Ich weiß, ich bin drei Wochen nach Release hier sehr „spät“ dran. Aber eigentlich ist man nie zu spät, um von Giant Rooks zu schwärmen. Vielleicht gibt es ja noch eins bis zwei Menschen, die sie noch nicht kennen, und auch die müssen wir abholen. Denn Giant Rooks will man nicht länger verpassen als nötig. Das sag ich aus erster Quelle, ich hab mich in Leadsänger Fred und alle anderen erst letztes Jahr, kurz vorm Albumrelease von Rookery verliebt. Mit What I Know Is All Quicksand (rookery live tapes) haben sie jetzt eine komplette live aufgenommene Version von Rookery angekündigt. Und ich habe nicht gewusst, wie sehr ich das brauche.
Ein Konzerterlebnis umsonst und auf Dauer-Repeat
Ich hab Giant Rooks wirklich noch nie live spielen sehen, außer bei ihrer digitalen Record Release Show im Tempodrom. Und auch wenn das wirklich sehr geil war, war es weit weg von dem, was ein Live Konzert eigentlich gewesen wäre. Wisst ihr noch, so wie in 2019, mit anderen Menschen, alle viel zu eng vor einer Bühne, tanzend, singend, schreiend. Weinend. Puh, die Emotionen. Endorphine, die durch den Körper pumpen, Adrenalin was hinterherschießt. Ich klinge wie auf Entzug, aber das sind wir doch wirklich alle. Auch wenn es faktisch nur 1 Jahr und ein bisschen her ist, seit dem Incident, fühlt es sich easy schon an wie zweieinhalb. What is life.
In all diese Gedanken und Gefühle fall ich sobald der erste Gitarrenton von Giant Rooks anspielt. Es hört sich 1:1 an als würde ich in der Columbiahalle stehen, inmitten 2000 Menschen. Das live tape ist wirklich ein Konzerterlebnis umsonst, man muss nur die Augen schließen und man ist da. Freds Stimme ist so nah, die Gitarre so klar. Dann der Hall – schon in der ersten Minute hat mein ganzer Körper Gänsehaut. Ich kann die aufbauende Lichtshow fast schon sehen, die passend zum Song die Bühne anleuchtet. Dann kommt mit dem Bass und den Schlagzeug Tempo rein und mir fehlen zum zweiten Mal innerhalb von zwei Minuten die Worte. Wer What I Know Is All Quicksand kennt, sollte haargenau wissen, was ich meine. Dieser Aufbau vom Song ist wirklich unvergleichbar.
Wer hier keine Gänsehaut bekommt, ich weiß auch nicht
Als nach drei Minuten, wo Lieder sonst eigentlich immer zu Ende gehen, der ruhige Part des Songs eingeleitet wird, ist die Gänsehaut zurück. Fred nimmt die ganze Power aus dem Song mit einem Schlag raus und verleiht ihm stattdessen eine fast schon beruhigende Sanftheit. Die anderen Bandmitglieder steigen mit ein und in ein paar Sekunden, einfach so, wird aus dem Indie-Pop Hit eine Indie-Ballade. Ich weiß, es spielt sich nur auf meinen Kopfhörern ab, aber wenn ich die Augen schließe, kann ich praktisch hören, wie das ganze Publikum mit einsteigt. Künstler*innen bringen immer wieder Live-Sessions heraus, aber bei wenigen fühl ich das, was ich gerade bei Giant Rooks spüre. Das ist das Nähste, das ich an ein Konzert in den letzten gefühlten zweieinhalb Jahren gekommen bin.
Wer denkt, nach vier Minuten und diesem Twist ist das Lied jetzt aber wirklich das Ende, liegt falsch. Giant Rooks bilden eine instrumentale Überleitung aus diesem ruhigen Abschluss zurück zum Song auf und riesen Sorry für den Ausdruck, aber fuck me. Was auf diesen live tapes abgeht– ohne zu lügen, ich spüre das Endorphin, was ich sonst nur auf Konzerten hatte. Ich will einfach nur das befreiende Gefühl einatmen, das Musik in einem auslöst. Wie gut ist diese Live-Session.
Wenn die Live-Session die Studio-Version wegkickt
Ich hab mir im Laufe des Artikels auch noch mal die Original-Version von What I Know Is All Quicksand angehört und der Unterschied ist wie Tag und Nacht. Diese live tapes nehmen das, was die Studioversion des Songs aufgebaut hat, und machen es einfach 10x besser. Welche Band klingt auf Live-Aufnahmen 10x besser als im Studio?? Die offensichtliche Antwort: Giant Rooks. Die Original-Version wirkt im Vergleich fast ein bisschen farblos – dabei ist sie auch so gut! Ich hab sie bis zum live tapes Release auch ständig gehört. Aber jetzt ist sie ganz dreist ersetzt worden. Der erste Ton dieser live Gitarre gehört und war von Sekunde eins völlig verloren. Komplett. Auch jetzt, drei Wochen und zig Dauerloops später ist es genau wie beim ersten Mal. Was Fred da im Übergang mit dem Klavier macht ist einfach – ich hab keine Worte. Diese Spannung, er hält sie bis ins Unendliche. Bis sie reißt und der ganze Song in sich selbst zusammen fällt. Und das ist einfach alles, was ich an Live-Musik brauche. Das ist das, was glücklich macht, was die Endorphine in mir rumwirbeln lässt. Wenn ihr wissen wollt, was ich meine: guckt es euch an. Hört es euch an. Und dann erzählt es weiter.