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LUI HILL im Interview: »Ich war gezwungen, mich mit meinen Dämonen – mal lieb, mal böse – auseinander zu setzen.«

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Nachdem wir letzte Woche die Tour des sympathischen Berliners ankündigen durften, stellen wir ihn euch und seine neue EP „Creatures“ nun in einem Interview ausführlicher vor. Wer ihn noch nicht kennt, LUI HILL macht eine Mischung aus etwas, was wir so gar nicht in Genres stecken wollen oder können. Zwischen Funk, Indie-Pop und ein paar R’n’B Touches ist alles dabei. Er selbst beschreibt es als „Pianoballade trifft 808 Bässe und einen stark verpixelten Jazzdrummer auf Steroiden“ – und das ist schon ziemlich präzise in Worte gepackt.  Zusammen haben wir uns durch seine neue EP gearbeitet, über den Einfluss der Pandemie, seinen eigenen Lieblingssong und einen ermordeten Jazz-Trompeter (Clickbait?) gesprochen.

 
LUI HILL im Interview

Anna: Hey LUI, nice, dich auch endlich mal persönlich bei uns vorzustellen! Am Freitag veröffentlichst du deine erste EP – 374 Tage nachdem du angekündigt hast, eine EP zu machen. Wie fühlt sich das an, dem jetzt auch offiziell endlich nachgekommen zu sein?

LUI HILL: Gut. An dem Punkt, wo es klar war, da sind nun 5-6 echt gute Songs in kürzester Zeit entstanden, und die könnten eine EP werden, packt mich natürlich die Vorfreude und ich hau das auf den Socials raus. Dass ich aber vor 374 Tagen eben doch noch nicht mal mit meinem Label darüber gesprochen hatte, die natürlich auch ihren Release-Plan haben, und ich auf dem Weg noch 2-3 Songs schreibe, die mir besser gefallen, ist eben auch die Natur der Sache. Ich bin super happy, dass da nochmal kurz die Handbremse gezogen wurde und ich nun mit dieser EP und nicht mit der vor einem Jahr an den Start gehe.

Anna: Auch wenn das deine erste EP ist, machst du ja schon viel länger Musik. Vom Frontmann einer Punkband zum Jazzstudium haben viele Stationen deinen musikalischen Weg geprägt. Wie würdest du den Einfluss all dieser Dinge jetzt rückblickend auf deine musikalische Entwicklung beschreiben?

LUI HILL: Ich glaube, all diese kleinen Stationen, da gab es ja noch ein paar mehr zwischen Punk und Jazz, prägen einen natürlich. Sie bilden vielleicht so ein Fundament, aber auf dem baue ich mittlerweile natürlich ganz andere Luftschlösser. Ich fühle mich auf jeden Fall mehr von der heutigen Musik geprägt, als von der Punk-Phase meiner Teenagerjahre oder meinem Jazzstudium danach. Aber wenn ich jetzt so auf die Trackliste schaue, merke ich tatsächlich, dass so ein Song wie Creatures definitiv eine rotzige Sorglosigkeit und genügend Haare auf den Zähnen hat. Diese Attitüde würde man dem Punk durchaus zuordnen. Bei Talk To You ist auch ein kleiner Schulterblick zum Jazz passiert, aber irgendwie ein komisch verzerrter. Pianoballade trifft 808 Bässe, und einem stark verpixelten Jazzdrummer auf Steroiden. Wenn das überhaupt Sinn macht. Ich mag es, Dinge zu verbinden, die nicht zusammengehören. Und Stilpurismus in der Musik ist das langweiligste, was ich mir vorstellen kann, vor allem wenn man in einem kreativen Prozess steckt.

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„Es bleibt nur die Reise im Kopf an fremde, inspirierende Orte.“

Anna: Weil ich gerade wegen deines breiten Musikspektrums neugierig geworden bin: Welche Künstler:innen haben dich im Hinblick auf die EP am meisten inspiriert?

LUI HILL: Ach, das weiß ich gar nicht mehr so wirklich. Ich habe z.B. im letzten Jahr super viele Bands aus dieser Sweet Soul Bewegung (San Francisco Bay Area und NYC) gehört. Kelly Finnegan, Duron Jones & The Indications, Holy Hives usw. Davon höre ich aber gerade gar nicht so viel in meiner Musik, aber das können andere eventuell besser entscheiden.

Anna: Ich komme leider auch nicht drum rum zu fragen: Inwiefern hat der ganze Lockdown letztes Jahr dich als Person beeinflusst, aber auch als Künstler? Hat es dich eher kreativ gefordert oder zwischenzeitlich auch ausgebrannt?

LUI HILL: Der hat diese EP auf jeden Fall beeinflusst. Nimm einen Song wie How Many Moons oder Creatures, den hätte ich bestimmt nicht geschrieben, wäre diese Zeit nicht so speziell und herausfordernd gewesen. Ich war gezwungen mich mit meinen Dämonen, mal lieb mal böse, auseinander zu setzten. Der erste Lockdown bis in den Sommer hinein habe ich als sehr inspirierend in Erinnerung. Diese kollektive Verbindung durch die Pandemie war ein so neues Gefühl. Alle mussten mit dem gleichen Problem umgehen. Und dann war da eben die ganz merkwürdige Ruhe dazwischen. Mein Kopf war voll mit Dingen vom letzten Jahr. Ein Jahr, in dem ich so viel wie noch nie mit meiner Musik auf der Bühne sein durfte. Ganz ehrlich, jetzt ist aber der Tank wirklich leer, und neue Eindrücke sind verdammt rar. Bleibt gerade nur die Reise im Kopf an fremde, inspirierende Orte. Hat Karl Mai ja auch schon geschafft.

