Vor Erfolg ist immer Arbeit
Zuerst aber eine klitze-kleine Aufarbeitung der Giant Rooks-Bandgeschichte: Die Indie-Pop Band aus Hamm besteht aus fünf einfach nur knuffigen Bandmitgliedern, die alle schon in der Schule angefangen haben, Musik zu machen: Sänger Fred, Gitarrist Finn, Synthi-Boi Jonathan, Bassist Luca und Schlagzeuger Finn. Zusammen haben sie Ende 2015 ihre erste EP The Times Are Bursting The Lines veröffentlicht, waren mit Kraftklub und Von Wegen Lisbeth auf Tour (hi an alle, die sie da entdeckt haben) und haben im darauffolgenden Festivalsommer alle Herzen der Indie-Republik live erspielt. 2017 kam die zweite EP New Estate, die ihnen in Kombination mit der dritten EP Wild Stare unter anderem den 1Live-Krone-Förderpreis und den Preis für Popkultur für den hoffnungsvollsten Newcomer bescherten. Ziemlich viel Erfolg, noch mehr geile Live-Shows, aber noch kein Debütalbum. Das sollte sich 2020 nach sechs Jahren Bandgeschichte ändern. Wir präsentieren: Rookery.
Das Setting of Rookery
Ich persönlich muss leider sagen, dass ich seeehr spät in den Giant Rooks-Zug zugestiegen bin. Ja, ich hab ihn nicht mal an mir vorbeifahren sehen, ehrlich gesagt. Passiert den Besten, leider. Bei der EP 2019 war ich dann aber voll mit dabei, habe mich direkt in King Thinking, Wild Stare und auch bisschen in die Stimme von Frontsänger Fred verliebt. Mit dem Albumrelease immer näher kommend wurde dann ein Corona-abgestimmtes Release-Konzert geplant, welches ich sehr gemütlich mit Gin Tonic in der Hand auf dem Sofa genossen habe. Präsentiert von zart.tv sollte hier einiges aufgefahren werden und ich war wirklich sehr gespannt. Ich muss hier ja niemandem erzählen, was der Entzug von Live-Konzerten dieses Jahr emotional ausgelöst hat. Mein Setting für dieses erste Konzert war also Gin Tonic, zart.tv, die Couch und ein zu diesem Zeitpunkt noch nicht gehörtes Debütalbum der Giant Rooks. Das erwartet euch jetzt.
„I don’t believe in a life after death, there isn’t such a thing as regret.”
Dem Konzertbericht folgend kommt hier also eine Review in Setlist-Reihenfolge. Der Timer läuft runter und die Band erscheint auf einer kleinen, süßen und runden Bühne im Tempodrom. Spoiler: Internetverbindung war stabil die ganze Show lang. Der Opener für das Konzert war genau wie für das Album The Birth Of Worlds. Rückblickend wird es auf seine Weise genau so gut das Album eröffnen, wie das Schlusslicht Into Your Arms das Album schließen wird, aber dazu könnt ihr weiter unten lesen (bleiben lohnt sich). Nun erstmal zu Fred’s ersten Worten als er auf die Bühne zu dem ersten Song des ersten Giant Rooks Albums tritt:
„When you were hidin‘ in the nest, what did I do to make you feel some hope? When it was time to leave the heights, we tried to stay close but then we lost it all.”
„I’m often scared when in the rookery.”
Es braucht ein bisschen, aber dann haut es tief ins Herz. Wie ich vorhin bereits gebeichtet hab, bin ich kein Fan der ersten Stunde, und höre Bright Lies tatsächlich zum ersten Mal richtig bewusst. Mit Song Nummer drei des Abends bin sowas von in meinem digitalen Konzerterlebnis angekommen. Cara Declares War und 100mg folgen und an der Reaktion des Publikums kann ich sehen, dass ich nicht die einzige bin. Apropos sehen. Das Konzert wurde mit einer Augmented Reality (AR) aus allen möglichen Perspektiven gestreamed, das ist so wie ein 360° Telekom-Konzert in gut. Bühnenbilder werden passend zu den Songs digital eingefügt und erwecken die Show zum Leben. Giant Rooks spielen manchmal vor einer Wüste, inmitten von Felsen oder aber auch direkt vor der Sonne. Schon dezent beeindruckend.
