Dass der richtig gute Indie aus Österreich kommt, ist kein großes Geheimnis mehr. Vor allem die Newcomer-Bubble ist voller spannender Acts, und inkludieren eben auch Leyya. Nur dass sie schon sehr viel länger mitmischen! Ihre Indie-Pop Melodien sitzen uns seit Superego (2016) tief im Ohr. Die letzten Jahren wurde es ein wenig ruhiger um Sophie Lindinger und Marco Kleebauer, die nebenbei auch bei Projekten wie My Ugly Clementine oder Sharktank mitwirken. Jetzt haben sie sich für ihr neues Album “Half Asleep” wieder zusammengefunden, und zeigen, wie heilsam es ist, wieder bei sich selbst anzukommen. Wir haben sie ein paar Dinge dazu gefragt.
Leyya im Interview
Anna: Ihr macht als Duo schon lange zusammen Musik und veröffentlicht mit „Half Asleep“ nun eurer drittes Studioalbum. Daneben seid ihr sowohl solo als auch bei verschiedenen großen österreichischen Projekten wie My Ugly Clementine oder Sharktank mit – ihr habt aber immer wieder in Leyya zurückzueinander gefunden. Was macht dieses Projekt so besonders?
Leyya: Wir haben begonnen mit 11/12 Jahren gemeinsam Musik zu machen, wir sind zusammen persönlich und musikalisch miteinander aufgewachsen. Was sich seitdem entwickelt hat über diese Jahre, ist die unausgesprochene musikalische Konversation, die wir während des Schreib- und Produktionsprozesses miteinander führen. Wir vertrauen uns blind und gehen kompromisslos in die gleiche Richtung. Das war bei unserem ersten Album nach 10 Jahren gemeinsam Musik machen schon so und hat sich über die letzten Jahre bis hin zu Half Asleep verstärkt. Mittlerweile geht alles fast wortlos.
Jedes mal wenn wir zu diesem Projekt zurückkehren (auf welche Art und Weise das auch sein mag) fühlt es sich an wie heimkommen. Eine vertraute, sichere Umgebung in der man sich von Äußerem loslösen kann.
Anna: Ich hab euch erst in der Pandemie entdeckt und die EP Longest Day Of My Life auf Dauerschleife gehört. Was bedeutet diese EP für euch?
Leyya: Es freut uns, dass unsere EP dich in dieser Zeit begleiten durfte! Ich denke, dass die Songs der EP genauso eine ausweglose Unveränderbarkeit beschreiben. Zumindest habe ich mich beim Texten so gefühlt und ich konnte damit festsitzender Anxiety und Depression einen Namen geben. Musikalisch haben wir uns da auch einfach reinfallen lassen können, weil es so stark in der Luft lag, obwohl die Pandemie selbst bei manchen Songs noch gar nicht begonnen hatte. Ich denke, die EP bzw. die Thematiken habe uns auch die Augen geöffnet, dass wir einen Schritt langsamer machen müssen, um unsere mentale Gesundheit mehr in den Vordergrund zu rücken und zu lernen, diese auch in Zukunft zu schützen.
“Wir haben jeden Tag eine Songidee gemacht”
Anna: Was waren die Platten oder Künstler*innen, die eure Monate der Pandemie geprägt haben? Hatten einige davon auch einen musikalischen Einfluss auf euer kommendes Album?
Leyya: Für mich war das „WIIMP3“ von Haim. Es ist sehr selten, dass ich ein Album finde, dass ich von vorne bis hinten durchhören will – ein sogenanntes „No Skip“ Album weil man bei keinem Song weiterschalten möchte.
Ich kann jetzt nicht sagen, dass dieses Album per se den Sound unseres neuen Albums geprägt hat. Sowas hängt von ganz vielen Faktoren ab und wir setzen uns ja auch nicht hin und entscheiden, dass wir jetzt einen Song machen wollen, der so und so klingt. Aber jede Musik, die man intensiv hört, prägt sich ein und inspiriert. Aber da fällt viel so viel mehr rein als nur ein Album, das man gerne gehört hat.
Anna: Auf Longest Day Of My Life wird Half Asleep folgen, welches ihr innerhalb einer Woche fast komplett produziert habt. Wie sah diese Woche aus?
