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Das Dilemma: Matilda und die fünf Phasen einer Trennung

Jahresrueckblick Matilda

Das Jahr neigt sich dem Ende zu, Weihnachten steht vor der Tür. In einer Zeit, in der alle schon besinnliche Weihnachtslieder hören und sich den Kopf darüber zerbrechen, was sie Ihren Liebsten zu Weihnachten schenken, holt der Spotify Jahresrückblick 2021 alte Gefühle hoch und wirft mich zurück. 


Das Daft Punk Drama

Als ich am 1. Dezember meinen Jahresrückblick auf Spotify gesehen habe, war ich wenig überrascht. “Instant Crush” von Daft Punk war nun das dritte Mal in Folge auf Platz eins meiner Top Songs. “Random Access Memorys” auf Platz eins meiner Top Alben. Ich denke, ich kann mich outen: Ich bin ein großer Daft Punk Fan. 

Anfang 2021 habe ich “Random Access Memorys” als Platte zum Geburtstag bekommen, und ja, ich habe vor Freude geweint. Am 22. Februar 2021 entschied sich Daft Punk dann plötzlich dazu, ihre Trennung bekannt zu geben…WTF? An diesem Tag hat sich nicht nur die Hoffnung auf neue Musik in nichts aufgelöst, sondern auch mein äußerst unrealistischer Traum, das Duo einmal Live zu erleben. Auch wenn ich mir wirklich wünschen würde, dass der Abgang der beiden Legenden Thomas Bangalter und Guy – Manuel Homen – Christo unfair oder wenigstens unspektakulär gewesen wäre, es ist nicht möglich. Nicht mal dieser Wunsch wurde mir erfüllt. 

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Schweren Herzens musste ich mir eingestehen: Daft Punk und unspektakulär passt einfach nicht zusammen. 07:58 Minuten haben eine Ära beendet. Mit einem Video seinen Abgang zu erklären hat auf jeden Fall Klasse. Zu meiner Enttäuschung: Es war ein verdammt gutes Video. Ganz im Stil vom Musikvideo zu „Veridis Quo“ entfernen sich die beiden Roboter voneinander, bis Thomas Bangalter durch den ausgelösten Selbstzerstörungsmechanismus explodiert (so wie meine Hoffnung). 

Ob sie damals mit „Veridis Quo“ schon angedeutet haben, dass uns eine Trennung der beiden bevorsteht? Wäre möglich. Ich habe jedenfalls nicht damit gerechnet. Vielleicht ist bei mir am Ende des Videos auch die eine oder andere Träne der Trauer geflossen, als der letzte Part von „Touch“ eingespielt wurde und Guy–Manuel Homem-Christo allein in Richtung Sonnenuntergang geht. An sich kein besonders toller Start ins Jahr 2021, aber eine Trennung öffnet ja bekanntlich neue Türen, oder?

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(bitte für die Emotionen beim lesen hören)

Phase 1: Vorübergehendes Trostpflaster

März 2021: 

Ich habe natürlich nicht aufgehört unendlich viel Zeit mit Daft Punk zu verbringen. Realisiert hatte ich die Trennung auch noch nicht, deswegen war ich verzweifelt auf der Suche nach einer Band oder Künstler*innen, die ähnlich klingen und vor allem noch aktiv sind. Nach langer Suche hatte ich leider niemanden gefunden, der die entstandene Lücke in meinem Herzen füllen konnte.

Sebastian Tellier, the look, song

Schon beinahe aufgegeben, rettete das gute alte Spotify Radio meine Hoffnung. So stieß ich auf die Musik von Sébastian Tellier, ein meiner Meinung nach sehr guter Künstler, der großartige Musik schreibt. Dreimal könnt ihr jetzt raten wo er herkommt – richtig, aus Frankreich. Keine Ahnung was es ist, aber die Franzosen haben das Musikschreiben einfach verstanden. Der erste Song, den ich von oben genanntem Künstler zu Ohren bekam, war „The Look“. Alleine das Intro gab mir schon absolute Daft Punk Vibes: Synths, Gitarren, die Ähnlichkeit der Stimme zu Paul Williams bei „Touch“ – ich war schockverliebt. Auch so Dinger wie „L’amour et la violence“ oder „Sexual Sportswear“, die man locker mit „Contact“ und „Motherboard“ vergleichen könnte: Einfach geil! 

