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SIND im Interview: “Live Auftritte sind nach wie vor das A und O für jede Musikerin und jeden Musiker”

SIND im Interview

Endlich wieder live Musik! Nach zwei Alben und zwei neu erschienen Singles können die Jungs von SIND es wohl auch kaum erwarten heute bei den Acoustic Concerts aufzutreten. Davor habe ich mit Hannes gesprochen und er hat lang und ausführlich geantworte. Dabei ging es um die Lieblingskneipen, Kulturförderung und Social Media. Und um einen quasi musikalischen Ritterschlag! Aber lest selbst:

Franzi: Hi Hannes, etwas spät, aber besser als nie: Happy Release! Wie geht’s euch damit? Wie sind die ersten Reaktionen auf die ersten zwei Singleauskopplungen bis jetzt?

Hannes: Vielen Dank! Wir sind auf jeden Fall sehr glücklich mit beiden Releases. Gerade nach einem schwierigen letzten Jahr, war es für uns wichtig, direkt weiter zu machen und neue Musik herauszubringen. Die beiden Singles haben für uns eine große Bedeutung. Um die Single „Café Miami“ haben wir eine Aktion gestartet und für das Video Bars und Kneipen in verschiedenen Städten portraitiert, dort gedreht, aber auch die Wirt*Innen erzählen lassen und das Ganze dokumentiert. Herausgekommen ist ein sehr emotionales Video und viele berührende Geschichten, die man sich auf www.cafemiami.de anschauen kann. Da gab es auch viel und tolles Feedback und einem selbst ist noch einmal bewusst geworden, welch wichtige Rolle Bars und Kneipen in den Kiezen und in den Leben der Menschen spielen.

Mit „Deine Likes“ haben wir eine andere Seite der Pandemie beleuchtet. Die immer weiter fortschreitende Entfremdung durch den Fokus auf digitale Medien, die wir ja auch selbst intensiv nutzen. Das ganze haben wir dann versucht, im Video sehr überspitzt darzustellen. Natürlich auch, um mit dem Finger auf uns selbst zu zeigen. 😉 Mit www.sind24.tv haben wir uns den Traum eines eigenen Teleshoppingkanals erfüllt – schaut mal rein 😉

Franzi: Könnt ihr denn schon verraten, wann das Album erscheint? Oder noch ein paar kleine Hints auf weitere Singles geben?

Hannes: Das kommende und dritte Album wird im Frühjahr 2022 erscheinen. Vorab wird es noch weitere Singles geben, auf die wir uns schon jetzt sehr freuen. Mehr Details wollen wir vorerst noch nicht verraten. Und wenn die aktuelle Situation es erlaubt, wollen wir natürlich wieder live dazu spielen.

Franzi: Die erste Singleauskopplung „Café Miami“, die ihr dieses Jahr veröffentlicht habt, ist eine Art Liebeserklärung an die Lieblingsbar. Dabei schwingen viel Nostalgie und Erinnerungen mit, gerade nach diesen zwei Jahren. Ihr habt zu der Single auf eurem Social Media Kanal, sowie eurer Website, eine Fotoreihe und kleine Vorstellungsvideos geteilt, in denen verschiedene Bars und Kneipen vorgestellt werden. Worauf wolltet ihr damit aufmerksam machen? Und wieso genau diese sechs Kneipen?

Hannes: Das “Café Miami” ist eher als Prototyp zu verstehen. Jeder von uns hat doch seine Eck- oder Stammkneipe, der Ort, an dem man sich immer wieder mit Freund*innen trifft, an dem man die Bedienung kennt, andere Gäste, der Ort, an dem man immer ins Gespräch kommt, wie ein zweites Wohnzimmer. Und uns fehlen pandemiebedingt diese Orte, welche eine bedeutende soziale Aufgabe erfüllen. Durch Corona sind sie geschlossen. Und zu diesen Orten gehören eben die Menschen, die sie betreiben und bewirtschaften, ihnen wollten wir einmal eine Stimme und die Aufmerksamkeit geben.

