Letzte Woche Freitag hat die Deutschpop-Sängerin ihre Debüt-EP genug herausgebracht. Auf ihr finden all ihre im letzten Jahr veröffentlichten Singles inklusive einer neuen, gleichnamigen Platz. Im letzten Herbst hatte Leif die Gelegenheit, IUMA zu dem Singlerelease und dem Musikvideo von u-bahn zu interviewen. Neben ihrer Musik als Ventil und ihrer Liebe zu Justin Bieber ging es
Über Sexismus, alte Schlager und Sailor Moon – IUMA im Interview
Leif: Wie geht es dir und was machst du momentan so?
IUMA: Heute geht es mir gut, ich bin ausgeschlafen (lacht). Und momentan mache ich viel Unterschiedliches. Zum einen war ich gerade auf dem Pop Camp, das war sehr schön und ich habe es sehr genossen. Es war ein wenig wie Klassenfahrt mit vielen tollen Menschen und viel Zeit für die eigene Musik. Zum anderen Spiele ich morgen ein Konzert in Berlin im Schlot, was ich gerade vorbereite. Das heißt ich verändere momentan mein Setup und binde in meine Solo Auftritte Novaas Produktion ein und nehme Backing Tracks und Drum Fills mit in die Performance. Vor allem aber arbeite ich ganz viel an den kommenden Releases, wie meine neue EP.
Leif: Darauf werden wir dann später nochmal drauf zurückkommen. Aber zuerst möchte ich ganz grundlegend fragen: Was machst du für Musik und wie würdest du dich und deine Musik vorstellen?
IUMA: Ich bin IUMA und mache deutschsprachige, ehrliche Popmusik mache, die unterschiedliche Einflüsse hat. Für mich ist es am Ende Popmusik. Sie kann manchmal souliger sein oder hat Jazz Anlehnungen und oft ist sie knall-hart poppig. Für mich ist es wichtig, meine verschiedenen Einflüsse, die ich so habe, ausleben zu können und darauf kommt es mir letztlich an.
Leif: Gut gesagt, empfinde ich tatsächlich genauso. Poppig ist es fast immer, aber du hast dir trotzdem eine gewisse Bandbreite aufgestellt. Auch, wenn du es vorhin mit Novaas Produktion vorweggenommen hast: Machst du alles vom Songwriting bis zur Produktion selbst? Wie sieht dieser Prozess normalerweise bei dir aus?
IUMA: Meistens – nicht immer – beginnt dieser Prozess bei mir so, dass ich den Song in mein Handy tippe, also mit dem Text. Und wenn ich dann Zeit und Lust habe und mich inspiriert fühle, setze ich mich zuhause ans Klavier und schreibe den Song. Manchmal nur zur Hälfte und teilweise fehlt hier und da noch etwas aber das Grundkonzept des Songs entsteht so. Danach gehe ich ins Studio, treffe mich in letzter Zeit vor allem mit Novaa und am Ende ist der Song fertig.
Leif: Gibt es denn irgendetwas, was in einem IUMA Song nicht fehlen darf?
IUMA: Etwas, was sehr häufig in meinen Songs vorkommt und bei mir nicht fehlen darf sind Adlips. Ich liebe Adlips. Ich liebe auch Harmonien. Eigentlich darf beides bei mir nicht fehlen.
“Und dann entsteht ein emotionales Kollektiv”
Leif: In Gutgut thematisierst du toxische Beziehungen, bzw. das Austreten daraus und unter anderem auf Social Media befasst du dich viel mit allgegenwärtigem Sexismus. Ich habe immer das Gefühl, dass diese Themen trotz ihrer hohen Relevanz in der Öffentlichkeit heruntergespielt werden. Du greifst sie aber bewusst auf. Ist das für dich eher Coping auf Grundlagen von Erfahrungen, die du alltäglich damit machst oder geht es dir hier im Empowerment und Awareness – oder beides?
IUMA: Da ich in erster Linie ganz egoistisch an Songs rangehe (lacht), sind sie für mich ein Ventil. Die erste Intention ist bei mir ist also, dass da was raus muss, was mich bewegt oder wütend und traurig gemacht hat. In meinem Song sex ist spreche ich auch über Sexismus, den ich erfahren habe und nach wie vor erfahre. Für mich ist es aber dann auf jeden Fall empowernd wenn ich auch Gefühle, bei denen ich nicht weiß, wohin, rauslassen kann. Das eigene Rauslassen und die damit verbundene Selbstbestätigung spielen eine sehr große Rolle. Was aber dann passiert – und das finde ich wunderschön – ist, dass das aufs Publikum trifft und klar wird, dass Menschen im dort die gleichen oder ähnlichen Erfahrungen gemacht haben. Und dann entsteht ein emotionales Kollektiv und man kann sich gegenseitig empowern.
