Kryptische Texte, Märchen über Schwarze Magie und ehrliche Lines über Panikattacken und Tobsuchtsanfälle. Der Deutschrapper Goldroger verpackt in seinen Songs thematisch so ziemlich alles von Liebeskummer bis Vollrausch. Es gibt viele Arten seine Musik zu beschreiben, aber ich finde Jan Kawelke vom COSMO Podcast Machiavelli hat es perfekt auf den Punkt gebracht. Er betitelt ihn den Voldemort des Deutschraps – passend zum Song “Horcrux“, in dem Goldroger ja bereits sein Faible für Harry Potter Referenzen deutlich macht.
Wer meinen Jahresrückblick (ja, das ist Eigenwerbung) gelesen hat oder meine musikalischen Vorlieben kennt, der weiß, dass Deutschrap nicht gerade mein Spezialgebiet, geschweige denn mein Lieblingsgenre ist. Aber seit “Diskman Antishock I” von Goldroger hat sich das grundlegend geändert. Goldi‘s Art zu rappen, seine ehrlichen Texte und die perfekt flowenden Beats haben mich einfach in ihren Bann gezogen. Denn Goldroger Songs hört man nicht einfach nur so, man hört sie rauf und runter und versucht jede Line zu entschlüsseln (ihr wisst also, was ihr jetzt zu tun habt).
Deutsche Sprachkunst mit Liebe zum Detail
Im Interview mit Goldroger bin ich den Hintergründen einiger Texte auf “Diskman Antishock” auf die Spur gegangen. Er erzählt von seinen musikalischen Einflüssen, philosophiert über Raum und Zeit und erklärt, warum er schon das ein oder andere Mal seine Prinzipien über den Haufen geworfen hat.
Goldroger im Interview
Anna: Hi Goldroger, schön, dass du dir die Zeit nimmst!
Goldi: Hi Anna, ja klar, freu mich voll!
Anna: Ich weiß immer gar nicht, wo ich bei denen Songs anfangen soll. Du verarbeitest ja so ziemlich alles von kritisch-politischen Statements, verrauschten Nächten bis hin zu privaten Einblicken in vergangene Beziehungen. Für mein Gefühl ist die „Diskman Antishock“ Trilogie (größtenteils) etwas dunkler als deine vorherigen Songs von den ersten Alben und auch irgendwie textlastiger, falls das Sinn ergibt. Was waren deine musikalischen Einflüsse für „Diskman Antishock“? Waren die anders als in den Jahren zuvor?
Goldi: Ja, also es gab auf jeden Fall viel Kanye bei mir. Ich weiß nicht, ob man das hören kann, aber auch die Herangehensweise hat sich etwas geändert. Ich habe echt exzessiv das “The Life of Pablo” Album gehört. Sonst auch Brockhampton und sowas. Aber es ist auch immer schwierig zu sagen. Am Ende hört man das vielleicht nicht mal so raus. Aber dieser Ansatz, ich mache auch einfach mal ein paar aufwändigere Sachen, die aber trotzdem klar und auch Hip Hop sind. Ich finde “Avrakadavra” war es vielleicht mehr, dass es ist irgendwie nicht so klassisch rapmäßig war und diesmal wollte ich ein Rap Album machen, was aber halt so ein alternatives Rap Album ist.
Anna: Ich finde es auch immer super schwierig zu sagen, ob man jetzt halt diesen einen Song oder so raus hört, weil es ist ja im Endeffekt immer noch der eigene Song, der neue Song ist, den du dann neu geschaffen hast.
Goldi: Ich glaube es ist auch die Herangehensweise an einen Song. Ich würde zum Beispiel Dissy als Deutschrapper da in die ähnliche Sparte packen. Einfach von unserer Herangehensweise.
Zwischen kryptischen Texten und einprägsamen Beats
Anna: Würdest du sagen, deine Songs sind eher so zum Nebenbei hören oder aufmerksam Texte hören und analysieren? Beziehungsweise wie hättest du es gerne, dass die Leute deine Musik hören?