Falls Ihr also auch noch in besagtem Daft Punk Loch hängt, Sébastian Tellier ist definitiv ein würdiges Trostpflaster. Natürlich klingt er nicht eins zu eins wie Daft Punk, das wäre schließlich langweilig. Nach einer Trennung sucht man schließlich etwas, dass sich von Altem unterscheidet, aber dennoch ähnliche Züge hat – trifft zu. Auf dem Album „Sexuality“ findet man auch Songs, die in eine ganz andere Richtung gehen. Beispielweise „Divine“  könnte man vom Synth Vibe im Intro mit „Melancholy Hill“ von den Gorillaz vergleichen. Ich sagte ja: Ein würdiges Trostpflaster! 


Phase 2: Where is my Mind?

Juni 2021: 

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(auch hier, einmal zum untermalen des geschriebenen hören)

Der Juni war gefüllt von sehr viel Klassik Rock. Wie hätte es denn auch anders sein können, ich war schließlich in der Wut-Phase angekommen.

Meine Gefühle gegenüber der Daft Punk Situation waren geprägt von Frustration. Stichwort: Where is my Mind? Meine Gefühlswelt plus die Sehnsucht nach den Zeiten, in denen ich noch behaupten konnte, dass Daft Punk eine existierende Formation ist, ergibt den perfekten Nährboden für die Pixies. „Where is my Mind“ lief im Juni sehr oft und außerdem war er so passend zu meiner Situation. Daft Punk hat sich getrennt, wo steht mir der Kopf? Wie kann ich damit am besten umgehen? 

All diese Fragen schwirrten durch meine Gedanken und wurden von diesem passiv aggressiven Song unterstützt. Die Pixies hatten sich zwar damals in den 90ern auch mal getrennt, aber sind wenigstens mit gutem Vorbild vorangegangen und haben sich wiedervereinigt. Das Gleiche erwarte ich übrigens noch von Thomas Bangalter und Guy–Manuel Homem–Christo. Auch jetzt gerade beim Schreiben des Artikels: Ich erwarte es. 


Phase 3: TikTok

August 2021: 

Hört auf mich anzulügen, wir hatten alle mal diese Phase, in der wir Personen, die TikTok auf dem Handy hatten, als unglaublich peinlich bezeichneten. Was soll ich sagen? Ich benutze diese App mittlerweile sehr häufig und bin selber zu einer dieser Personen geworden, die als peinlich bezeichnet werden können. War mir aber egal, denn ich brauchte neuen Musik-Input. Spotify konnte mir nicht mehr das geben, was ich brauchte. Alles klang ab einem bestimmten Zeitpunkt gleich und bevor ich in irgendwelche DMs von Daft Punk Produzenten sliden konnte, um meiner unendlichen Enttäuschung und Trauer freien Lauf zu lassen, installierte ich halt TikTok

Aber ganz ehrlich: Ohne TikTok gäbe es die Hälfte meiner heutigen Playlists nicht. Jetzt aber zum eigentlichen Thema: “Crime Wave” von den Crystal Cales und HEALTH. Das erste Mal auf TikTok gehört, hat sich der Song mittlerweile in jede Playlist eingeschlichen und einen würdigen Platz zwei in meinen Top Songs erkämpft. Mein erster Gedanke zu diesem Song war: „Was ist das?!“ Doch irgendwie ging mir die Melodie nicht mehr aus dem Kopf und ich brauchte ohnehin mal wieder etwas Abwechslung, nachdem ich nun über Monate die Musik von Sébastian Tellier gehört hatte. Gesagt getan und die Obsession nahm ihren Lauf. Ihr fragt euch jetzt sicherlich, was denn an “Crime Wave” so toll ist.

Nun ja, mein von Daft Punk geprägtes (und auch immer noch gebrochenes) Herz, welches höher schlägt, wenn Songs metallern und voll mit Synthesizern sind, wurde hier einfach abgeholt. Das Sympathische an diesem Stück: Es klingt so als würde nichts wirklich Sinn ergeben und doch passt trotzdem alles perfekt zusammen. Sowas überhaupt hinzubekommen, ist beeindruckend! Ob es mich ein bisschen getröstet hat? Ja schon. Denn ich habe den Song so gefühlt, dass ich für einen Monat ausgesorgt war. 

