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Joy Crookes neues Album “Skin” macht uns verletzlich, während wir mit dem Baseballschläger die Welt verändern wollen

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Liebe auf den ersten Blick

Ich dachte, ich würde mich dieses Jahr nicht mehr verlieben. Doch dann ging das neue Album von Joy Crookes direkt unter meine Haut. „Skin“ ist am 15. Oktober erschienen und könnte schöner nicht sein. Seit drei Wochen ist es also schon um mich geschehen und meine rosarote Brille hat noch kein bisschen an Glanz verloren. Wie auch, bei einem Album, das musikalisch, inhaltlich und visuell so ausgereift ist, dass jedes Künstler:innenherz schneller schlägt.

2017 erscheint die erste EP „Influence“ der in London geborenen Sängerin. Mit einer an Amy Winehouse erinnernden Stimme und unglaublicher emotionaler Tiefe singt sich Joy Crookes langsam in die Herzen aller Soul und R&B Liebhaber. 4 Jahre und 2 weitere EPs später markiert ihr Debütalbum nun den vorläufigen Höhepunkt ihrer Karriere. Und wenn man sich ein perfektes erstes Album im Traum vorstellen würde, dann käme „Skin“ dabei heraus.


Gefühlvoller Soul zum Verlieben
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Während „I Don’t Mind“ das Album noch minimalistisch eröffnet, stürzt uns „19th Floor“ in orchestrale Tiefen voller Wehmut. Danach wird es musikalisch wieder etwas leichter ums Herz, doch die gefühlvolle Wärme bleibt auch in „Trouble“ erhalten. Diese angenehm vertraute Sentimentalität zieht sich durch das ganze Album und man muss dem Produzententeam, bestehend aus Blue May und Joy Crookes, danken für diese sinnliche, homogene Platte. Die emotional berührenden Lieder werden durch bestimmte, etwas freche Stücke ergänzt. Dazu gehören u.a. „Trouble“ und „Kingdom“, die die LP durch eine neue Facette bereichern. Abgerundet wird das Album durch drei klassische „Balladen“, die einem zum Abschluss in winterliche Kaminfeuer Stimmung versetzen.


Intime Einblicke neben politischer Aufbruchsstimmung

Inhaltlich könnte das Album ebenfalls kaum versatiler und politischer sein. In „I Don’t Mind“ inszeniert sich Crookes als unabhängige Frau, die ausschließlich körperliche Beziehungen mit Männern eingeht:  


No, I don’t mind if you don’t mind
But if you should see a future
Where I’m with you
You’ve got to go!”


Wie erfrischend ist bitte diese Aussage aus dem Mund einer Frau? Wenn männliche Rapper dieses Narrativ regelmäßig für sich beanspruchen, ist es längst an der Zeit, dass dies auch Frauen tun. 

Der zweite Song des Albums „19th Floor“ huldigt Crookes Anfänge und Herkunft. Hier besingt sie die klassische „started from the bottom, now we here” Story. Anschließend thematisiert die Sängerin toxische Beziehungen. Dabei liegt der Fokus auf der individuellen menschlichen Entwicklung. Egal welche Traumata bestimmte toxische Verhaltensweisen hervorgerufen haben, es löst nicht das Problem, die Schuld abzuschieben. Stattdessen muss die Verarbeitung von innen heraus wachsen. 

„Kingdom“ kritisiert außerdem die politische Ausrichtung Englands und Großbritanniens, insbesondere die politische Vertretung des Landes durch überwiegend ältere Altersgruppen. Brexit, Klimaveränderung, Fremdenhass; die Zeit drängt ebenso wie die jungen Generationen auf Veränderung.


Mental Health, Authentizität und Self-Care

Obwohl es die ursprünglich angedachte Lead Single „Anyone But Me“, als das Album noch für 2020 angekündigt worden war, nicht auf die Tracklist geschafft hat, wurde sie inhaltlich doch noch einmal aufgegriffen. Interessanterweise geschah dies direkt in der neuen Single „Feet Don’t Fail Me Now“, die den für 2021 angekündigten Album-Release nach Corona bedingter Verschiebung einläutete. Beide Singles liefern intime Einblicke in Joy Crookes Gedankenleben und beschäftigen sich mit Mental Health. Während „Anyone But Me“ Beklemmung im eigenen Körper thematisiert, beschreibt „Feet Don’t Fail Me Now” Versagensängste und ungerechtfertigte Zurückhaltung.

„Ooh, love me or leave me and let me be lonely
Been down so long now that happy is holy
I’d rather be somewhere else with anyone but me
– Anyone But Me

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„Man, I guess I was scared
Feet, don’t fail me now
I got to stand my ground
And though I’m down for trying
I am better in denial
So I hush, don’t make a sound
– Feet Don’t Fail Me Now

Ob alte oder neue Lead Single, beide Lieder ziehen uns tief in den Kosmos von Joy Crookes. Auch wenn die Floskel „Dieses Album ist das Persönlichste, das ich je geschrieben habe“ mittlerweile von jeder generischen Popkünstler:in vorgebetet wird: würde sie aus dem Mund von Joy Crookes kommen, sie bliebe authentisch. Crookes selbst beschreibt dieses Album als Spiegel ihrer Identität und ich nehme ihre jedes einzelne Wort ab.

Dieser rote Faden zieht sich bis hin zum Albumtitel. „Skin“ ist das Symbol für Intimität und Authentizität. Die Haut macht uns als Hülle unserer Körper und Gedanken angreifbar für die Außenwelt, während sie uns zur selben Zeit vor ihr schützt. Der Widerspruch zwischen äußerster Belastbarkeit und gleichzeitiger Basis für soziale Diskriminierungen findet sich auch in der Zerrissenheit von Joy Crookes sowie unserer aller Identitäten wieder.

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Visuals auf Repeat

Wer jetzt noch nicht von der Ganzheitlichkeit dieses Albums überzeugt wurde, darf sich auf die Musikvideos des Albums freuen. „Feet Don’t Fail Me Now“„When You Were Mine“„Trouble” und „Skin” haben Videoauskopplungen, die allesamt unglaublich ästhetisch inszeniert wurden. Schon allein die Anfangsszene von „Feet Don’t Fail Me Now“ ist so stark, dass ich mir eigentlich kein anderes Musikvideo mehr anschauen möchte. Crookes und weitere Protagonist:innen sitzen auf mit Blumen bestückten Motorollern, in für Bangladesch typischer traditioneller Kleidung, während die Zöpfe aller verbunden sind.

Mit jedem Wort, das ich über dieses Album verliere, scheint meine Liebe für dieses Gesamtkunstwerk anzuwachsen. Seid also nicht komplett verrückt und macht jetzt endlich dieses Album an, falls ihr es vor kaum auszuhaltender Vorfreude nicht bereits getan habt.

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Fotocredits: Carlotta Guerrero
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