Goldi: Am liebsten hätte ich so eine Mischung aus beidem. Am liebsten hätte ich, dass die Songs funktionieren, ohne dass man hinhört und dass wenn man hinhört, es trotzdem immer noch was zu entdecken gibt. Das steigert auf jeden Fall auch den Wiedererkennungswert. Ich finde es uncool, wenn man beim ersten Hören direkt alles rafft. Persönlich auch so, also wenn ich Mucke höre. Aber ich finde es auch cool, wenn einfach nur der Beat und der Flow cool sind. Und so wie ich jetzt auch einen türkischen Rapper oder so höre und auch kein Wort verstehe und es trotzdem fühle, so soll das auch funktionieren.
Referenzen, die das Millenial-Herz höher schlagen lassen
Anna: Ich glaube mir fallen kaum andere deutsche Rapper:innen ein, die so viele 90s/2000er Referenzen droppen wie du es jetzt in “Diskman Antishock” gemacht hast. Dabei sind neben dem offensichtlichen Namen der Trilogie „Diskman Antishock“ ja Dinge wie die Lavalampe auf „Lavalampe Lazer“ oder Anspielungen auf Filme wie Harry Potter in „Horcrux“. Es ist immer so ein bisschen wie eine Schatzkiste zu öffnen, wenn ich einen Song von dir höre, in der ich immer wieder neue Dinge entdecke. Ich könnte jetzt wahrscheinlich noch tausend andere Referenzen nennen, aber das sprengt den Rahmen und mir fallen auch bei jedem Hören wieder irgendwelche neuen Lines auf, die ich vorher noch gar nicht so beachtet hatte. Es versteht auch längst nicht jede:r jede einzelne Referenz. Würdest du sagen, du hast eine bestimmte Zielgruppe, die du mit deiner Musik erreichen möchtest?
Goldi: Nein, ich finde das tatsächlich schwierig. Also ich bin mir sicher, dass es nicht jede:n catchen wird. Ich bin mir auf jeden Fall im Klaren, dass je nerdiger es ist, desto weniger Leute das checken werden. Ich habe für mich auch immer festgestellt, dass wenn ich so was checke bei anderen Rapper:innen oder so, dass gibt einem so ein Gefühl des Eingeweihtseins. Und ich versuche – also bei “Horcrux” jetzt nicht, weil Harry Potter ist natürlich sehr bekannt – in der Regel diese Lines nicht in der Hook zu haben, damit der Song auch funktioniert, wenn Leute ein, zwei Lines in einem Track überhaupt nicht checken, dass trotzdem der Track irgendwie für die Leute funktionieren kann. Es ist immer eher so ein Goodie. Ich glaube aber auch zum Beispiel, so jemand wie Drake oder auch Kendrick – da sind auch so viele Lines dabei, die man glaube ich nicht checkt, ohne dass man irgendwie alles kennt oder auf Genius nachgeguckt hat oder so. Und ich finde das macht es cool. Das macht es dann weniger beliebig. Ich finde es immer sehr belastend, wenn Mucke so aufgebaut ist, dass es für alle funktioniert, nämlich für den kleinsten gemeinsamen Nenner, dass jede:r alles checken muss und sich wird jede:r allein auch selber identifizieren können muss. Das das ist dann irgendwie nicht cool und das finde ich persönlich nicht cool.
Anna: Ja, kann ich voll verstehen. Ich habe das auch manchmal, dass ich dann, wenn ich die Line nicht verstehe und dann sie aber verstehen möchte, auf Google nachschaue und dadurch findet man ja auch irgendwie dann coole neue Filme oder andere Musik, auf die man dann wieder stößt, die man vielleicht auch total feiert, die man vorher gar nicht kannte.
Goldi: Genau das ist dann so der nächste Punkt, dass es dann auch eventuell Leuten Sachen empfiehlt, die sie noch nicht kannten und so. Und das finde ich dann auch wieder geil. Man kann auch mit einer Line meist viel mehr sagen als, wenn man zum Beispiel ein Wort wie “Horcrux” nimmt, weil ja hinter dem Wort wiederum eine ganze Idee und ein ganzer Eindruck steht. Und da ist es cool, sich solcher Dinge zu bedienen, kann viel mehr sagen in viel weniger Worten.
“Ist es ok mich an deinen Tränen zu bereichern?”
