Am vergangenen Freitag veröffentlichten die Leoniden ihr drittes Album „Complex Happenings Reduced To A Simple Design„. Langeweile, Ruhe und Eintönigkeit? Fehlanzeige. Mit der ständigen Überschreitung von Genregrenzen zeigt das 21 Tracks lange Album, was die fünf Jungs aus Kiel drauf haben. Und dass sie bei weitem noch mehr Facetten zu bieten haben, als sie uns bisher gezeigt haben. Mit voller Begeisterung habe ich mich beim ersten Durchhören gedanklich zu den Liveshows der Leoniden zurückgesetzt gefühlt. Um das kurz festzuhalten: Ich glaube, es gibt keine geilere Liveband in Deutschland als die Leoniden. Die unfassbare Energie und der Spaß, den sie mit- und rüberbringen, machen jedes Konzert zu einem ganz besonderen, mitreißenden Erlebnis.
Vielleicht müssen sich einige Hörer:innen zunächst die Zeit und die Offenheit rausnehmen, sich wirklich in das Album reinzuhören – aber dafür lohnt es sich komplett. Ich bin von der Diversität der Songs mindestens so begeistert, wie ich es bei jeder Leoniden-Liveshow bin. Deswegen habe ich Jakob, dem Sänger der Band, an einem netten Montagmorgen meine Fragen zum Album gestellt und auch währenddessen wieder einmal gemerkt, wie sehr diese Band Bock auf das hat, was sie tut. Wie kann man sie nicht lieben?
Jakob von Leoniden im Interview
Dascha: Hey, guten Morgen, Jakob! Wie geht’s dir? Wie fühlst du dich nach dem Release-Wochenende?
Jakob (Leoniden): (zeigt beide Daumen hoch) Richtig gut! Das Wochenende hat sich fast schon ein bisschen inszeniert angefühlt. Fast so als wäre ich in der Truman Show oderso. Erstmal, dass wir in Kiel reinfeiern durften, obwohl man in Pandemie-Zeiten nie richtig etwas planen kann. Der Release steht ja schon seit 9 Monaten fest, aber das Konzert eben nicht, aber dass es dann genauso klappt! Dann am Release-Tag selbst in Hamburg auf dem Dockville Gelände zu spielen, wo wir auch schon krasse Momente hatte. Und dann als großes Finale am Samstag auf dem About You Pangea Festival ohne Corona-Abstände zu spielen… Pass auf ich zeig dir ein Bild. (Holt sein Handy raus) Das sieht da einfach so aus als wären wir Rammstein mit dem krassen Feuer da!
Dascha: Seid ihr doch, fast.
Jakob (Leoniden): Lennart meinte mal, wir sind Rammstein für Kinder. Naja, das Festival war wirklich verrückt. Wir haben natürlich auch gut gefeiert. Müsste ich heute singen, müssten wir wahrscheinlich alles ein paar Töne runtersetzen.
Dascha: Wann habt ihr eigentlich angefangen an dem Album zu arbeiten? Stand euch der Lockdown irgendwie im Weg?
Jakob (Leoniden): Nee, gar nicht. Wir haben irgendwann Mitte 2019 angefangen an L.O.V.E. zu schreiben. Wir hatten auch viele Songs die auf älteren Skizzen basieren, das haben wir auch bei den vorherigen Alben schon so gemacht. Das heißt theoretisch haben wir schon viel früher angefangen. Aber der erste richtige Schritt zum neuen Album war Mitte 2019, vor zwei Jahren. Und der erste richtig obvious Schritt war im Dezember 2019, da haben wir uns das erste Mal mit Markus Ganter getroffen, der das Album mitproduziert hat. Da haben wir L.O.V.E. aufgenommen, aber da war auch noch kein Lockdown in Sicht. Wir wollten dann im März 2020 für mehr Songs ins Studio fahren, nach Leipzig, damit auch Magnus Wichmann mitproduzieren kann. Das mussten wir aber verschieben, die Pandemie kam direkt am ersten Studiotag dazwischen. Dann haben wir nochmal nach hinten geschoben, dann ging’s.
