Egal ob Deutschrap Fan oder nicht: Shirin David hat ihr zweites Album „Bitches Brauchen Rap“ vor einer Woche veröffentlicht und es könnte inhaltlich kaum stärker sein. Female Empowerment, Feminismus und Selbstbestimmung überhäufen sich auf dieser Platte und beweisen, dass Rap Klischees nicht mehr notwendig sind, um erfolgreich zu sein. Wer ein bedeutungsvolleres deutsches Rap Album aus den letzten Monaten, vielleicht sogar Jahren, kennt, soll sich bei mir melden.
Politische Punchlines am Fließband
Die Texte bilden das Herzstück dieses Albums und sind ein unglaublicher Genuss. Aggressive, minimalistische Hip Hop Beats schaffen Shirin Davids Worten Platz und unterstützen die Message, ohne von ihr abzulenken. Aus diesem Grund soll dieser Artikel vielmehr eine Best of Zitatsammlung der Lyrics darstellen, als eine Review.
»Mein Sportlehrer sagt,
deine Texte wären sexistisch
Doch beim Handstand mein’n Arsch berühr’n,
findet er echt witzig«
Um die Treffsicherheit einfach jeder Zeile zu garantieren, hat sich Shirin David die Hilfe von Deutschlands Most Underrated Rapper Laas Unltd. geholt, der zunehmend als Ghostwriter der deutschen Rap Stars seine Fertigkeiten teilt. Dass die Künstlerin beim Texten unterstützt wird, gibt sie offen zu und nimmt damit den zahlreichen Kritikern den Wind aus den Segeln. Kritik, die im Angesicht der zahlreichen Songwriter Bootcamps, die Radiohits am Fließband schreiben, eh schon lange haltlos sein müsste.
»Transparent trotz millionenschwerer Reichweite
Es gibt keinen Mensch in meinem Team, den ich geheimhalte
Ghostwriter was? Schreib’ Songs mit Laas
Und nehm’ ein’n Veteran mit auf die Eins in den Charts«
Männliche Dominanz im Visier
“Bitches Brauchen Rap” startete mit den meisten Streams einer deutschen Künstlerin am Release-Wochenende und schaffte es mit 11,4 Millionen Streams sogar in die weltweite Spotify Top5. Das Schönste daran: Shirin David nutzt ihre Reichweite, um Sexismus offenzulegen und männlich geprägte Werte und Strukturen zu kritisieren.
»Von „Bei Gott ist sie sexy“ hin zu „Vallah, sie’s ‘ne Schlampe!“
Die deklarier’n ein’n Minirock zu maximaler Schande
Doch ‘ne Frau mit Grips im Kopf wird abgetan zu ‘ner Emanze«
„Babsi Bars“
»Girls canceln Girls, Stimmung heiß wie Schaumbäder
Boys werden nicht ma’ boykottiert, sind sie Frauenschläger«
„Last Bitch Standing“
Dabei hat die Rapperin Einzelpersonen ebenso wie Institutionen im Visier und schießt gegen alles was ansatzweise männliche Hegemonie ausstrahlt. Shirin David greift auf „Last Bitch Standing“ unter anderem die männlich dominierten und klischeebehafteten Strukturen der Radio- und Rundfunkanstalten an. Bestes aktuelles Beispiel: Julian Reichelt und die Bild.
»I’m so bossy, Bitch get off me
Labels fassen Frauen falsch an wie Bill Cosby
Das Radio will uns nur weinerlich und so zerbrechlich
Rollenunterdrückung im Rundfunk öffentlich-rechtlich
Als Zicke betitelt, wenn du zum Redakteur frech bist
Die sagen, bist du fame, ist jede Kritik berechtigt
Alle woll’n zwar Realtalk face-to-face auf männlich
Doch 2 Minuten „Babsi Bars“ und du fühlst dich offended«
„Last Bitch Standing“
Musikindustrie in der Kritik
Mit „Bitches Brauchen Rap“ emanzipiert sich Shirin David von ihrem Debütalbum, das noch deutlich generischer klang. Auf der Suche nach einem eigenen Sound ist sie bei den Ursprüngen des HipHop gelandet. Harte Punchlines auf repetitiven Beats. Immer nach dem Credo, Message first! Und mit diesen Punchlines macht sie auch keinen Halt vor der Musikindustrie (von dessen Strukturen sie ehrlicherweise auch profitiert).