Anna: Was ich mich schon öfters gefragt habe: Wie ist das, wenn du einen Song über eine Trennung veröffentlichst? Fragst du die Person, über die es in dem Song geht, vorher? „Wie leicht“ zum Beispiel ist ja schon sehr persönlich. Den Song dann immer wieder zu hören, erinnert ja auch wieder sehr stark an den Schmerz, der damit verbunden ist.
Goldi: Ja, habe ich da tatsächlich gemacht. Ich kenne ja auch die Jungs von Annenmaykantereit und da habe ich mal mitbekommmen, dass das Mädchen, um das es in diesem Pocahontas-Song ging, sehr oft darauf angesprochen wird. Und dann dachte ich so “Oh mein Gott, ist es nicht total toxisch eigentlich, einen Ex-Freund zu haben, der nicht nur komisch ist, sondern auch noch Sachen macht, die dir dann noch hinterherrennen, wenn du eigentlich schon längst versuchst, über die Nummer hinwegzukommen.” Da ist ein Song ja so ziemlich das Schlimmste. Und deshalb habe ich vorher gefragt. Also ist ja auch nur das Fairste. Ich meine, ich mache ja dann auch Geld damit. In “Horcrux” hört man das ja auch in der Line “Ist es okay, mich an deinen Tränen zu bereichern?”. Es ist ja schon paradox. Aber ich habe ja offensichtlich ein Go bekommen, sonst hätte ich das so nicht machen können.
Anna: Gab es da auch mal Songs, bei denen du nachgefragt hast, die du dann deswegen nicht veröffentlicht hast, weil die Person das nicht wollte?
Goldi: Tatsächlich gab es da bisher keinen Song. Da frag ich mich auch manchmal, warum. Aber wenn dann natürlich ein Song sehr allgemein gehalten ist und man jetzt nicht unbedingt tracken kann, um wen es geht, dann geht das schon klar. Wenn es jetzt eine speziellere Anspielung hat, sodass auf jeden Fall alle im Bekanntenkreis wissen, um wen es geht, dann frag ich halt nach.
Anna: Ja, finde ich auch nur fair. Aber “Pocahontas” ist natürlich auch echt fies, weil das ja rauf und runter gespielt wurde im Radio.
Goldi: Ja, das ist natürlich noch mal ein ganz, ganz anderes Level, wenn es ein Hit ist. Das konnte ich bei mir schon abschätzen, dass das nicht passieren wird. Aber es ist natürlich dann glaube ich trotzdem so, dass einem solche Songs dann unweigerlich auch irgendwie über gemeinsame Bekannte, die irgendwie ein Trailer teilen oder so was, immer wieder in die Timeline gespielt werden. Oder im Spotify Algorithmus oder Mix der Woche oder sowas. Habe ich dann auch selber erst hinterfragt. Und aus dieser Frage ist dann auch das “Horcrux” Ding entstanden.
Die Endlichkeit aller Momente
Anna: Ja, voll. Also ich weiß nicht, ob das jetzt irgendwie eine super philosophische Frage ist, aber ruft es nicht auch irgendwie das Bedürfnis hervor, die Zeit zurückzudrehen, wenn du in deinen Songs so etwas verarbeitest?
Goldi: Nein, eigentlich nicht. Ich bin mittlerweile an den Punkt angekommen, dass ich weiß … ok, das klingt wahrscheinlich super hippiemäßig … aber man lebt nur einmal und ist eigentlich auch gemessen an so einer Zeitspanne wie dem Universum ist es so eine sehr kurze Zeitspanne, die wir zu leben haben. Diese Momente, die irgendwann passiert sind, die waren ja schön und egal wie es dann endet, egal was man verbockt hat, das bleibt ja so. Ich kann solche Sachen relativ gut hinter mir lassen und einfach wissen, ich habe eine Erinnerung daran und die ist schön oder auch eine Erinnerung, die scheiße ist und kann es trotzdem schön finden, weil ich sie mit Abstand betrachte. Ich versuch im Moment zu hängen und mir nicht viele Gedanken über die Vergangenheit zu machen. Egal ob das jetzt ein Tag her ist oder fünf Jahre, in der Vergangenheit ist alles gleich unerreichbar. Ich glaube, solche Sachen tun immer nur weh, wenn man das Gefühl hat, das Leben geht ewig. Aber das muss man irgendwie ablegen und dann verliert das auch alles irgendwie so ein bisschen seinen Ernst.
