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Interview zur Videopremiere: Ein Abend mit Leopard und „20.000 Sternis“

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Leopard, eine quasi neugeborene Band aus Berlin, feiern heute exklusiv bei uns die Videopremiere zu ihrem Song „20.000 Sternis“. Jule hat dazu mit Sänger Lars und Gitarrist Christian einen Abend in Berlin-Schöneberg verbracht. Was Sternburg zu dem Song sagt und was für coole, engagierte Menschen hinter Leopard stecken, lest ihr jetzt in einem etwas anderen Interview.


Vorab: Leopard gibt es echt erst seit knapp einem halben Jahr. Ich habe sie kennengelernt, weil Christian vor einigen Wochen bei einem anderen Interview-Date dabei war und mir eine CD zum Reinhören in die Hand gedrückt hat. Habe ich natürlich getan: Den Sound ihrer am 12.06.2020 erschienen EP „Mysterium“ fand ich direkt spannend. Um es einmal genremäßig runterzubrechen: Es ist irgendwie schrammeliger, aber sau ehrlicher und authentischer Post-Punk mit deutschen Texten.

Es ist ein schöner Mittwochabend, als ich mich mit Lars und Christian in der Roten Insel treffe, weil sie hier, Zitat, „subkulturell sozialisiert“ sind und auch ihren Proberaum haben. Freudestrahlend kommen sie mir entgegen. Die Wellenlänge stimmt ab der ersten Sekunde. Gemeinsam trinken wir das erste Sterni und mampfen was, denn mittwochs gibt’s hier eine VoKü (hands down, ich habe schon lange nicht mehr so lecker gegessen). Etwas an der Roten Insel hat mich nachhaltig beeindruckt: Ich habe diesen Ort noch nie vorher besucht, mich aber von allen Seiten direkt herzlich aufgenommen gefühlt. Konsequenz: Liebe geht raus an die Rote Insel <3

Ziemlich schnell ging es im Gespräch mit Lars und Christian um ihr EP-Release-Konzert. Da ein normales Club-Konzert ja nicht möglich war, haben Leopard nämlich kurzerhand ein Soli-Konzert auf einem Dach gegenüber der JVA Berlin-Moabit gespielt.

Christian: Wir haben ja im Juni die EP rausgebracht und wollten unbedingt ein Release-Konzert spielen – war halt überhaupt gar nicht möglich. Für uns als Musiker sind sämtliche Beschränkungen natürlich absoluter Abfuck. Gerade, wenn du eben eine EP veröffentlicht hast und einfach spielen willst. Dann haben wir halt für die Insassen der JVA gespielt und das war echt geil.

Lars: Ich wohne da in der Nähe und wir haben sowas auch schon mal aus dem Fenster raus gemacht. Die Insassen freuen sich halt, wenn einfach auch mal irgendwas passiert. Wir haben dieses Konzert dann sowohl live gestreamt als auch mit drei Kameras gefilmt. Einen Zusammenschnitt davon gibt’s übrigens auf YouTube zu sehen.

Jule: Krasse Idee! Wie war das so? Wie waren die Reaktionen? Gab‘s Ärger?

Lars: Joa, wir haben am Ende schon eine Anzeige kassiert (lacht). Wir haben halt eine fette 1.300-Watt-Anlage auf das Dach einer Häuserreihe gestellt, weil wir den Knasthof richtig schön beschallen wollten. Die Insassen haben’s auch voll gefeiert. Irgendwann wurden sie leider wieder weggesperrt.


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Nach dem Essen entführen mich die Jungs zum ehemaligen Drugstore bzw. zur Potse. Früher hatten sie im Drugstore ihren Proberaum. Es gab viele Konzerte und Möglichkeiten für Jugendliche, sich wie auch immer auszuleben. Die Mietverträge der selbstverwalteten Jugendzentren wurden nicht verlängert und neue Räume stehen aktuell (noch) nicht zur Verfügung. Stattdessen sollen in die Räume eine private Wirtschafts-Uni und ein Co-Working-Space einziehen. Der Drugstore ist bereits ausgezogen, die Potse ist seit dem Ende des Mietvertrages von Jugendlichen besetzt – um ihren Treffpunkt zu erhalten oder wenigstens neue Räumlichkeiten zugesagt zu bekommen. Dieses Thema liegt Leopard ziemlich am Herzen. Sichtlich bewegt und wütend erklären mir die beiden den aktuellen Stand. Ist in Berlin ja leider keine Seltenheit, dass Institutionen einfach ausradiert und weggentrifiziert werden, obwohl sie ein so wichtiger kultureller Strohhalm für viele Jugendliche und junge Erwachsene sind. Pfui Berlin, pfui!

Um die Gemüter wieder etwas zu beruhigen, steppen wir zum Späti, decken uns nochmal mit Sternis ein und setzen uns in den benachbarten Kleistpark. Als wir da ankommen, ist gerade eine Gruppe dabei, mit Schwertern zu kämpfen – die perfekten Klänge, um ein bisschen intensiver über die Musik von Leopard zu quatschen.

Lars: Unsere EP ist auf jeden Fall mega wichtig für uns, weil sie bisher der einzige musikalische Output ist. In unseren früheren Bands war es auch immer schwierig was zu kreieren, womit alle glücklich sind. Das war hier einfach völlig anders. Wir haben die EP bei Thies in der Tonbrauerei produziert, vorher war das immer DIY und klang irgendwie nicht soo geil (lacht). Ich habe bei der Platte jetzt wirklich das Gefühl, dass das ein Sound ist, der uns gut steht und eben auch der Sound ist, den wir im Proberaum spielen.