Franzi: Ihr sprecht durch diese Aktion auch aktuelle Umstände in der Kulturbranche und die Auswirkungen der Pandemie an. Findet ihr Bands und Musiker:innen sollten ihre Reichweite mehr für kulturelle und kulturpolitische Themen nutzen?

Hannes: Uns ist es immer wichtig, Themen die uns am Herzen liegen, auch in unseren Songs, Videos und Aktionen anzusprechen bzw. unsere Aufmerksamkeit zu nutzen. Man hat durch die Musik besondere Möglichkeiten und einen künstlerischen Weg, Dinge anzusprechen, wie wir es bei “Café Miami” zum Beispiel gemacht haben.

Und natürlich ist es gut, wenn Künstler*Innen Ihre Reichweite und den Einfluss nutzen, um auf gewisse Themen aufmerksam zu machen. Gerade jetzt in der Pandemie wurden viele in der Kulturindustrie vergessen. Es sind ja nicht nur die Menschen auf der Bühne, sondern sehr viele Beteiligte, durch die das überhaupt alles möglich wird: Licht- und Tontechnik, Booking, Management, Veranstalter*Innen usw. Jene wurden in vielen Hilfsprogrammen einfach übergangen oder vergessen und hatten nicht die Möglichkeit, sich groß Gehör zu verschaffen. Deshalb hat sich ja auch das Bündnis Alarmstufe Rot gegründet. Da war es wichtig, dass bekannte und reichweitenstarke Musiker*Innen Stellung bezogen. Und bei Themen wie Rassismus und Ausgrenzung ist es noch wichtiger!

Trotzdem sollte man auch nicht jede/n kritisieren, der/ die nicht in jedem zweiten Song oder bei jedem Konzert nur politische Ansagen macht. Musik ist in erster Linie ein Gefühl, Denkanstoß und eine Emotion, die man teilt. Und das sollte es auch bleiben. Positionieren, Einbringen und die Stimme erheben, gehören dazu, aber das beginnt schon im Kleinen und Alltäglichen.

Franzi: Euer drittes Album wird durch die Initiative Musik und Neustart Kultur gefördert. Wie findet ihr die Entwicklung von Kulturförderung der letzten Jahre? Sollte da im Bereich Pop Musik (auch im Vergleich zu klassischer Musik) noch mehr getan werden?

Hannes: U.a. die Initiative Musik und das Musicboard haben schon vor der Pandemie viele Künstler*Innen unterstützt und können dies Dank der BKM Hilfe in der letzten Zeit noch einmal deutlich stärker. Wir freuen uns riesig, dass wir diesmal auch dabei sind, denn ohne diese Förderung wäre es nach einem Jahr ohne Konzerte deutlich schwieriger geworden. Auch die Music Commission hat ja viele Programme, wie zum Beispiel die Listen to Berlin Compilation, die uns zwar nicht finanziell geholfen hat, aber uns und anderen eine Plattform und letztlich eine Bühne gaben, in einer Zeit, in der wir sonst nicht spielen konnten. Darüber hinaus sind wir dabei mit unserem Song “Karlshorst” in die Rotation bei RadioEins gekommen und konnten so neue Zuhörer*innen gewinnen. 