Leif: Was auch sehr wichtig ist. Niemand ist allein mit den Empfindungen und man muss auch nicht allein damit durch. Speaking of Sexismus: Hast du seitdem du Musikerin und auf Social Media bist, noch mehr Erfahrung damit machen müssen? Es gibt da ja diesen großen Diskurs über den offensichtlichen Sexismus in der Musikbranche. Wirkt das seither noch mehr auf dich ein als ohnehin schon?
IUMA: Bezogen auf Reaktionen, zum Beispiel auf Snippets von sex ist, die ich hochgeladen habe oder auf Bilder, auf denen ich etwas mehr Haut zeige, kommen schon manchmal Reaktionen, wie: „Du bist selbst schuld“ oder „Du provozierst das ja damit“. Grundsätzlich sind so 90% der Reaktionen aber sehr positiv. Mit Bezug auf die Musikbranche fühle ich das noch nicht so dramatisch. Da gibt es viele andere Künstlerinnen, die da wesentlich mehr zu sagen können. Ich stehe noch relativ am Anfang dieses Projektes und da passiert das eher verdeckt. Es gab trotzdem schon sehr oft irgendwelche Äußerungen aus der Richtung von Tontechnikern oder Situationen, in denen Leute erstaunt waren, dass ich als Frau ein Kabel aufrollen kann oder meine Technik selber anschließen kann. In der großen Branche und in Sachen, wie Auftrittmöglichkeiten oder Playlistplatzierungen sind wir natürlich sehr betroffen. Aber wie gesagt, momentan ist das bei mir noch nicht so spürbar, weil ich noch am Anfang stehe.
Leif: Was mir dabei immer wieder auffällt ist die unterrepräsentierte weibliche Besetzung in der Musik. Damit meine ich nicht nur Bandbesetzung, sondern auch Produzent:innen und alles, was sich nebenher abspielt. Man hat das Gefühl, da sind viel weniger Frauen vertreten.
IUMA: Es gibt super viel Produzentinnen! Vermutlich ist der Männlichkeitsanteil dort immer noch höher, aber den weiblichen Produzentinnen wird einfach nicht so viel Sichtbarkeit gegeben. Das ist das eigentliche Problem. Sie sind da und es gibt dafür viele Foren, die nur für weiblich gelesene Personen da sind. Meiner Meinung nach müsste es noch mehr davon geben, damit man sich einfach besser finden und connecten kann. Da haben wir auf jeden Fall noch einen Weg vor uns.
“Du sagst
Ich sei selbst schuld und naiv,
wenn
Ich provokativ meinen Body zeig
Du sagst, ich sag
Wie kommst du auf die Idee, dass
ich bleib”
Leif: Schätzt du dich und deine Musik als politisch ein?
IUMA: Ja, wahrscheinlich schon. Ich würde es als privatpolitisch bezeichnen.
Leif: Dann habe ich jetzt eine Frage zum Musikvideo zu u-bahn. Das ist das Erste, was mir in den Kopf geschossen ist, denn es spielt ja in einer U-Bahn-Station. Man sieht so wenig Passanten im Hintergrund, habt ihr einfach alles geräumt und abgesperrt?
IUMA: Nein, tatsächlich nicht. Wir haben es geschafft zu einer guten Uhrzeit da zu sein und es war ein Endbahnhof. Daher war ohnehin nicht viel los, was gut war. Wir hatten einfach Glück und haben super spät gedreht. Wir hatten zwischen den Bahnen immer Zeit für genau zwei Takes und es hat nicht lang gedauert, bis wir durch waren. War eine richtig schnelle Nummer.
Leif: Schien auf jeden Fall so, als hättest du sehr viel Spaß daran, Videos zu drehen. Stimmt das auch?
IUMA: Das ist gut, danke (lacht). Ja, ich liebe Musikvideos und ich habe da super viel Spaß dran. Bislang konzipiere ich die auch selber. Aber ich habe das Gefühl, dass Musikvideos immer unrelevanter werden. Für Musikmagazine, die dann noch etwas zeigen können und Menschen, die meine Musik mögen oder kennenlernen wollen sind Musikvideos natürlich was Schönes. Aber in Bezug auf Mehrwert und Reichweite habe ich schon das Gefühl, dass das nicht mehr so ausschlaggebend ist. Wir sind halt nicht mehr in Zeiten von MTV oder in einer YouTube Hochzeit. Außerdem werden ja alle Videos momentan etwas kürzer. Aber es ist wirklich nur ein Gefühl von mir.
Leif: Da ist sie wieder, die Tiktokisierung. Schade eigentlich, ich finde Musikvideos immer sehr cool, dann hat man was zum Schauen.
IUMA: Ja, ich verstehe das voll! Mir blutet da auch das Herz und deshalb mache ich auch noch Musikvideos. Ich bin gespannt, wie es sich demnächst entwickelt. Freut mich aber, dass man mir den Spaß in dem Video auch ansieht, mir gefällt es sehr.
