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Dreimalumalpha im Interview: „Der Rest ist… Kunst“

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Dreimalumalpha aus Innsbruck in Tirol haben im Dezember 2020 das in meinen Augen beste deutschsprachige Rockalbum des Jahres herausgebracht. Jugend ans Geld verloren kam aus dem Nichts und begeisterte nicht nur mich, sondern auch viele Magazine, Radiosender und Kritikerinnen. Mit einem klaren und zielstrebigen Rocksound, den ich in dieser Form lange nicht mehr gehört habe, schafft die dreiköpfige Band brutale Ohrwürmer, die noch tagelang hängen bleiben. Die absolut treffsicheren Texte runden dieses erstaunliche Debüt ab. Eine große Coming-Of-Age-Geschichte, zu der ich wieder, wie als Teenager, kopfüber im Bett liege und mit meinen dreckigen Socken gegen die weiße Dachschräge im Takt der Musik mitstampfe.

Ich konnte mit Dreimalumalpha vor ihrer Probe per Videochat sprechen. Zu Wort kamen alle Bandmitglieder, nämlich Simon (Gesang, Gitarre), Thomas (Bass, Backingvocals) und Hannes (Drums). Ich war leider nicht in der Lage den ganz zauberhaften und liebenswürdigen Akzent zu verschriftlichen, aber bitte stellt ihn euch vor:


Dreimalumalpha im Interview


Lukas: Hallo ihr drei, schön, dass das geklappt hat mit uns. Sagt mal, wie habt ihr euch kennengelernt und wie lange macht ihr Musik zusammen?

Simon: Dreimalumalpha gibt es schon seit ein paar Jahren. Die Band war zuerst personell anders besetzt, aber da hat sich kaum was ergeben für die Öffentlichkeit. Erst im April 2017 habe ich Hannes kennengelernt und dann sofort mit ihm ein Konzert gespielt. Hannes und ich kannten uns vorher auch nicht. Ein Freund rief mich an und sagte: „Du, neben mir sitzt der Hannes, der spielt Schlagzeug, das wär doch was für dich?“ Dann haben wir telefoniert, Hannes war berauscht, und gleich ausgemacht, dass wir das machen mit der Band.

Thomas: Ich hatte euch in der alten Besetzung ja zwei mal schon gebucht für die Venue, wo ich arbeite. Und als ihr am nächsten Morgen euren Stuff abgeholt habt, habt ihr mich gefragt, ob ich dabei bin.

Simon: Genau, Thomas arbeitet bei der Talstation in Innsbruck und wir waren gerade auf der Suche nach einem neuen Bassisten. Und so hat sich Dreimalumalpha geformt.

Lukas: Warum gerade Innsbruck? Ist das eure Wahlheimat oder eher eine Zwangsheimat?

Hannes: Wahlheimat, ganz klar.
(allgemeine Zustimmung)

Simon: Kommt drauf an, wenn einen die Lebensumstände gezwungen haben, dann ist es auch eine Zwangsheimat. Wie viel Wahl hat man, wie viel Freiheit? Ich bin auch geflüchtet irgendwie, so eine Mischung.

Thomas: Gewählt nach Innsbruck, genau. Ich wollte zwar auch mal weg, aber dann habe ich doch etwas gefunden, was mich hier hält.

Lukas: Wie sieht denn ein typischer Tag in Innsbruck aus (Pre-Corona)?

Hannes: Innsbruck ist definitiv eine Sportlerinnen-Stadt.

Lukas: Ah, dann wahrscheinlich viel Wintersport, oder?

Hannes: Sommersport, Wintersport, Herbstsport und Frühlingssport. (lacht)

Simon: Ja, schon auch viel Bier trinken und so. Kulturelle Veranstaltungen besuchen… Auf der Bogenmeile, das sind die Viaduktbögen in Innsbruck, da fährt auch die Bahn drüber… Dort befinden sich viele Lokale. Das sind bestimmt 15-20 Lokale, die sich da erstrecken. Und dort trifft man sich halt Sonntags. Das ist eigentlich der Treffpunkt.


