Das war’s fast schon wieder mit 2021 und jetzt bin ich dran, meinen musikalischen Jahresrückblick mit Euch zu teilen. Ich möchte Euch nicht nur von Songs, Alben und Künstler:innen berichten, die ich neu entdeckt, gefeiert oder auch nicht gefeiert habe, sondern auch von meinen Konzerthighlights 2021 erzählen.
Wer mich kennt, weiß ganz genau um meine Obsession mit der Musik der Beatles. Sie begleitet mich schon seit bald einem Jahrzehnt, beinahe unangefochten an der Spitze meiner Hörgewohnheiten und tauchen auch heute noch immer mal wieder in meinen Playlists auf. Aber nicht nur was das Hören betrifft, sondern auch beim Thema Songwriting und die Art und Weise, wie ich Musik spiele ist weitestgehend von ihnen (zumindest) inspiriert. Umso überraschender ist es daher, dass die Beatles in meinem diesjährigen Spotify Wrapped nicht unter den Top 3 meiner meistgehörtesten Künstler:innen wiederzufinden sind. Und daran hat das Jahr 2021 mit seinen musikalischen Ereignissen, die es für mich auf Lager hatte, eine erhebliche Mitschuld. Grund für die neue Konstellation meiner favourite artists sind aber keine expliziten Alben, sondern endlich mal wieder Konzerte!
Ein Album mit Enttäuschungspotential
Am Anfang des Jahres – muss ich zugeben – bin ich zu einem Dauerhörer der gesamten Diskografie von John Mayer mutiert. Seine Musik hat mich zwar auch schon im letzten Jahr, als ich erstmals auf ihn gekommen bin, ziemlich beeindruckt, Anfang 2021 habe ich aber angesichts eines schmerzenden Herzens das erste Mal das Gefühl gehabt, seine Texte zu verstehen.
Immer mal wieder schimmerten allerdings in sämtlichen Kompilationsplaylists so ein paar Early-bis-Mid-2000’s-Klischeelovesongs von ihm durch, die in ihrer Unangenehmheit teilweise nicht zu übertreffen sind. Irgendwann nach dem zwanzigsten Mal hören von der Line „Your Bubblegum Tongue“ in „Your Body Is A Wonderland“ kam mir dann das Kotzen und ich habe mich auf eine präzisere Auswahl von besseren Mayer Songs, die mehr Gitarrenvirtuosität beinhalten, beschränkt.
Im Juli erschien dann „Sob Rock“ und in der Hoffnung auf ein „New Light“ für neue, überzeugende Songs habe ich mir das Album direkt angehört und habe gemerkt, dass jene neue, überzeugende Songs auf dem Album gänzlich fehlten. Drei davon waren sowieso schon gefühlt vor 10 Jahren veröffentlicht worden (nicht wirklich, sondern 2018 & 2019) und dem Rest kaufe ich die 80er Nostalgie und die softe Ästhetik nicht wirklich ab. Klar, das Album hält, was der Titel verspricht. Wer aber Mayer‘s Bluesrock und mitreißende Gitarrensoli möchte, sollte die Hoffnung bei dem Album aufgeben. John Mayer war danach erstmal raus. So viel zu meiner musikalisch größten Enttäuschung von 2021.
Das erste Konzert seit Dezember 2019
Das erklärt aber immer noch nicht, warum die Beatles von ihrem ewigen Thron meiner Nummer 1 verstoßen wurden. Um eine Erklärung zu finden, erzähle ich jetzt von etwas bei mir mittlerweile sehr Rarem, etwas, was ich lange nicht mehr erlebt habe: Konzerte. Ein Konzert hat 2021 bei mir komplett auf den Kopf gestellt. Am 19. Juli war ich in Köln auf einem Picknick-Konzert von Giant Rooks. Mit der Unwetterkatastrophe im Nacken, musste das Konzert vom 15. auf den 19. verschoben werden, fand dann aber ohne Probleme unter freiem Himmel statt. Wieder ein Konzert anzutreten war erstmal komisch und es war etwas beängstigend, wieder unter Menschen zu gehen.
