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Fullax mit Debütalbum “Dann Dann Dann”: Ein Abbild unserer Gesellschaft

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Fullax aus Kassel halten mit ihrem Debütalbum „Dann Dann Dann“ einer ganzen Generation den Spiegel vor. In 11 Songs wird’s mal wild, mal zurückhaltend, mal ausgelassen und mal melancholisch. Aber egal welche Stimmung sie nun verbreiten, die Songs sind immer gespickt mit starken Sounds und noch stärkeren Messages. Die komplette Review von Jule liest du jetzt.

Fullax, bestehend aus Julian Giese und Jonas Hoppe, gibt es bereits viiiele Jahre. Der Name „Fullax“ ist übrigens nordhessische Mundart und bedeutet „Faulenzer“ (danke Facebook). Faul waren die beiden in den letzten Jahren aber nun wirklich nicht. In einem Scheunenanbau auf einem alten Mühlenkomplex haben sie sich ihr eigenes Studio eingerichtet und dort in sweeter Eigenregie ihr kürzlich erschienenes Debütalbum produziert.

Bevor ich mit den einzelnen Songs starte, noch ein Einwurf vorweg: Selten ist mir eine Review schwerer gefallen als diese. Ihr hättet diesen Artikel eigentlich schon viel früher lesen sollen, aber meine eigene Unzufriedenheit stand mir im Weg. Ich habe es einfach nicht geschafft, dem Album mit meinen Worten auch nur ansatzweise gerecht zu werden. Warum ich das erzähle? Weil auch ich mal einen Reminder brauche, dass es völlig okay und normal ist, unzufrieden mit sich zu sein.

Aber jetzt höre ich auf rumzuheulen und steige in „Dann Dann Dann“ ein:

„1000 Karat“

Das Album beginnt mit dem Song „1000 Karat“, der ein Intro im klassischen Sinne ist. Nicht einmal eine Minute lang heißt er mich sanft glitzernd und in AutoTune gehüllt willkommen. Im Nachhinein muss ich sagen, dass ich ein kurzes Intro, gerade auf Alben, ziemlich angenehm finde. Man wird doch gerne erst einmal begrüßt, oder? Nach dem „Hallo“ habe ich genau einen Atemzug lang Zeit, dann geht es weiter.

„Scary“ und „Egal“

Schon die ersten Takte von „Scary“ lassen mich wissen, dass ich’s in der nächsten halben Stunde mit richtig guten Melodien zu tun haben werde. Ein bisschen fühlt es sich an, als sitze ich in einer Achterbahn. „1000 Karat“ war die noch langsame Fahrt nach oben. Mit „Scary“ bin ich dort angekommen und rase das erste Mal steil hinab. Eine poppiger Beat und saftige 80er Synthies, die sich etwas zurücknehmen, wenn Sänger Julian loslegt. Der Song lebt für mich von den Harmonien, die durch die Background-Vocals erzeugt werden. Es geht darum nicht zu wissen, wohin man eigentlich will. Und wie man bisher so weit gekommen ist. Ist das überhaupt der richtige Weg? Kommst du mit mir nach ich-weiß-auch-nicht-so-genau? Bitte komm‘ doch mit mir.

Nicht weniger rhythmisch geht’s dann mit „Egal“ weiter. Aber Moment mal, sind das Streicher? Oh. Gott. Wie. Nice. Streicher in Verbindung mit E-Gitarren, klaren Drums und ein paar gut platzierten Synthies sind der absolute Shit. Die Vocals machen den Song zwar erst vollkommen, aber das Instrumental ist einfach eine stabile 12/10. Fullax liefern hier einen tanzbaren Hit mit Ohrwurm-Faktor, der es auch in sehr viele Insta-Storys geschafft hat. Weil er eindrucksvoll ausdrückt, wie egal einem etwas oder jemand sein kann. Oder gerade eben nicht egal. Denn es ist ein Hin und Her zwischen „du kannst mich mal“ und „ich kann nicht ohne dich“. Ein toller Song, dessen Story wohl viele mitfühlen können.