 
„Der Song spiegelt für mich die erste Zeit im Lockdown wider.“

Anna: Daran anknüpfend steht vielleicht die zweite Single aus dieser EP How Many Moons, die gleichzeitig traurig und optimistisch klingt. Was bedeutet der Song für dich?

LUI HILL: Dieser Song spiegelt für mich diese erste Zeit im Lockdown wider. In der ich Angst, Faszination und Hoffnung zu gleichen Teilen in mir hatte. Deswegen kann dieser Song für den Zuhörer*innen so mühelos in die eine oder andere Richtung gehen, positiv wie negativ. Ich mag diesen Song sehr, aus verschiedenen Gründen. Zum einen kam er so unangestrengt zu mir – der Text beim Laufen im nächtlichen Wald, die Akkorde am Tag darauf. Aufgenommen habe ich mit kleinstem Besteck im Wohnzimmer meines Elternhauses am alten Klavier meiner Mutter. Der Text transportiert für mich so gut dieses Gefühl, dass ich zu dieser Zeit in mir hatte. Das war einfach on point.

Anna: Einen ganz anderen Klang hat die bereits angesprochene Single Creatures. Ich kann mich noch erinnern, als ich das Musikvideo das erste Mal gesehen hab und dachte: so weird das auch alles wirkt, es passt perfekt zum Song. Auch wenn es bereits etwas zurückliegt, wie war der Musikvideo Shoot für dich?

LUI HILL: Creatures war mein Regie- und Produktionsdebüt und, wow, habe ich unterschätzt wie viel Arbeit das ist. Cast- und Locationsuche während einer Pandemie. Ich habe auf jeden Fall in den Wochen davor nicht viel geschlafen. Ich bin aber super happy mit dem Resultat und möchte diese stressige Erfahrung doch nicht missen.

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„Ich wollte etwas schizophren Fröhliches gegen diese doch sehr traurige Geschichte setzen.“

Anna: Sidewinder, mein persönliches Highlight der EP, geht ja auf etwas zurück, dem du im Jazzstudium das erste Mal begegnet bist: Die Geschichte des Jazztrompeters Lee Morgan und seinem Tod durch seine Frau. Was genau hat dich an der Geschichte so fasziniert, und inwieweit kann man Einflüsse daraus auf dem Track finden?

LUI HILL, Untoldency, Untoldency Magazine, Indie, Musik, Blog, Blogger, Online Indie Musik Magazin, untold stories, luihill, lui hill musik, creatures, creatures EP, creatures tour 2022, sidewinderAnna: Lee Morgans Musik habe ich tatsächlich schon vor meinem Studium gemocht. Ab und an spielte ich mit Freunden ein paar seiner Songs, wie auch einer seiner größten Hits Sidewinder. Dass ich durch die Doku über sein Leben und das seine Frau Helen Morgan mehr erfahren habe, war Zufall oder sagen wir eben auch dem Lockdown geschuldet. Ich hatte noch nie so viel Zeit, Filme zu schauen. Dass Helen zu einer sehr dunklen Zeit in Lee’s Leben trat, was ihn von seiner Heroinsucht losreißen lässt, und er danach nochmal 10 Jahre lang seine größten Werke aufnimmt, ist ein Wunder. Dass Helen ihn dann auf einem seiner Konzerte im Affekt und aus Eifersucht das Leben wieder nimmt, ist an Tragik nicht zu überbieten. Ich musste danach diese Zeilen schreiben, die dann zu dem Song geführt haben. Die Musik ist aber stilistisch von Jazz und Lees Musik schon sehr weit entfernt. Ich wollte etwas schizophren Fröhliches gegen diese doch sehr traurige Geschichte setzen, so zerrissen wie mir Lee eben nach dieser Doku auch im Gedächtnis geblieben ist. I called him Morgan – must watch…

Anna: Was kannst du zu dem Track sagen, der mit der Creatures EP released wird? Loving To Lose You klingt ja allein vom Titel vermeintlich widersprüchlich. Wovon handelt der Song?

LUI HILL: Loving To Lose You ist mein Lieblingssong auf der EP. Der Song handelt davon, sich in das Gefühl verliebt zu sein zu verlieben. Das High dieser ach zu schönen Psychose nicht verlassen zu wollen, obwohl doch gar nicht das gleiche Gefühl im Gegenüber zu finden ist. Es ist dem zur Methode werdenden Selbstbetrug gewidmet, der einsetzt, wenn man wirklich verliebt ist.

 
„Ich freue mich endlich nicht nur für, sondern vor Menschen Musik zu machen!“

Anna: Wir dürfen es ja jetzt schon sagen: Du gehst nächstes Jahr auf Tour und wir dürfen dich dabei begleiten! Auf was freust du dich am meisten?

LUI HILL: Ich freue mich so sehr endlich wieder nicht nur für, sondern vor Menschen Musik zu machen! Auf die ohrenbetäubende Euphorie, die überschwappt in beide Richtungen. Ich will endlich wissen wie diese Songs live ankommen und wie wir sie spielen werden.

Anna: Zum Schluss fragen wir immer nach einer untold story. Das kann etwas über dich, deine Musik, etwas Deepes oder komplett Random sein, alles zählt.

LUI HILL: Habt ihr euch schon mal gefragt, warum Matratzen-Läden immer an Straßenecken zu finden sind und warum Frisörladenbetreiber einen so starken Hang zum Wortwitz haben?

– Haben wir tatsächlich noch nicht. Aber dafür haben wir hier schon reingehört und ihr könnt es auch (schwache Überleitung, starke EP):

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Und für die Leute, die genauso Bock haben, LUI HILL dieses Brett an EP auch live performen zu sehen, die folgen diesem Link hier.

 

Fotocredit: Nicolas Blanchadell

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