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ENGIN im Interview: »Es ist unser Anspruch, Teil der Veränderung zu sein. «

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Diese drei ernstaussehenden aber unfassbar lieben Jungs solltet ihr mittlerweile kennen – immerhin wirbeln ENGIN seit knapp einem Jahr durch unsere Bubble. Mit ihrem Debütalbum Nacht haben sie sich letzten Sommer durch fast alle Städte Deutschlands gespielt und mit jedem Stop neue Fans gewonnen. Zuletzt als Support von Von Wegen Lisbeth stehen sie nun vor ihrer ersten Headline-Tour (wir dürfen präsentieren und verlosen!), im Gepäck ihre aktuelle EP. Voll mit neu-interpretierten türkischen Volkslieder und Klassikern des Anadolu-Rocks brechen sie die Schwelle zwischen deutscher und türkischer Rockmusik auf. Eine Schwelle, die schon so lange gebrochen werden wollte! Weil die EP aber nicht nur voll mit Hits ist, sondern auch in einer Sprache, die ich leider nicht spreche, findet ihr hier ein mit witzigen Anekdoten durchspicktes Track-By-Track Interview! Von Quittenbäumen über Pferde im Vollgalopp zu Tipps gegen Liebeskummer und das Zerrissenheitgefühl einer ganzen Generation – hier lernt den Sound hinter David, Engin und Jonas (v.l.n.r.) ganz genau kennen.


ENGIN im Interview

Anna: Hey ihr drei! Noch ein wenig rest-frisch im neuen Jahr erstmal ein kurzer Blick zurück: wie war das Jahr 2023 für euch?

Engin: Das letzte Jahr war ein Geburtsjahr von vielen Sachen. Erste Tour, erstes Album, erste Konzerte in Istanbul. Das war auf jeden Fall ein Jahr voller Highlights! Das Istanbul-Konzert war für mich persönlich ein ganz großes Ereignis. Beziehungsweise waren es ja drei Konzerte am Stück! Das war ein krasses Gefühl mit dem neuen Album, das ein paar Monate vorher rauskam, und ein paar türkischen Songs im Gepäck da aufzuschlagen und auf so viel Gegenliebe zu stoßen. Hätte ich mir nicht erträumt, dass das so schnell geht.

Jonas: Für mich war es eigentlich mehr so ein Stück weit den Kindheitstraum erfüllen. Diese intensive Zeit, die man als Band verbringt und die witzigen Momente, die dabei passieren. Das Spielen an sich natürlich, das ist schon krass, aber auch das ganze drum herum. Dass man die ganze Zeit beschäftigt ist und rumrennen darf für die eigene Musik.

David: Ja, ich finde es auf jeden Fall auch ein krasses Privileg, dass wir die Chance bekommen, als (bis aufs Booking) DIY Band so viele Menschen zu erreichen mit Musik und generell einer Thematik, die im Kern so positiv ist. Und das dann auch gerade in der heutigen Zeit. Das macht auf jeden Fall Lust auf mehr!

„Es soll keine Fremde herrschen, sondern Verbundenheit und Vertrautheit.“

Anna: Ich wollte das Interview ein wenig an der Tracklist eures neuen Albums „Mesafeler“ hangeln. Vielleicht starten wir zuerst mit dem Album-Titel: „Mesafeler“ bzw. „Distanzen“ wie es auf Deutsch übersetzt heißt, fasst die Thematik des Albums passend zusammen. Welche Distanzen versucht ihr mit dem Album zu überbrücken?