„Wir verfolgen nicht den Plan, konzeptmäßig da rein zu passen“


Lukas: Gibt es denn eine Musik- bzw. Indieszene in Innsbruck, der ihr euch zugehörig fühlt?

Hannes: Eine Indieszene gibt es kaum. Unser Genre ist nicht so sehr vertreten.

Simon: Ich glaub so Funpunk und politischer Punk ist ziemlich in gerade. Metal… vielleicht eher in den Proberäumen. Auf der Bühne ist es eher der Punk.

Hannes: Konservatoriums-Jazz…

Simon: Aber auch nicht ausgiebig und blumig und schwanger… So ganz verschiedene Jazzclubs nach dem Motto: „In welchen Jazz-Club gehma heute?“ sind hier aufgrund der Größe nicht anzutreffen.

Lukas: Seid ihr also vielleicht der Beginn einer „Tiroler Schule“ als Pendant zur „Hamburger Schule“ der 90er Jahre?

Hannes: Ich glaube das coole für viele Bands in Österreich ist, dass sie hier umher fahren können und dadurch der Ort vielleicht nicht die größte Rolle spielt.

Simon: Ich denke auch. Die Journalisten nehmen, um die Spalten zu füllen, gerne dieses geografische Thema auf.

Lukas: Sind die Bands der „Hamburger Schule“ denn überhaupt persönliche Vorbilder oder ist das eher ein Zufall, dass euch viele Rezensentinnen mit diesem Subgenre vergleichen?

Simon: Ich als Songwriter habe mich nicht quer durch die Hamburger Schule gehört. Ich habe schon recht viel von Tocotronic gehört, vor längerer Zeit. Ich kenne bissl was von Tomte, vielleicht vier Lieder. Und von den Sternen vielleicht auch vier, fünf Lieder. Und sonst kenne ich eigentlich nicht viel. (lacht) Aber natürlich habe ich auch das ein oder andere Stilmittel gut gefunden und das spiegelt sich sicher auch in unseren Songs wider.

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Lukas: Es schwingt leicht mit, dass euch die Vergleiche zu dieser hanseatischen Rockepoche langsam nerven…

Simon: Also mich noch nicht. Noch nicht. Aber es ist halt so eine absehbare Geschichte.

Hannes: Ich glaube der Punkt ist, dass wir nicht den Plan verfolgen, konzeptmäßig da rein zu passen. Es gibt tausend andere Bands und Genres, die genau so großartig sind.

Lukas: Welche Art von Musik wäre das dann? Auf was könnt ihr euch z.B. im Tourbus einigen?

Hannes: Wir überzeugen uns gerne gegenseitig mit fremdem Material. (lachen)

Simon: Ich hör’ zum Beispiel gerne ghanesischen Funk aus den 70er Jahren…

Thomas: Hör ich auch sehr gern…

Simon: Echt jetzt? (lacht) Dann wissen wir ja schon, was wir bei der nächsten Tour im Auto hören. Aber das ist wirklich weitreichend… Von alten Klassikern aus dem Indierock bis hin zu amerikanischen Songwritern aus den 60er Jahren…

Thomas: Ich höre viel 70s Soul und auch härtere Musik aus den 70ern… Aber auch viel Modern Jazz und Neo Soul, sowas.

Hannes: Bei mir viel deutschsprachige Musik und das, was jetzt unter „moderner Punkrock“ fällt. Da bin ich eigentlich immer dabei und höre ich mich gerne durch.

Lukas: Und deutschsprachige Rockmusik? Ist Gitarrenmusik tot?

Hannes: Ich glaube es wird alles gerade poliert, überproduziert und glattgebügelt, oder wie sagt man? Immer weniger so handgemachte Live-Musik.


„Man muss es auch ein bissl so hinnehmen“


Lukas: Euer Debüt „Jugend ans Geld verloren“ ist ungefähr vor einem Monat digital erschienen und bleibt der Gitarrenmusik auf jeden Fall treu. Ein Album zu produzieren ist allerdings heutzutage ja schon fast altmodisch – was hat euch dazu bewegt?

Thomas: Es war ja nicht immer so der Plan, dass wir das so veröffentlichen…

Hannes: Es gab verschiedene Pläne und Diskussionen. Und wir haben uns nach vielem Hin und Her dazu entschieden, es so zu veröffentlichen.

