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RAHEL im Interview: »Ich mag es, dass ich durch Musik andere Welten aufmachen kann«

Im März veröffentlichte die Wiener Musikerin RAHEL ihr lang ersehntes Debütalbum “miniano“. In 11 Songs ihrer außergewöhnlichen Version von Indie-Pop erzählt sie Geschichten losgelöst von starren sozialen Konstrukten und begibt sich dabei in queer-feministische Utopien. Wortgewandtheit und Absurdität gehen Hand in Hand einen Spaziergang durch diverse Themen. Mal eher unbequem, mal schützend, aber nie aufdringlich. Mit auffallend viel Feingefühl und Leichtigkeit befördert RAHEL ihre Hörer*innen in eine sanfte Welt, in der sie grenzenlosen Raum haben, um zwischen ihren realen Emotionen und surrealen Träumen zu schweben.

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RAHEL im Interview

Dascha (untoldency): Danke, dass du dir Zeit nimmst! Wie geht es dir damit, dass dein Album bald veröffentlicht wird?

RAHEL: Gut! Es ist interessant, weil ich mich gerade echt daran erinnern muss, worum es in dem Album eigentlich geht. (lacht) Ist alles schon eine Zeit lang her. Aber ich freue mich sehr, die Songs mit der Welt zu teilen.

Dascha (untoldency): Wie hast du den Entstehungsprozess empfunden? Gab es besondere Höhen und Tiefen?

RAHEL: Zu dem Zeitpunkt hab ich noch nicht so extrem viel live gespielt wie danach, deshalb hatte ich da glücklicherweise noch viel Zeit und war noch ein bisschen in einem anderen State of Mind. Da konnte ich mich sehr gut drauf einlassen. Das sagen zwar wahrscheinlich alle Leute über ihre eigene Musik, aber es ist tatsächlich ein sehr emotionales Album. Auch weil es zum Beispiel Themen wie Tod behandelt.

Dascha (untoldency): Würdest du sagen, du bist dabei nach einem Leitfaden gegangen oder sind die Songs alle unabhängig von einander entstanden?

RAHEL: Also es ist kein Konzeptalbum, aber es war mir schon wichtig einen roten Faden zu haben. Ich glaube, der hat sich dadurch ergeben, dass ich viel über die selben Themen nachgedacht habe und die dann in unterschiedlichen Songs verarbeitet habe.

Dascha (untoldency): Wie würdest du das Album zusammengefasst in nur drei Wörtern beschreiben?

RAHEL: Die Stimmen, die in dem Album vorkommen, sind auf jeden Fall: verletzte und verletzliche, wütende und hoffnungsvolle.

Dascha (untoldency): Das finde ich sehr schön gesagt! Hast du auch einen persönlichen Lieblingstrack auf dem Album? Und warum?

RAHEL: Ich mag wo gehst du hin später sehr gerne. Und die Zeile, die darin vorkommt:

“Es gibt noch so viel Hoffnung, wie es Zwerghamster gibt / Doch man weiß noch nicht, dass man die Hoffnung in Kleintieren misst”

Aber auch das kleine kasterl. Ein kleines Kasterl ist halt ein kleines Kästchen und es ist im Song so, als würde es sprechen:

“Wenn es uns gibt, musst du vielleicht gar nicht traurig sein / Wenn das kleine Kasterl beim Aufmachen jedes mal so trostlos singt”

Das Kasterl bekommt quasi eine Stimme, so wie die Kleintiere auch. Mir gefällt dieses Kindliche daran sehr, weil es sich auch ein bisschen wie ein Buch, eine Geschichte lesen lässt.

Dascha (untoldency): Das ist sehr schön! Mein Favorit vom Album ist bitte nicht in blicken. Vielleicht magst du mir dazu etwas mehr erzählen?

RAHEL: Ich würde sagen, das ist ein ziemlich emanzipatorischer Song, der von Gleichberechtigung im Bett handelt. Das hab ich nie so sehr betont, weil ich wollte, dass man das durch die Blume versteht. Es war mir wichtig, diese blumige Sprache zu haben, sodass man es nur versteht, wenn man genau auf den Text achtet. Es geht um Intimität und darum, dass das weibliche-ich in dem Song sagt, dass sie nicht möchte, dass die Verbindung zu eng wird und es nur auf einer körperlichen Ebene bleibt.