Dascha: Wir habt ihr es geschafft in der Lockdown-Zeit kreativ zu bleiben? Bei mir zum Beispiel war es irgendwann so, dass ich gar keine Lust mehr auf irgendwas hatte, weil alles so gleich und langweilig war.
Jakob (Leoniden): Find ich schwer zu beantworten, weil ich nicht will, dass das falsch rüberkommt. Ich weiß, dass es nicht bei allen so ist, aber bei mir ist es einfach nicht von sowas abhängig. Wenn ich mich hinsetze, um kreativ zu sein, dann bin ich kreativ. Klar gibt’s auch Tage bei denen keine Sachen rumkommen, die ich lange gut finde. Aber meistens ist es bei mir einfach eine Entscheidung das Ventil aufzudrehen und alles rauszulassen, was da so drin rumfliegt. Ich glaube aber das liegt auch daran, dass wir eine Band sind, die sich selbst immer so pusht und wenn es Limits gibt, immer guckt, was man in dem Limit am meisten machen kann. Deswegen gab es, als der Lockdown kam, direkt diese Rhodes-Medley-Dinger, die ich auf Instagram gemacht habe. Da konnte man sich ja Songs wünschen und dann kam in der nächsten Woche ein Medley mit den Songs. Dann hab ich dieses Looper Video gemacht, wo ich mit der Bohrmaschine Samples für Alone aufnehme. Solche Sachen halt – immer wenn ein Deckel von oben kommt, dann gucken wir, wie man da möglichst nah noch was daran machen kann und das hält uns irgendwie wach.
Dascha: Voll gut, dass ihr das einfach aus den Umständen machen könnt!
Jakob (Leoniden): (Schaut an die Decke und macht einen Luftkuss) Danke, wer auch immer dafür verantwortlich ist!
Dascha: Eigentlich ihr selbst, i guess! Wieso habt ihr euch für ein Doppelalbum entschieden? Welche Vorteile hatte das für euch?
Jakob (Leoniden): Auch das war auf jeden Fall der Pandemie geschuldet. Wir waren mit dem Album schon mehr oder weniger fertig, gemastert war es noch nicht, aber zusammengestellt, gemixt und aufgenommen. Da hatte es 12 oder 13 Songs. Wir waren so „Hm, joa, ist doch ein ganz geiles Album. Aber was machen wir jetzt?“. Da war schon klar, dass es eh erst in einem Jahr rauskommt und Konzerte können wir eh noch nicht spielen. Dann dachten wir, wir nutzen die Zeit in dem wir weitermachen, als wär nichts gewesen. Dadurch haben wir uns mehr Platz geschaffen um zu experimentieren. Hatten wir aber, ehrlich gesagt, im Vorfeld auch schon. Durch die Pandemie gab es einfach genug Zeit jedes Experiment, was nach drei, vier Versuchen gescheitert ist nicht einfach gescheitert in den Schrank zu stellen, sondern nochmal ranzugehen. Dadurch haben es Songs wie Disappointing Life drauf geschafft. Das war eine der ersten Skizzen die wir für’s Album hatten. Die hatte ich alleine gemacht und die anderen waren so: „Joa, ist irgendwie geil, aber schon echt heftig Grunge. Ich weiß nicht genau, ob wir das so machen können.“ Aber irgendwann waren alle so: „Ach komm, wir finden es doch eigentlich alle geil. Lass es uns einfach machen.“ Diese Momente gab es zum ersten Mal bei uns.
Dascha: Denkt ihr beim Songwriting auch schon direkt darüber nach, ob der Song live gut funktionieren wird? Ihr seid ja schließlich eine krasse Live-Band.