Simon: Wir haben vorher auch viele Singles rausgehauen eigentlich. Über ein Drittel des Albums als Single- und Videoveröffentlichung. Aber irgendwie ist das auch so unser Mindset, dass man ein Album rausbringt.

Hannes: Für uns hat es einfach einen Wert ein Album rauszubringen, was in sich stimmig ist und auch zusammengehört, von der Musik und von der Zeit her. Und das Format Schallplatte ist eben auch interessant.

Lukas: Das Album hat ja auch wahnsinnig gute Kritiken bekommen. War euch das vorher klar bzw. ist es beim Produzieren deutlich geworden, dass das ein Erfolg wird?

Thomas: Weil ich neu dazugekommen bin und die Musik schon relativ fertig war, war mir von Anfang an klar, dass diese Musik nicht dafür gemacht ist, nur in Innsbruck gespielt zu werden. Da ist Potenzial dahinter. So bin ich in die Band eingestiegen.

Hannes: Kalkuliert quasi, eiskalt kalkuliert… (lachen)

Simon: Natürlich gefällt einem das sehr gut, was man selbst macht. Das ist ja eine Identifikationsplattform für einen selbst. Ich habe auch gespürt, dass es ein Potenzial hat und auch für andere Leute geschrieben wurde. Also wie es gemacht ist, ist ja nicht nur rein für uns. Ich wusste, dass werde ich ja irgendwann auch jemandem vorspielen wollen. Jedenfalls war es der große Wunsch und insgeheim auch irgendwie das Wissen, dass es für viele Menschen hörbar werden könnte.

Lukas: Auch Andreas Müller, ein Moderator im Deutschlandfunk Kultur, hat ja im Interview mit euch gesagt, „Am Karussell von Ingo Blaumann“ sei der beste Song, den er je gehört habe…

Simon: Ja, stimmt… Ich habe mich da am Anfang gar nicht getraut, das noch mal zu erwähnen, weil ich nicht wusste, ob das jetzt wirklich sein kann. Aber es ist wahr anscheinend. (lacht)

Lukas: Der Titel „Jugend ans Geld verloren“ ist allein schon ein richtiger Eyecatcher und stiftet viele Assoziationen. Warum dieser Titel?

Hannes: Der Titel stammt von Simon, ich kann nur sagen wie ich ihn finde. Ich finde es beschreibt einfach eine Phase in der eigenen Biografie, die zwangsläufig stattfindet. Es ist gar nicht die Frage, ob es passiert, sondern dass es passiert und wie man damit umgeht und diesen Prozess reflektiert. Die Frage kam oft: habt ihr eure Jugend ans Geld verloren? Ich würde sagen, es passiert mehr oder weniger den meisten Menschen.

Simon (ein neues Bier öffnend): Der Titel ist nicht unmittelbar mit den Songtexten verknüpft. Songs und Titel sind auch zu einem unterschiedlichen Zeitpunkt entstanden. Das hat sich dann irgendwie als Abschluss, als Deckel… oder als Fassung dieser vielen einzelnen Nummern ergeben, dass es „Jugend ans Geld verloren“ heißen soll. Der Rest ist… Kunst. Es braucht auch eine gewisse Intimität zu diesem Kernthema, das man nicht klar aufschlüsseln kann. Es ist einfach eine Geschichte, eine große Geschichte. „Jugend ans Geld verloren“ ist halt der Titel. Es gibt sicher auch andere Titel, die gut gepasst hätten. Da ist kein definitiver Punkt auf dem Album, wo man sagt: deswegen heißt es „Jugend ans Geld verloren“. Es gibt so viele Bedeutungsebenen und Interpretationsmöglichkeiten. Man muss es auch ein bissl so hinnehmen. Man muss es so hinnehmen und das beste für sich draus machen.


„Nicht immer nur »alles super, wir wollen danzn«“


Lukas: Die Texte der Songs haben definitiv auch einen politischen Sound. Wollt ihr politisieren bzw. moralisieren?

