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Aze und die Ironie des eigenen Verhaltens in “Sweet Talk / Sidewalk”

Aze Sweet Talk Sidewalk Hotline Aze untoldency indie pop music magazine Amelie Strobl

Und schon wieder ein Stern am österreichischen Musikhimmel: Aze. Ich weiß ja nicht, was unsere Nachbarn gerade am Laufen haben, aber ein Juwel nach dem anderen wird hier poliert. Und immer mit dabei, ist dieser internationale Touch, auf den man in Deutschland meiner Meinung nach deutlich seltener stößt.

Das beweist auch das Indie-Pop-Duo Aze. Bestehend aus den Freundinnen Ezgi und Beyza machen die zwei zusammen mit ihrem Produzenten Jakob Herber selbst bezeichneten “sad sexy Pop”, mit einer Schippe Selbsthumor, besonders wenn es um Mental Health geht.

Vor zwei Wochen hat die Band die Doppelsingle “Sweet Talk / Sidewalk” veröffentlicht, die mich richtig verzaubert hat. On top gibt es noch ein skurriles Musikvideo mit ordentlich Retro-Feeling. Aber erstmal zum Musikalischen: 


Toxischer Sweet Talk
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Dem Titel des Songs nach, würde man vielleicht erwarten, dass es um die Verträumtheit des Verliebtseins geht. Und das tut es auch, aber von einem etwas anderen Blickwinkel aus, und zwar aus dem toxischen. Beyza beschreibt die Unzufriedenheit ihrer aktuellen Beziehung. Es findet nur “Sweet Talk” statt, nichts Substanzielles oder Echtes, nur leeres Gelaber und Manipulation. Trotz dieses Bewusstseins für die Situation, “Sweet Talked” sie sich aber selbst in die Toxizität und akzeptiert zynisch, dass das Ganze zwar nicht okay ist und es nicht schlau wäre zu bleiben, aber etwas dagegen unternommen wird nicht. Da winkt die Selbstmanipulation fröhlich zur Begrüßung.

Diese Selbst-Intrige wird musikalisch in einen sommerlichen, warmen Sound verpackt. Dieser funktioniert einerseits als Kontrast zu dem Thema, aber gleichzeitig passt er wie Faust aufs Auge dazu, wie Beyza sich selbst bewusst täuscht. Ich liebe es ja, wenn eigentlich sehr schwere, existenzielle Themen in leichte, sorgenfreie Sounds verpackt werden. Und das schaffen Aze mit der sanften Stimme und dem schwerelosen Sound, der automatisch zum leichten Mitgrooven einlädt. Azes Sound lässt mich dahinschmelzen, und zwar buchstäblich. Ich fühle mich als würde ich irgendwo am Strand in der Sonne brutzeln, mit dem Song in meinen Ohren und der Ignoranz meiner eigenen Probleme im Kopf.


Auf dem Sidewalk der Realität
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“Sweet Talk” endet auf den ersten Hörer sehr abrupt, geht dann aber mühelos sofort in das deutlich darkere “Sidewalk” über. Und so erzeugen Aze eine Symbiose mit den beiden Songs. Das Ende von “Sweet Talk” ist die Batterie, die leer geht, nachdem man sich selbst was vorgespielt hat. Mit “Sidewalk” setzt die schwermütige Realität ein, dass die eigene Täuschung nirgends hinführt. Wo der vorangegangene Sound unbekümmert und naiv klang, ist der Ton jetzt deutlich trauriger, was sich durch die gedämpfte Melodie und die verzerrten Stimmen deutlich macht. Zum Ende hin setzt dann nochmal “Sweet Talk” ein, zusammen mit einer Sprachnachricht feat. sympathischen Wiener-Akzent.


Wie mentale Gesundheit und Sitcoms zusammengehen

Der Kontrast zwischen den beiden Songs wird so auch im Video zur Doppelsingle visualisiert. Während “Sweet Talk” full-on Sommervibes gibt, ist das Video zu “Sidewalk” – genauso wie der Song selbst – völlig gegensätzlich.

Queue: cringey Intro à la 90’s Sitcom, bei der jeden Moment ein austauschbarer weißer Dude einen völlig unpassenden Witz über Frauen im Haushalt macht. Das brauchen wir zum Glück nicht im Musikvideo zu erwarten. Dennoch schaffen Aze aus dieser cringigen Ästhetik ein sympathisches, retroesques Video, bei dem man sich nicht zu ernst nimmt. Das wird schon allein mit dem absichtlich gewählten Greenscreen-Hintergrund klar.

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Man sieht die zwei und ihren Produzenten auf einem Roadtrip durch eine wüstenähnliche Landschaft fahren und schon da läuft alles schief, was schieflaufen kann: Das Auto gibt auf. Natürlich, wie sollte es auch anders sein. Denn das Auto steht als Metapher für die zum Scheitern verurteilte Beziehung bzw. den verklärten Umgang von Beyza mit ihrer Situation. Die drei steuern notgedrungen eine Tankstelle an, in der Hoffnung das Auto reparieren zu können und hier kommt mein Lieblingspart. Man bekommt einen Austausch zwischen Tankstelleninhaberin und Beyza mit, den ich hier einfach mal für sich stehen lassen möchte.


“My life is falling apart…”

“So is mine.”

“Our car is broken. Can you help us fix it?”

“No fixing what is already broken. No one can help you“


Beyza verlässt den Laden und fragt, was sie jetzt tun sollen. Jakob sagt: “Move on?” Und alle zucken mit ihren Schultern und Beyza geht von dannen.

Plötzlich klingelt Beyzas Handy und wer ruft an: Bae. Nach einer wenig hilfreichen Diskussion mit Ezgi und Jakob als Engel und Teufel, gibt sie nach und hebt ab. So beginnt “Sidewalk”. Der zweite Part des Videos teleportiert uns ins Stadtleben inklusive wackeligen, Stress verursachenden Einstellungen. Ein Gefühl von Chaos und Trunkenheit äußert sich, was wiederum die vorher aufgesetzte rosarote Brille zur Realität werden lässt.

Die Idee zu den zwei Singles entstand über eine Sprachmemo zwischen den beiden, die durch die Tracks hindurch gesampelt wird. Auch das am 24.06. erscheinende Debütalbum “Hotline Aze” spielt mit Telefonaten und der Idee einer Mental-Health Hotline, duh. Zum Release könnt ihr euch übrigens über ein Interview mit dem Duo freuen, also Ohren offen halten. Bis dahin, hört auf jeden Fall in die aktuelle Single rein und überzeugt euch von dem cuten Musikvideo.

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Fotocredits: Amelie Strobl

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