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Jules Jahresrückblick: Eintönig oder erfüllend? Wie ich ein Jahr lang nur einen Artist hörte

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Dass ich mich ausgerechnet in dem Jahr unserem tollen Redaktionsteam anschließe und meinen ersten Jahresrückblick schreibe, in dem ich genau einen (1) Künstler on repeat gehört habe, klingt erstmal doof. Aber ich nutze die Gunst der Stunde einfach, um endlich ins Internet zu posaunen, WIE GUT ich seine Musik finde. Um welchen Künstler es geht, erfahrt ihr gleich. Greift euch ein paar Lebkuchen und/oder einen warmen Kakao (beides austauschbar durch alles, was ihr mögt) und taucht ein in mein musikalisches Jahr 2023.

Alle, die mich ein bisschen kennen oder mir auf Social Media folgen wissen es bereits und werden einmal genervt durchatmen, wenn ich jetzt schreibe, dass sich mein kompletter Jahresrückblick um Hazlett drehen wird. Nicht, weil ich ihm nicht sowieso längst einen Artikel widmen wollte, sondern, weil niemand mein musikalisches Jahr 2023 so konsequent begleitet hat wie er. Laut meinem Spotify Wrapped habe ich seine Musik 114.227 Minuten lang gehört, das sind 79,3 Tage. Was das über mich aussagt? Vielleicht bin ich 2023 endgültig verrückt geworden. Aber bin ich der Meinung, jemanden gefunden zu haben, der zu 100% Musik für mein Herz macht? Auf jeden Fall.


Eine kleine Zeitreise

Aber spulen wir zurück zum Sommer 2022, die Acoustics Concerts sind in vollem Gange und ich so oft dabei wie es geht. Am 12.07.2022 spielt Anoki, lasse ich mir natürlich nicht entgehen. Mit ihm auf der Bühne: Masha The Rich Man und… Hazlett. Hätte ich damals geahnt, was dieser Abend auslösen wird, ich hätte es mir selbst nicht geglaubt. Da steht dieser in Stockholm lebende Australier in Latzhosen mit seiner Gitarre auf der Bühne, hinter ihm die Spree und die 23. Stadtrundfahrt-Fähre, während langsam die Sonne untergeht. Ich kannte ihn und seine Musik zu diesem Zeitpunkt noch nicht, war aber wie immer mehr als offen für neue Artists. Sein Set klingt folkig, seine Stimme gefällt mir auf Anhieb extrem gut, er erzählt zwischen den Songs lustige Anekdoten und füllt die Bühne auch alleine voll aus, wirkt aber trotzdem irgendwie unbeholfen. Und dann spielt er den damals noch unveröffentlichten Song Everybody Hates Me – der mich wie ein Blitz durchfährt und mir seitdem nicht mehr aus dem Kopf gehen will. Im Nachhinein denke ich, dass ich mich in diesem Moment das erste Mal wirklich in Musik verliebt habe.


Der Beginn einer (lieb gemeinten) Obsession

Bis „Everybody Hates Me“ dann einen Monat später veröffentlicht wird, durchforste ich seine bisherige Diskografie. Und ich höre nicht einen Song, den ich nicht unfassbar schön finde? Ihr kennt das bestimmt, ihr habt eine Lieblingsband, liebt alles, aber da gibt halt auch diesen einen Song, der holt euch nicht so ab. Völlig okay, kein Problem. Aber so ist das hier nicht. Jeder einzelne Song klingt PERFEKT in meinen Ohren. Und, Spoiler: Das hat sich ein Album und eine EP später noch immer nicht geändert. Im September 2022 sehe ich Hazlett noch einmal live in Berlin, als er bei der Indiean Summer Tour 2022 im Privatclub spielt, diesmal in kleiner Bandbesetzung. Mich persönlich berührt er alleine mit Gitarre noch einen Schnuff mehr, aber auch dieses Set befeuert meine beginnende Obsession.

Im Januar 2023 erscheint dann das Debütalbum Bloom Mountain“. Schon da war mir klar, dass das ganz oben in meiner Jahresliste stehen wird. Ich mache seitdem mit Anlauf einen Kopfsprung in alles, wo „Hazlett“ draufsteht. Ich kenne jedes verdammte Interview, das ich online finden konnte. Jedes Video auf seinem YouTube-Kanal habe ich ca. 1 Mio. mal gesehen. Ich habe mir in einem nur mittelmäßig echt aussehenden UK-Onlineshop für einen eigentlich unzumutbaren Preis seine 2020 erschienene EP Thundering Hopes auf Vinyl gekauft. Dass er mir dann erzählte, sie sei eigentlich ausverkauft und er wüsste wirklich nicht, dass man die noch irgendwo bekommt, steigerte meine Hoffnung darauf, nicht auf einen Fakeshop reingefallen zu sein, nur bedingt. Aber um hier keinen unnötigen Bogen zu spannen: Ihre Ankunft dauerte zwar ewig, aber inzwischen steht sie in der front row meiner Vinylsammlung. 2023 nicht auf einen Fakeshop reingefallen, check!

