
2025 war für mich, wie schon die letzten Jahre, mal wieder ein bunter Genre-Mix, der von Pop über Indie-Rock und Hardcore-Punk. Dass ich dieses Jahr zum Metalhead werden würde stand allerdings nicht auf meinem Bullshit Bingo. Dass mein Album des Jahres dennoch ein Folk-Rock-Album sein würde auch nicht.
Deutscher Metal-Pop
Auch wenn viel altbekanntes aus den letzten Jahren mir auch 2025 noch gefallen hat, brachte das Jahr dennoch einen markanten shift in meinem Musikgeschmack hin zu deutlich härterer Rock-Musik. Zum ersten Mal habe ich dieses Jahre angefangen mich tiefer gehend für Alternative Rock und Metal, vor allem der späten 90er und frühen 2000er, zu begeistern. Ausgelöst wurde das ironischerweise von einer Künstlerin, die mit ihrer Musik oft fälschlich als deutscher Indie-Pop abgestempelt wird.
Im März erschien mit “silber” das zweite Album von Mia Morgan und es hat mich komplett aus den Socken gehauen. Inspiriert von Bands wie Bring Me The Horizon, Linkin Park und Nine Inch Nails widmet sich Mia Morgan auf ihrem zweiten Album voll und ganz den verschiedensten Subgenres des Rock und Metal. Was auf dem Debüt, “Fleisch” noch eher im Hintergrund lag, versteckt unter dicken Schichten 80s Synth-Pop und Indie-Rock, kommt auf “silber” nun zu voller Geltung. Krachende, verzerrte Gitarren statt Synthesizer, Live-Schlagzeug statt Drum Machine und eine große Portion female rage. Songs wie “(spielen mit den großen) JUNGS” und “silbertablett” verlangen einfach mit Live-Band und Moshpit bei Rock am Ring gespielt zu werden und haben bei mir das Interesse an mehr härterer Musik geweckt.
FLINTA*-Stimmen und Supergroups
Dementsprechend erschien im gleichen Monat mit “Tsunami Sea” das 2. Album der kanadischen Metal-Band Spiritbox und schon jetzt fällt mir auf dass dieser Jahresrückblick doch ein Überthema zu haben scheint: Starke weibliche Frontpersonen. Was das angeht gibt es aktuell nur sehr wenige, die Courtney LaPlante von Spiritbox das Wasser reichen. Mit Leichtigkeit wechselt sie zwischen gescreamtem und melodischem Gesang und hat dabei eine Bühnenpräsenz, die an die großen Pop-Sängerinnen unserer Zeit erinnert.
Dass LaPlante absolut zur Royalty der Rock- und Metal-Sängerinnen gehört wurde dieses Jahr auch durch ihren gemeinsam Song mit Poppy und Amy Lee von Evanescence, “End of You” deutlich. Drei Generationen an Musikerinnen, die sich zur Metal-Version von Boygenius zusammenschließen. Das hat mein noch junges Metal-Herz mit Freude erfüllt.
Niemand schreit so schön wie Emily Armstrong
Ein Album, dass streng genommen schon 2024 erschien, ist “From Zero” von Linkin Park. Da im Mai aber eine Deluxe Version mit drei zusätzlichen Songs released wurde, will ich hier mal ein bisschen mogeln. Ich habe nicht (laut Spotify Wrapped) 1069 Minuten meines Jahres mit diesem Album verbracht um jetzt nicht zumindest kurz drüber zu sprechen.
Wenn ich hier von den starken weiblichen Stimmen und Frontpersonen spreche muss Emily Armstrong natürlich erwähnt werden. Linkin Parks unerwartetes Comeback letztes Jahr und die darauffolgende Tour übertrafen alle Erwartungen und Emily Armstrong als neue Sängerin war definitiv einer der Gründe dafür. Zwischen ruhigeren, melodischeren Songs, wie “Over Each Other” oder “Good Things Go” und den großen, lauten Hits, wie “Emptiness Machine” und “Heavy is The Crown” trägt sie mit ihrer Stimme das Album und die Live-Performance der Band. Das niemand so schön schreit wie sie beweist sie im Intro von „Casualty„. Eine queere Frau an der Spitze der aktuell wahrscheinlich größten Rock-Band der Welt zu sehen war für mich definitiv eines der Highlights 2025.
Hardcore-Punk mit Synthesizern
Nicht ganz in der Metal-Schiene aber doch im Kosmos der härteren Gitarrenmusik bewegten sich dieses Jahr außerdem Turnstile mit “Never Enough”. Auf ihrem mittlerweile fünften Album entwickelt die Band aus Washington ihre Mischung aus Hardcore-Punk, sphärischen Synths und Indie-Gitarren weiter. “Never Enough” ist gleichzeitig simple und komplett durchdacht, gleichzeitig gefühlvoll und auf die Fresse. Songs wie “Birds”, “I Care” und “Seein’ Stars” wollten meine On-Repeat-Playlist das Jahr über einfach nicht verlassen.
