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Über Sehnsucht und Rastlosigkeit: JEREMIAS und ihr Debütalbum “Golden Hour”

Kaum eine Band ist in letzter Zeit so schnell so weit aufgestiegen wie JEREMIAS. Ständig ausverkaufte Shows, massenweise Fans, Fernsehauftritte, ihr Name ist überall zu hören – und nun auch ihr Debütalbum. Nach zwei EPs erschien am 28. Mai Golden Hour, das uns einen Einblick in die Lebensphilosophie und die Rastlosigkeit des Lifestyles der Band bietet. Durch die gesamte Platte zieht sich vor allem das Gefühl des “nie ankommen“, das sie sowohl textlich, als auch musikalisch so dynamisch macht. Mit ihrem ersten Album beweist die Band, dass sie sich jetzt schon weiter entwickelt hat, aber gerade erst am Anfang ihrer großen Reise ist.

Immer Unterwegssein gemischt mit Liebe und Herzschmerz, das macht golden hour aus. Die vier Jungs aus Hannover erspielen sich damit einen großen Haufen neuer aufmerksamer Hörer:innen und Fans, für die das Album garantiert den Soundtrack ihres Sommers bilden wird. Vor allem spürt man durch alle Tracks hindurch die Leidenschaft von Oliver, Ben, Jonas und Jeremias, die hinter diesem Werk steckt. Doch nicht nur die Tracks beweisen das, sondern auch das Auge bekommt ein detailverliebtes stimmiges Ganzes rund um Design, Musikvideos, Fotos.

Mit dem Instrumental-Intro xx beginnt das Album und steigert schon die Neugier und Erwartung seiner Zuhörer:innen. Übergehend in den zweiten Track sorry wird man direkt mitten rein geworfen. Kummer, die Einsicht der eigenen Fehler, eine Entschuldigung an eine geliebte Person. Man bekommt Ehrlichkeit und eine große Portion tiefster Emotionen direkt durch seine Kopfhörer geliefert. Alles im typischen warmen JEREMIAS-Sound, der selbst einen inhaltlich traurigen Song mit ganz easy zu tanzbarem Indie-Pop mit Disco-Feeling werden lässt.

Nach dem emotionalen Einstieg folgt mit nie ankommen einer der Songs, der die Platte meiner Meinung nach wirklich ausmacht. “Ich bin so aufgeregt, ich bin auf dem Weg” – der Song verkörpert die Rastlosigkeit, die die Band seit ihrem Erfolg erlebt, die Sehnsucht nach immer mehr und ihre Passion für das, was sie tun. Gewohnt funky und mit krass gutem Instrumental zwischendrin ist der Song absolut kompakt abgerundet und lässt verstehen wieso die Musik von JEREMIAS so gefeiert wird. Denn es ist genau dieser einzigartige Sound und dieses vermittelte Lebensgefühl, das mitreißt und nicht mehr loslässt. Genau passend zu dem Vibe des Songs gibt es ein sommerliches Musikvideo, das die Jungs im Urlaub zeigt.


“Und wenn wir ankommen, dann seh ich das nicht ein,
ich will nie aufhören, immer wach zu sein”


Als nächstes folgt mit hdl ein poppiger Song, der sich perfekt zum mitsingen und für Live-Shows eignet. Zwar ist sich wahrscheinlich jeder einig, dass dies nicht der inhaltsreichste Song ist, jedoch sieht man da vor dem inneren Auge schon die Crowd, wie sie “Hab dich lieb und Langweile” ruft. Genau dieses Potential und die Leichtigkeit des Songs scheinen auch bei den Fans rüberzukommen, denn hdl raste auf Platz 2 der meistgehörtesten JEREMIAS-Songs auf Spotify. Mit momentan fast 4 Millionen Streams steht dieser hinter dem unschlagbarem JEREMIAS-Hit schon okay mit seinen über 5 Millionen Streams. Solche Zahlen sind einfach dahingesagt, sind aber alles andere als gewöhnlich für eine neue deutsche Band, bevor sie überhaupt ihr Debütalbum veröffentlichte. Mit hdl traten JEREMIAS kürzlich in der Late Night Berlin Show auf Pro7 auf, was den Erfolg des Songs sicherlich noch mehr förderte.

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Mit dem 5. Track, den ich mags bildet, wird es wieder nachdenklicher. Ja, ich mag es auch, wenn “alles laut und Disco ist“. Auch hier schleicht sich wieder das Thema der schlaflosen Nächte und des Unterwegs sein rein und lässt mich vermissen, wie mein Leben vor Coroni-Zeiten war. Aua. Naja, kein Grund zum Trauern, denn ich mags läuft frei nach dem Motto, dass im Moment leben wichtiger ist. Obwohl nach der ersten Strophe ein Drop angeteasert wird, wird man aber erwartungsvoll weiter hingehalten. Keine Sorge, der ersehnte funky Drop, für den man JEREMIAS-Songs so liebt, wartet bis zum Schluss und lädt zum tanzen ein.