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Kein Weg ist mir zu weit, aber manche halt zu teuer

Wenn ich mitbekommen habe, dass Hazlett in meiner Nähe auftritt, war ich da. Das war zugegebenermaßen leider nur ein weiteres Mal am 12.09.2023 im Berliner Privatclub, als er Support für Wild Rivers gespielt hat (woraufhin ich überdurchschnittlich lange darüber nachgedacht habe, warum er in Berlin fast immer im Privatclub spielt und ob er denkt, dass wir nur diese Location haben?). Ich hatte mich ein paar Tage vor diesem Konzert mies am Fuß verletzt, konnte kaum laufen oder stehen – aber ratet mal, wer trotzdem auf Krücken ganz vorne stand und jeden einzelnen Song laut mitgesungen (und jeden Akkord mitgesummt) hat. Na klar. Am Ende des Abends habe ich ihm noch eine „Bloom Mountain“-Vinyl abgekauft und ein wirklich liebes Gespräch über u.a. Bahnfahrten in Dänemark geführt. Klingt random, war aber so herrlich normal. Ich möchte in Ermangelung weiterer Berlin-Konzerte auch nicht abstreiten, dass ich kurz davor war, für eine Show von ihm nach Stockholm zu fahren. Konnte ich mir nicht leisten, aber der Wille war uneingeschränkt da.


How to: Mit 31 Jahren nochmal zum Fangirl werden

Wenn man mich fragt, was es ist, das mich mit meinen inzwischen 31 Jahren nochmal zu dem 14-jährigen Fangirl werden lässt (nur mit weniger Kreischen), das ich einmal war, dann kann ich darauf keine verständliche Antwort geben. Denn eigentlich, das muss ich zugeben, höre ich die Art von Musik, die Hazlett macht, gar nicht so gerne – ohne jetzt groß in Genredenken zu verfallen. Aber wenn mich Spotify aufgrund meines wahnhaften Hörverhaltens darum bittet, ENDLICH mal „ähnliche Künstler*innen“ zu hören, dann mag ich das alles gar nicht so gerne. Was mich dann so an ihn fesselt? Ich kann es nicht sagen. Aber im Laufe der Jahre habe ich festgestellt, dass ich Musik noch mehr fühle, wenn ich die Artists dahinter „kennenlerne“. Ich denke, dass das hier auch ein großer Punkt ist. Hazlett ist für mich einer der sympathischsten Künstler, die ich „kenne“. Sehr zurückhaltend, sehr dankbar, sehr nahbar. Er bezieht seine Hörgemeinschaft in so gut wie alle Prozesse ein, wenn sie denn einbezogen werden möchten. Er spricht in der Wir-Form, wenn er neue Songs veröffentlicht und meint damit seine Fans, die für ihn offensichtlich genauso zu diesem Projekt gehören, wie sein Produzent. Ich muss zugeben, dass dieses Gemeinschaftsgefühl eine Menge mit mir macht. Ein paar Tage vor dem Albumrelease im Januar hat er ein kleines Prelistening über Zoom organisiert, in der man sich ungefiltert und direkt über das austauschen konnte, was einem nach dem Hören des gesamten Albums so in den Sinn kam. Ich finde das in der heutigen Zeit einfach sehr wholesome. Vielleicht will ich als Hörerin genau so abgeholt werden.

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Die Worte in meinem Kopf stammen nicht von mir

Egal, ob ich in diesem Jahr traurig, wütend, frustriert oder glücklich, motiviert, freudestrahlend war. Die Musik von Hazlett hat mich immer begleitet. Und sie hat auch immer gepasst. Ich weiß nicht, wie oft ich 2023 inbrünstig mitgesungen habe oder seine Songs zum Einschlafen gehört habe. Es wurde einfach nie langweilig, weil man auch nach dem 40. Mal hören noch neue Feinheiten entdeckt (glaubt mir das einfach). Und wenn ihr mich fragt, dann lege ich euch hier im Übrigen auch einen der besten Wortakrobaten ans Herz.