Ein Phönix aus der Asche
Kommen wir nun zu etwas seichteren Klängen. Denn trotz meiner Metal-Phase sind auch Pop und Indie dieses Jahr bei mir nicht zu kurz gekommen. Das Album, auf dass ich mich seit Beginn des Jahres am meisten gefreute habe, war ohne Zweifel “Aus keiner meiner Brücken die in Asche liegen ist je ein Phönix emporgestiegen” von Drangsal.
Wer die raren Auftritte von Max Gruber, aka Drangsal, in den vergangenen zwei Jahren verfolgt hat, konnte sich schon denken, dass ein viertes Drangsal-Album, so es denn jemals erscheinen würde, sich wahrscheinlich deutlich von seinen Vorgängen unterscheiden würde. “Aus keiner meiner Brücken” stellt eine deutliche Abkehr vom hochpolierten, durchproduzierten “Brutalo-Pop” des letzten Drangsal-Albums, “Exit Strategy”, dar. Alles scheint ruhiger, gesetzter, 30 bpm langsamer. Klavier ersetzt Synthesizer, mehr Akustik-Gitarren, weniger Distortion. Alles ist weniger durchstrukturiert und es gibt mehr Raum für Experimente und Instrumental-Parts.
Der sperrige Albumtitel und Songnamen, wie “Die Bestie mit dem brennenden Schweif” haben es schon vermuten lassen: Dieses Album biedert sich nicht an, ist verkopft und verworren. Drangsal – mittlerweile nicht mehr nur Max Gruber, sondern eine dreiköpfige Band, gemeinsam mit Marvin Holley und Lukas Korn – machen was sie wollen und wie sie es wollen. Trotzdem finden sich auf dem Album mit Songs, wie “Bergab” oder “Die satanische Ferse” klassische Drangsal-Songs, die den früheren Alben doch gar nicht so unähnlich sind. Denn
„man kann so viel verändern und doch bleibt alles gleich“
Unerwartete Entdeckungen
Es ist für mich immer ein wenig frustrierend, am Ende des Jahres auf die lange Liste mit Alben, die ich unbedingt anhören wollte, zu schauen und festzustellen, wie viele ich doch gekonnt ignoriert habe. Bis vor ungefähr drei Wochen war “Ego Death At A Bachelorette Party” eins davon. Als Paramore-Fan hat mich Hayley Williams drittes Solo-Album natürlich interessiert, aber anscheinend doch nicht doll genug.
Als ich dem ganzen vor kurzem dann doch nochmal eine Chance gegeben habe, hat es mich auf Anhieb komplett umgehauen. Auf ganzen zwanzig Songs deckt Williams verschiedenste Facetten des Indie-Pop und Alt-Rock ab, teils experimentell, teils nostalgisch. Ihre gesangliche Bandbreite steht der instrumentellen dabei in nichts nach. Auf tiefe, intime Momente folgen laute, kraftvolle Refrains, die ein wenige an frühe Paramore-Tage erinnern.
Das Beste kommt zum Schluss
Die schönsten Alben sind doch die, die einen am Anfang gar nicht abholen und erst mit der Zeit ans Herz wachsen. So war es für mich bei dem Album, dass ich tatsächlich als mein Lieblingsalbum des Jahres bezeichnen würde, “The Clearing” von Wolf Alice. Auf den ersten Blick ein Folk-Rock-Album, dass sehr an die späten 60er und frühen 70er und Bands wie Fleetwood Mac erinnert. Das würde mich an sich erstmal nicht abschrecken, entsprach aber dieses Jahr (wie durch die zuvor erwähnten Alben deutlich werden dürfte) nicht ganz meinem Vibe. Ich hab mich trotzdem immer wieder dabei erwischt, wie ich es doch nochmal angehört habe, dem ganzen doch nochmal eine Chance geben wollte, bis es klick gemacht hat.
“The Clearing” stellt stilistisch die wahrscheinlich größte Kehrtwende in der Karriere von Wolf Alice dar, einer Band, bei der Genrebezeichnungen ohnehin nur limitierend erscheinen. Auf Klavierballaden, wie “Thorns” oder “Play it Out”, energetischen Pop-Songs, wie “Bloom Baby Bloom” und “Bread Butter Tea Sugar”, und experimentelleren Folk-Songs, wie “White Horses”, besingt Frontfrau Ellie Roswell Themen, wie Liebe, Freundschaft, Identität und das verwirrende Leben in den 30ern. Mein persönliches Highlight des Albums und vielleicht mein Lieblingssong des Jahres war dabei “Just Two Girls”. Der Titel ist Programm. Roswell besingt nichts weiter, als einen Abend zwischen zwei Freundinnen,
“just two girls in a bar
like two kids in the park
Here’s the stage, you’re the star”.
Und was mehr braucht es für einen Song des Jahres?




