»Rap ist jetzt in Mode, Songs aus der Schablone
Jeder schreibt den gleichen Unfug, alles Katastrophe
Die sagen: „Shirin kann nichts und sie schreibt nicht eine Strophe“
Doch was ist, wenn ich erstmal ein paar Umstände expose?«
»Singles, Singles, Singlеs, Shirin, denk an Streaming!“
Mit zwei Minuten Minimum das Maximum verdienen«
»Geht’s nach deutschen Produzenten, sing’ ich nur noch Love-Songs
Nicht, dass ihr mich falsch versteht, ich will niemanden shamen
Doch große Jungs sind aufgeregt, als wollten diе mich daten«
„NDA‘s“
Female Empowerment
Die Rapperin attackiert auf ihrem Album nahezu alles, was attackierenswürdig erscheint. Und dennoch zieht sich ganz viele Liebe durch alle Lieder. Shirin David droppt einen Shoutout nach dem anderen an alle Frauen dieser Welt, um strukturelle Geschlechternachteile durch Support en masse auszugleichen. Hier kommt die vermutlich längste und schönste Textsammlung:
»Manager denken, sie wären Marketinggenies
Wenn sie ihren Künstlerinnen raten: „Diss Shirin!“
Aber Fakt ist, für mich ist deren Erfolg kein Problem
Denn ich liebе es, alle Bitches еrfolgreich zu seh’n«
„Bitches brauchen Rap“
»Für meine Iggys, die RiRis, Gigi Hadids, Beyoncés, Nickis und Cardis
Die Megans, Mileys, Kylies und für die Kehlanis
Für die Pablos, Donnatellas, RuPauls und die Mariahs
Für jedе Außenseiter-Bitch, diе weiß, sie ist on fire, ah«
»This is a man’s world, selbst der Himmel ist in Blau getränkt
Ich hab’ mich von den Wurzeln bis zur Blüte hier raufgekämpft
Kings werden gebor’n, Prinzessinn’n werden auserwählt
It’s a man’s world, die sich um Frauen dreht«
„Man’s World“
»No way, fuck Shaming
Stelle keine Frau in den Schatten, damit ich schеin’
Ugly Bitches machen Prеtty Bitches gerne klein
Aber Real Bad Bitches lieben Bad Bitches, weil ich kann das
Uh, nur ein kleiner Ratschlag
Kein Mann in dieser Welt macht dich zum Star, Schatz
Selbst, wenn du einen kleinen Arsch hast
Shake Booty, Babygirl, denn du darfst das«
„Ich darf das”
Gender Fluidity
Obwohl Shirin David in ihren Texten durchgehend von Männern und Frauen spricht, schafft sie es dennoch an einigen Momenten eine klassische Geschlechtertrennung aufzulösen. Zum einen fasst sie den Frauenbegriff weiter, als in traditionellen Rollenbildern typisch (siehe Zitat „Für meine Iggys, die RiRis, […]“). Zum anderen thematisiert sie nicht-heterosexuelle Orientierungen.
»Vielleicht hab’ ich ein’n Boy, vielleicht sind es auch zwei
Oder drei Girls (Rrh), alles könnte sein
Nehme zwei Baddies mit heim, spiele Frauentausch«
„Lieben wir“
Die Welt braucht mehr Shirin Davids
Eins der Lieblingsworte von Shirin David lautet „Bitch“. Wer sich fragt, was daran empowernd ist, lässt es sich am besten von ihr selbst erklären:
»Meine Mutter versteht kein Englisch – „Was sind Bad Bitches?“
Sag’ ihr: „Sowas wie ‘ne Existenz, die selbstbestimmt ist“«
„Schlechtes Vorbild“
Die Künstlerin, Sängerin, Rapperin, Influencerin und vieles mehr erreicht auf 48 Minuten Albumlänge mehr, als Politiker:innen in einem Monat. Female Support und Empowerment, Medien- und Gesellschaftskritik, die Umdeutung/ Reappropriation des Wortes „Bitch“ und ganz nebenbei verpackt sie alle diese Themen stilsicher auf einem der besten deutschen Rap Alben jemals. Egal ob Deutschrap Fan oder nicht: Gebt euch dieses Album VERDAMMT NOCHMAL, denn es lohnt sich sehr!
Fotocredits: Shirin David, Universal Music Group