Wenn man wirklich eine tolle und vielfältige Indie- und Pop-Szene haben möchte, braucht es Fördertöpfe, um es Künstler*innen und kleineren Labels überhaupt zu ermöglichen, Musik zu machen und zu veröffentlichen. Und dann braucht es natürlich auch Plattformen dafür. Zum Einen das immer noch und überaus wichtige Radio, zum Anderen sind Live Auftritte nach wie vor das A und O für jede Musikerin und jeden Musiker. Nur dort lernt man neue Leute und Zuhörer*Innen kennen und nur da kann man sich wirklich richtig präsentieren. Das heißt im Umkehrschluss, dass auch viel mehr Unterstützung an Veranstalter*innen und Festivals gehen muss. Jene, die nicht von großen Marken gesponsert werden, sondern die sich darum kümmern, ein vielfältiges Programm auf die Beine zu stellen. Das Immergut Festival oder das Mayfeld Derby haben zum Beispiel eine grandiose Musikauswahl und haben schon viele Bands entdeckt, bevor sie groß waren. Das ist ein grundlegender Beitrag zu und für unsere Musiklandschaft. Aber das sind eben auch Festivals, die kaum etwas verdienen und mit sehr viel Zeit und ehrenamtlichem Engagement das Ganze umsetzen. Deshalb braucht es auch in diesem Bereich viel Unterstützung, um noch mehr zu bewirken. Es ist also einiges passiert und es gibt bereits viele gute Unterstützungsmöglichkeiten, aber es bedarf noch einiges an Arbeit.

Franzi: „Café Miami“ ist ja nicht der erste Song, der einer Bar gewidmet ist. Auf eurem ersten Album „Irgendwas mit Liebe“ habt ihr den Song „Danke Kim“, in dem es um die KIM-Bar in Berlin geht. Spielen eure Lieblingsbars in eurer Bandgeschichte eine zentrale Rolle? Ist das so eine Art Inspirationsort für euch?

Hannes: Die KimBar war damals unser zweites zu Hause. Wir haben uns dort oft und viel mit Freund*innen getroffen und schließlich am 16.01.2014 auch unser erstes SIND Konzert gespielt. Damals sind in der KimBar darüber hinaus auch viele Texte meines Gedichtbandes entstanden, welche dann zur Inspiration bzw. Vorlage für einige Texte von uns wurden.

Generell sind Bars immer ein Bestandteil unseres Lebens, weil man dort auf neue Menschen und Geschichten trifft, sich selber auch mal die Zeit nimmt, einfach nur zu erzählen, mal runter- oder auch entsprechend hochzufahren.

Franzi: Neben Bars greift ihr auch oft andere gesellschaftliche Themen auf. Wie z.B. in dem zweiten Song „Deine Likes“ des kommenden Albums redet ihr über Social Media. Dabei merkt ihr einige Punkte kritisch an. Was haltet ihr also persönlich von Social Media? Nutzt ihr das auch im privaten Bereich oder eher nur zu Band-Zwecken?

Hannes: Das Thema Social Media ist ja durch das vergangene Jahr noch einmal mehr in den Fokus gerückt bzw. sind wir alle mehr in die durch die Isolation bedingte Abhängigkeit gerutscht. Zum Einen ist da die Sehnsucht nach anderen Eindrücken und Geschichten außerhalb der eigenen vier Wände. Und zum Anderen die Möglichkeit zu schauen, wie es Freund*innen aber auch anderen Leuten geht und was sie so treiben. Und teilweise geht das eben auch zu weit. Der Drang sich zu präsentieren und darzustellen, entfremdet dann doch so manche menschliche Beziehung, was schade ist. Und deshalb taucht dieses Thema ab und zu in unseren Songs auf. Wir selber nutzen das natürlich auch, hauptsächlich jedoch zu Bandzwecken, privat sind wir nicht ganz so aktiv und suchen da lieber das Zwischenmenschliche, verbunden mit einem Kaltgetränk. Umso mehr freuen wir uns, dass wir jetzt wieder ein paar Konzerte spielen, neue Menschen kennenlernen und alte Freund*Innen wiedersehen können. Darum geht es ja am Ende.

Franzi: Ich finde, in eurem Song kommt der Wandel vieler Social Media Plattformen auf den Punkt: angefangen bei einem Weg mit Freunden und Bekannten in Verbindung zu bleiben, hin zu einem weiteren Kanal durch den man immer mehr mit Werbung, Promolinks und Produkten überschwemmt wird. Ist das mehr Fluch als Segen, auch wenn man sich selbst in diesem Hamsterrad befindet?

