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Chima im Interview: »Ich bin weder anti-rechts noch anti-links, sondern Humanist.«

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Chima, wahrscheinlich euch allen bekannt von dem 2012 Hit „Morgen“, ist wieder da! Immer noch im Deutsch-Pop unterwegs, will er jetzt nach ein paar Jahren Pause das Musikbuizz nochmal angreifen. Anna traf ihn ihm Interview und hat mit ihm über seinen neuen Song „Keine Liebe“, Zukunftspläne und das Rassismussproblem in Deutschland geredet. It’s spannend, wie man so schön nicht sagt, also lest euch rein!
 
Chima im Interview
 
Anna: Hey! Du bist ja wahrscheinlich gerade viel mit Promo unterwegs, deshalb freut es mich, dass es geklappt hat!
 
Chima: Ja, mich auch!
 
Anna: Viele werden dich ja wahrscheinlich von Songs wie „Morgen“ kennen, der 2012 rauskam, direkt gechartet ist und Sprungbrett für dein erfolgreiches Debütalbum war. Wie hat sich das alles für dich damals angefühlt? Hast du mit dem Erfolg gerechnet?
 
Chima: Nee, ich hab damals nicht mit dem Erfolg gerechnet, das kam alles sehr überraschend für mich. Natürlich war das die Ambition, aber wenn sich das dann tatsächlich so einstellt, ist das auf jeden Fall ‘ne Herausforderung für so ne Biographie, weil das dann nochmal ein völlig neuer Horizont ist. Alles, was du erlebst, ist neu und damit muss man auch umgehen.
 
Anna: Jetzt hast du mit „Keine Liebe“ deine erste Solo-Single seit fast 6 Jahren veröffentlicht und bist offiziell wieder zurück im Musik-Game. Was hat deine damalige Entscheidung zu einer Pause bewirkt und was hat dich jetzt dazu getrieben, wieder zurück zu kommen?
 
Chima: Sagen wir es mal so, ich war sehr intensiv beschäftigt damit, zu leben und Dinge über mich und meine Umgebung rauszufinden. In letzter Konsequenz ist das alles für das zuträglich, was jetzt kommt, aber das waren tatsächlich auch die Gründe dafür, warum in der Zwischenzeit nicht wirklich was rausgekommen ist. Ich hatte einfach nicht die Muße, den ganzen Prozess von einer offiziellen Albumveröffentlichung durchzuziehen und war eher mit Vorbereiten und Sammeln beschäftigt.
 
Anna: Also hast du in der Zwischenzeit schon Musik gemacht?
 
Chima: Ich hab die ganze Zeit Musik gemacht, ja. Bin jetzt schwer bewaffnet (schmunzelt) mit richtig tollen Songs, aber es war davor einfach nicht möglich zu veröffentlichen.
 
Anna: Aber jetzt…
 
Chima: (gestikuliert) *Pam Pam* …jetzt bin ich am Steezy (lacht)
 
„Alles, was ich schreibe, hat eine autobiographische Note.“
 
Anna: In deinem aktuellen Song „Keine Liebe“ zitierst du deinen Papa, der von dir erwartet, nicht aufzufallen, immer hart zu arbeiten, um es in dieser Gesellschaft hier „zu schaffen“. Im Gegensatz dazu steht aber die Aussage des ganzen Songs, genau daraus auszubrechen und manchmal impulsiv zu handeln, anstatt alles zu zerdenken. Wie nimmst du diesen Gegensatz der Werte wahr und wie ist der dir in deinem Leben begegnet?
 