Engin: Es sind ein paar! Die erste ist natürlich kulturell und sprachlich, weil das Album auf Türkisch ist. Es ist auch eine Überbrückung der innerdeutschen Distanz, weil es Musik ist, die türkische Menschen vor ein paar Jahrzehnten nach Deutschland mitgebracht haben. Für mich persönlich ist es auch eine Überbrückung der Distanz zur eigenen Identität, also dieses „es ist okay, wenn ich hier geboren und aufgewachsen bin, dass ich trotzdem auf Türkisch singe“. Dass auch das seinen Platz hat. Eine weitere Bedeutung sind auch die Distanzen, die wir physisch zurückgelegt haben. Mit knapp 60 Konzerten in acht Monaten ist es auch ein guter Tour-Titel! Und natürlich das selftitled Album von Erkin Koray, welches eine große Inspirationen für uns war und als Meilenstein des Anadolu Rocks gilt. Da heißt der erste Song auch Mesafeler, deshalb ist es so ein bisschen eine Hommage an ihn. Es hat also viele Ebenen!

Anna: Euer Album „Mesafeler“ ist eine Sammlung von Covern türkischer Lieder, viel auch aus den 60er und 70er Jahren. Warum gerade diese Zeit?

Engin: Wir beziehen uns auf diese Zeit, weil sie musikalisch sehr spannend ist, was die türkische Musik anbelangt. Vor allem im Zuge des Aufkommens des Anadolu Rocks, der alte türkische Folklore und traditionelle Musik mit westlicher Rockmusik und psychedelischer Musik verbunden hat. Anadolu Rock ist ein sehr globaler Sound, der uns schon seit Jahren als Inspirationsquelle dient. Es gibt so viel Musik aus der Türkei, die in Deutschland gar nicht bekannt ist. Entgegen dem gängigen Klischee-Bild wollen wir zeigen: wie klingt denn eigentlich türkische Musik? Für uns war das auch eine Forschungsreise in dem Sinne! Wir haben ja ganz viel Musik aus dieser Zeit auf Social Media schon präsentiert und da wollten wir auch für uns diesen Kern herausschälen. Aus was besteht Anadolu Rock, und wie kann man Songs in unserem Stil, in unserem Gewand präsentieren? Das war eine spannende Herausforderung!

Jonas: Musik oder Sprache sind ja beides Klänge. Man gewöhnt sich als erstes an den Klang einer Sprache und kann von da immer weiter eintauchen. Und das finde ich auch wichtig bei unserem Ansatz, dass wir eigentlich nur probieren, Menschen die türkische Sprache und Kultur in einem vertrauten musikalischen Gewand zu präsentieren. Wenn man sie öfter hört, gewöhnt man sich an den Klang der Sprache. Und das ultimative Ziel wäre dann, wenn ich draußen rumlaufen und türkische Menschen sprechen höre, dass mir der Klang vertraut vorkommt, weil ich ihn in der Musik erlebt habe. Darum geht es, diese Distanz mit der Musik zu überbrücken und dann auch im echten Leben nicht mehr Menschen, die seit 60 Jahren hier leben und zwei Sprachen können, als fremd wahrzunehmen. Ich kann nicht mal eine Sprache richtig! (lacht) Und ich merke ja wie geprägt ich von der Gesellschaft bin. Das war eine schöne Reise auch zu mir selbst, diese Vorurteile aufzulösen. Damit mein ich nicht mal intellektuell, weil das geht schnell. Sondern dass man das wirklich fühlt, und keine Fremdheit mehr herrscht, sondern Verbundenheit und Vertrautheit.

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„Ich freu mich auf den Leidensweg, die Songs live gut zu spielen.“

Anna: Habt ihr lange gebraucht, um euch auf einen Sound zu einigen oder lief das alles ganz harmonisch zusammen? Wie viel Spaß hat der gesamte Prozess gemacht?

Engin: Der Prozess hat sehr viel Spaß gemacht und lief auch relativ flott! Wir sind da nicht so planvoll vorgegangen, sondern haben die Songs erst mal gespielt. Dadurch hat sich das sehr organisch ergeben. Wir sind ja einfach auch drei Charaktere, die zusammen was erschaffen, und da entsteht eh ein anderer Sound. Da hat sich relativ schnell rauskristallisiert, was eine coole Version ist.

