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Rock, Rattle and Roll: The Courettes und ihr neues Album “Back in Mono (B-Sides & Outtakes)”


POV: Es ist Mitte der 1960er Jahre. Du befindest dich mitten in den USA – genauer: Chicago, Illinois. Nach dem Frühstück bestehend aus Toast, Rührei und gebratenem Bacon trittst du aus der Tür des Diners auf den Parkplatz. Der Kaffeegeschmack liegt dir noch im Mund, als du dich auf den warmen Ledersitz deines 64er Mustangs niederlässt. Gleichzeitig zündest du den Motor und dir eine filterlose Zigarette an. Für dich geht es über die Route 66 in Richtung Westküste. Du hast einen langen Roadtrip vor dir. Durch das heruntergekurbelte Fenster fährt dir der Fahrtwind durchs Haar. Das Gefühl von Freiheit macht sich breit, du schaltest das Radio ein.

Back To The 60ies

Die Ästhetik eines 60ies-Soundtrack, den man zu dieser Vorstellung bekommt, liefern The Courettes. Das dänisch-brasilianische Duett hat es sich zur Aufgabe gemacht die Musik der Rock ‘n’ Roll Ära in die Gegenwart zu importieren. Wir haben Flavia Couri (Gesang, Gitarre) und Martin Couri (Gesang, Schlagzeug), eine Menge schillernde Gitarren und noch mehr Vintage Reverb.

Mit dem neusten Album „Back in Mono (B-Sides & Outtakes)” lässt es sich in der Zeit zurückreisen. Es kam letzten Mai und scheint schon vor 55 Jahren aufgenommen zu sein. Für Leute wie mich, die sich ohnehin an der Musik der Beatles, Beach Boys etc. in Schallplattenqualität erfreuen, sind die Courettes eine gute Gelegenheit, den Spirit der 60er in zeitgenössischem Gewand zu erleben. Minder interessant ist es aber auch für alle anderen nicht.

Das Album beinhaltet acht knackig-kurze Songs in mono. Ja, richtig gelesen, mono (also alles aus der Mitte des Lautsprechers heraus und nicht in einem Panorama verteilt, wie heutzutage üblich). Aber auch der „Wall of Sound“ Charakter der surfigen „Doo Wop“ Scheibe hat sich an den Kriterien der Musik aus der Zeit bedient. Phil Spector lässt grüßen.

Was damals als revolutionär galt, ist heute Retro. An Charme hat aber auch die Ästhetik der 60ies nicht verloren.

“Please don’t wake me up”

Gleich vom Opener wird man träumend in die Höhe getragen. „Daydream“ handelt von den kurzen Pausen eines harten Alltages, in denen man sich in seinen Gedanken verliert und zu tagträumen beginnt. Im Mittelpunkt steht die Sehnsucht nach der Liebe, dem zu Hause und einem Ort oder einer Person, zu der man sich gehörig fühlt. Somit sind auch Vermissen und Distanz Themen des Songs.

Unterstützt wird die träumerische Romantik des Textes mit der tragenden, eigentlich fast schwebenden Musik. Der Track an sich ist dabei sehr weit und fast überwältigend. Die knackige, liegende Gitarre und die obligatorischen Harmonien in den Background Chören runden das Gesamtbild ab. Teile des Songs haben, nebenbei gesagt, eine verblüffende Ähnlichkeit mit Sonny & Cher’s „I Got You Babe“.


Nicht nur rosarot

Wie man schon beim Titel „Only Happy When You’re Gone” erahnen kann, ist das Ganze thematisch umgedreht. Geht es hier zwar auch um eine Beziehung, scheint sie eine unglückliche zu sein. Die Zeichen der Lyrics stehen hier ganz klar auf Trennung.

“Breaking up is hard to do

And so is future life with you”


Die Musik hat davon aber noch gar nichts mitbekommen. Sie schimmert im klassischen Mersey Beat weiter. Die kleinen Details in den rhythmischen Elementen erinnern an zeitweise sogar an lateinamerikanische Percussion. Zu finden sind diese beispielsweise auch im vorangegangenen „Last Dance With You“. Hinzu kommen Tremolo Gitarren, ein ganz schön bewegtes Feeling und eine Prise Echo über ALLEM. Unterm Strich gibt das dem Song den klassischen Surfsound. Sollte der Song eine Referenz sein, dann definitiv an The Ronettes.

Bad Boy Banger

Der größte Banger des Albums ist meiner Meinung nach „Killer Eyes“. Schnell, direkt, wild und verspielt – some proper Rock ‘n’ Roll. Endlich hören wir auch die obligatorischen Choo Wap’s in den Backing Vocals. Die Gitarren haben NOCH mehr Tremolo als vorher (sie hören sich also noch zitternder an) und das Schlagzeug prügelt einen praktisch auf die Tanzfläche. Genauso rude ist der restliche musikalische Charakter des Songs, alles ist ein wenig angezerrt und roh.

Speaking of rude: Im Text geht’s um den Rebellen, den Trouble Maker, um Auflehnung und die Vergötterung des Bad Boy Images. Klar, die 60er halt.

“I know his heart

Is cold as ice

But I fell for those

Killer eyes”


Der wichtigste Bestandteil eines guten Liedtextes aus jener Zeit ist ebenso wenig wegzudenken, wie die Schmalzlocke beim Teddy-Boy: Das „Yeah!“ ist in diesem Song quasi überrepräsentiert.

Wie beim Konzert

Den Abschluss krönt „So What“. Mit dem lebhaften Song am Schluss rundet sich das Album perfekt ab. Er strotzt vor Energie, ist fröhlich und ausgelassen und kommt einem wie eine Party vor. Gesungen wird über eine unbeschwerte Gleichgültigkeit, die Musik könnte gar nicht besser dazu passen. Tatsächlich traut sich sogar ein Gitarrensolo in die letzten Minuten des Albums auf den Track, den es sich nicht besser hätte aussuchen können. Zu guter Letzt gibt es einen wohlverdienten Applaus, als wäre das ganze Album eine Live-Show gewesen.

Die Wurzeln von heute

Man kann sagen, dass beinahe alles, was die Musik der frühen 1960er Jahre bewegt hat, aufgegriffen wurde. Gefühle und Romantik spielen eine große Rolle, aber auch die Unbeschwertheit und Teenie-Fantasien sind leitmotivartig eingearbeitet. Die Musik soll heute, wie damals eine gute Laune, trotz negativ gestimmten Emotionen vermitteln.

Ein starkes Duo also, die Courettes. Erinnert mich teils sogar an die White Stripes. Und das nicht nur, weil die Besetzung die gleiche ist. Die rohe, angeraute Musik impliziert Ehrlichkeit und ist eine Hommage an ein schon längst vergangenes Zeitalter, was – und das darf man nicht vergessen – unsere heutige Sicht auf die Popmusik und -kultur maßgeblich geprägt hat.

Für mich ist es immerhin schön, neue Musik, die nach alt klingt, zu entdecken. Das ist es nämlich, was Liebhaber von Vergangenem fehlt: Jenen Spirit in neuer Musik.

Das Album ist natürlich unten verlinkt. Vielleicht hört ihr ja sogar für euren nächsten Roadtrip mal rein, passt wirklich gut. Also dann, Lederjacke an, Pomade in die Tolle und Nadel auf die Platte: The Fabulous Courettes!

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Fotocredit: Morten Madsen & Marco Krenn

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