Chima: Alles, was ich schreibe, hat eine autobiographische Note. Ich bin ein Kind in zweiter Generation mit Migrationshintergrund. Mein Vater ist aus Nigeria hergekommen, um hier zu studieren, und das sind halt genau die Werte, mit denen er seinen Weg hier erfolgreich bestritten hat. Und das wünscht er sich natürlich auch für die nächste Generation, weil er das Gefühl hat, dass es gerade für jemanden mit meinem Hintergrund schwieriger sein könnte, wenn man nicht diszipliniert, fokussiert und unauffällig ist. Aber wie das dann halt so ist, können Eltern mit so einem Hintergrund es auch übertreiben mit solchen Glaubenssätzen und unter Umständen die Gelegenheit versäumen, irgendwann anzukommen und nochmal die eigenen Werte abzugleichen mit denen der Umgebung. Ich glaube, das ist generell ein Thema von Generationenkonflikt, und deswegen ist es die Aufgabe der nächsten Generation für sich selbst zu filtern, was nehm ich von den Eltern mit und wo muss ich dieses Wertegerüst aufbrechen. Das war der Prozess, in dem ich mich befunden hab. Mein Vater ist konservativ, aber auch sehr liebevoll und setzt auf Kontrolle und Sicherheit. Ich hab für mich persönlich, allein über die Berufswahl, festgestellt, dass es auch seinen Reiz haben kann, genau auf das Gegenteil zu setzen. Und in der Mitte davon will ich mich dann irgendwann einfinden.
„Ich mag es, immer mal wieder auszubrechen.“
 
Anna: Wie war das, als du dich bewusst für die Musikkarriere entschieden hast? Wie haben deine Eltern diese Entscheidung aufgenommen?
 
Chima: Meine Eltern unterstützen mich in dem, was ich tue, sehr. Mein Mutter mehr als mein Vater, der ist eher so ein kritischer Dude und hätte gern für mich gehabt, dass ich Architektur studiere, Arzt werde oder in die Bank gehe, also das, was die ganzen anderenNigerianer in zweiter Generation auch machen: akademische Grade und Ansehen bekommen. Und das hab ich versucht und war auch gar nicht unerfolgreich, aber habe gemerkt, so ey, wie will ich denn damit arbeiten? Mit der Musik hab ich deutlich mehr Spaß und außerdem mag ich es, auch immer mal wieder auszubrechen und mich zu spüren. Und ich glaube, du kannst dich sehr intensiv spüren, wenn du das Regelwerk um dich herum aufbrichst und an deine Bedürfnisse anpasst. Man sagt ja, „um Regeln zu brechen, muss man sie erst lernen“. Es geht aber auch der andere Weg, du kannst erst die Regeln brechen…
 
Anna: … und dann draus lernen.
 
Chima: Genau. Dann kann man die Regeln nachjustieren. Regeln, die in der Vergangenheit ihre Berechtigung hatten, müssen jetzt nicht mehr zwingend gültig sein. Obwohl ich ein großer Fan von Binsen-Weisheiten bin, da steckt sehr viel Wahrheit drin. Wir werden direkt in der Kindheit mit solchen Weisheiten konfrontiert, wissen aber gar nicht, was unsere Eltern jetzt von uns wollen. Dann stehen wirauf unseren eigenen Beinen, in manchen Situationen kommt uns der eine oder andere Spruch bekannt vor, aber wir nehmen sie noch nicht zwingend an. Dann werden wir 30 und merken, die sind doch ganz gut (lacht), ich übernehm mal ein paar. Und mit 40 ist es dann so, dass du deinen Kindern genau die gleichen Sprüche nochmal sagst. Erinner dich an meine Worte! (lacht).
 
„Ich bin weder anti-rechts, noch anti-links.“
 
Anna: In deiner Musik vereinst du beide Kulturen, setzt dich ein für Toleranz und Akzeptanz und hast früher auch sehr aktiv an Anti-Rechts-Projekten mitgewirkt. Wie nimmst du diese Situation knapp 15 Jahre später wahr?
 
Chima: Ist die gleiche. Es ist die gleiche Situation und du kannst sie auch nicht ändern. Für mich ist wichtig, dass man diese Dinge einzuordnen lernt. Du hast gesagt „Anti-Rechts“, aber ich hab mit Anti-Rechts nichts zu tun, ich bin nur ein Gegenpol dazu. Es wird immer Menschen geben, die das Gefühl haben, dass ihnen was weggenommen wird. Das ist ein ganz typisches Phänomen bei Mehrheiten in Gesellschaften. Da gibt es immer eine, meist konservative, Fraktion, die das Gefühl hat, die Traditionen verschwinden, wir werden überschwemmt usw. Das gibt es überall. In Deutschland wird es halt historisch bedingt anders diskutiert. Immer dann, wenn ich das Gefühl hab, dass Menschen aus den Augen verlieren, dass sie über die Grenzen und Würde von anderen Menschen trampeln, dann mach ich meinen Mund auf. Das geht aber in beide Richtungen. Ich bin also weder anti-rechts noch anti-links, sondern Humanist.
„Hier fühl ich mich wohl.“

Anna: Themensprung: 2013 hast du als Support Act bei der Tim Benzdko Tour in der Waldbühne vor 22.000 Menschen gespielt. Ich kann mir das nur als eine sehr heftige Erfahrung vorstellen. Wie war das für dich, dieser starke Kontrast zu den sonst nur kleinen Läden, in denen du getourt hast?