Jakob (Leoniden): (Wie aus der Pistole geschossen) Ja, klar! Schuldig! Auf jeden Fall! Aber nicht so, dass ein Song dann Abstriche macht in der Studioversion. Also nicht so, dass etwas nur so sein muss, weil es live geil ist, so ist es nicht. Wir schreiben ja nicht so DJ-Drop-Style orientierte Songs und sagen dann „Das ist hier extra obvious“, weil die Songs sind ja an vielen Stellen alles andere als offensichtlich. Da kommen ja genug Überraschungen. Aus der Live-Perspektive wäre das ja eigentlich nicht so dienlich, dass da viele Überraschungen kommen, die Leute sollen ja auch kriegen, was sie wollen. Da geht’s eher um das Energielevel, das Tempo und die Aufgekratztheit, die uns da immer sehr wichtig ist. Wir finden, dass wir bei dieser Platte das erste Mal geschafft haben, das auch so auf die Platte zu kriegen. Bei den Alben davor war es schon so, dass man die Songs immer mindestens ein bis zwei Mal live sehen musste, um zu checken, wo wir überhaupt mit unserer Musik hinwollen. Und jetzt hat Markus Ganter die Kompressoren auf jeden Fall gut eingestellt, sodass das Schlagzeug richtig reinhaut. So sind die Live-Leoniden und die Album-Leoniden ein bisschen näher zusammen gekommen.
Dascha: Das merkt man beim Hören auch, finde ich.
Jakob (Leoniden): Ja? Geil! Das ist schön. Das wäre jetzt auch blöd, wenn ich hier irgendwas erzähle und du dir denkst „Ehmmm, nö.“ (lacht)
Dascha: Was denkst du, welcher von den neuen Songs ein richtiger Live-Favorit wird? Welche Songs vom Album werden richtig geil auf der Tour?
Jakob (Leoniden): Ein paar haben wir ja diesen Sommer schon gespielt. Was ich richtig cool finde ist, dass wir es mit diesen Complex Happenings Skits geschafft haben, ein bisschen diese jammige Ästhetik, die wir live haben, auch auf die Platte zu kriegen. Der, der nach New 68 auf der Platte ist, ist auch in leicht abgewandelter Form im Live-Set, das find ich richtig cool. Der haut gut rein. Bei welchen Shows warst du diesen Sommer nochmal dabei?
Dascha: Fulda und Frankfurt.
Jakob (Leoniden): Ey, Fulda war lustig. Fulda war richtig lustig! Das war echt das Überraschungskonzert für uns.
Dascha: Verständlich! Es war vor allen Dingen sehr laut.
Jakob (Leoniden): Oh ja, es war sehr laut! Ansonsten, freu ich mich krass auf die Features. Wenn die mal auf Festivals, wo wir alle abhängen, auch live umgesetzt werden können und Erik, Max und Ilgen dabei sind. Ansonsten hat jeder Song seine Vorteile. Ich freu mich auf Paranoid, auf diese Größe, auf das Pompöse, das wir so vielleicht noch nie hatten. Ich freu mich aber auch auf Songs wie Boring Ideas, der einfach nur reinknallt.
Dascha: Ich muss zugeben, dass Funeral mich am Anfang beim Single Release nicht so abgeholt hat, aber nachdem ich ihn live erlebt hab, ich doch sehr in love bin und ihn ständig höre. Das ist irgendwie der Leoniden-Effekt.
Jakob (Leoniden): Ich glaube das bleibt bei uns auch so, aber das find ich auch gut so. Liveshows sind quasi immer der Schlüssel zu unserer Musik. Das ist auch der Grund, wieso wir nie einen Erfolg im Ausland haben könnten ohne da gespielt zu haben. Man muss das einfach mit uns live verknüpfen. Das find ich aber auch toll, das macht die Liveshow unersetzlich. Auf der Platte sind Live-Leoniden und Album-Leoniden zwar näher aneinander, aber sie sind natürlich nicht das gleiche. Können sie wahrscheinlich auch niemals sein.
Dascha: Voll, genauso hab ich euch damals angefangen zu hören. Einmal auf einem Festival gesehen und direkt komplett überzeugt.
Jakob (Leoniden): Das ist einfach die Leoniden-Lovestory!