„It was a Wednesday afternoon that I found out about us going to the clouds.”
„I wanna break the silence but it’s so beautiful.”
“I don’t need reasons to be alone.”
Live-Debüt: Very Soon You’ll See. Auf dem Album befinden wir uns beim vierten Track –und entschuldigt den Ausdruck in dieser sehr professionellen Review, aber: Fuck. Der Anfang kriegt mich direkt. Zu 1000 %. Indie kombiniert mit einem simplen aber geilen Beat, über den Sänger Fred leichtfüßig singt??? Während ich das schreibe, spule ich immer wieder zurück, live (auf der Couch) kann ich das nicht. Aber fuck, ich fühle es. Very Soon You’ll See sticht heraus. Es wird zum Refrain richtig rockig, kehrt zurück zum Anfangsbeat und fügt noch eine sommerliche Akustikgitarre hinzu. Ich habe das Gefühl, ich bin in der Verfestigung der Kombi aller Musik, die ich liebe, gelandet. Giant Rooks, danke dafür.
„They put me in a cage to see what happens when you put one in a cell without an escape plan. If I lose my mind before the first attempt, oh, I’ll never be free again.”
Was unabhängig von der Musik auf der lyrischen Ebene abgeht, lässt mich an Stellen sehr sprachlos zurück. Genau wie die Bridge zu What I Know Is All Quicksand, die eine so pure Melancholie kreiert, dass ich Gänsehaut bekomme. Hallo, das ist ein Chor. Und das live? Excuse my feelings. Fred spielt ein ruhiges Outro, nur seine Stimme in einer viel zu leeren Halle. Doch wer den Song kennt, weiß: so geht das nicht zu Ende, da knallt’s noch einmal. Die Band steigt nach viereinhalb Minuten Liedlänge noch einmal voll ein und schließt es in einer musikalischen Umarmung ab (das klingt nur so dramatisch, weil ich wirklich, wirklich Konzerte vermisse).
„Oh, I wanna fall into your arms, where I could hide til kingdom comes.”
Ich weiß, ihr lest das (hoffentlich) schon eine Weile und ich wrappe jetzt up, wie man das so schön nicht sagt. Ihr alle wisst, dass Wild Stare ein Hit ist, da muss ich euch gar nichts zu erklären. Aber zu Into Your Arms muss ich dann doch ein paar Worte da lassen. Into Your Arms bildet auf dem Album das berühmt langsame Outro. Fred singt mit Autotune und Akustik-Gitarre, im Tempodrom eröffnet sich eine digitale AR-Sternengalaxie, dann erklingt die E-Gitarre und ich bin einfach emotional total offen. Zum Autotune gesellen sich elektronische Beats, um dann wieder in einen Indie-Chor fallen zu lassen, und all das macht Into Your Arms zum schönsten Outro-Song, den ich dieses Jahr gehört hab. Die Welt, die The Birth Of Worlds eröffnet hat, wird mit Into Your Arms geschlossen. Beide Songs rahmen dieses Debütalbum perfekt ein. Von vorne bis hinten stimmt alles, jeder Song harmonisiert, steht komplett für sich und drückt doch eine Vielschichtigkeit aus, die ich Giant Rooks so ehrlich gesagt nicht ganz zugemutet habe. Ich bin sprachlos begeistert.
„You might guess I’m thinking, but I’m only blinking.”
Giant Rooks gehen von der Bühne und als wäre alles wieder zurück zur Normalität, schreien alle „Zugabe“, obwohl jeder weiß, dass sie kommt. Und wie sie kommt. Alle meine kleinen Träume werden erfüllt als ich die ersten Töne zu King Thinking höre. Es ist doch immer was anderes, wenn man die Songs live hört, über die man die Band lieben gelernt hat (i know: L A T E). Ich weiß, das Konzert ist gleich zu Ende und reflektiere schon mal, wie gut es war. Das waren die vielleicht schönsten eineinhalb Stunden auf der Couch seit langem. Der Abschluss bildet Watershed, die Pop-Hymne, die gerade ganz Deutschland erobert.
Fazit: Rookery von Giant Rooks ist Anhalter auf Album des Jahres und bitte mehr Live-Konzerte über zart.tv und AR. Danke.