Wie aus “ich schreibe niemals einen Song über Sex” ein Song über Sex wurde
Anna: Ja voll, ich wünschte ich könnte das auch immer so sehen. Gibt es Themen, wo du sagst, die würde ich niemals in einem Song verarbeiten wollen?
Goldi: Hmm, da habe ich jetzt gerade nichts vor Augen. Aber es muss ja irgendwelche Sachen geben, über die ich einfach unbewusst nicht schreibe. Andererseits gibt es dann halt auch immer einen Zugang dazu. Also ich hab zum Beispiel gesagt, ich würde niemals einen Song über Sex machen wollen, weil es oft einfach cringe ist. Aber dann habe ich es irgendwann halt doch gemacht. Es gibt diesen einen Song auf “Diskman Antishock II“, da geht es eigentlich auch um Sex, und das war tatsächlich aus der Emotion heraus, dass ich dachte sowas würde ich nie machen. Dann habe ich überlegt, wie ich es machen kann, dass ich es cool finde. Das war dann so ein Experiment. Nee, ich glaub, ich könnte bei fast jedem Thema irgendwie den Blickwinkel finden, dass es dann doch für mich funktioniert.
Der Teenie, der durch Punk politisiert wurde
Anna: Thema Rap und Politik: Wenn du in deinen Songs politische Themen verarbeitest, ist das dann eine Art für dich die Situation zu verarbeiten? Erhoffst du dir dadurch etwas verändern zu können?
Goldi: Mittlerweile weniger als früher. Ich habe mir auch als Hörer, gerade in meiner Teenie Zeit so viel Punk gehört. Da hab ich immer das Gefühl gehabt Musik muss politisch sein, weil das irgendwie so die Menschen sind und die dort eine Plattform haben, die sie nutzen müssen. Mittlerweile habe ich aber den Punkt, dass die Musik nicht zwingend politisch sein muss. Ich finde es teilweise sogar befremdlich, wenn Leute sich zum Beispiel in ihrem sonstigen Leben null politisch engagieren, aber mit politischer Musik Geld verdienen. Es ist ganz wichtig, dass man sich auch abseits der Musik irgendwie politisch engagiert, außer man ist halt so jemand wie zum Beispiel Kendrick oder so und spricht irgendwie für eine bestimmte Gruppe. Ich finde, jeder Mensch sollte sich irgendwie politisch außerhalb der Musik engagieren für eine bessere Welt. Aber in der Musik muss das nicht zwingend stattfinden. Ich finde es auf jeden Fall cool, ich glaube, gerade Teenager können über Popkultur überhaupt politisiert werden. Es ist völlig okay, finde ich, wenn jemand zum Beispiel zu Fridays for Future geht, weil er oder sie einfach die Musik feiert, also nur weil’s cool ist und alle anderen da hingehen, wenn es am Ende darin mündet, dass sich die Person vielleicht damit beschäftigt und dann wirklich irgendwann politisch wird. Ich glaube, so starten die meisten. Ich habe auch damals angefangen, es war einfach cool und ich bin dadurch politisiert worden. Das geht schon, aber ich glaube, so richtig was ändern, außer Leute dafür zu begeistern, kann man und möchte ich auch gar nicht.
Anna: Ja, ich kann das schon verstehen, weil man irgendwie ja durch Musik jetzt auch nicht direkt Einfluss auf die Politik hat. Es hilft einem selbst vielleicht darüber zu singen. Und ich als Hörerin fühle ja dann irgendwie. Und das ist dann ja auch ein Weg, quasi in die Politik einzusteigen und mir selbst eine Meinung drüber zu machen.
Goldi: Ich glaube, ein Lied ist auch ein relativ schlechtes Medium, wenn es drei Minuten geht oder so, um die Themen umfassend zu behandeln. Man kann Ausschnitte aus der Realität abbilden und die vielleicht wertungsfrei so stehen lassen und dann zwingt man die Leute, sich vielleicht selber dazu zu positionieren. Vom Kopf her. Das kann man schon, das ist glaube ich cool. Ich glaube gerade jüngere Leute kann man cool mit so was erreichen. Wahrscheinlich ändert das dann mehr. Unter Umständen inspiriert man ja jemanden, der oder die dann wirklich krass politisch im Rest seines oder ihres Lebens betätigt.
