiert das Leben mit all seinen Herausforderungen, Träumen und Ängsten, aber vor allem geht es bei “The Seed” um Wachstum.

In Hamburg (21.06.) und Essen (22.06.) könnt ihr M. Byrd diese Woche noch mit einem Akustikset bei den Acoustics Concerts live erleben.


M. Byrd im Interview


Julia: Hi Max, erstmal schön dich kennenzulernen! Ich freue mich sehr, dass wir heute miteinander quatschen. Wie geht’s dir?

Max: Mir geht’s gut. Ich war gerade zehn Tage in Prag, Berlin und Leipzig unterwegs und habe drei Tage gebraucht, um wieder in meiner derzeitigen Heimatstadt Kopenhagen anzukommen. Ich bin noch ein wenig fertig von der Reise, aber es war sehr schön!

Julia: M. Byrd ist für mich träumerischer Indie-Rock. Wie würdest du eure Musik beschreiben?

Max: Das passt schon sehr gut! Wenn man die Drums, den Gesang und das ganze Große rausnimmt, hat es für mich wie ein Ambient Projekt begonnen. Das war am Anfang eher ein Experiment. Deswegen würde ich es vielleicht Ambient Rock nennen – so in die Richtung. 

Julia: Bei M. Byrd geht es gar nicht unbedingt nur um dich als Solokünstler, sondern viel mehr um ein Kollektiv. Wer seid ihr denn?

Max: Wir sind viele Leute, die sich über die Jahre kennengelernt haben und mit denen ich in verschiedenen Projekten Musik gemacht habe. Den Kern bilden mein guter Freund Andre, der auf den Aufnahmen Schlagzeug spielt und Eugen Koop aus Detmold, der sein Studio zur Verfügung gestellt hat, um die Aufnahmen zu machen. Wir sind ein Kollektiv aus Menschen, die ich mit der Zeit auf meinem musikalischen Weg zusammengesucht habe und indem jede*r seine Stimme dazu gibt. In der Livebesetzung haben wir gerade zwei neue Leute dabei. Doreen, die Sängerin, die auch die Chöre auf der Aufnahme gesungen hat, ist im Mutterschutz, weil sie im Juni zusammen mit unserem Drummer ein Kind bekommt. Ich finde es schön, dass diese Familie, die sich um dieses Projekt bindet, mit der Zeit einfach immer größer wird. Das ist ein gutes Gefühl.

Julia: Das glaube ich gern!

Max: Dann bleibt es auch spannend. Ich bin nicht jemand, der allein im Studio sitzen kann. Klar, tue ich das auch mal, wenn vorher schon was zusammengekommen ist. Ich finde die Magie passiert immer dann, wenn Menschen etwas gemeinsam machen. Das ist ein unbekannter Faktor, den man versucht zu steuern.

Julia: Im Februar kam dein Song „Outside Of Town” raus und du hast bei Instagram geschrieben, dass der Song für einen Freund ist, der dein Leben verändert hat. Man kann es zwar am Text ein wenig erahnen, aber möchtest du die Geschichte dazu erzählen?

Max: Die ganze Idee des Songs war die Geschichte von einer Person zu erzählen, die flüchten muss, aber es so offen zu lassen, dass es quasi jeder sein könnte, dem dieses Schicksal widerfährt. Deswegen kann ich die Geschichte nicht genau erzählen. Es ist ein Bild im Song entstanden, in dem sich jemand in einer „safe zone“ befindet – wie auf einer Insel oder in einer Stadt.

Drumherum herrscht überall Krieg. Und dann hat jemand trotzdem das Gefühl über den Horizont herausschauen zu wollen, obwohl es gefährlich ist. Trotzdem möchte man einen anderen Zustand oder ein anderes Leben haben. Das kann man nicht nur auf Krieg beziehen, sondern auch auf klimatische Bedingungen. Ich finde Menschen faszinierend, die hinter diesen Horizont blicken wollen, egal was von außen gesagt wird und von dem man denkt, was möglich ist. Das erfordert einfach sehr viel Mut. – Und ich habe damals in Hamburg jemanden kennengelernt, der mich inspiriert hat diesen Song zu schreiben. 

