Die Liste an Festivals im Sommer ist mittlerweile fast unendlich lang. Zwischen den großen Namen wie Rock am Ring, Deichbrand oder dem Fusion gehen die kleineren Festivals schnell mal unter – dabei sind das genau die, die eigentlich mehr Aufmerksamkeit verdient hätten. Eins möchten wir euch heute vorstellen: Das Appletree Garden Festival.
Gartenparty auf einer Apfelbaumwiese wird zum Festival
Was einst als Gartenparty unter Freund*innen auf einer Apfelbaumwiese gestartet ist, zieht heute internationale Headliner in das beschauliche Städtchen Diepholz in Niedersachsen. Doch die familiäre Atmosphäre hat das Appletree Garden Festival nicht verloren. Organisiert wird das Festivals nämlich von Ehrenamtlichen, die schon Monate vorher dafür sorgen, dass das Festivalwochenende unvergesslich wird. Im Schatten von Eichen und Apfelbäumen präsentiert das Appletree drei Tage voller Lieblingsmusik, Kultur und Leidenschaft – von ausgewählten Newcomer*innen, über gefeierte Acts der Indie-, Pop- und Elektro-Szene bis hin zu einem liebevoll gestalteten Rahmenprogramm aus Zirkus, Diskurs und Workshops.
Wenn man mit dem Zug in Diepholz ankommt, kann man das Festival eigentlich gar nicht verfehlen, denn man muss keine zehn Minuten zu Fuß gehen bis man auf dem Festivalgelände steht. Da die Besucher*innenzahl auf 5.500 beschränkt ist, ist hier auch alles schnell erreichbar. Großer Pluspunkt für einen heißen Sommer: Die vier verschiedenen Bühnen stehen im Wald auf kleinen Lichtungen und spenden so eine Menge Schatten. Es gibt eine Große Bühne, eine Waldbühne, den Spiegelpalais, das “Tiefe Holz” und die “Oase”. Die letzten beiden sind verhältnismäßig klein, aber dafür mit besonders viel Liebe zum Detail gestaltet.
Die “Oase” beherbergt DJ’s. Jetzt könnte man fast denken: Wo ist denn hier die Bühne? Denn das Gerüst sieht aus wie ein Sprungturm aus dem Freibad, dem ein gigantischer Diamant aufgesetzt wurde. Das DJ Booth ist genau darin versteckt und die Besucher*innen können im Sand der “Oase” bei Freibad-Gefühlen tanzen.
Kein Appletree ohne das passende Accessoire
Auch sonst ist das Gelände liebevoll gestaltet: Überall hängen Lichterketten, Diskokugeln und Sitzmöglichkeiten wurden aus Holz selbst gebaut. Die Liebe zum Detail bringen aber auch die Festivalgäste selbst mit. Mittlerweile ist es schon fast Tradition, dass beim Tanzen vor der Bühne ein selbstgebasteltes Accessoire mitgebracht wird. Das könnte zum Beispiel ein Regenschirm sein, der durch Verzierungen aussieht, wie eine Qualle – oder ein Besenstiel, der zu einem Apfelbaum umfunktioniert wurde. Der Kreativität sind da keine Grenzen gesetzt.
Ansonsten wirken hier alle sehr entspannt. Das könnte auch daran liegen, dass ein Großteil der Besucher*innen nach dem Aufstehen morgens erstmal zum nahegelegenen Freibad wandert, um sich dort abzukühlen und etwas Ruhe zu finden. Aber auch im Freibad sind die Diepholzer natürlich auch die Festivalbesucher*innen eingestellt: Wenn der Bademeister morgens um 10 Uhr zur längsten Polonaise aufruft und “Pump up the jam” aus den Lautsprechern dröhnt, dann ist das vermutlich nicht der Normalzustand in der nach eigenen Angaben 18.000 Einwohner-großen Stadt. Total egal, denn die längste Polonaise bekommt er natürlich trotzdem.