“Diskman Antishock III” und seine Feature Songs
Anna: Ja cool. Kommen wir mal wieder zurück zu “Diskman Antishock” und quasi so ein Rückblick auf die drei Teile. Auf Teil III sind 3 Feature Songs, die auf den ersten beiden nicht so stark vertreten sind. Auf dem ersten ist zwar “Coup de grâce“, aber auf dem zweiten ja gar keiner. Wie kam es dazu?
Goldi: Ich hätte auch gerne noch einen zweiten einen gehabt, aber das hat sich dann einfach nicht ergeben. Ich hatte immer schon relativ konkrete Vorstellungen. Was konkret für mich wichtig ist, ist auf jeden Fall, dass die Teile ausgewogen sind zwischen Songs, die düster sind und Songs, die ich als nicht-düster empfinde. Und da hatte dann keiner von den Songs, die jetzt am Ende auf Teil 2 gelandet sind. Am Ende ist das für mich eh ein großes Album, deswegen auch vier Features, das sind alles Homies von mir. Es war mir auch sehr wichtig, dass keiner dabei ist, der übers Management oder Label kommt, wo ich dann ewig hinterherlaufen müsste. Und es war mir einfach wichtig, dass es Leute sind, mit denen ich persönlich auch gut bin. Zum Beispiel mit Yrre war ich auf Tour, Lugatti kenne ich aus Köln sehr gut. Das ist bei dem ganzen Projekt “Diskman Antishock” irgendwie so der Zugang für die Musik gewesen: worauf habe ich Bock und worauf überhaupt nicht? Was ergibt es am meisten Sinn und wie?
Anna: Ja, das sehe ich genauso. Das passt einfach sehr gut in das Album rein. Also es fällt dadurch jetzt nicht irgendwie raus. Ich habe manchmal das Gefühl, man merkt bei Künstler:innen, dass sie halt so gezwungen ein Feature machen wollten, dass es dann einfach nicht passt.
Goldi: Ja, also ich habe tatsächlich auch direkt als das Album fertig war gedacht, dass ich auch voll gern ein Feature mit LGoony drauf hätte. Das wäre auch wieder ein Kölner gewesen, der gut auf die Platte gepasst hätte. Ich hatte da irgendwie ein Brett vorm Kopf und man hat sich auch gar nicht so oft gesehen in der Zeit. Hätte ich schon sehr cool gefunden, aber das kommt dann irgendwann. Auf der neuesten Platte sind ja auch zehn Tracks und nicht nur sieben wie zuvor, da passte das jetzt ganz gut mit den Features. Mehr wollte ich dann aber auch nicht, sonst hätte es sich so angefühlt als würde ich gar nicht selbst rappen auf meinem Album.
Kommt ein vierter Teil?
Anna: Würdest du sagen, dass die Trilogie jetzt abgeschlossen ist oder hast du das Gefühl, da ist noch was offen ist und es kommt noch mehr? Vielleicht sogar ein weiterer Teil?
