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Der weiße Streifen im Monochrom – Albumreview zu „Belaya Polosa“ von Molchat Doma

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Die folgende Review kommt von eine unserer liebsten Freundinnen im Musikjournalismus-Kosmos: Annekatrin Schulz von abgefreakt.de. Wie ihr lesen werdet, ist sie riesengroßer Molchat Doma Fan, so wie vielleicht ein paar von euch auch. Die weißrussische Post-Punk/Synthie-Pop Gruppe ist seit ein paar Jahren ein wahre Nischenempfehlung, für alle, die sich in der industriellen und burtal imposanten Ästhetik wohlfühlen. Insowweit man eine Band noch eine „Nischenempfehlung“ nennen kann, wenn sie weltweit als Headliner auftreten und heute ihr bereits viertes Album veröffentlichen. Was die Gruppe und ihr Sound so interessant machen, erfahrt ihr jetzt. Von Fan zu Fan:

der weiße streifen im monochrom

Ich habe den Titelsong des neuen, vierten Albums von Molchat Doma mittlerweile so oft gehört, dass ich nachts von der Gitarrenmelodie träume. Белая полосa / Belaya Polosa – Weißer Streifen. In das detaillierte Klangbild einer Sci-Fi Zentrale aus glattem Metall mit blinkenden Kontrollleuchten + mantrahaft repetitiven Mechanismen + metamorph aufsteigendem Dunst integriert sich langsam diese Gitarrenmelodie. Und bringt ein schmerzendes Gefühl in die kühle Umgebung und gleichzeitig eine schimmernde Hoffnung. Ein weißer Streifen am schwarzen Himmel – vielleicht durchbricht in der ersten Textzeile hier metaphorisch die Hoffnung als Lichtstrahl die trostlose Dunkelheit. Inspiriert vom ständigen Wandel des Lebens + dem Kommen und Gehen + der Verlagerung von Interessen, Bedenken, Zielen repräsentiert dieser Song nicht nur musikalisch, auch thematisch treffend die Stimmung des gesamten Albums.

im umbruch / im aufbruch

„Molchat Doma, band from Minsk“, so kenne ich die aufs Wesentliche reduzierte Vorstellung der Band bei ihren Konzerten. Nach extensiven Touren, die Molchat Doma weltweit in den Headlines jeglicher Festivals und Venues verorten, ließ sich das Trio nun in Los Angeles nieder. Auch wenn die Arbeit an dem Album bereits in ihrer Heimat Weißrussland begann, so zieht sich sich das Sentiment des Umbruchs / Umzugs / Umgangs mit erheblichen Veränderungen durch das aktuelle Werk. In diesem Kontext begleiten wir das lyrische Ich in den Songs dabei, wie es sich von einst geliebten oder vertrauten Menschen trennt + Bekanntes zurücklässt für einen Aufbruch ins Unbekannte + einen Sinn im konstanten Wandel sucht.

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im kreis / in pyramiden

Die prominenten Gefühle von Schmerz, Melancholie, Resignation werden durch hoffnungsvollere, umarmende Momente gebrochen mit der Erkenntnis, dass sich in Bewegung befinden auch kreislaufartig bedeutet: aus Vertrauten werden Fremde, doch aus Fremden werden wiederum Vertraute und mit dem Ablegen alter Sichtweisen werden gleichzeitig neue Perspektiven geschaffen. Dafür steht ebenfalls das Symbol der Pyramide, das in den Musikvideos zum neuen Album wiederkehrt – Grabmal zugleich Zeichen des Beginns einer Reise, Unendlichkeit.


Ein Kreis schließt sich auch musikalisch. Ihr Umzug in die USA spiegelt sich im Sound der Band wider und wird, wie bereits vor Jahren in Interviews angekündigt, in die 90er fortgeführt. Die Bereitstellung von und breite Auswahl an Equipment und Instrumenten münden in einer ausgefeilten Produktion, die wenig mit dem 2017 Debüt der Band gemeinsam hat und sich trotzdem mit jedem Song anfühlt wie eine Heimkehr. Vor allem die der schwermütige Gesang und die hallenden Gitarrenmelodien ziehen einen roten Faden durch das Schaffen der Band, das nun zusätzlich durch unzählige auditive Details und Effekte geschmückt wird.

im schwarz-weiß / in strukturen

Die Band bedient sich an verschiedensten industriellen Klängen und Mustern, die an Motoren, Kraftwerke oder Turbinen erinnern. Ab und zu erscheinen glitzernde Töne, unkenntlich geschichtete Töne, in die Distanz verschwindende Töne. Die Songs fühlen sich so greifbar an, als wären sie in dreidimensionalen Strukturen komponiert, als würde man während des Hörens eine raue Häuserfassade streifen. In Kombination mit dem bekannten dystopisch Klang der Band ruft auch das neue Album unweigerlich die Assoziation brutalistischer Ästhetik hervor. Alles findet mehr denn je in einer monochromen Grauabstufung statt – sogar sie Songtitel sind ein Wechselspiel zwischen schwarz und weiß – Weißer Streifen (4. Белая полоса), Schwarzen Blumen (6. Черные цветы), Winter (10. Зимняя), Hoffnungsloser Walzer (5. Безнадежный вальс). Dieser Kontrast – um im Rahmen wieder auf den Titelsong des Albums zurückzukommen – wird im dazugehörige Musikvideo von Belaya Polosa visualisiert schwarz-weiß + kalten-fiebrig + nostalgisch-futuristisch.

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Das neue Album könnt ihr jetzt überall da hören, wo ihr am liebsten eure Musik hört. Viel Spaß!

Fotocredit: Alina Pasok, Karim Belkasemi 

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