Dascha: Oh ja, das ist bei fast jedem, den ich kenne, mit eurer Musik so gewesen. Auf dem neuen Album gibt’s ja absolut keine Grenzen, vor allem keine Genregrenzen. Woher stammen die musikalischen Einflüsse? Fiel es euch schwer, euch von eurem gewohnten Sound, auch wenn ihr schon immer vielseitig wart, loszureißen?
Jakob (Leoniden): Nö, gar nicht! Das war mega easy. Es war nur eine Entscheidung. Wir mussten ja auch nicht noch neu studieren wie man Grunge-Akkorde schreibt, das war alles schon drin. Ich glaube wir sind fünf sehr wild musikalisch sozialisierte Leute, man könnte uns den Hahn zu neuer Musik einfach abdrehen und wir würden trotzdem unendlich viel Musik weiterschreiben können. Wir sind alle so voller verrückter Ideen. Es war nicht schwierig, wir haben irgendwann gesagt „Können wir das machen?“ und dann gesagt „Ja, natürlich!“. Es ist 2021, Leute teilen sich eh nicht mehr in Rap- und Rockhörer*innen auf. Selbst die größten Indieheads kennen alle B-Seiten von Travis Scott. Aber von Bands erwartet man immer noch voll, dass sie ein bestimmtes Genre fahren. Das finde ich eigentlich ein bisschen weird. Man muss nicht sein Leben lang nur Grunge studiert haben, um es zu machen. Na gut, so hab ich angefangen, mit Nirvana Covern (lacht). Aber ich find das völlig in Ordnung und ich finde das Korsett, das man sich als Band anzieht, ein bisschen altbacken.
Dascha: Ist ja im Endeffekt für die Hörer:innen auch interessanter.
Jakob (Leoniden): Ja, voll! Es ist auf eine Art und Weise auch eine größere Challenge. Es gibt ja auch Leute, die sehr verkopfte, anspruchsvolle Musik mit sehr langen Songs und vertrackten Rhythmen wollen und das ist eine Art von Abenteuer, auf das man sich einlassen kann. Aber bei uns ist es halt anders. Bei uns ist es manchmal wie eine hakende CD zwischen den frühen 2000ern und jetzt und einem fliegt alles um die Ohren. Stück für Stück kann man es ganz einfach konsumieren, aber so im gesamten Kontext fordern wir schon ein bisschen Offenohrigkeit. Deswegen hören wir bei jedem Release in den Reviews auch oft sowas wie „Die sollen sich mal entscheiden, das ist viel zu wild“. Und ich denk mir so eyyy maaaann, hör es dir doch erstmal zehn Mal an. Zu wild? (lauter werdend) Zu viel auf einem Album? Was soll das denn heißen? Ich glaub, mein Kopf platzt. (lachend) „Das Album kann man so schlecht einfach nebenbei hören“, na gut mein Freund, dann freu dich doch!
Dascha: Stimmt, zu viel kann es eigentlich nicht geben. Ihr habt auf dem Album auch zum ersten Mal Features drauf. Wie kam es zu dieser Entscheidung jetzt andere Künstler*innen mit bei euch rein zu lassen? War das anders?
Jakob (Leoniden): Das ist ein guter Punkt! Bei den Alben davor war es wirklich explizit nicht so. Da war es uns sogar wichtig, dass wir keinen Platz für Features machen. Die Feature-Entscheidung kam jetzt ziemlich am Ende, die kam erst dieses Jahr. Da waren ein paar der neueren Songs noch nicht vollendet besungen, dann haben wir daran gedacht, wie nice es wäre Erik von Pabst da drauf zu haben. Und dann dachten wir, kommt, wir überlegen mal, wer featuren könnte, wenn wir Features machen würden. Dann war es ganz schnell klar und alle hatten mega Bock. Alles ging super schnell, einfach voll geil. Ich mag den Schulterschluss daran, dass wir damit sagen, wir als Indie-Bubble können auch zusammen Musik machen.