Das Konzept der Picknick-Konzerte war aber unfassbar ausgeklügelt umgesetzt und einfach nur perfekt. Ich war überrascht, wie sicher und frei ich mich während des ganzen Konzertes gefühlt habe. Nebenbei war alles reibungslos, unchaotisch und von Anfang bis Ende durchdacht geplant. Ganz zu schweigen vom Konzert selbst. Voller Energie und sichtlich erfreut über die Möglichkeit endlich wieder spielen zu können, haben Giant Rooks mit ihrer Show einen so guten Eindruck bei mir hinterlassen, dass ich Dauerhörer, praktisch Fanboy geworden bin – auch, wenn ich damit eher ein Spätzünder bin. Somit waren die im Juni erschienenen Rookery Live Tapes seither permanent in der Dauerschleife. Am besten finde ich davon übrigens “The Birth of Worlds”.
Ein Stück Newcastle in Berlin
Dass Sam Fender nächstes Jahr die legendäre Marke Wembley knackt, ist schon mal ein Zeichen dafür, dass er zu einem wirklich großen Musiker geworden ist. Umso seltener ist es dann jedoch, ein wirklich “kleines”, intimes Konzert von ihm erleben zu können. Dieses Juwel von Chance wurde mir im November zuteil, als ich in Berlin auf einem Clubkonzert von ihm dabei war.
Allerdings hätte der Abend schlechter nicht starten können. Berlin hat sich an diesem Tag von seiner kalten und windigen Seite gezeigt und es sich scheinbar zur Aufgabe gemacht, jeden freien Millimeter der Stadt mit Regenwasser zu füllen. Und als wäre das nicht schon genug, war die Location vollkommen überfordert mit den 700 Menschen, die am Konzert teilnehmen wollten. Nach einer Dreiviertelstunde Vollregnenlassen sind wir dann endlich reingekommen, hatten dann aber erhebliche Schwierigkeiten noch irgendwo im Club Platz zu finden – es war alles bis auf den letzten Quadratzentimeter voll mit Publikum. Eine eigentlich für ein Konzert ziemlich gute Ausgangssituation, innerhalb einer Pandemie und trotzt 2G dennoch abschreckend und beängstigend, zumindest für mich.
Als das eigentliche Konzert anfing, war der ganze Raum plötzlich mit einer ungeheuren Energie gefüllt, die alle vorherigen Negativeinflüsse komplett weggefegt hat. Die Beengung schien umgehend aufgehoben, man wollte sich bewegen und hatte eine wirklich gute Zeit. Nach dem dritten Song ging Sam Fender dann kurz von der Bühne, because he had to “take a piss”. Währenddessen hat seine Live-Band den Laden in Schacht gehalten und einfach weiterimprovisiert. Aber auch Mr. Fender himself hat im seinem Geordie Accent gute Stimmung verbreitet und ist persönlich und spaßig mit seinen Fans umgegangen.
Die Musik klang natürlich wie direkt von der Platte und gewährte keinen qualitativen Nachlass – es war der Wahnsinn. Nebenbei fällt einem dann immer ein: “Der Typ steht gerade 10 Meter weg von mir und spielt nächstes Jahr Wembley!”. Was für ein Feeling, was für gute Musik, was für ein hammer Konzert und – ja, trotz des Wetters und allem anderen – was für ein schöner Abend.
Dementsprechend hab ich auch sein im Oktober gedropptes Album “Seventeen Going Under” geblastet. Biblical.
Wo sind die Beatles geblieben?
Keine Angst, die sind direkt auf Platz vier gelandet und stellen immer noch einen großen Bestandteil meines Musikkonsums dar. Sie sind aber auf jeden Fall auch weniger greifbar, als Giant Rooks oder Sam Fender. Vielleicht liegt das an ihrem Legendenstatus. Oder daran, dass es sie schon lange nicht mehr gibt und die Hälfte der Besetzung nicht mehr lebt. Und vielleicht entfacht die vor kurzem herausgekommene Beatles-Doku “Get Back” auch wieder neues Feuer. Das weiß aber nur der Spotify Rückblick vom nächsten Jahr.
Ich hasse Vorsätze für das kommende Jahr. Aber anhand der Musik, die ich höre sieht man, dass sich dort eine ausschließlich männliche Schiene durchzieht und das werde ich nächstes Jahr definitiv ändern.