Thomas: Man kann es so hinnehmen und sehen, dass das irgendwie politisch ist. Aber man muss es auch nicht so verstehen, weil es irgendwie nie zu direkt oder offensiv politisch ist im Sinne von „mach das nicht“ oder „pass genau auf dies und jenes auf“. Wenn man selbst diese Themen schon mal reflektiert hat, wird man es klar so verstehen. Aber wenn nicht, dann… weiß ich nicht.

Simon: Es ist sicher politisch. Weil ich auch Ohnmacht, Wut und Veränderungswillen verspürt habe in meinem Leben. Und zu dem Zeitpunkt, als ich gewisse Lieder geschrieben habe, ist das präsent gewesen und dann kommt es auch in den Liedern vor. Ich habe einfach mehr auf meinen intuitiven Schreibfluss gehorcht als jetzt gezielt politisch sein zu wollen. Denn man kann ja oft gar nicht sagen: genau dies oder jenes ist das Problem. Im Songwritingprozess ist es meistens weniger die Anklage alleine, es ist oft eine Mischung aus Anklage, einer gewissen Art von Trauer und der Ohnmacht gegenüber bestimmten Themen.

Lukas: Auch das Stichwort Zeit und ein Coming-Of-Age Konzept habe ich oft in den Texten wiedergefunden.

Simon: Die Zeit spielt für mich eine Rolle. Das hängt für mich auch sehr konkret mit dem Titel zusammen. Dieser fließende Übergang von „verliebt in die Idee und das Spiel“ und im nächsten Moment berechnend und professionell gegenüber dem Leben. Um produktiv zu sein, im wirtschaftlichen Sinne. Auch diese Spannen, wann fängt es an, wann hört das auf? Das ist natürlich ein Zeitthema.

Lukas: In den letzten zwei, drei Jahren, vor allem 2020, kam immer mehr Musik mit politischen Inhalten raus. Ist es in diesen Zeiten überhaupt möglich, ein unpolitisches künstlerisches Werk zu schaffen?

Thomas: Ich glaube es ist schon gut, dass es Musik gibt, die komplett unpolitisch ist. Es muss ja nicht immer zum Nachdenken anstiften. Musik ist auch mal ganz fein zum Entspannen. Oder mal zum Durchdrehen. Oder um alle möglichen Gefühlslagen zu durchleben. Es ist aber natürlich auch schön, wenn es irgendwo in der Musik auch ein bissl mehr Inhalt gibt und nicht immer nur „alles super, wir wollen danzn“.

Lukas: Zum Tanzen regt eure Platte dennoch an vielen Stellen an. Es klingt alles sehr organisch und nicht konstruiert in der Produktion. Wie und wo ist das Album entstanden?

Hannes: Ich glaube der Live-Charakter ist in jedem Song hörbar. Ich hoffe man hört, dass es menschengemachte Musik ist und das war auch die geplante Herangehensweise. Matthias Magerle, der Bassist vor Thomas, hat das Album mit uns in seinem Projektraum aufgenommen und produziert und es steckt auch ein großer Teil von ihm drin.

Lukas: Nun hat Corona ja das Leben vieler Künstler im letzten Jahr stark beeinflusst. Könnt ihr vielleicht auch positive Schlüsse daraus ziehen?

(Pause)
Hannes: Irgendjemand hat zuletzt positiv angemerkt, dass wir trotz Corona das Album herausgebracht haben. Vielleicht gibt es auch mehr Leute die gerade sensibel für neue Musik sind. Corona hat aber dafür gesorgt, dass wir den Schwung der Albumveröffentlichung nicht direkt für Live-Konzerte nutzen können. Das ist mit Sicherheit ein Problem.

Lukas: Was sind eure Wünsche und Aussichten für Dreimalumalpha im kommenden Jahr und für die Zeit nach der Pandemie?

Simon: Wir sind guter Dinge im Februar eine Konzertreihe zu starten, beginnend zunächst in Österreich. Wir wollen natürlich viel live spielen. Am liebsten so jeden dritten Tag im Jahresschnitt. Und wir arbeiten weiter an unserer Musik.

Lukas: Danke für eure Zeit und das nette Gespräch und viel Erfolg für die Zukunft!

Die im Februar erscheinende Vinyl von Dreimalumalpha kann man hier vorbestellen.

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