Anna: Die erste Single des Albums ist „Ayva Çiçek Açmış“, und bedeutet übersetzt „der Quittenbaum blüht“. Ich hab mir natürlich auch den Original-Song angehört, und eure Version hat deutlich mehr Wucht nach vorne – habt ihr ihn deshalb als Opener des Albus gewählt? Und was für eine Rolle spielt der Quittenbaum?

Engin (lacht): Der Quittenbaum ist insofern relevant, als dass er für die Vergänglichkeit der Liebe steht und die Angst davor, was passiert, wenn sie erlischt. Es gibt die Zeile: „Weck mich nicht aus meinem tiefen Schlaf / Belüge mich nicht, indem du sagst, dass du mich liebst“ – das hat ja eine enorme Wucht. Wir hatten sofort Lust, da einen sehr tanzbaren Song draus zu machen, aber auch einen Song, der so richtig reinhaut. Das Outro könnte wahrscheinlich jeden Nachbarn aus dem tiefsten Schlaf wecken, wenn man es auf angemessener Lautstärke spielt (lacht). Das fanden wir einfach passend, um ihn als ersten Song zu wählen.

Anna: Ich kann auch nicht anders, als mir das direkt in einem vollen und durchschwitzen Club vorzustellen. Auf welchen Song des Albums freut ihr euch am meisten auf der Tour im Mai live zu spielen?

Engin: Also ich freue mich persönlich schon auf sehr auf Ayva çiçek açmış. Wir haben ja auch ein paar Songs schon länger im Programm und Ayva ist auf jeden Fall einer, den wir neu dazunehmen werden. Das wird auf jeden Fall ein Highlight!

David: Ja bei mir auch, da schließ ich mich an!

Jonas: Ich bin sehr gespannt auf Cemalım. Ich freu mich auf den Schmerz und den Leidensweg, den Song live gut zu spielen (lacht).

Engin: Also ist ein herausforderndes Set auf jeden Fall! Die Songs sind sehr unterschiedlich, haben unterschiedliche Stilelemente, und die in unserem Trio-Format überzeugend rüber zu bringen, das wird eine Herausforderung. Aber es wird klappen, vorher gehen wir nicht aus dem Haus! (lacht)

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„Barış Manço war ein richtiges Original.“

Anna: Auch der zweite Track „Anlıyorsun Değil Mi“ hört sich an, als würde er sehr viel Spaß live machen. Wenn ihr die Plattensammlung eurer Eltern heute durchkramen würdet, würdet ihr dort Barış Manço auch finden? Der Mann sieht ein bisschen aus wie eine türkische Legende.

Engin: Auf jeden Fall, man kann ihn eigentlich in jedem türkischen Haushalt finden. Barış Mançoist einer der wichtigsten Vertreter des Anadolu Rock und hat einfach über Jahrzehnte hinweg unfassbar wichtige Arbeit für die türkische Musikkultur geleistet. Er ist Ende der Neunziger gestorben und als er zu Grabe getragen wurde, waren alle auf den Straßen, es lief rund um die Uhr auf den Fernseher. Es war ein Volkstrauertag im Endeffekt. Barış Manço war ein richtiges Original. Er hat auf Englisch gesungen und dann auch sehr viel Bock gehabt, Japanisch zu lernen, also hat er ein japanisch-sprachiges Album aufgenommen. Er war dadurch auch in Japan sehr beliebt und bekannt. Einfach so ein Weltenwanderer und Kosmopolit. Das ist auf jeden Fall ein schönes Vorbild, was das kulturverbindende Element anbelangt.

Anna: In dem Song „Öyle Sarhoş Olsam Ki“ lautet eine Zeile (übersetzt) „Wenn ich doch nur so betrunken wäre, um dich für einen Moment zu vergessen.“ Wie geht ihr mit Liebeskummer um?

Engin (lacht): Das hab ich lang nicht mehr gespürt, kann das wer anders beantworten?