Leyya: Innerhalb einer Woche ist auf jeden Fall übertrieben. Wir haben sehr viele ausschlaggebende Ideen und Songskizzen gesammelt und teilweise Songs fertiggestellt, aber ein Album beinhaltet mehr Arbeit als nur eine Woche. Ich denke diese Woche hat auf jeden Fall den Weg zum Album gelegt. Anfangs wollten wir einfach nur mal schauen, was passiert und hatten nicht mal an eine Veröffentlichung gedacht. Wir haben in dieser Woche jeden Tag eine Songidee gemacht, die es alle auf das Album geschafft haben. Es gab im generellen Prozess keinen einzigen Song, den wir dann nicht da drauf gepackt haben, weil wir so happy mit jedem Song waren, der entstanden ist. Es war ein sehr unbeschwerter und druckloser Prozess und vor allem auch ein unglaublich kreativer Austausch und das hat sehr viel Spaß gemacht.
Anna: Bei all den vielschichtigen Songs stechen vor allem die unterschiedlichsten Instrumente und Sounds, die ihr nutzt, hervor. Welcher Sound ist besonders an euch hängen geblieben, vielleicht auch durch die Geschichte, wie er entstanden ist?
Leyya: Die Hookline in Pumped Up High ist eine uralte Saxophon Aufnahme von uns, eine übriggebliebene von der Produktion zu Sauna, unserem zweiten Album, das 2018 erschien. Marco hat die auf einer alten Festplatte gefunden. So etwas ist immer spannend in aktuelle Produktionen zu implementieren. Eine schöne Verbindung von damals zu heute und daher auch sehr passend zur Thematik von Half Asleep.
„Den Themen ein Gesicht zu geben, hilft.”
Anna: Eure Songs sind wie immer vor allem lyrisch sehr stark. Half Asleep fühlt sich an wie eine Ansammlung von Themen, die einen Nacht für Nacht wachhalten und den Schlaf klauen. Was waren die Hauptthemen, die euch beschäftigt haben?
Leyya: Vergangenes in der Gegenwart, unheilbare Schmerzen, Akzeptant und Resignation, Soziale Strukturen und Regeln, Einsamkeit und aber gleichzeitige Überforderung im sozialen Umfeld, Weltschmerz, …
Anna: Habt ihr durch den Albumprozess ein paar Themen davon für euch lösen können?
Leyya: Ein Schreibprozess, vor allem im lyrischen Kontext, ist für mich wie Therapie. Eine Betrachtung jener Themen, die in meinem Unterbewussten sitzen und Schmerz bereiten. Die Themen und Geschichten hervorzuholen, ihnen ein Gesicht zu geben, und sie vielleicht sortieren zu können, hilft. Aber Lösungen gibt es dadurch nicht, nur vielleicht eine gewisse Ordnung bzw. Übersicht, um mit ihnen besser umgehen zu können.
“Alle Sounds sind komplett handgemacht.”
Anna: Ihr werdet nach langer Zeit auch wieder live auftreten. Wie hat sich eure Beziehung zum Live-Spielen in den letzten Jahren entwickelt?
Leyya: Wir haben 2021 verkündet eine Live Pause zu machen und erst dann wieder zu spielen wenn wir tatsächlich Lust darauf haben. Die 8 Jahre davor haben wir wirklich alles bespielt, was wir konnten. Das war teilweise sehr aufwendig und mühsam. Wir sind zwar sehr viel herumgekommen, was auch wirklich bereichernd war, aber man ist ab irgendeinem Zeitpunkt so ausgelaugt, dass die Essenz verloren geht. Daher haben wir beschlossen, das so lange ruhen zu lassen bis die Essenz wieder kommt. Mit diesem Album haben wir bemerkt, dass wir sehr große Lust haben, das auf die Bühne zu bringen und uns entschieden eine kleine Tour zu spielen. Wir werden auch so immer wieder mal auftreten, aber der Kontext muss passen. Unsere Musik passt einfach nicht auf manche Veranstaltungen und darum wollen wir damit bewusst umgehen.
Anna: Auf welchen Song freut ihr euch am meisten, live zu spielen?
Leyya: Ich liebe live alle Songs besonders, wo mehrere Stimmen zusammenkommen. Oder, wo die Energie und Stimmung sich innerhalb des Songs verändert. Aber mehr kann ich dazu nicht sagen, das ist als würde man fragen welches seiner Kinder man am liebsten hat. Alle!
Anna: Die letzte Frage bezieht sich bei uns immer auf eine untold story, etwas, was ihr in keinem bisherigen Interview erzählt habt. Hier könnt ihr loswerden, was ihr noch nicht loswerden konntet.
Leyya: Alle Sounds, die wir auf Half Asleep verwendet haben (das war auch bei den anderen Alben bisher so) sind komplett handgemacht und aufgenommen. Da gibt’s keine Soundsamples von Splice oder sonst wo. Das einzige sind so Dinge wie das Läuten eines Telefons oder ein zwei Aussagen aus einem Gespräch einer externen Person, die bei zwei Songs eine andere Ebene rein bringen.
Fotocredit: Leyya