Julia: Der Song setzt das auf jeden Fall sehr gut um. Deine Texte sind sehr träumerisch und lassen viel Spielraum für Interpretationen. Ich bin selbst sehr großer Fan davon, wenn Songs mich aus der Realität wegholen. Findest du, dass da ein gewisser Reiz hinter steckt, wenn man Lyrics nicht eindeutig interpretieren kann? 

Max: Manchmal kann ich das selbst gar nicht. Es gibt Leute, die mir nachher sagen, was sie alles aus den Texten rausgelesen haben. Songwriting war für mich immer eine unterbewusste Sache und etwas, bei dem ich das Gefühl habe, dass es sich für mich besser anfühlt, wenn ich in diesen Zustand selbst reinkomme. So öfter ich die Songs spiele und die Räume in den Songs kennenlerne, umso mehr bemerke ich auch Sachen über mich selbst. Manchmal schreibe ich meine eigene Zukunft in Songs auf und deswegen sind diese vielleicht auch dreamy. 

Der Sänger Jacob Collier hat mal gesagt, dass die besten Songs für ihn diejenigen sind, in denen Leute ihren eigenen Raum haben können. Ich gebe dir einen Song von mir und dieser wird zu deinem Raum und gehört nicht mehr mir. Ich bin kein Fan davon, jemandem genau zu sagen, was meine Songs bedeuten. It’s art – die Leute finden das meistens selbst raus oder vielleicht auch nicht.


Entstehung des Debütalbums

Julia: Da stimme ich dir zu! Ich finde es auch schön, wenn Menschen unterschiedliche Sachen in Songs interpretieren. Am 16 Juni veröffentlichst du dein Debütalbum „The Seed“. An dieser Stelle schon mal Glückwunsch! Obwohl, dafür ist es wahrscheinlich noch zu früh, was?

Max: Ich finde es schon okay, *lacht*, in meinem Kopf ist das Album schon lange draußen.

Julia: Na dann! Kannst du uns etwas über die Entstehung erzählen und worüber das Album thematisch handelt?

Max: Das ganze Album hat einen Prozess durchlaufen, wie ich ihn eben schon beschrieben habe. Wir haben dieses Projekt begonnen und meistens während der Durchreise einen Stopp gemacht und einen Tag aufgenommen. Dabei ist zum Beispiel ein Song wie „Mountain“ entstanden. Irgendwann haben wir die EP gehabt und veröffentlicht – und das war schon während Corona. Wir haben das aber gar nicht so wahrgenommen, sondern wollten in der Zeit einfach Musik releasen. In Detmold haben wir dann begonnen das Album aufzunehmen. Das Studio war quasi ein sechs Meter hoher Raum, eine Squashhalle entstanden aus einem alten Bunker, wo wir uns zu dritt einsperrt haben, als man niemanden treffen konnte.

Gerade in den letzten Tagen, an denen wir die Aufnahmen gemacht haben, haben wir uns gefragt, warum wir das eigentlich machen. Da hat auch der Ukrainekrieg begonnen. Wir haben einen Freund in Detmold, der ist an die Grenze und wieder zurückgefahren, um Freunde einzusammeln. Es war absurd in dieser Zeit ein Album zu machen und sich auf sich selbst zu konzentrieren. Als wir dann den letzten Song „Seed“ aufgenommen haben, war schnell klar, dass wir das mit der Musik einfach machen müssen. Wir werden uns niemals von der Welt abkoppeln können und haben gemerkt, dass das Album genau diese Gemeinschaft festhält, die wir in dieser Zeit geschaffen haben. Es hat jedem von uns Comfort gegeben, in einer Zeit, in der man eigentlich kein Geborgenheitsgefühl finden konnte. 