Goldi: Hm nee. Also das Ding war, dass ich irgendwann Ende 2018, Anfang 2019 so einen krassen Rush hatte. Das war nach einer Zeit, wo ich echt gar nichts rausbekommen habe. Da habe ich mir gesagt “Scheiß drauf”, ist alles nicht so wichtig, ich mach einfach Mucke, so wie ich Bock hab. Und dann habe ich 50 Demos oder so gemacht in einem sehr komprimierten Zeitraum und das war so der Ideenpool, aus dem sich die Diskman-Trilogie gespeist hat. Und ich wusste von vornherein, dass das nicht alles auf einem Album alles Platz haben wird. Dann dachte ich, so ne Reihe, das finde ich geil. Und mit “Diskman Antishock III” habe ich teilweise so Songs wie “Schwarz“, wo die Idee schon sehr lange rumlag und ich wusste, dass ich das noch fertig machen will, dass bestimmte Lücken, die mir irgendwie wichtig sind, was ich noch sagen wollte, noch gefehlt haben und da habe ich dann jetzt irgendwie einen Haken runtergemacht. Deswegen weiß ich, dass das jetzt für mich abgeschlossen ist. Kann natürlich trotzdem sein, dass das nächste Album wie “Diskman IIII” klingt. Aber der Punkt war auf jeden Fall, dass das alles ein Pool an irgendwelchen Dingern war, irgendwelche Fässer, die ich irgendwann mal aufgemacht habe und wo ich wusste, ich will die abarbeiten. Das klingt so uninspiriert, wie sage ich es schöner? Ich wollte sie irgendwie ausfüllen und das hab ich jetzt geschafft. Und deswegen ist das für mich auf jeden Fall vorbei. Und das nächste wird dann entweder ganz anders oder ich muss mal gucken. Ich habe da noch nicht so krass konzeptionell angefangen, außer dass das Konzept irgendwie war: Ich flash gerade auf diese Idee und die will ich fertig machen und hoffe am Ende gibt das ein kohärentes Ganzes.
Von kreativen Geistesblitzen und Ernüchterungsphasen
Anna: Würdest du sagen, dass es so geworden ist, wie du dachtest, dass es wird? Also wie du vor dem ersten “Diskman Antishock” da rangegangen bist?
Goldi: Das erinnert mich daran, dass ich letztens ein Meme gesehen hab, wo es um den kreativen Prozess geht. Meistens, wenn man eine Idee hat, ist die ultra krass. Dann setzt irgendwann die Ernüchterungsphase ein, wo man merkt, man wird dieser reinen Idee nicht gerecht. Am Ende wird’s dann aber doch geiler, als man zwischenzeitlich geglaubt hätte. Das ist schon nah dran. Es hat die Sachen, die Boxen, die ich irgendwie für mich gesetzt habe, auf jeden Fall gecheckt. Aber natürlich ist jede Idee geil, bis man sie umsetzt. Meistens ist die Vorstellung davon, was man macht, lange unerreichbar. Ich glaube, das hält einen auch irgendwie an der Stange. Ich wollte halt durch das Ding auf jeden Fall irgendwie besser werden in dem, was ich mache. Irgendwie wollte ich festgefahrene Sachen bei mir aufbrechen, ein paar Facetten ausprobieren und im Nachhinein gucken, ob mir das Spaß gemacht hat.
Den Perfektionismus einfach mal ablegen
Anna: Kann ich voll verstehen.Ich glaube auch, dass es diesen Prozess irgendwie braucht, um weiterzukommen und zu merken: okay, so klappt das jetzt und so nicht. Ich merke das selbst, wenn ich Artikel schreibe und mir irgendwie vorher sage, jetzt mache ich einen richtig krassen Kommentar über politische Musik zum Beispiel und hatte so voll das Konzept. Und dann mittendrin verliert man sich und denkt irgendwie weiß ich jetzt gar nicht mehr, was ich machen wollte. Und dann kommt man aber wieder auf die Spur. Am Ende ist es richtig geil und daraus hat man dann auch gelernt für die nächsten Projekte.
Goldi: Und genau sowas war das an dem Punkt irgendwie auch bei mir. Meistens bevor ich anfange Musik zu releasen. Man schreibt in einer Anfangsphase mit dem Wissen, dass das wahrscheinlich für die Tonne ist, aber hat ständig Erfolgserlebnisse. Und ich hatte auf jeden Fall das Gefühl, ich brauch so eine Phase, wo ich eine gewisse Quantität an Sachen einfach anfange, ohne Klares, ohne zu viel Perfektionismus. Ich wollte letztlich die Leute erreichen, die dann am Ende nicht nur einen Song kennen, sondern ich wollte , dass die Leute, die neu dazukommen, auch Kernhörer:innen werden. Also das ist jetzt nicht so ein Hit-Single-Publikum war, die dann nur die Zugabe auf dem Konzert können, sondern idealerweise Leute, die die ganze Album hören. Und ja, ich will einfach relativ ungefiltert meinen Film machen und hoffen, dass die Leute anbeißen und das feiern, was ich fühle und nicht nur eine Facette, die ich dann unter Umständen immer wieder wiederholen müsste, weil die Leute sonst wieder wechseln.