Dascha: Ich finde die Features sind auch passend gewählt! Wie ist denn eigentlich der Name des Albums entstanden? Wer hatte die Idee?
Jakob (Leoniden): Definitiv Lennart. Er am aber zunächst an mit „Leute wie wärs wenn wir das Album Complex Happenings Reduced To A Simple Design Which Enables The Individual To Make It’s Own Bad Decisions nennen?“ und wir alle so „Boah, Lennart, den nehmen wir!“ Zwei Tage später gedacht, dass es doch ein bisschen übertrieben ist. Aber dann ist uns aufgefallen, dass die Hälfte dieses Satzes schon viel mehr für uns aussagt, als es der vollständige Satz es getan hätte. Das ist zum einen, das, was wir beim Songs Schreiben machen. Ich meine, wie hoch kann man denn bitte greifen, wenn man ein Lied L.O.V.E. nennt und es geht nur drei Minuten lang? Das ist schon ein Widerspruch in sich, Menschen versuchen seit der Entstehungsgeschichte der Menschheit Liebe zu verstehen und schaffen es immer noch nicht. Und dann kommen wir mit einem drei Minuten Song an. Aber das ist natürlich ein subjektiver Auszug aus dem Liebesthema, den wir dann darein gebracht haben. Hinter der ganzen Arbeit, die dahinter steckt, bleibt dann am Ende immer ein sehr simples Design. Dann kam noch das Albumcover von No Talent dazu, die brennende Welt. Dann war es einfach komplett klar, dass das Album so heißt. Angewandt auf verschiedene Themen hat es einfach was in uns ausgelöst. Dass man sagt, hey, die Welt brennt, das kann ich dir ganz einfach zeigen. Aber die Gründe dafür – puh, nicht so simple.
Dascha: Wirklich eine sehr schöne Antwort! Von hier mal zu New 68: Wie kam es dazu, dass ihr einen politischen Song, vor allem mit den Videos dazu, veröffentlich habt? Gab es einen bestimmten Auslöser dafür? Findest du Bands sollten sich mehr politisch positionieren bzw. hast du das Gefühl, dass ihr damit etwas anregt oder bewirkt?
Jakob (Leoniden): Der Auslöser war definitiv unser Konzert bei der Fridays For Future Demo 2019 in Hamburg. Weil da einfach 12 Tausend Schüler*innen waren, die für eine Sache einstehen, die die Generationen darüber verkacken und sie das aber ausbaden müssen. Ich fand das krass, wie sehr die das alles begriffen haben. Wir sind auch schon immer politische Menschen gewesen und oft auf Demos gewesen, aber früher war die Bewegung, die Menschenwürde und Nachhaltigkeit auf Platz 1 fordert, noch nicht so groß. Ich finde es mega wichtig- (wird von JP, dem Bassisten der Band, aus der Ferne unterbrochen)
(Rufend und jubelnd) Jaaaaa, geil! JP meint, wir laufen grad im Radio, mega geil!
Dascha: Nice, welcher Song?
Jakob (Leoniden): Warum auch immer: Where Are You. Aber ist auch ein geiler Song! Ehm, ja, also ich fand die Demo sehr inspirierend. Und ich finde es super wichtig, dass Leute mit einem Publikum, das ihnen vertraut, eine politische Haltung haben, die sie auch kommunizieren, wenn es gefragt ist. Ich finde es aber nicht so wichtig, dass jede Band, jede Künstlerin oder jeder Künstler politische Musik macht. Ich finde in Musik darf es auch um andere Themen gehen. Witzigerweise hab ich letztens ein Interview von uns gefunden beim Kosmonaut Festival, das war so drei Wochen nach der Fridays For Future Demo. Da wurden wir gefragt, ob wir nicht irgendwann mal einen politischen Song machen wollen. Da meinten wir „Hm, joa, vielleicht probieren wir es beim nächsten Album mal“, das hatte ich vergessen, aber jetzt ist es einfach passiert. Und zum letzten Teil deiner Frage – ja, wir haben total das Gefühl, dass es etwas gebracht hat. Es ergab sich echt viel Diskurs daraus. Erstmals gab es auch viel Fläche darüber zu reden, so wie jetzt hier zum Beispiel, das ist auch sehr gut. Mir selbst hat es auch wirklich viel gebracht! Ich als links-zeckig groß gewordene Person hatte immer ein zwiespältiges Verhältnis zu parlamentarischer Politik. Das konnte mir Aminata (Touré) aber total augenöffnend erklären.