Kein nächtelanges Geweine darüber, dass meine Lieblingsband sich getrennt hat. Nein! Eher nächtelanges Tanzen und Mitsingen, was sich bei diesem Song zwar etwas schwer gestaltet, da man die Wörter nicht unbedingt versteht, aber trotzdem irgendwie funktioniert. Naja, ich denke, ihr wisst, worauf ich hinaus will. Für einen Moment habe ich mal nicht an Daft Punk gedacht.

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(ich möchte Videos wie ihr mit singt!)

Phase 4: Das Daft Punk Drama 2.0

Oktober 2021: 

Phase vier der Bewältigung einer Trennung ist ja bekanntlich die härteste. Man realisiert langsam, dass es vorbei ist, steht kurz davor zu akzeptieren, dass es wohl auch so bleiben wird. Genau das war bei mir im Oktober der Fall. Ich habe sehr oft das Album “Random Access Memorys” gehört und vor allem auch sehr oft den Song „Within“. 

Daft-Punk-Untoldency-Elektopop

Tiefgründig, traurig, wunderschön und: von Daft Punk. Aber nicht nur „Within“ lief auf Dauerschleife, auch Songs wie „Lose yourself to dance“ und „Instant Crush“ habe ich gestreamt, als gäbe es kein Morgen (gab es bei Daft Punk ja wirklich nicht *drops a tear*). Letzterem Song muss ich einfach mal öffentlich meine Liebe erklären. Es kommt sehr selten vor, dass ich einen Song wirklich über mehrere Jahre höre und nicht davon ernüchtert bin.

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Genau das ist bei „Instant Crush” der Fall. Auch nach drei Jahren kann ich den Song hören, ohne dass ich mir denke: „Och nee, nicht schon wieder der!“ Ich liebe alles an diesem Song. Das Opening mit Palm Mute Gitarre, den Synth, die Stimme von Julian Casablancas, die Auflösung von Verse zu Refrain – einfach schön. Vielleicht bin ich auch das ein oder andere Mal etwas zu emotional geworden und es könnte auch ganz vielleicht sein, dass ich gerade hier sitze, “Instant Crush” höre und mich erneut Frage, warum sich so ein Duo einfach so trennt. 

Aber es geht ja um den Oktober und nicht um jetzt. Die Schwelle zur Akzeptanz hatte ich fast überwunden. Doch irgendwie war es noch eine lange Reise zum „Ich bin darüber weggekommen, dass sich meine Helden getrennt haben“.


Phase 5: Neuanfang

Dezember 2021:

Hallo und herzlich Willkommen zur Akzeptanzphase! Zehn Monate nach der Daft Punk Trennung – was mache ich jetzt? Oder besser gesagt: Was höre ich jetzt? Nun ja, ich kann zwar immer noch nicht behaupten, dass ich nicht mehr traurig über die Auflösung von Daft Punk bin. 

Das große Aber folgt jetzt: Ich habe es akzeptiert und meine Musikwelt sogar noch ein bisschen erweitert. In den fünf Phasen habe ich viele neue und alte Künstler*innen für mich entdeckt. Meine Hoffnung, dass Daft Punk noch einmal ein Comeback startet, existiert irgendwo auch noch ein bisschen, aber falls die beiden Jungs jetzt doch keine Lust mehr auf die Musik haben, ist es auch in Ordnung für mich.

In meiner Trauerphase habe ich auch gar nicht wirklich realisiert, wie alt die beiden sind und wie lange es ihre Musik schon gibt. Ich meine, die beiden haben das Projekt 1993 in die Welt gerufen – das sind (Stand jetzt) 28 Jahre. Verdammt gute 28 Jahre. Was ich aber eigentlich sagen will: Daft Punk, ich lass es euch noch einmal durch gehen, dass ihr eure gemeinsame Karriere beendet habt. Die Musik die hinterlassen wurde, bereichert jeden Tag meine Seele und ich werde wahrscheinlich niemals damit aufhören, alle meine Freunde mit diesem Duo zu nerven. In dieser Hinsicht: Danke, dass ich meine Reise mit euch teilen durfte.

Foto Credit: Daft Punk: https://open.spotify.com/artist/4tZwfgrHOc3mvqYlEYSvVi , Sèbastian Tellier: https://open.spotify.com/artist/23ymPLjbtAMzTJS2qRtQ8Z

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