I wear my heart on my sleeve /
I’m sick and tired of trying to change clothes for you

(aus „Part Time Lovers“)
„I wanted to be / A little bit more
 Someone you see, who you adore /
But happy sleeping on your floor“
 (aus „Even If It’s Lonely“)
It’s heaven sent / Then left on read“
(aus „Slow Running“)


Ich könnte ewig so weitermachen. Es sind diese Zeilen, die ich rund um die Uhr in meinem Kopf habe und die ständig ihre Bedeutung für mich ändern. Mein bester Freund sagte vor ein paar Tagen zu mir: „Ich bin mir sicher, dass du dir über manche Songs mehr Gedanken gemacht hast, als er“. Es wäre absolut seltsam und hochnäsig, dem zuzustimmen – aber so richtig verneinen kann ich es irgendwie auch nicht, ich habe schon unangebracht viel darüber nachgedacht. Mal abgesehen davon, dass ich für untoldency natürlich viele andere Songs gehört habe, hatte ich in diesem Jahr privat wirklich nur selten das Begehren nach anderer Musik. Weil ich mich so gut mit Hazletts beschäftigen konnte und alles inhaliert habe, was ich bekommen konnte – und das war in diesem Jahr eine Menge, sein Output war wirklich wahnsinnig. An dem Wochenende, an dem das Album erschien, hat er einfach ein neues geschrieben. Wenn ihr das hier lest, dauert es noch einen Tag, bis seine neue EP „Goodbye To The Valley Low“ erscheint. Ihr könnt euch vorstellen, wer hier schon aufgeregt seine Kopfhörer auflädt.


Ich würde alles nochmal genauso machen!

2023 war insgesamt gesehen für mich ein seltsames bis schwieriges Jahr, mental und physisch. Aber dass ich jemanden gefunden habe, der ungewollt für jede Situation den richtigen Ton und die richtigen Worte für mich übrig hatte, hat schon vieles leichter gemacht. Ich weiß nicht, ob das jemand von euch nachvollziehen kann, aber ich wünsche euch allen, dass ihr Künstler*innen oder Alben findet, die euch das geben, was mir Hazlett geben kann. Ich bin unendlich dankbar für den 12.07.2022, der Tag an dem alles begann. Ich weiß nicht, ob ich 2023 so gut überstanden hätte, wenn ich diesen musikalischen Zweig nicht gehabt hätte, mit dem ich mich über Wasser halten konnte. Das klingt pathetisch, aber ich weiß nicht, wie ich es noch passender formulieren könnte. Alles, was ich damit ausdrücken möchte, ist: Danke, Haz!

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Kaum zu glauben, aber…

… ich möchte euch natürlich trotzdem nicht die paar wenigen Künstler*innen vorenthalten, die ich zwischendurch doch auch mal gehört habe. Ganz oben dabei ist auf jeden Fall Paula Carolina, deren EP Heiß/Kalt ich sehr gefeiert habe. Auch „Gradient“ von LIN fand ich unfassbar stark. In meinen Top Artists 2023 finden sich aber auch aus vergangenen Jahren bekannte Favorites wie SALÒ, Anoki, Paula Hartmann oder Jacob Leo. Zu meinen liebsten Neuentdeckungen gehörten auf jeden Fall Serpentin, MODULAR und Fiese Luise. Aber auch mehr oder weniger Klassiker von R.E.M., Lana Del Rey oder Drangsal haben es wenigstens mal kurz in meine Ohren geschafft. Und noch ein ganz aktueller Nachtrag: Am 01.12.2023 hat MIKA sein neues, französisch-sprachiges Album „Que ta tête fleurisse toujours“ veröffentlicht und das liebe ich gerade sehr, obwohl ich kein Wort Französisch verstehe. Aber muss man eigentlich immer alles verstehen? Wahrscheinlich nicht.

Fast 1.700 Zeichen später komme ich nun also zum Ende. Ich freue mich doll, dass du es bis hier hin geschafft hast. Ich weiß nicht, ob ich selbst so viel gelesen hätte. Eigentlich fügen wir hier jetzt noch eine extra für die Jahresrückblicke erstellte Playlist ein, damit ihr euch nicht nur durch unser musikalisches Jahr lesen, sondern auch hören könnt. Aber sind wir ehrlich, das wäre bei mir wirklich witzlos. Also füge ich euch einfach genau die Playlist ein, die mich 2023 eben begleitet hat – mit haargenau allen auf Spotify verfügbaren Songs von Hazlett. Ich freue mich, wenn du mal reinhörst. Und wenn dich seine Musik nur ansatzweise so kriegt, wie mich, dann slide bitte in meine DMs, damit wir uns darüber austauschen können!

Den allerletzten Absatz dieses Artikels möchte ich noch ganz besonderen Personen widmen: unserem zauberhaften untoldency-Team! Ich weiß, wie schwierig dieses Jahr für alle von uns war. Und trotzdem hat jede*r Einzelne von euch alles ihr/ihm Mögliche für dieses Magazin gegeben. Dafür bin ich euch ewig dankbar, ich hoffe, ihr wisst das! Lots of love 💚

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