Leif: Was sind denn deine musikalischen Vorbilder und was feierst du momentan so?
IUMA: Das ist ganz verschieden. So viel Musik höre ich tatsächlich nicht, denn ich brauche auch mal Pausen davon. Es gibt so Phasen, in denen ich sehr viel höre. Ich bin ein großer Fan von Soul und R&B. Meine all-time-favourites sind Daniel Ceasar, SZA und Frank Ocean. Rosalía hat mich in meinen ersten Tracks sehr beeinflusst. Aber auch Justin Bieber hat mich inspiriert (lacht). Für ihn pocht mein Popherz, da bekomme ich immer gute Laune. Und ich war schon immer fasziniert von Alicia Keys und Lady Gaga. Das Alleinsingen und am Klavier begleiten fand ich schon immer super geil. In Bezug auf deutschsprachige Musik finde ich tatsächlich alte Schlager sehr inspirierend. Sachen von Trude Herr und Hildegard Knef find ich super geil.
Leif: Manchmal hat der alte Schlager es eben doch richtig drauf. Ich nutze den Alicia Keys und Lady Gaga Aufhänger jetzt gekonnt als Überleitung zur nächsten Frage. Du trittst nämlich auch sehr häufig allein auf, indem du deinen Gesang am Klavier begleitest. Was magst du beim Performen am meisten und würdest du auch gern mit einer Band auftreten?
IUMA: Ich mag, dass ich mich selbst sehr empowern kann. Ich hatte da immer ein bisschen Schiss vor und komme aus einem jazzigen, akademischen und peniblen Kontext. Ich habe mir nie zugetraut, dass ich das alleine auf dem Klavier schaffe, bis ich mir das irgendwann selbst bewiesen habe. Es ist viel unkomplizierter und leichter zu reisen und aufzubauen und ich bin einfach losgelöster dadurch. Aber für mich bedeutet es sehr viel, dass ich mir zugestanden habe, mich dort alleine hinstellen zu können und den Raum nur mit meinen Songs, meiner Stimme und dem Klavier zu füllen. Das zu schaffen hat mich unfassbar bestärkt und alles andere, was obendrauf kommt ist ein Plus – aber ich brauche es nicht. Aber ich habe auch total Lust auf eine Band. Für mich macht das momentan aber wenig Sinn, weil die Kapazitäten häufig noch nicht reichen.
Leif: Kommen wir jetzt zu letzten Frage, in der es sich bei uns traditionell um eine untold story dreht. Hast du irgendeine Geschichte von dir auf Lager, die du sonst noch nicht erzählt hast?
IUMA: Ich durfte als Kind keine Poster von Popstars aufhängen, weil meine Mutter nicht wollte, dass ich Menschen zu sehr anhimmle. Sie wollte mir glaube ich sehr früh mitgeben, dass wir alle irgendwie cool und uncool sind und dass niemand irgendwie krasser ist als ich, nur weil die Person berühmt ist. Tierposter durfte ich aber aufhängen und irgendwann eine “maßgetreue” Sailor Moon. Das war ein richtiges Highlight, das Poster war mal glaube ich in einem Comic Heft drin.
Also hing dann da eine ziemlich große Sailor Moon an meiner Tür und ich war mega stolz. Damit war meine Mama cool, weil die halt „nicht echt“ ist. Aber für mich war sie schon ziemlich echt und ein ziemlicher Superstar. Ich fand Sailor Moon schon immer sehr inspirierend. Damals primär, weil ich auch schon immer davon geträumt habe, mich so verwandeln zu können und sie eben in ihrem Alltag ein ganz normales Mädchen war, mit kleinen lustigen Pannen und Eigenarten.
Heute inspiriert mich Sailor Moon immer noch. Die Moves, die Looks, die Farben, die Heldin mit den Kanten, die sich immer weiterentwickelt und manchmal auch scheitert. Diese krass empowerte Crew aus super starken Freund:innen und sowieso, dass alles an die Liebe glaubt und diese dann auch siegt und Ungerechtigkeit richtig scheiße ist. Fühle ich sehr und vielleicht steckt ja hier und da ein bisschen Sailor Moon in IUMA.
Leif: Eine unfassbar süße Geschichte! Ich danke dir für ein tolles Interview und nettes Gespräch zudem!
IUMA: Ich fands auch voll schön und habe mich sehr gefreut!
Am Ende folgt der obligatorische Playlist-Link und die nachdrückliche Aufforderung, sich IUMAs neue EP anzuhören. Lieben Dank an IUMA für das Interview und falls Euch ihre Musik gefällt, schaut doch mal auf einem ihrer Konzerte vorbei! Die Tickets gibt es hier.
Fotocredits: Sandra Ludewig