Jonas: Ich glaube, es ist legitim, Sachen ein Stück weit zu kompensieren, dass man nicht die ganze Zeit über den Schmerz nachdenken muss. Vor allem wenn man es eh nicht lösen kann.  Also ich sage jetzt nicht, betrinke dich jeden Tag. Ich sag, betrink dich von mir aus einen Tag, aber geh den nächsten Tag auf ne Wanderung (lacht). Also lenk dich ab, damit du nicht die ganze Zeit über Probleme nachdenkst, weil am Ende braucht das Gehirn gehören einfach Zeit, um die Synapsen aufzulösen und neue zu bauen. Ist ein schwieriges Thema und sehr individuell, da muss man schon sehr auf sich aufpassen.

David: Musik hilft auch! Also man kann sich ja, wenn man traurige Musik hört, richtig gut im Liebeskummer baden und so. Aber wenn man dann wieder da rauskommt und Musik findet, die einen ablenkt und auch wieder auf positive Gedanken bringt, dann ist das auch sehr gut.

Jonas: Man kann Schlagzeug spielen.

David: Genau, also Sport auch einfach! Sport machen, …

Jonas: Streich einfach alles raus und schreib „Schlagzeug spielen“ (lacht).

„Ja, das darf auch im Radio gespielt werden!“

Anna: „Cemalım“ haben wir ja schon angesprochen. Was macht diesen Song so besonders?

Engin: Cemalım ist eigentlich voll der Krimi! Es erzählt die Ermordung eines türkischen Edelmannes und die Klagen seiner Frau, die nicht weiß wohin, nun wo er gestorben ist. Cemalım ist ein Totenklagelied, einmal aus der Sicht des Mannes und aus der Sicht der Frau. Es geht auch um das Pferd des Mannes, mit dem er ausgeritten ist und das nach seiner Ermordung nicht mehr zurück nach Hause findet. Das ist alles sehr filmisch erzählt, und in den Lyrics steckt dieses ganze Drama hinter diesem brutalen Akt. Es ist auch sehr gehetzt, fast wie eine Verfolgungsjagd, und das haben wir versucht musikalisch zum Ausdruck zu Bringen.

Anna: Gecovert hat das Lied u.A. auch Altin Gün, eine ebenfalls sehr prägende Band unserer Generation, die dazu beigetragen hat, türkische Musik in den Mainstream zu bringen. Habt ihr das Gefühl, dass die Schwellen zur türkischen Musik und Kultur in den letzten Jahren gesunken sind?

Engin: Auf jeden Fall! Wir hatten neulich ein interessantes Gespräch mit dem Kölner DJ Burakete, der schon seit den 90ern Partys veranstaltet. Die Leute wussten in den Neunzigern nicht, wie sie auf die türkischen Rhythmen tanzen sollen und jetzt haben diese Partys auch aus der nicht-türkischen Community großen Zulauf. Das hat also schon ein paar Jahrzehnte gedauert, aber ich würde sagen gerade so die letzten vier oder fünf Jahre ist da viel Bewegung reingekommen. In Frankreich zum Beispiel sind viele türkische Acts einfach bekannt! Es gab zum Beispiel in den Siebzigern schon die Band Moğollar, die man auch als einen wichtigen Grundpfeiler des Anadolu Rocks gesehen hat. Die haben ihr prägendes Werk in Frankreich aufgenommen haben und wurden ultra gefeiert. Also die haben da auch Musikpreise gewonnen in Frankreich, in den Siebzigern schon! Obwohl in Deutschland eigentlich viel mehr Türken waren, war in Frankreich die kulturelle Anerkennung der Popmusik der Türkei viel schneller. Das ist also länderspezifisch unterschiedlich, wie schnell das geht. Aber ich würde sagen, gerade in den letzten Jahren tut sich auch in Deutschland was. Und es ist ja auch unser Anspruch, ein Teil dieser Veränderung zu sein. Die Gesellschaft ist divers, und die musikalischen und kulturellen Hintergründe sind auch divers. Wir haben alle Platz. Und ja, das darf auch im Radio gespielt werden!