Chima: Also ich würd jetzt gern bescheiden klingen, aber ich fand das angemessen (lacht). Ich spiel auch kleine Konzerte sehr, sehr gerne, aber ich hab das sehr genossen und es war ein wunderschöner Ausblick, den der Tim mir da ermöglicht hat. Ich hab mir gesagt „ja genau, hier möchte ich auch spielen, in der Waldbühne, ich fühl mich wohl“. Tatsächlich war das ja irgendwie überhaupt der Beweggrund für mich, in die Musik einzusteigen. Dass ich irgendwann in meiner sehr eingeschränkten Welt über mein konservatives Elternhaus schon früh diese Träume hatte in so einem Atrium zu stehen vor GANZ vielen tausend Menschen. Ich hab da so ein imaginäres Englisch gesprochen, und mit jedem Wort, was ich gesagt hab, haben die Massen gejubelt. *gestikuliert* „LOOOVE …. POWEER..“ (lacht). Und als ich in der Waldbühne war, hatte ich mal wieder das Gefühl, ja, das war’s, davon hab ich geträumt.

Anna: Da kannst du doch auch richtig stolz drauf sein.

Chima: Worauf?

Anna: Na, was du alles schon geschafft hast.

Chima: Ich werde alles schaffen, was ich mir vornehme.

Anna: Und was nimmst du dir noch so vor?

Chima: Einiges. Aber ich möchte jetzt ein bisschen bescheidener wirken (lacht). Ja, ich bin tatsächlich gar nicht stolz auf die Waldbühne, weil da war ich ja nur im Support. Da müsste ich ja stolz drauf sein, dass der Tim mich nett findet. Ich bin bei mir tatsächlich auf relativ wenige Sachen stolz, aber eine davon ist meine Resilienz und meine Ausdauer. Egal, was kommt, wenn ich mir was in den Kopf gesetzt hab, zieh ich’s irgendwie durch. Und darauf bin ich stolz.

„Wenn Fraktion, dann Fraktion Positiv.“

Anna: Und apropos zukünftige Pläne, was kommt da noch so auf uns zu?

Chima: Ich würd ganz gern, dass die neue Single jetzt anläuft und den Leuten gefällt. Und wenn das gegeben wäre, ist das ein guter Nährboden, um dann das Album darauf zu droppen. Das sind so meine mittelfristigen Ziele.

Anna: Hast du denn auch wieder Bock (erstmal kleinere) Touren wieder zu spielen? Auch wenn das Corona mäßig jetzt gerade sehr schwierig ist, zu planen.

Chima: Ja, klar. Ich hab die ganze Zeit Bock, live zu spielen und in Interaktion mit Menschen zu sein. Wenn ich mich zu einem Lager zähle, dann gehör ich zur Fraktion Positiv. Wenn allegerade Trübsal blasen, denk ich mir, ahh unterschätz mal nicht die Menschheit. Wir haben immer irgendwelche Lösungen gefunden. Es gibt so Grundbedürfnisse, die sind nicht zu unterdrücken. Das Bedürfnis nach Zusammensein und Gemeinschaft gehört da dringenddazu. Wir werden Wege finden, damit es weiter geht und dann wird es weitergehen.

Anna: Abschlussfrage bei uns ist immer der blank space. Den Platz kannst du als Künstler komplett frei nutzen, wie du willst.

Chima: Keine Liebe ist jetzt draußen. Das ist ein Song, in den ich sehr viel Liebe gesteckt hab. Geht raus, hört euch den an! Da ist für jeden was dabei – du hast ja in dem Interview schon sehr schön ausgeführt, was da alles drinsteckt. Geht einfach raus, supportet den Song, und lasst die Sonne für euch scheinen.

Fotocredit: Victor Schanz

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