Dascha (untoldency): Das kommt aber sehr schön geschickt rüber. Ich bin eine sehr emotionale Musikhörerin und als ich den Song zum ersten Mal gehört habe, hat der sehr viel in mir ausgelöst.

RAHEL: Ist schön, dass er was auslöst. Ich habe zu dem Zeitpunkt, wo ich den Text geschrieben habe, mich mit Lyrik befasst, weil ich auch eine Zeit lang Germanistik studiert habe. Es erinnert mich ein bisschen an Goethe, weil es gibt dieses: Die Nacht sie reitet schnell. Vielleicht kann man es ein bisschen wie eine Ballade über zwei Liebhaber*innen interpretieren. Da gibt es viele Beispiele in der deutschsprachigen Lyrik.

Dascha (untoldency): Ja, total. Ich finde das Album fühlt sich generell an wie ein sanfter Traum. Auch das Musikvideo zu schaffner kombiniert ja traumartige Elemente. Was bedeuten Fantasie und Träume für dich?

RAHEL: Ja, voll. Das bedeutet mir sehr viel, weil pure Realität finde ich oft langweilig. Ich mag es, dass ich durch Musik andere Welten aufmachen kann. Die echte Welt finde ich manchmal ein bisschen zu stumpf, zu schwierig zu begreifen und auszuhalten.

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Dascha (untoldency): Verständlich. Und woher ziehst du die Kraft für so viel Fantasie?

RAHEL: Ich würde sagen es ist eher umgekehrt. Solche Fantasien geben mir sehr viel Kraft. Durch’s Musik Hören und Musik Schreiben kann ich da irgendwie hinkommen. Ich glaube, dass es auch viel damit zusammenhängt, wie ich aufgewachsen bin und erzogen wurde. Auch viel mit den Büchern, die ich in meiner Kindheit gelesen habe. Ich bin sehr alternativ aufgewachsen auf einem Hof mit vielen Kindern und vielen Tieren. Glücklicherweise wurde mir immer vermittelt, dass es okay und wichtig ist, zu träumen.

Dascha (untoldency): Das ist sehr schön! Träumst du auch viel, wenn du schläfst?

RAHEL: Unterschiedlich. Ich finde Träume auch etwas scary. Aber ich befasse mich auch nicht mit Traumdeutung, das ist mir oft ein bisschen zu viel.

Dascha (untoldency): Versteh ich. Fällt es dir leicht solche Gefühle und Gedanken in Musik zu verarbeiten? Auf mich wirkt es so, als würde es dir einfach gelingen, das in deiner Musik positiv klingend zu verarbeiten. Wenn ich selbst kreative Dinge tue, fällt es mir immer einfacher das Negative darin hervorzuheben. Wie ist das bei dir?

RAHEL: Also es ist nicht so, dass ich bewusst versuche trostlose Inhalte positiv klingen zu lassen. Mir macht es einfach mehr Spaß Dinge zu tun, die nach Hoffnung klingen. Wenn ich Sachen mache, die nur negativ sind und mir die später nochmal anhöre, zieht mich das nur runter. Ich glaube, dass Hoffnungslosigkeit und Hoffnung sehr nah bei einander liegen. Komik in der Trostlosigkeit zu finden funktioniert auch oft besser. Ich mag die Ambivalenz.

Dascha (untoldency): Was wäre deine perfekte Utopie und was müsste passieren, um dieser ein Stück näher zu kommen?

RAHEL: Das frag ich mich oft. Weil die perfekte Utopie hat für mich damit zu tun, wie man kreativ sein kann. Ich fänd’s cool, wenn es eine Art von System gäbe, in dem es kein Konkurrenzdenken gibt. Ich weiß aber nicht, wie das funktionieren würde. (lacht) Ich weiß nicht, ob es vielleicht etwas sehr natürliches ist, in Konkurrenz zu einander zu sein. Oder ob es eben sehr durch den Kapitalismus angeheizt wird. Es wäre sehr schön, wenn Musik ohne Wettbewerbsgedanken entstehen könnte. Ich glaube meine Utopie hat aber auch viel mit dem bedingungslosen Grundeinkommen zu tun.

