Im Mai 2022 veröffentlichte die nicht-binäre Avant-Pop-Künstler*in Jon Darc die Single „The Womb“. Im nachfolgenden Text macht Jon Darc einen sehr eindrucksvollen Deep Dive in den Song. Weshalb wir hier gar nicht lange quatschen wollen, und euch einfach nur viel Spaß beim Lesen wünschen!
Jon Darc – nach dem heroischen Vorbild der Jungfrau von Orléans – ist eine tiefsinnige Kunstfigur. Ein ganz entscheidendes Detail macht beide Persönlichkeiten aus und verbindet quasi die Vergangenheit mit der Gegenwart: das Polarisieren. Zu sich zu stehen, für seine Ideale einzustehen – das verlangt Stärke, Mut und Überzeugtheit. Es bedeutet aber auch weiterzumachen in Momenten des Alleinseins und das Aufstehen in niederdrückenden und ausweglosen Situationen. Genau das ist die Welt von Jon Darc: Inmitten von hellen und dunklen Episoden erhebt sich seine farbenprächtige Person voller bestärkender Leidenschaft. So wandert Jon Darc auf dem schmalen Grat zwischen intensivem und intimem Erlebnis und nicht greifbarer Unnahbarkeit.
Mit „The Womb“ machen wir uns auf einen imaginierten Tauchgang in die Tiefen der Ozeane. Wir sind eingeladen, Zeuginnen und Zeugen zu sein, die unglaubliche Unverhältnismäßigkeit unseres Umgangs mit unserer Umwelt und deren Verschmutzung und Zerstörung innerhalb der letzten Jahrzehnte zu sehen. So ist es gleichsam die unvermeidbare Erkenntnis und damit verbunden die laute Klage über die schrecklichen Dinge, die wir der Erde angetan haben. Sie ist es, die uns die Möglichkeit gab, sie zu bevölkern, ja mehr noch: Hier wurden wir zu dem, was wir jetzt sind. Hier wurden wir zu Menschen. Vieles ist bereits verloren, jedoch keinesfalls Alles. Doch kann es nicht weitergehen wie bisher, das finale Ultimatum hat längst begonnen. Die Abrechnung wird zum Aufruf; nicht leise und verhalten, aber auch nicht aggressiv schreiend, sondern eindrücklich laut und gefasst, beinahe gewaltvoll intensiv.
Im Musikvideo kommt diese Intensität nochmal verstärkt zur Geltung. Jon Darc gleitet als Meerjungfrau durch die Weiten der Ozeane, umgeben von Fischschwärmen, Meeresschildkröten und Quallen. In spannungsgeladenen Bewegungswechseln erscheint Jon Darc elegant und sanft gleitend und bereits im nächsten Moment ekstatisch-verzerrt und gekrümmt. Die vermeintlich friedliche Welt wird durch grell aufscheinendes Licht und todbringende Fischernetze bedroht. Ein Kampf beginnt. Ein Kampf mit ungleichen Mitteln – ein Kampf, welcher schließlich in menschlicher Gefangenschaft in einem beengten Aquarium endet.
Und nun, was nun? Ist dies bereits das Ende? Nein. Zumindest noch nicht. Aber dafür müssen wir aufstehen und unseren Gedanken die Freiheit lassen, zu Taten werden zu können. Denn nur, wenn wir unserer Umwelt respektvoll und verhältnismäßig begegnen, können wir weiterleben. Nur dann bliebe das Ultimatum in gewisser Art abstrakt und würde nicht zur überwältigenden Realität werden. Aber nur so kann es funktionieren. In jedem anderen Fall werden wir es nicht vermeiden können, an unserer eigenen Menschlichkeit zu scheitern.
Hier könnt ihr euch „The Womb“ von Jon Darc auf Spotify anhören:
Fotocredit: Narmo Visuals