„Aze? Den Namen hab ich doch schon mal irgendwo gehört, oder?“ Vielleicht habt ihr euch den Namen des österreichischen Pop-Duos seit unserer Review von ihrer Doppel-Single „Sweet Talk / Sidewalk“ bereits hinter die Ohren geschrieben. Wenn nicht, dann bekommt ihr hier eure nächste Chance. Selbst beschreiben die zwei ihre Musik als „sad, sexy Pop“ und dieser überzeugt auf voller Länge.
Die zwei Aufsteiger haben im Interview mit Evelin über ihr frisch erschienenes Debütalbum „Hotline Aze“, mentale Gesundheit und die Bedeutung ihrer engen Freundschaft gesprochen. Und was Justin Bieber mit der ganzen Sache zu tun hat, erfahrt ihr am Ende.
Aze im Interview
Evelin: Erstmal ein herzliches Hallo, Beyza und Ezgi! Wie geht es euch? Wie ist die Stimmung so kurz vor dem Release eures Debüt-Albums “Hotline Aze”?
Beyza: Hiiii! Ich muss sagen, ich bin seit ein paar Tagen schon sehr aufgeregt, weil das Datum immer näher kommt. Es fühlt sich teilweise noch so surreal an, dass das jetzt wirklich passiert. Es war mir zu langsam und zu schnell zugleich haha. Aber ich würde sagen, meine Stimmung ist, trotz Nervosität, dennoch sehr positiv gestimmt – I’m simply excited for everything that is still to come!
Ezgi: Hellooo!! Same here! Ich weiß echt nicht, was ich gerade fühlen soll. Meine Moods gehen von super exited bis super anxious und schwanken die ganze Zeit hin und her. Ich hab zwar kein Kind, aber ich schätz‘ mal, dass es sich so anfühlen muss als Elternteil, wenn ein Kind vom Elternhaus wegzieht hahah.
Evelin: Den Vergleich mit dem Kind find‘ ich super, haha. Wie würdet ihr eure Musik denn, jemandem, der/die zum ersten Mal davor ist, eure Musik zu hören, beschreiben?
Aze: Am liebsten würden wir sie gar nicht beschreiben wollen und uns wünschen, dass sich die Person einfach mal drauf einlässt und selbst fühlt. Uns würde es interessieren welche Gesichtsausdrücke das erste Mal Aze hören bei den Leuten auslöst. Aber wir beschreiben unsere Musik selbst immer als sad & sexy und wir finden, das trifft’s schon sehr gut.
Hotline Aze, how can I help you?
Evelin: Das Album dreht sich ja um das Konzept einer Art Mental Health Hotline, deswegen auch der Name. Auch durch das Album hinweg werden Sprachmemos und Telefongespräche als Stilmittel verwendet. Wie fiel die Entscheidung auf genau dieses Konzept?
Beyza: Wir sind ins Studio gegangen, um einfach mal draufloszuschreiben und ohne viel nachzudenken, damit wir mal ein Gefühl kriegen, was überhaupt alles möglich ist. Die Idee mit den Sprachmemos war anfangs nicht ausgedacht, sondern hat sich ergeben. Ich habe ein paar Tage vor dem Studio, eine Sprachmemo mit einem Guitar Riff und einer Chorus-Idee an Ezgi geschickt, was dann zu „Sweet Talk“ geworden ist. Das war der erste Song, den wir geschrieben haben. Irgendwann sind wir auch musikalisch in diese Richtung abgeschweift und im richtigen Moment kam noch eine Sprachmemo von Ezgi’s Schwester, die perfekt auf ein Instrumental gepasst hat. Die Konzeptidee an sich hat dann eigentlich als Joke begonnen. Aber da wir eben genug Instrumentals hatten, die nach einer Warteschlange geklungen haben, haben wir diesen Joke einfach weitergeführt and here we are.
Evelin: Wo kommt diese Affinität für die 90’s her?
Aze (B&E): Wir wollen uns jetzt nicht so vehement auf bestimmte Jahre eingrenzen, aber wir feiern einfach die künstlerische Leichtigkeit, die die meisten Artists in den 90ern und 2000er hatten. Wir sind immer schon Riesenfans von Hip-Hop und R’n’B gewesen, und für uns ist diese Zeit sehr von diesen Genres geprägt. Nicht nur was Musik angeht, sondern auch mehr Lifestyle, Fashion, usw. Für uns sind die 90er eine perfekte Mischung aus Kitsch und Gangster and we love it.