Line Up: Von deutschen Hit-Garanten bis französischer New Wave
Genug drum herum gequatscht: Wie sieht’s denn mit der Musik aus? Das diesjährige Line Up bestand aus run 70 musikalischen Acts, Workshops, Zirkus und Theater unter anderem mit: Wanda, Crystal Fighters, La Femme, Edwin Rosen, The Vaccines, Leoniden, Royel Otis, ÄTNA, Berq, Charlotte Adigéry & Bolis Pupul, Fatoni, Paula Carolina, Rachel Chinouriri, Derya Yildirim, Say Yes Dog, TRÄNEN, Futurebae und vielen mehr. Das persönliche Highlight ist natürlich total subjektiv, aber wir möchten euch trotzdem nicht unsere persönlichen Favoriten vorenthalten:
Für den Zuckerschock direkt zu Beginn des Festivals haben die Tiny Wolves gesorgt. Der Kinderchor hat mit Klassikern von Coldplay und Co. direkt mal die Messlatte an Emotionalität ganz hoch gesetzt. Weiter ging es mit starken deutschsprachigen Acts: Paula Carolina, Marie Curry, Kasi und Buntspecht haben direkt angeschlossen. Vor allem Paula Carolina und ihre Band haben uns mit ihrer Energie und ausgefallenen Dance Moves überzeugt.
Mit voller Energie ging es auch an den folgenden Tagen weiter. Der Freitag war vollgepackt mit Garanten der guten Musik: Leoniden, La Femme, Ätna, Get Jealous. Die große Überraschung war Bukahara, denn die Band war bis zum Festival beginn nur ein “secret act” – es wusste also keine*r, dass sich die Indie vierköpfige Indie-Band hinter diesem Label versteckt. Dabei hätte es wohl einen passenderen Act für den Slot geben können. Besonders gefreut haben wir uns aber auch auf Royel Otis. Die Newcomer aus Australien sind innerhalb eines Jahres mit ihrem Album “Sofa King” durch die Decke gegangen. Vermutlich angestoßen durch den TikTok-Erfolg ihres Covers “Murder on The Dancefloor“. Auf der Festivalbühne konnten die Australier aber auch mit ihren gefühlvollen Balladen punkten.
Unser Geheimtipp (der für euch hoffentlich bald keiner mehr ist): Picture Parlour. Die female fronted Indie-Rockband aus Manchester bringt so eine Energie auf die Bühne, dass das Publikum gar nicht anders kann, als im Takt mitzuwippen und sich die Seele aus dem Leib zu grölen – genauso wie es Sängerin Katherine Parlour selbst vorgibt.
Zugegeben waren wir am Samstag schon etwas mitgenommen vom bisherigen Festivalwochenende, aber nach einer Runde Aqua Fitness im Freibad und der Lesung von Miriam Davoudvandi ging es unaufhaltsam weiter mit guter Musik. Zwischen türkisch-deutschen Indie Folk Sounds von Engin und klassischem Rap von Fatoni stich vor allem die britische Pop-Sängerin Rachel Chinouriri mit geballter Portion Guter Laune auf der Bühne heraus – denn die war richtig ansteckend. Auch die passenden Dance Moves konnte die 25-Jährige uns präsentieren und hat den Bereich um die Bühne im Handumdrehen in eine Wohlfühloase verwandelt. Zum Abschluss hat NNDW-Liebling Edwin Rosen in mystischer Atmosphäre neue Songs präsentiert und seinen Fans versichert, dass er sich jetzt Zeit nimmt für neue Releases. Was für ein Versprechen zum Festivalabschluss!
Wer jetzt auf den Geschmack gekommen ist, der kann sich das Appletree Garden Festival für das nächste Jahr gleich mal im Kalender notieren: 31.07. – 02.08.2025. Sehen wir uns da? Bis dahin könnt ihr hier nochmal die Banger des diesjährigen Line Ups nachhören:
Fotos: Anna Wyszomierska, Anna Niere