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„Dieses Zerrissenheitsgefühlt hat viele Generationen, auch bis heute, begleitet.“

Anna: „Gurbet“, einer meiner Lieblingstracks des Albums, handelt von genau diesen Gastarbeiter*innen, die nach Deutschland gekommen sind und versucht haben ein neues Leben in der „Fremde“ aufzubauen, weit weg von ihren Liebsten. Sind die Auswirkungen davon heute noch zu spüren?

Engin: Gurbet ist ein Song, der immer noch sehr aktuell ist. Es gibt immer noch viel Migrationsbewegungen auf der Welt gibt und Menschen, die aus unterschiedlichsten Gründen ihre Heimatländer verlassen. Dieses Gefühl ist ein sehr universelles Gefühl. In der Türkei hat man die Gastarbeiter “Gurbetçi” genannt, das heißt die im Ausland, also in der Fremde Lebenden. Das drückt diese Zerrissenheit ja schon aus: sie wohnen nicht mehr in der alten Heimat, aber sie gehören auch nicht in die neue. Und dieses Zerrissenheitsgefühlt hat viele Generationen begleitet. „Wo gehöre ich denn eigentlich hin?“ ist die Frage, die man sich auch heute noch in Deutschland stellt, obwohl man hier geboren ist. Deswegen ist es für uns sehr wichtig gewesen, diesen Song nicht nur aus der Perspektive von den Leuten zu sehen, die damals gegangen sind, sondern auch aus der heutigen Zeit. Dieses Zurücksehnen nach den kulturellen Wurzeln.

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Anna: Auch der nächste Track „Resimdeki Gözyaşları“ handelt vom Vermissen und ist lyrisch sehr poetisch („Das Einzige was dir von mir blieb ist jetzt dieses kleine Bild / Es kann dir keine Antwort geben, aber um deine Einsamkeit weinen“). Wie poetisch im Allgemeinen ist die türkische Sprache?

Engin: Sehr! Deshalb war es mir ein Anliegen, die Texte so gut es geht zu übersetzen. Es gibt auch viel Deutungshoheit da drin. Gerade Resimdeki Gözyaşları ist sehr atmosphärisch und beschreibt eher so ein diffuses Gefühl. Dieses Gefühl von Trost in der Nostalgie zu finden. Das Spannende ist ja, das es ein sehr trauriger Text ist, und im Original aber voll die wütende Soul-Rock Nummer. Also sehr tanzbar und sehr nach vorne. Aber man würde nicht darauf schließen, dass es jetzt so ein tief trauriges Thema ist, wenn man die Sprache nicht versteht. Deswegen wollten wir bei dem Song wirklich die Traurigkeit rausarbeiten und eine nachdenkliche, stille Version draus machen. Weil ihn wuchtiger als Cem Karaca zu machen, das ist auch nicht möglich.

„Nein.”

Anna: Damit sind wir schon beim letzten Song: „Ilgaz“ ist ein Folklore-Klassiker, den jedes Kind der 60er und 70er Jahre in der Türkei in der Schule schon lernte. Worum geht es in dem Song?

Engin: Es geht um einen Berg (lacht). Wir fanden die Melodie sehr, sehr schön und die Ruhe, die der Song in sich trägt. Wie wuchtig und düster das Album dann auch irgendwie anfängt, baut sich am Ende einfach eine schöne, ruhige, entspannende Landschaft vor einem auf. Man kann so ein bisschen in Frieden gehen sozusagen. Unsere Version ist sehr stripped down und auf’s Wesentliche begrenzt, weil die Melodie schon alles sagt, was zu sagen ist.

Anna: Anna: Nach den Interpretationen türkischer Volkslieder, gibt es deutsche Klassiker, die ihr gerne mal neu interpretieren würdet? 