„Wir wollen nicht mehr in unserer Trauer versinken„
Evelin: Gab es spezielle Momente während des Entstehungsprozesses von “Hotline Aze”, die euch in Erinnerung geblieben sind?
Aze (B&E): Wir haben das Album in einer Woche geschrieben und für uns war der ganze Entstehungsprozess sehr besonders, da wir anfangs schon nervös waren, ob jetzt überhaupt was Gutes dabei rauskommt, aber wir dann einen Song nach dem anderen geschrieben haben, weil es so gut geflowed hat. Wir tun uns schwer einzelne spezielle Momente zu wählen, weil für uns das Ganze mit all dem Drum und Dran einfach sehr schön war. Für uns steckt im Album nicht nur Musik, die wir selbst gerne hören, sondern auch random Gespräche, die wir geführt haben oder die Chipspackung, die wir dabei gesnacked haben. Wir sagen immer, dass es sich für uns ein bisschen so anfühlt wie ein Kind auf die Welt zu setzen und dann mit 18 loslassen zu müssen. Die Freude und Aufregung in unseren Gesichtern nach jeder nicen Hook oder jedem Riff werden wir auf jeden Fall immer in Erinnerung behalten.
Evelin: Im Album geht es ja viel um den eigenen Struggle, toxische Verhaltensweisen, Weltschmerz etc. In welchem Mindset ist das Album entstanden?
Aze (B&E): Das Album ist eigentlich in einem sehr lockeren und lighthearted Mindset entstanden. Es repräsentiert auch sehr gut, wo wir persönlich grade stehen. Wir wollen nicht mehr in unserer Trauer versinken und dem ganzen so viel Macht geben, sondern haben über die Jahre hinweg gelernt, dass ein lockerer Umgang mit bedrückenden Themen und ein bisschen Distanz und Humor, um das Ganze auch mal von außen betrachten zu können, sehr guttun kann. Die EP war für uns sehr intense, da es uns persönlich auch so ging. Wir haben uns weiterentwickelt und sind gewachsen, und so auch unsere Musik. Inzwischen akzeptieren wir die Schattenseiten mit offenen Armen aber wissen auch, dass sie uns nicht ausmachen.
Eine wichtige Lektion über mentale Gesundheit
Evelin: Ihr thematisiert den Umgang mit den eigenen mentalen Problemen ja auch teilweise ironisch. Man nehme allein schon das Konzept des Hilfetelefons, was ja eigentlich gar keins ist, sondern fast das Gegenteil. Ich finde das manchmal auch problematisch, wenn man anfängt Traurigkeit und Depression zu romantisieren. Wie sieht euer Umgang mit mentaler Gesundheit aus?
Aze (B&E): Es ist auch irgendwo problematisch, Traurigkeit und Depressionen zu romantisieren, aber wir denken, wenn man sich so in diesen Gedanken und Gefühlen gefangen fühlt, kann es schwer sein, das zu erkennen. Mentale Gesundheit ist zwar etwas, das viele Menschen betrifft, aber dennoch sehr individuell und subjektiv. Es ist ein sehr wichtiges Thema, auf das oftmals nicht so viel Wert gelegt wird und eines, das sehr entfremdet dargestellt wird. Uns persönlich hilft Humor und Ironie, das Thema an uns ranlassen zu können, ohne dass es erdrückt. An seiner mentalen Gesundheit zu arbeiten, braucht viel Kraft und Zeit, wobei wir denken, dass man nie auslernt.
Wir denken, es ist wichtig, es nicht als eine Aufgabe zu sehen, die einen gerade belastet und hoffentlich bald wieder vorbei ist, sondern als Gefühle und Gedanken, die, aus verschiedenen und validen Gründen, einen zurzeit begleiten und dass das okay ist. Es gibt keinen Leitfaden, wann welche Gefühle verschwinden und wann neue kommen müssen. Manchmal tut es gut es einfach mal so stehenzulassen wie es ist und es versuchen nicht zu zerdenken. Es gelingt uns natürlich auch nicht immer, aber dann erinnern wir uns, dass sowieso alles so kommt wie es kommt. Jede/r muss für sich seine Wege finden und das auch in seiner eigenen Zeit, ohne Druck und Erwartungen von anderen oder von sich selbst.
Evelin: Richtig schöne Worte! Würdet ihr sagen, dass das Album ein optimistisches oder eher verbittertes ist?
Aze: Es ist ein sehr lighthearded Pop Abum geworden. Ein bisschen Melancholie ist immer dabei bei uns, aber der Umgang ist auf jeden Fall optimistischer und lockerer geworden.