Darauf folgt mio, ein langsamerer tiefgründiger Song, der nicht nur die positiven Seiten ihres jetzigen Lifestyles zeigt. Er sprüht vor Melancholie und erklärt, dass JEREMIAS trotzdem Angst haben, in Vergessenheit zu geraten. “Mama, ich will nur Legende sein“, eine Bekenntnis zu einem Lebensmotto, das sie vermutlich noch sehr weit bringen wird. Untermalt wird der Track von entspannten Synthies, 80er Vibes und einem geschmackvollen schwarz-weiß Video bei Nacht. Vor allem zeigt der Song, dass JEREMIAS nicht nur für eine kurze Zeit hier sind, sondern noch Großes vorhaben. Wir sind gespannt.

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Endlich, Paris

Schon die ersten Sekunden des Songs hypen als Hörer:in so sehr, dass man nur Glück verspürt. Für mich ist es keine schwere Entscheidung zu sagen, dass paris der Star des Albums ist. Der Track vereint alles, was man an JEREMIAS liebt: funky Melodie, bei der es unmöglich ist, nicht zu tanzen und eingehender Text, bei dem es unmöglich ist, nicht mitzusingen. Schon bei Live-Shows war ich immer hin und weg von paris, der immer als unveröffentlichter Song gespielt wurde. Schon da war ich mir sicher, dass er mein Lieblingssong der Band werden wird. Und ich hatte recht! Trotz einmaligen Sommer-Vibes fließt auch hier wieder die gelungene Mischung aus Liebe und Leiden mit ein, das gelingt der Band einfach am Besten. Es ist schwer in Worte zu fassen, wie nice es sich angefühlt hat, paris das erste Mal als veröffentlichte Single gehört zu haben. Euphorie, positive Erinnerungen, Begeisterung, alles mit dabei.

Nach dem krassen Aufschwung in paris wird man mit 2 wieder etwas runtergeholt. Instrumental, kein Gesang, erinnert an Parcels, klingt live immer nice. Was will man mehr? Ich bin, ehrlich gesagt, oft zu ungeduldig, um mir rein instrumentelle Songs mitten in Alben öfters anzuhören. Bei 2 komm ich aber gar nicht auf die Idee, meinen Finger Richtung Skip-Button zu bewegen, sondern genieße es. Alles richtig gemacht.

Nach dem man 2 hoffentlich nicht geskipped hat, kommt man zu einfach. Der Song klingt gar nicht so einfach, wie der Titel und legt offen die musikalische Weiterentwicklung der Band dar. Beim ersten Hören war das der Song, den ich am meisten als unerwartet und untypisch empfand. Wo bei den anderen Songs trotz Melancholie noch tanzbare Leichtigkeit mit geht, ist dieser hier zutiefst emotional und bewegend. Vor allem durch die heranlaufende Steigerung im Song, fühlt er sich groß und bedeutend an. Textlich zeigt sich Jeremias sehr nah und reflektierend über sich und sein Leben. Gerade dadurch wirkt der Song am ehrlichsten und tiefsten und bietet für mich einen Kontrast zu den anderen, obwohl er das Gesamtwerk komplett macht.

Schon geht es weiter mit dem Titeltrack des Albums. Die Melodie in den ersten Sekunden ist schon unglaublich eingehend. Und golden hour ist so sonnig, wie man sich ihn vorstellt und bringt trotzdem eine Hand voll Melancholie in den Strophen mit. Jeremias zeigt wieder einmal, dass ihm nachdenkliche Texte zu schreiben mehr als nur gut steht. Auch hier ist das Ganze wieder geschmackvoll mit sommerlicher Leichtigkeit kombiniert. Letztendlich ist er der entspannende Sommer-Hit, den wir alles für 2021 gebraucht haben.

Geschlossen wird das Album mit weniger, das quasi die Spitze des “Ich will mehr”-Gefühls bildet. Getrieben von der Sehnsucht besingt Jeremias, dass er immer von mehr träumt, als das, was er gerade hat. Er beschreibt dieses Gefühl dabei als “Platzangst”, was sich schon durch das ganze Album zieht und zum Schluss konkretisiert wird. Dabei klingt der Song nicht nach Rastlosigkeit, sondern relaxed und eignet sich perfekt zum mitwippen. Zwar sehnt sich Jeremias danach fortzugehen und nie anzuhalten, so sind die aller letzten Worte des Albums “Baby, komm doch bitte mit“. Damit wird mir abschließend nochmal deutlich bewusst, wie sehr die Mischung aus Aufbruchsstimmung und der sensiblen Seite von Jeremias ihre Songs ausmacht.

Durch golden hour zieht sich von vorne bis hinten ein thematisches Konzept und ein Gedankenstrang. Dadurch erhält man einen persönlichen Einblick in die Gedanken von Sänger Jeremias und seine Sicht auf das Leben. Obwohl alles dadurch zur stimmigen Einheit wird, klingen alle Songs sehr unterschiedlich. Seien wir ehrlich, das ist bei Indie-Alben nicht immer so. Aber von allen Dingen macht golden hour am meisten einfach Spaß. Es ist ein Album voller Leichtigkeit, voller Gedanken, voller Sonne, aber auch voller Melancholie und passt sich demnach jeder Gefühlsstimmung an. Trotz dessen, dass das Album so fertig, leidenschaftlich und weiterentwickelt klingt, bin ich mir sicher, JEREMIAS sind noch am Anfang. Sie sind plötzlich in die Indie-Szene hinzugekommen und haben sie blitz schnell zu ihrer erobert. Und ich glaube, ich mags.

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Foto Credit: Lucio Vignolo

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