Julia: Hat der Titel des Albums auch inhaltlich eine Bedeutung? Geht es um Wachstum?

Max: Ja, voll! Gerade in so einer dunklen Zeit wollten wir etwas pflanzen, das uns und vielleicht auch anderen Menschen Comfort bringt. Es ist das erste Album, das wir aufgenommen haben. Ich habe vorher noch nie ein ganzes Album aufgenommen und wusste nicht, wie es wird. Wir wollten damit einen Raum pflanzen, der Menschen Geborgenheit gibt. 

Julia: Gibt es einen Unterschied im Entstehungsprozess der Orion-EP und dem kommenden Album? 

Max: Vom reinen Schaffungsprozess her haben wir auf dem Album viel in einem Raum zusammen live eingespielt. Bei der Orion-EP haben wir eher mal Drums aufgenommen und hier und da ein bisschen gemacht. Aber auf dem Album haben wir fast alle Songs mit Bass, Gitarre und Schlagzeug gemeinsam in einem Raum aufgenommen. Heutzutage ist das ein besonderer Prozess für Musiker*innen, weil es nicht mehr wirklich aktuell ist. Das war der grundlegende Unterschied für mich. Es ist alles sehr organisch entstanden, würde ich sagen. 


M. Byrd geht im September und Oktober auf Tour

Julia: Du gehst im September und Oktober auf eigene Tour und das nicht nur durch Deutschland. Was ist das Schönste für dich am unterwegs sein?

Max: Ich habe besonders in den letzten Tagen gemerkt, dass das Schönste die Leute sind, die man auf seinem Weg trifft. Man merkt einfach, dass man drei Stunden irgendwo hinfahren kann und immer einen Platz hat, wo man sein kann. Mich empfängt immer jemand oder hat einen Platz auf der Couch frei. Das sind grundlegende Dinge, die man zu schätzen weiß. Das ist das Schönste für mich – die anderen Menschen, die ich dabei treffe. 

Julia: Du hast ja auch Erfolg in anderen Ländern und spielst Konzerte außerhalb von Deutschland. Wie hast du das wahrgenommen?

Max: Ich freue mich natürlich total, wenn mir zum Beispiel Leute aus Chile schreiben. Ich bin sehr dankbar dafür, dass die Musik das kann. Ich habe das aber noch nicht als einen Erfolg wahrgenommen. Heutzutage hast du als Künstler*in einen sehr klaren Überblick über Zahlen und Statistiken deiner Musik und erfährst, wo die Leute deine Musik hören und so weiter. Für mich ist es ungreifbar, wenn 4000 Leute monatlich in der Türkei meine Musik hören. Ich verstehe das erst, wenn wir eine eigene Tour spielen, die wir jetzt auch angekündigt haben. An diesem Punkt verstehe ich dann, dass Leute meine Musik hören und sich damit verbinden. In der echten Welt bedeuten diese ganzen Zahlen für mich nichts. Es ist natürlich ein großer Erfolg, dass ich in Prag ein Konzert spielen kann und sehe, wie viele Menschen meine Musik kennen. Das ist etwas, was ich richtig wahrnehme.

Julia: Dann frage ich dich nochmal nach der Tour!

Max: Ja! Ich bin wirklich sehr gespannt.

Julia: Jetzt mal eine ganz andere Frage: Die Musikbranche ist sehr schnelllebig und verlangt viel. Wie gehst du als Künstler damit um, gerade auch in Hinblick auf die eigene, mentale Gesundheit? Fühlst du dich manchmal unter Druck gesetzt?

Max: Das ist eine gute Frage! Ich habe an einem Punkt begonnen, an dem ich schon viele Erfahrungen und Umgang mit dem Musikbusiness sammeln konnte. Deswegen habe ich bereits ein gewisses Bullshit-Radar aufgebaut, dass mir sagt, mit wem ich zusammenarbeiten möchte und mit wem nicht. Den größten Druck mache ich mir selbst. Ich habe einen großen Qualitätsanspruch an das, was ich mache und möchte manchmal auch alles tun.