Dascha (untoldency): Macht Sinn. Welche Gefühle wünschst du dir, die dein Album in seinen Hörer*innen auslösen sollte?

RAHEL: Ich merke, je älter ich werde, dass es in meiner Musik viel um das Kindsein geht. Deshalb würde ich mir wünschen, dass die Leute es nicht zu peinlich finden, sich mit ihrem jüngeren Selbst zu befassen. Und dass das mehr an’s Tageslicht kommen darf. Ich wünsche mir, dass die Lieder Hoffnung machen.

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Dascha (untoldency): Das ist ein schöner Wunsch! Für welchen Film wäre deine Musik der Soundtrack? Egal ob bereits existierend oder ausgedacht.

RAHEL: In Österreich haben wir schon viele sehr gute Filmemacher*innen. Ich stelle mir einen Arthouse Film vor, der nicht zu abgründig ist und irgendwas mit Natur zu tun hat.

Dascha (untoldency): Kann ich mir vorstellen. Was ist die größte Entwicklung, die du seit deinen ersten Release bis hier hin gemacht hast? Worauf bist du besonders stolz?

RAHEL: Das ist eine schöne Frage, weil ich vor Kurzem einen Auftritt beim FM4 Geburtstagsfest in Wien hatte. Damit ist ein kleiner Traum in Erfüllung gegangen, weil ich gerne mal genau auf dieser Bühne stehen wollte. Da habe ich dann gemerkt, dass es mir jetzt sehr viel leichter fällt, mich selbst singen zu hören. Das hat sich in den letzten Monaten erst so entwickelt. Weil ich in den vergangen Monaten sehr viel live gespielt habe, habe ich einen Weg gefunden, wie ich mit meiner Stimme besser umgehen kann. Es ist sehr schön, wenn man Liveaufnahmen von sich anhören kann und dabei stolz ist. Da hat irgendwas bei mir Klick gemacht.

Dascha (untoldency): Voll schön! Hast du auch noch bestimmte Ziele für dieses Jahr?

RAHEL: Konkrete Ziele nicht. Das Jahr ging schon sehr schön für mich los mit einigen Touren. Sonst will ich viel spielen und viel schreiben. Ich bin momentan auch in einem Theaterprojekt involviert. Ich möchte so weitermachen dürfen wie bisher. Würde mich sehr freuen.

Dascha (untoldency): Was für Musik hörst du momentan selbst am liebsten?

RAHEL: Ich höre momentan viel Frankie Cosmos und den Juno Soundtrack zum Film. Michael Cera ist ja auch Musiker und seine Musik habe ich vor Kurzem für mich entdeckt. Ich mag Musik, die ein bisschen weird klingt und nicht so glattgebügelt. Ich höre auch gerne immer wieder das selbe Lied. Das ist so toll, wenn man zum Beispiel im Hotelzimmer sitzt und viel um die Ohren hat und dann immer wieder dasselbe hört.

Dascha (untoldency): Kommen wir zur letzten Frage. Das ist bei uns immer eine untold story, also ein kleines Geheimnis oder eine kleine Geschichte, die du noch nicht öffentlich erzählt hast. Fällt dir etwas ein?

RAHEL: Ich habe gestern einen Fisch gegessen, obwohl ich eigentlich vegetarisch lebe. Zumindest ein kleines Stück vom Fisch. Das hat sich voll arg angefühlt und auch ein bisschen verboten. Gleichzeitig habe ich gemerkt, dass ich vielleicht für mich nicht so ganz starr mit diesen Dingen sein sollte. Ich hoffe, dass der Fisch mir verzeiht!

Dascha (untoldency): Jetzt hast du direkt deine Sünden im Zoom Call gebeichtet. Danke dir!

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Foto Credit: Daria Savytska

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