Christian: Thies hat auch sofort gecheckt, wie wir den Sound haben wollen. Es war ein super natürlicher Prozess. Wir haben die EP live aufgenommen, sie ist einfach aus einem Guss. Obwohl wir sie schon nach zwei Monaten Bandgeschichte aufgenommen und das im Endeffekt nur viermal geprobt haben. Wir wussten einfach, was wir wollten, es war super harmonisch.

Jule: Wie entstehen eure Songs denn? Schreibt sie gemeinsam oder gibt’s eine Art Rollenverteilung?

Christian: Das ist ganz unterschiedlich. Es gibt Songs, die ich geschrieben habe, es gibt welche die Lars geschrieben hat. Das ist sehr offen bei uns: Wer eine Idee hat, der wird unterstützt und dann arbeiten wir das gemeinsam aus. Einen richtig festen Prozess haben wir da nicht.

Die beiden erzählen mir weiter, dass die Mysterium-EP ein absolutes Herzensprojekt ist. Es sind Songs, die schon vor längerer Zeit hätten vertont werden sollen. Ein übergeordnetes Thema gab es daher nicht. Das Mindset war, ehrliche Texte zu schreiben. Für Lars klingen die Texte anderer Künstler:innen oftmals designt, es wird erst darüber nachgedacht, was man ausdrücken möchte, welche Attitüde, welches Lebensgefühl. Bei ihm ist das umgekehrt. Er schreibt die Texte einfach aus der Emotion heraus, ohne darüber nachzudenken, wie sich der Text am Ende als Ganzes liest. Die Songs von Leopard sind Abbilder ihres Lebens, gerade in der aktuellen Situation. Momente krasser Lebensfreude, aber auch das Gefühl des Verlorenseins.

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Jule: Kommen wir doch mal zum Song des Tages, „20.000 Sternis“. Wie ist der denn entstanden?

Lars: Den habe ich zu Weihnachten bei meinen Eltern geschrieben. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt auf jeden Fall eine Abfuck-Zeit, deshalb ist „20.000 Sternis“ auch ein klassisch trotziger Abfuck-Song. Sollte er eigentlich nicht sein, aber natürlich ist er auch irgendwie ein Werbe-Song (lacht).

Christian: Da gibt es übrigens eine witzige Anekdote zu: Wir haben Sternburg gefragt, ob sie mit dem Song Werbung machen wollen. Sie haben geantwortet mit dem Wortlaut: „Wir finden den Song wirklich cool, aber die Hauptaussage dieses Liedes lässt sich leider überhaupt nicht mit bewusstem Konsum von Alkohol in Verbindung bringen“. Und wir dachten nur so: JA KACHING, STERNBURG SAGT WIR SIND ZU BESOFFEN FÜR STERNBURG (alle lachen).


Nach der EP ist vor der EP. Leopard planen natürlich auch schon ihre musikalische Zukunft. Ob nun ein Album, oder eine Doppel-EP, die deutsche und englische Texte beinhalten würde, mal sehen was kommt. War „Mysterium“ noch eine rein intuitive Platte, möchten sie die momentane Lage nutzen, um ihren Sound weiter zu spezifizieren und auszuarbeiten. Es bleibt also auf jeden Fall spannend, was da in Zukunft auf uns zukommt.

Jule: Zum Ende dieses Interviews gibts den weltberühmten blank space, mit dem ihr tun und lassen könnt, was ihr wollt. 3, 2, 1…

Christian und Lars: Wir würden gerne unserer Freundin Nam das letzte Wort überlassen, die Teil des Kollektivs D.A.M.N. ist: „D.A.M.N. (Deutsche Asiat*innen, Make Noise) ist eine politische Plattform für asiatische Menschen in Deutschland. Deutsch-asiatische Perspektiven sind in der deutschen Gesellschaft immer noch unterrepräsentiert oder werden nicht ernst genommen. Auch in feministischen und anti-rassistischen Mainstream-Diskursen werden asiatisch gelesene Menschen oft nicht berücksichtigt. Was übrig bleibt sind eindimensionale, fremdgesteuerte und stereotypisierte Darstellungen von (deutsch-)asiatischen Identitäten. D.A.M.N. versteht sich daher als Widerstandsbewegung gegen Unsichtbar- und Andersmachung, soziale Bevormundung und politische Instrumentalisierung von Menschen mit asiatischer Herkunft.“ (https://deutscheasiatenmakenoiseblog.wordpress.com)

Jule: Sauber. Vielen Dank für den schönen Abend und das noch schönere Interview! *Sternis die aneinander klirren*


So, und jetzt präsentieren euch endlich das Video zu „20.000 Sternis“, in dem es um einen Abend vorm Späti geht (mindblowing). Gefilmt mit einer Steadycam und 10 Freunden, die sich (erwachsen und dem Konsum und den Auswirkungen von Alkoholmissbrauch bewusst) hemmungslos betrinken. Das Ganze kommt als Lyric-Video daher und kann jetzt exklusiv von euch ausgecheckt werden, viel Spaß!


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Fotocredits: Lazarus Dance und Erika Stehli

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