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„Die Nacht“ und „Nordstadt“

„Die Nacht“ startet mit kräftigen Drums und einer toughen Gitarren-Melodie. Julian‘s Stimme strotzt hingegen ab dem ersten Ton vor Melancholie. Es geht um jemanden, der Nacht für Nacht im Traum da ist, aber am Morgen danach eben genauso verblasst, wie der Traum selbst. Dem Song gelingt hier ein toller Spagat zwischen Traurigkeit und Ausgelassenheit, auch durch die dezent platzierten AutoTune-Akzente. Die Melodie des Refrains beißt sich sofort in meinem Hirn fest. Während der Sound nach vorn geht und zum Tanzen anregt, findet sich stimmliche Melancholie aber auch in den Lyrics wieder. Wahrscheinlich deshalb hat sich „Die Nacht“ auch zu einem meiner Lieblinge des Albums gemausert.

Du bist das kleine bisschen Schlaf
Du bist das kleine bisschen Hass
Du bist die Nacht, du bist die Nacht für mich

Im Vergleich zu „Die Nacht“ kommt „Nordstadt“ soundtechnisch beschwingter und fröhlicher daher – und etwas poppiger als die Songs davor. Fullax besingen hier die Kasseler Nordstadt. Es geht um die Verbundenheit und Liebe zu dem Teil der Stadt, den man sein Zuhause nennt. Und der Abgrenzung zu anderen Teilen der Stadt. Ich glaube, egal woher man kommt, jeder kann diesen Song auf seine Stadt spiegeln. Denn es ist einfach in jeder Stadt genau SO. Soundmäßig offenbart sich mir spätestens mit „Nordstadt“ der rote Faden dieses Albums. Highlight des Songs ist aber eindeutig die italienische Strophe, die dem ganzen einen witzigen und auflockernden Twist gibt.

„Dann Dann Dann“ und „Absinth“

An sechster Stelle des Albums findet sich der titelgebende Song „Dann Dann Dann“. Der Anfang gibt einen beruhigenden Moment zum Durchatmen. Dann explodiert der Song aber zum Refrain hin und nimmt mich mit auf einen wilden Ritt (= Metapher dafür, dass der Beat ein bisschen wie ein Galopp klingt). Im Song selbst geht es um das Verreisen, ohne genau zu wissen, wohin der Weg einen führt und wann genau man eigentlich wiederkommt. Er kritisiert aber auch die Art wie wir verreisen. Ist man wirklich weg und nicht greifbar, wann man jeden Zentimeter des Strands und jeden Cocktail am Pool mit der Welt teilt? Kurz vor Ende des Songs gibt’s einen ruhigen Vocoder-Part, der dem Song die Schnelligkeit, die auch das Reisen manchmal mit sich bringt, wieder nimmt und ihn zurück auf den anfänglichen Boden der Tatsachen befördert.

Weiter geht’s mit „Absinth“, einem einminütigen Song, der überraschend punkigrockig klingt. Er wirbelt die vorherigen Synthie-Pop-Sounds einmal wild durch die Luft und lässt die bisher besungenen Fragen und Unsicherheiten dank seiner klaren Worte im Regen stehen. Eine schrammelige Abwechslung, mit der ich nicht gerechnet habe, die ich aber unfassbar gut und erheiternd finde. Live dürfte dieser Song der absolute Stimmungscatcher sein. I like.

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„Beverly Hills“ und „Fake“

Als nächstes läuft „Beverly Hills“, der nach dem Punk-Ausflug wieder im gewohnten 80er-Synthies-Sound daherkommt. Und im Refrain den auf dem ganzen bisherigen Album immer mal wieder aufkeimenden AutoTune-Flair nochmal auf ein höheres Level hebt. Zwischendrin wird’s fast sogar etwas psychedelisch. Ich weiß, dass dieser Song nicht nur für mich einer der Highlights dieses Album ist. Besonders die Lyrics haben es mir angetan, in denen Fullax die Rich Kids kritisieren, die sich auf dem ihnen in die Wiege gelegten Reichtum ausruhen – und das mit einem Song, dessen Ohrwurmfaktor bei geschätzt 3000 liegt.

Komm her, ich kauf dir die Welt
Wenn’s dir nicht gut geht, wird schon mit Geld
Brauch ich Geld, oder brauch ich dich?
Und was brauch ich?