„Ohne großes literarisches Ramtam„
Evelin: Gibt es einen Song, der euch am meisten Spaß gemacht hat? Ob während des Schreibens, der Produktion oder einfach beim Hören.
Beyza: Ich hab in jedem Song so meine favourite parts und meine Lieblingssongs vom Album ändern sich auch immer wieder mal, aber „Sad Sensations“ bleibt immer in der Liste. Ich finde, mit dem Song haben wir mal ein bisschen was anderes probiert und er gibt mir so ein richtiges old school – Band Feeling. „Showbiz, Baby!“ hat beim Schreiben sehr Spaß gemacht und macht mir beim Performen auch immer gute Laune. Und „Sweet Talk“ wird natürlich auch immer einen special place in meinem Herzen haben, weil damit alles angefangen hat.
Ezgi: Natürlich gibt’s in jedem Song favorite Parts und für mich als die, die den Text schreibt, verschiedene Sparten des “sich ausleben”. „My own Business“ hat mir gezeigt, dass nicht jeder Song gesungen sein muss, um “belebt” zu werden. „Waterfalls“ auf der anderen Seite, hat mich beim Aufnehmen im Studio so viel Kraft gekostet und am Ende bewiesen, dass der erste Take manchmal einfach der Beste ist. „Silk“ hat mir die Mut gegeben, meine Texte so zu formulieren, wie ich mir’s denk – ohne großes literarisches Ramtam. „Showbiz“ hat mir erlaubt meine RnB-Vocalist Fantasien auszuleben, mit Slow Fade am Ende und alles und „Talk Away“ berührt mich jedes Mal, wenn ich’s hör‘. Helins und Jakobs Stimme auf dem Track sind für mich die Manifestation der Liebe und Geborgenheit. Production-technisch hat mir das Pannen am meisten Spaß gemacht – I love a good stereo experience hahah.
„Vor dem Album mussten wir immer in getrennten Räumen Musik schreiben„
Evelin: Wie hat eure Freundschaft euren Musikschaffungsprozess beeinflusst?
Beyza: Die Innigkeit und Verbundenheit spürt man denke ich in der Musik auch. Wir harmonieren und verstehen uns, ohne viel sagen zu müssen. Vor dem Album mussten wir immer in getrennten Räumen Musik schreiben. Inzwischen haben wir gelernt, dass es auch zusammen gut funktioniert, haha.
Ezgi: Ich bin sehr froh, dass wir zwei miteinander in einer Band sind und nicht in getrennten – auch wenn man gerade viel arbeitet und nicht großartig viele Leute außerhalb der Band treffen kann, trifft man so halt automatisch die beste Freundin, hahah. Außerdem ist es auch sehr angenehm, gemeinsam wachsen zu dürfen. Ich bin sehr dankbar für die Situation in der wir uns befinden.
Die Geschichte beginnt und endet hier mit Justin Bieber
Evelin: Am Ende jedes Interviews fragen wir nach einer untold story. Das kann was sein, was während des Entstehungsprozesses des Albums passiert ist, ein random fact oder alles andere, was ihr noch nicht mit der Welt geteilt habt 😊
Aze: Most random Aze Fact ever ist, dass der Grund, warum wir überhaupt so gut befreundet sind – glauben wir jetzt retrospektiv – Justin Bieber ist. Wir waren halt wie ca. alle round 2009 hardcore Beliebers. Die meisten Songs aus seinen ersten zwei Alben trauen wir uns zu wetten heute noch plus minus zu beherrschen. Unsere Eltern haben uns damals extra vom Land zum Konzert nach Wien gefahren, wo wir ca. 6 Stunden vor Beginn schon da waren, um realistisch einen okayen Platz zu bekommen. Und wir versprechen, wir waren davon überzeugt das nächste “One less lonely girl” würde eine von uns sein hahaha.
Evelin: Wie geil ist bitte diese Story?! Lieb’s! Danke für eure Zeit, hat mich total gefreut 😊
Das neue Album „Hotline Aze“ von Aze möchte ich euch hiermit nochmal ganz stark ans Herz legen. Das Konzept stimmt, der Sound stimmt und man merkt wie viel Arbeit hier reingesteckt wurde. Obendrein sind die zwei auch bezaubernd. Hört definitiv unten mal rein und wählt euch selbst in die Hotline ein (so gute Musik habt ihr noch in keiner Warteschleife gehört, da bin ich mir sicher)!
Fotocredits: Amelie Strobl