Über zwei Wochen war jetzt Zeit, um in die neue Single „Quarterlife Crisis“ von FORWARD reinzuhören. Falls das bisher noch nicht der Fall war, sollte man das noch nachholen. Und falls man FORWARD noch nicht auf dem Schirm hat – Auch das ist kein Problem. Zum Artikel zu ihrer funky Vorgänger-Single Overdrive und zum Interview mit der Band geht es hier lang. Laut statsforspotify.com ist das übrigens Platz 2 meiner meistgehörtesten Songs der letzten sechs Monate, ups. Als ich in dem Artikel dazu schrieb, dass mich Overdrive nie nerven könnte, meinte ich das auch so. Auch hier setzen sich FORWARD wieder lässig mit einem Thema, das speziell in ihrer Generation eine Rolle spielt, auseinander. Quarterlife Crisis ist aber nicht nur „feel good“-Indie Pop, sondern kommt etwas ruhiger und melancholischer daher.
Der Song, produziert von dem JEREMIAS Gitarristen Oliver Sparkuhle, lädt schon durch das langsame, entspannende Intro zum Tagträumen ein. Dominiert vom angenehm weichen Sound der Blasinstrumente lässt er mich schon Nostalgie über eine Zeit, in der ich mich noch befinde, verspüren. Umso mehr passen hier die Jazz-Elemente, die bei FORWARD immer wieder durchkommen. Gefolgt von der ersten Zeile des Songs „You used to be somebody but now you’re someone else“ in Sänger Tims sanfter Stimme. Alles daran klingt so warm und vertraut, obwohl das Thema eher die innere Krise betrifft. Geprägt ist der Song davon, dass Sänger Tim und Gitarrist Arne ihn auf ihrem Trip direkt nach dem Abitur schrieben. Zwischen Rastlosigkeit, Spaß auf Reisen und dem Loslösen vom Alltag, an den man bisher gebunden war. Irgendwo da entstand Quarterlife Crisis und fängt die Bedenken während dieser Zeit ein.
Eine sehr besondere Zeit: Nach dem Schulabschluss scheinen so viele Optionen offen zu stehen. Auf der einen Seite die Befreiung und Erleichterung, auf der anderen die Angst vor der Zukunft und davor, gewisse Erwartungen nicht zu erfüllen. Ich erinnere mich gerne an den Sommer nach meinem Schulabschluss zurück, weil er sich damals durch diese Ungewissheit, Erwartungen aus allen Richtungen und den Drang, jeden Moment voll auszuschöpfen, von allen anderen Sommern abgehoben hat. Genau auf diesen Konflikt lassen uns FORWARD zurückblicken.
Wenn man jedoch ehrlich ist, kann man den Song, auch losgelöst von dieser besonderen Situation, generell auf das Lebensgefühl vieler junger Menschen beziehen. Tatsächlich bin ich mir auch immer noch unsicher, was genau ich da gerade tue oder ob das, was ich tue, so schlau ist. Naja, Quarterlife Crisis ist dafür ein ziemlich treffender Begriff. Das war auch der Grund, wieso mich der Song gepackt hat. Da ich mit Anfang 20 die selbe Altersgruppe der Jungs der Band teile, geht mir das Thema nah. Folglich appelliert der Song daran, seine eigenen Ziele und Wünsche nicht aufgrund anderer Erwartungen zu hinterfragen oder sogar aufzugeben. Ein Szenario, das vielen jungen Menschen bekannt ist. Die Ziele, die man eigentlich fest im Blick hatte und die Erwartungen, die sich dann quer in den Weg stellen, sodass man das die Ziele kaum noch sieht. Riskieren bringt oft die Gefahr mit, sich und andere zu enttäuschen.
Zusätzlich ist außerdem ein Musikvideo erschienen. Detailverliebt und leicht melancholisch, untermalt und umrahmt es die Single. Gezeigt werden die Mitglieder der Band, alle allein und nachdenklich. Ja, sie wirken sogar etwas verloren. Aber verzweifelt? Nie. Das ganze Video und jeder einzelne von ihnen strahlen Ruhe und Gelassenheit aus. Wenn ich an meinen Freundeskreis und auch an mich selbst denke, merke ich, das genau dass die Quarterlife Crisis ausmacht. Etwas zwischen komplett verloren und planlos, zusammen mit dem Gefühl, dass man sich nicht stressen muss, weil alles mit dem Verlauf der Zeit von selbst kommen wird. Das noch gemischt mit einer langen Lockdown-Zeit und dem damit verbundenem hilflosen Warten: Fertig ist er, der leckere, saure Cocktail der Anfang und Mitte 20er.
Wie ernüchternd die Erkenntnis, dass neu gewonnene Freiheiten nicht immer einfach sind, auch sein mag, das lässt sich Quarterlife Crisis musikalisch nicht anmerken. Wo andere Panik bekommen, haben die Jungs von FORWARD ihren inneren Konflikt geschickt reflektiert und dann in Kunst verarbeitet. Trotz der nachdenklichen Message ist es kein Song zum mitheulen, sondern lässt sich auch wundervoll bei guter Laune in der strahlenden Sonne genießen. Das habe ich natürlich extra getestet. Kurz gesagt: Die acht Jungs aus Hannover haben hier ziemlich viel richtig gemacht. Hoffentlich dürfen wir uns möglichst bald alle an der ersten EP von FORWARD erfreuen. Ehrlich — Das wird schön.
Foto Credit: Julius Bracke