Hannes: Gute Frage, als Band ist man natürlich stark darauf angewiesen, weil die sozialen Medien eine der wenigen Möglichkeiten sind, Musik und Inhalte zu teilen und zu verbreiten. Besonders wenn keine Konzerte möglich sind und man als Band in den sonstigen Medien nicht allgegenwärtig ist. Auf der anderen Seite sind diese Kanäle mittlerweile überfüllt, manchmal mit tollen, geistreichen oder lustigen Inhalten, meist aber leider doch einfach nur mit Werbung und Quatsch. Es ist also schwer, sich da durchzusetzen und Menschen zu erreichen, dennoch überwiegt für uns aktuell die Möglichkeit, mit Leuten direkt und persönlich in Kontakt zu kommen und das was wir machen und lieben, unsere Musik, weiter zu teilen.

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Franzi: Aber um nicht ganz pessimistisch zu sein: Social Media hat natürlich auch Vorteile, gerade für Bands was die Interaktion mit Fans angeht. Wie seht ihr das? Macht euch das Spaß, oder seht ihr das eher als weiteren Punkt auf euren to do Listen?

Hannes: Das ist eine der wirklich guten Seiten der sozialen Medien, das man direkt mit den Zuhörer*Innen in Kontakt treten kann bzw. sie mit uns. Man bekommt direktes Feedback und kann sich austauschen. Auch die Möglichkeit Inhalte mit seinen Freund*Innen zu teilen und Künstler*Innen auf direktem Wege zu unterstützen. Auch wir bleiben so mit anderen Bands und Wegbegleiter*Innen in Kontakt, die man jetzt nicht allzu oft sieht.

Beim Posten selber haben wir uns in den letzten Jahren etwas schwerer getan. Vorher gab es immer Konzerte oder andere Neuigkeiten, die man teilen konnte. Durch Corona ist Vieles deutlich ruhiger geworden, auch das posten. Man muss nichts erzwingen, aber so langsam nimmt das Ganze wieder Fahrt auf.

Franzi: Die letzte Frage ist bei uns immer ein kleiner freier Platz für eine Untold Story. Hast du/habt ihr eine Geschichte, Anekdote oder einen Fun Fact, den ihr noch nie erzählt habt, aber das an dieser Stelle mit der Welt teilen wollt?

Hannes: Ja, da gibt es eine sehr schöne Geschichte, die auch ganz gut zum Thema „Deine Likes“ und Social Media passt. Wer uns in den letzten Jahren mal live gesehen hat, weiß, dass wir auf Konzerten oft Più Bella Cosa von Eros Ramazzotti gecovert haben. Das waren damals meine ersten Versuche am Mikrofon auf der Bühne. Auf dem zweiten Album, bei Trockeneis, haben wir dann auch eine kleine Hommage an ihn und diese Zeit eingebaut.

Nachdem wir aber diesen Song 2018 ungefähr 50 mal gespielt hatten, spielten wir ihn bis dato zum letzten Mal im Dezember 2018 in Wien bei einem Konzert zusammen mit Flut. Und eine Dame aus dem Publikum hat diesen Auftritt gefilmt und Eros Ramazzotti bei Instagram verlinkt und Eros hat es geliked und einen Daumen hoch zurück geschickt. Da war die Freude dementsprechend groß, wir haben das einfach Mal als einen musikalischen Ritterschlag vom Schnulzenkönig verstanden. Musikalisch hatten wir ab diesem Punkt also alles erreicht. Was jetzt kommt, ist die Zugabe. 😀

Wer auf andere Coverversionen und musikalische Ritterschläge spekuliert, sollte sich auf jeden Fall überlegen bei den zwei Auftritten von SIND bei den Acoustic Concerts vorbei zu schauen. Alle Termine gibt’s hier.

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