Aber ich glaube, ich habe meinen Weg gefunden mit diesen Sachen umzugehen. Ich habe ein Team und Menschen, denen ich hundertprozentig vertraue und die auch mich sehr gut kennen. Es gibt einfach Personen, die mir helfen und den Druck abfedern. Das sind die guten Leute, mit denen man zusammenarbeitet. Das Publikum, so viel ich es auch zu schätzen weiß, dass ich Leute habe, die meine Musik wirklich gerne mögen, sind immer die Leute, an die ich erst denke, wenn die Musik schon gemacht ist. Am Ende mache ich die Musik auch für mich selbst und habe sie ein bisschen als meine eigene Medizin. 

Julia: Ich finde es auch wichtig nicht zu vergessen, dass man keine Erwartungen von außen erfüllen muss. Nun kommt die obligatorische „Wo siehst du dich in fünf Jahren“-Frage, aber ich formuliere sie anders. Was würdest du in musikalischer Hinsicht noch gerne in den nächsten Jahren machen?

Max: Da gibt es so viele Sachen. Gerade sammle ich schon wieder Ideen und Sounds und schaue nach Strukturen, die sich anbahnen oder mache mir Gedanken, wie es weitergehen könnte. Das ist nicht auf M. Byrd bezogen, sondern einfach mein Interesse Ideen zu sammeln. Ich hoffe, dass ich das mit der Musik so lange wie möglich machen kann und es mich weiterhin so thrilled, wie es das aktuell tut. Das klingt immer einfach, aber ich möchte Sachen machen, die ich genieße. Wenn ich irgendwann das Gefühl habe sollten, es nicht mehr zu genießen, dann mache ich es nicht mehr. Ich liebe Musik und mit meinen Leuten Musik zu machen und deswegen hoffe ich, dass das in fünf Jahren immer noch so sein wird und mir weiterhin so viel zurückgibt, wie es das gerade tut. 

Julia: Das ist schön. Das wünsche ich dir natürlich auch! Unsere letzte Frage ist immer eine untold story – also eine Geschichte oder Anekdote, die du noch nie irgendwo erzählt hast. Was wäre deine untold story?

Max: Hmm. *überlegt* Ich habe mal aus Versehen mit dem Gitarristen von KISS gejammt und wusste es nicht. 

Julia: Okay, das hört sich nach einer sehr guten Story an. *lacht*

Max: Ich komme ursprünglich aus dem Saarland und habe dort während der Schulzeit bei einem Verstärkerhersteller ein zwei-wöchiges Praktikum gemacht. An einem Tag sollte ich den Raum aufbauen, in dem die Verstärker gespielt werden, weil jemand vorbeikommen würde, um die zu testen. Irgendwann kam ein Typ mit zwei anderen Leuten rein und hat angefangen, die Verstärker auszuprobieren. Er hat sich dann zu mir gesetzt und wir haben ein bisschen gejammt. Ich habe gemerkt, dass er Amerikaner ist und ihn daraufhin gefragt, wo er herkommt und was er so macht. Er meinte dann, dass er in KISS spielt, während ich an irgendeine KISS-Coverband gedacht habe. Auf die Nachfrage hin, ob er wirklich eine KISS Tribute-Band meint, antwortete er nur: „Nein, die wirklichen, die echten KISS“. Joa und dann haben wir zehn Minuten zusammen Gitarre gespielt.

Julia: Ja, sehr nice Story auf jeden Fall. Das fand er bestimmt sympathisch.

Max: Ich hoffe! *lacht* Bei KISS erwartet man ja auch, dass sie geschminkt sind und auch geschminkt zu einem Termin kommen. Aber ich war auch erst sechzehn. 

Julia: Ganz lieben Dank dir für das schöne Interview und deine Zeit! Ich hatte sehr viel Spaß!

Max: Ja, auf jeden Fall! Danke Dir! Ciao, Julia!

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Foto Credits: Miriam Marlene

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