David: Ich bin bisschen unentschlossen, aber ich würde jetzt aus dem Bauch heraus wahrscheinlich irgendwas ganz Altes von Westernhagen raussuchen. Der hat auch schon in 70ern Jahren Platten gemacht, das war nicht immer ganz jugendfrei oder politisch korrekt, aber auch schon wild! (lacht)

Jonas: Udo Jürgens!

Engin: Alle Songs außer „Aber bitte mit Sahne“, den find ich ganz schrecklich (lacht)

David: Aber das wäre vielleicht auch eine geile Challenge! Dass man gerade den dann so versucht zu machen, dass er wieder charmant wird.

Engin: Nein.

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Eine Odyssee in Rumänien

Anna: Wir kommen zu unserer letzten Frage, unsere untold story: gibt es irgendetwas, was ihr in noch keinem Interview erzählt habt und einfach mal erzählen wollt?  

David: Sollen wir die Odyssee des Albums darlegen?

Jonas (schüttelt stark den Kopf)

Engin: Das ist zu schmerzhaft.

David: Wir können von unserer Istanbul Rückreise erzählen! Aber die würde ich gerne aus Jonas Perspektive hören.

Jonas: Wir haben drei Konzerte in Istanbul gespielt, aber wollten nicht fliegen und sind deshalb mit dem Auto gefahren. Wir hatten aber kein ATA, also keine Zolleinfuhrgenehmigung. Auf dem Hinweg war alles kein Problem, ein paar Zollbeamte haben komisch geguckt, warum das ganze Auto mit Instrumenten vollgestopft ist, aber wir haben alles immer charmant gehandled und sind durchgewunken worden. Auf dem Rückweg war dann aber eine serbische Grenzbeamtin, die uns mitgeteilt hat, dass wir auf gar keinen Fall nach Serbien einreisen dürfen, weil die Gefahr bestünde, dass ich zum Beispiel meine Becken in Serbien verkaufe – was ich nie machen würde! (lacht) Wir wurden also an der serbischen Grenze abgewiesen und sind dann wieder nach Bulgarien und auf einer Landstraße über Rumänien nach Budapest gefahren. Wir sind um zwei Uhr nachts angekommen, nach 20 Stunden Fahrt. Und dabei war einfach auch der Stress, dass wir in Rumänien auf der Landstraße gefahren sind und die irgendwas von Dracula erzählt haben und tollwütigen Hunden.

Engin (lacht)

Jonas: Und weil wir dankenswerterweise das Auto von meinem Papa hatten, hatte ich dann so ultra Angst, dass irgendwas mit dem Auto passiert, wenn ich das Steuer abgebe. Da hat mein eigener Kopf mich gezwungen durchzufahren.

Anna: Du bist 20 Stunden durchgefahren?

Jonas: Ja…

Engin: Wir konnten auch nicht anhalten, weil es gibt ja tollwütige Hunde! (lacht)

Jonas: Das war dann irgendwann dieses Narrativ nach zwölf Stunden auf die Straße gucken. Das spinnt sich ja immer weiter aus.

David: Das, was wirklich lustig war, war als wir in Bulgarien quasi die Kehrtwende machen mussten, und dann an der serbisch-bulgarischen Grenze Richtung Norden gefahren sind. Wir waren keine fünf Minuten auf der Landstraße, da kam uns so ein Dude im Vollgelopp auf dem Pferd entgegen (lacht). Und das halt über so ne saulange gerade Straße, das sah so wild aus, wie der da auf uns zu kam.

Jonas: Es war auch schon die schönste Landschaft, die ich aus dem Auto bis jetzt gesehen hab. Vor allem war das ja im Oktober, also Herbst, und dann dieses goldene Blätterdach, soweit das Auge sehen kann…

Mit diesem schönen Bild im Kopf endet das Track-By-Track Interview. Wer sich inspiriert fühlt, darf sich natürlich gerne einmal durch die gesamte Diskografie von ENGIN hören und/oder sie direkt auf Tour besuchen! In ein paar Tagen geht’s los, schnappt euch hier noch Tickets!

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Fotocredit: Yasmin Sara Ergen, CAPADOL

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