Anna: Ah ja, das stelle ich mir auch sehr nervig vor sonst. Ok, meine liebste Killerfrage: Hast du momentan einen Lieblings Track auf “Diskman Antishock“?
Goldi: Ja, es schwankt natürlich immer, aber jetzt gerade auf jeden Fall “Frag mich wie“. Da sind so kritische Stimmen mitdrin, das fühle ich voll. Also ich finde den Song mega geil, aber zwischenzeitlich war es auch mal “Schwarz“. Es wechselt eigentlich immer. Das Intro finde ich auch ziemlich gut. Das ist halt so ein typisches Rap-Intro. Ich weiß nicht, ob man das über seine Musik sagen würde, aber es hat so eine Dringlichkeit. Es klingt irgendwie, als müsste ich das erzählen. Das ist etwas, was ich geil finde.
“Diskman Antishock” in der “Director’s Cut”-Version
Anna: Ich finde auch irgendwie, dass die drei einzelnen Teile, also von “Diskman Antishock“, ein bisschen wie so einzelne Geschichten sind. Und du fängst halt an, so dieses Buch quasi zu öffnen und jeder Teil ist dann wie eine Geschichte. Und wenn man die aber dann alle drei zusammen hört, dann ergibt es eine größere Geschichte. Also irgendwie ist es so sehr abgeschlossen dadurch.
Goldi: Ja, das ist auch etwas, womit ich mich so langsam auch mal mit auseinandersetzen müsste, weil sonst wird’s stressig. Ich würde eigentlich gerne auch noch mal eine Tracklist machen, wo ich alle drei Alben mische. Es ist natürlich nie chronologisch. Also so ein Song wie “Schwarz” ist eigentlich in der Erzählung das Kapitel vor “Horcrux” und ein Song wie “Wie leicht” auf dem ersten Album ist eigentlich was, was nach dieser Trennung schon war. Und ich würde gerne mal für die einzelnen Sachen eine Art “24 Track Album Playlist Geschichte” machen, wo ich mir überlege, wie ich die Geschichte erzählen würde. Ist aber auch wichtig für mich, dass alle drei einzelnen Teile als so was funktionieren. Da müsste ich mir mal überlegen, ob ich das chronologisch ordne oder so wie es am meisten Sinn ergibt im Kontext. Aber ich muss mal für mich so ne „Director’s Cut“-Version erstellen.
Wie aus einer 6 in Mathe ein Song wurde
Anna: Damit sind wir auch schon bei der Schlussfrage, die nach einer „untold story“ fragt. Was ist eine Geschichte hinter einem Song, die du so noch nie in einem Interview erzählt hast?
Goldi: Warte, ich muss dafür mal kurz Spotify öffnen und schauen, was ich überhaupt alles für Songs gemacht hab (denkt laut) Hmm, jaa.. ich weiß nicht, ob das cool ist… Also ich habe zwei kleine Stories. Und zwar einmal bei „Speedball Drive“ steige ich ein mit der Line „ne Pulle Grey Goose vor der Show, trink allein“. Ich habe mir beim Maifeld Derby wirklich vor der Show alleine eine Flasche Grey Goose reingepfiffen, die wir irgendeinem größeren Artist geklaut haben, weil wir sonst keinen 60-Euro-Wodka kriegen. Ich war mega besoffen, war aber trotzdem eine gute Show. Nummer zwei: Bei “Kalkulation” rappe ich „Ich hatte in Mathe ne 6“ und ich hatte auch in Mathe ne 6. Deshalb bin ich sitzen geblieben in der elften Klasse, weil meine Lehrerin mir eine 6 reingewürgt hat, obwohl wir uns eigentlich drauf geeinigt hatten, dass er mir ne 5- gibt. Dann musste ich ein Jahr wiederholen. Ihre Begründung war „das muss man doch für’s Leben können“. Eigentlich ist dieser Track auch ein Diss-Track an meine Mathelehrerin. Das sind so meine beiden Stories, die auch noch nicht allzu düster sind.
Anna: Dann danke dir, dass du dir die Zeit genommen hast und bis zum nächsten Mal!
Goldi: Danke dir, bis dann!
Fotocredit: Carlo Glanville, Robert Winter