Dascha: Richtig schön! Ich hab letztens auch eine Doku im Fernsehen geschaut, in der sie viel gesprochen hat, das war echt interessant.
Jakob (Leoniden): Ja, oder? Sie ist echt eine krasse Persönlichkeit!
Dascha: Ja, das glaub ich auch. Habt ihr eigentlich schon mal darüber nachgedacht, wie es musikalisch in Zukunft für euch weitergeht? Weil ihr auf dem Album schon so viel verschiedenes ausprobiert habt. Besteht da vielleicht der Gedanke, das auf dem Nachfolger nicht steigern zu können?
Jakob (Leoniden): Ich weiß, es ist noch zu früh, um das zu sagen, aber ich muss es einfach sagen: Wir haben schon angefangen weiterzuschreiben. Einfach sofort angefangen. Wir haben jetzt schon fünf neue Skizzen für Songs. Und – schnallt euch an, ey (lacht). Es gibt noch viel viel viel zu tun. Genau das meinte ich vorhin, ich glaube Kreativität ist ein bodenloser Brunnen. Es ist unerschöpflich. Und ich glaube, wenn man uns in einen Keller sperrt und sagt „Schreibt Musik“, dann hören wir erst auf, wenn wir rausgelassen werden. Ich mache mir gaaaar keine Sorgen, dass wir irgendwann denken „Was machen wir jetzt, wir haben schon alle Genres der Welt gemacht“, das wird einfach nie passieren.
Dascha: Yay, sehr gut! Du hast vorhin gepostet, dass du dir ein Tattoo stechen lassen hast, war das wirklich noch heute morgen?
Jakob (Leoniden): Ne, ne, das war auf dem About You Pangea Festival. Der Fahrer und Fotograf von Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys hatte eine Nadel dabei, dann hab ich mir von ihm das Blue Hour Auge stechen lassen.
Dascha: Ah, sehr cool! Dann sind wir hiermit schon bei der letzten Frage. Die ist bei uns immer eine untold story, also ein kleines Geheimnis oder eine Geschichte, die du noch nicht öffentlich geteilt hast.
Jakob (Leoniden): Ja, ich hab eine Geschichte! Magnus Wichmann, einer der beiden Produzenten, ist ein langjähriger Freund von uns. Schon bevor ich bei den Leoniden war, waren wir schon super gut befreundet. Der war auch bei unserem DIFFUS Musikvideo Dreh dabei, bei dem wir Augenklappen anhatten, was wir für Freaks gedreht haben. Magnus ist eher etwas soziophob und manchmal etwas körperklausig. Er saß alleine in einem Boot und hat sich schön viel Bier reingeballert. Dann beim Aussteigen aus dem Boot – er war schon sicher auf dem Steg – ist er ungelogen 20 Sekunden lang gefallen. Kennst aus dem Deichkind Video von Richtig Gutes Zeug diese Szene, wo Lars Eidinger vor dem Bierregal hängt? So, aber noch viel geiler! Es war die beste Szene, die an diesem Tag passiert ist, die hat keiner gesehen außer uns fünf. Wir standen da auf einer Brücke, haben Magnus gesehen und er uns auch. Er ist wirklich einfach 20 Sekunden lang gefallen, das war das Beste, was ich dieses Jahr gesehen hab! Ich kann es leider nicht vormachen, ich kann es nicht zeigen, aber es ist für immer hier drin (klopft aufs Herz). Ich liebe dich Magnus, ich liebe dich über alles!
Dascha: Sehr schöne Geschichte. Ich danke dir für deine Zeit, bis bald!