„Fake“ führt dann konsequenterweise das Themengebiet fort, dem „Beverly Hills“ die Tür geöffnet hat. Hier geht’s jedoch um die, die nur so tun, als wäre ihr Lifestyle der in Beverly Hills – ist natürlich nur die halbe Wahrheit, wenn überhaupt. Es ist wichtig, sich selbst dafür zu sensibilisieren, was wahr und was falsch ist. Kann ich dir vertrauen oder soll mich deine Geschichte nur künstlich beeindrucken? Passend zu diesen Fragen baut sich „Fake“ langsam und schon fast zurückhaltend auf und blüht in wilden Synthies und Snares auf, um sich danach wieder in seine Gediegenheit zurückzuziehen. Julian‘s Stimme fällt mir hier übrigens extrem positiv auf, weil sie stark und zerbrechlich zugleich klingt. Der starke Part steht für mich in diesem Fall für das Aufbauen des Fake-Konstrukts und die Zerbrechlichkeit für die Angst davor, dass eben jenes auffliegen könnte.

„Shishabars“ und „Brauner Fluss“

Der vorletzte Song heißt „Shishabars“ und erzählt ziemlich genau einen sehr wichtigen Teil meiner Jugend (dem ich oft hinterhertrauere). So oft es ging, haben wir uns in unserer Lieblings-Shishabar getroffen. Ohne Traube-Minze war ein Freitagabend damals eben nur halb so gut. Soundgebend ist hier ein Klavier, das mir im Zusammenspiel mit dem Gesang die erste Gänsehaut des Albums verpasst. Und mit dem ersten Refrain und den hoch gesungenen Tönen schießen mir ganz vielleicht ein oder zwei Tränchen in die Augen. Fullax beweisen hier, dass sie nicht nur die ausgeklügelten, sondern auch die minimalistischen Sounds krass gut draufhaben. Kleiner Tipp am Rande: Checkt hier mal die Piano-Session von „Shishabars“, die ist wundervoll!

Kommen wir nun also zum Ende des Albums und „Brauner Fluss“. Schon der Titel lässt vielleicht erahnen, dass es jetzt politisch werden könnte. Auch hier baut sich der Sound langsam auf und treibt irgendwo zwischen Nachdenklichkeit wiederspiegelnden Gitarren und der Verzweiflung Ausdruck gebenden Drums. Während mit „Oh dein dämlicher Blick / Verändert sich nicht / Und dein Horizont / Endet da am braunen Fluss“ das Gegenüber hinterfragt wird, kommt auch der Aspekt, sich mal an die eigene Nase zu fassen, nicht zu kurz. „Brauner Fluss“ ist einer der kräftigsten und wichtigsten Songs, der das Album mit einer sau wichtigen Message perfekt und mit dem gebotenen Bumms abschließt.

Das Fazit zu Fullax und „Dann Dann Dann“

Nachdem „Egal“, „Shishabars“ und „Brauner Fluss“ bereits als Singles erschienen sind, muss ich schon sagen, dass ich ziemlich hyped auf das Album war. Aber wie ihr eben gelesen habt, wurden meine Hoffnungen nicht zerstört. Ich würde sogar behaupten, dass das Album noch heftiger ist, als ich erwartet hätte. Die Wand an Sounds, die zwischenzeitlich errichtet wird, ist eeeecht strong. Julian’s Stimme ist vielschichtig und berührt mich genau in den richtigen Momenten. Die Lyrics greifen konsequent Themen auf, die jeden von uns schon mal beschäftigt haben. Die größtenteils beschwingten Synthie-Sounds geben mir ein gutes Gefühl, auch wenn das Thema vielleicht nicht gerade das erfreulichste ist. Fullax haben diesen nicht immer einfachen Balanceakt wirklich mit Bravour gemeistert, ich bin schwer begeistert. Die Platte ist extrem liebevoll ausproduziert, ich habe einfach nichts zu Meckern. Alles in allem kann ich nur meinen Hut ziehen und sagen: Ich bin Fullax-Fan! ♡

Hier könnt ihr euch das Album jetzt selbst anhören – und wem’s so gut wie mir gefällt, der kann sich ja noch unverbindlich im Shop austoben, zwinker zwinker. Viel Spaß!

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