Kasimp ist ein Newcomer, den es lohnt auf dem Schirm zu haben. Zwischen Indie-Pop, Soul und Hip Hop fühlt er sich wohl und das hört man auch. Wie viele versucht er, seine Liebe zu Musik in seine eigene Marke zu verpacken, immer mit dem Bewusstsein für frischen und funkigen Pop. Und was da bei rauskommt, hört sich einfach cool an. Am Freitag kam seine zweite EP “Flood” raus und das als Aufhänger haben wir dazu genutzt, mehr über ihn und seine Musik zu erfahren.
Kasimp im Interview
Anna: Hey Lukas! Sommer steht so halb vor der Tür schon, gerade sind die Lockerungen so optimistisch wie schon lange nicht mehr und deine zweite EP ist bald draußen! Wie geht’s dir gerade, wie fühlst du dich?
Kasimp: Heya! Ich fühl mich erstaunlich energetisch dafür, dass ich gefühlt seit 100 Jahren nicht mehr auf nem Konzert war, geschweige denn eins gespielt hab. Aber: gute Zeiten sind in Sicht. Hab ein paar Gigs in Aussicht, Flood ist bald draußen, und langsam aber sicher sieht man ein großes Licht am Ende des Tunnels.
Anna: Du wirst wahrscheinlich relativ neu auf dem Radar von vielen sein, deshalb willst du dich hier kurz vorstellen? Für wen könnte deine Musik etwas sein?
Kasimp: Yea. Also ich beschreib meine Musik gerne als Indie-Pop mit einer Prise Soul und Hip Hop. Ich glaube meine Musik ist für alle, die sich selbst besser kennenlernen wollen. Unter den ganzen Beats und dem Soundgewand steckt ein großer Teil Selbstreflexion und Tiefe. Also ich würde auf jeden Fall sagen, dass sich meine Musik gut für Leute eignet, die wirklich aktiv Musik hören und sich auch damit auseinandersetzen wollen.
„Wenn ich den Song hör, fühl es sich an, als würde mir geholfen werden.“
Anna: Was ist dein musikalischer Kontext? Wie bist du zur Musik gekommen und wer beeinflusst dich heute immer noch sehr?
Kasimp: Drei Fragen über die ich ungefähr für immer reden könnte, haha.
Zur Musik gekommen bin ich erstmal durchs Gitarre spielen, hab viel so Poprock gehört als ich jünger war. Mit 12 oder 13 hat mir meine Cousine dann ne Sampler CD geschenkt wo unter anderem Channel Orange (ja, mit Bonustracks) von Frank Ocean drauf war. Das war einer der glücklichsten Zufälle ever. Ich war ganz verliebt in den Sound, in die Geschichte die ja innerhalb des Albums existiert und einfach diese für mich völlig neuen bunten Farben und Bilder die das bei mir ausgelöst hat.
Deswegen: Frank Ocean ist so von den Artists des 21 Jahrhunderts mein absoluter Hero.
Anna: Flood ist deine zweite EP – was bedeuten die Songs für dich und in welchem Headspace hast du sie geschrieben?
Kasimp: Die Writingphase für Flood war für mich eine gute und wichtige Zeit. Ich bin von zuhause ausgezogen, hab angefangen Musik zu studieren und war zum ersten Mal komplett auf mich selbst gestellt. Da hab ich auch angefangen eine große persönliche Entwicklung durchzugehen. Ich hab viel meditiert, reflektiert und meine Verhaltens- und Gedankenmuster hinterfragt.
Bei diesem „Deep Dive“ zu mir selbst kamen eigentlich alle Themen für die Songs einfach hoch. Es war wie eine Art von Selbsttherapie, weil ich wirklich über Themen Musik geschrieben habe, die mich beschäftigen und bei denen ich dann auch im Nachhinein dachte: Damn, wenn ich den Song hör, fühlt es sich so an, als würde mir geholfen werden. Weil man dieses Gefühl so von außen betrachten kann. Und dann fühlt man sich irgendwie verstanden.
„Da kommt dann auch diese Huhn- oder Ei-Frage ins Spiel.“
Anna: Für mich ist der erste Song (nach dem Intro), Can’t Quite musikalisch der Song, der mich am meisten in deinen ganzen Sound gezogen hat. Worum geht’s in dem Song?
Kasimp: Can’t Quite ist auch für mich ein besonderer Tune. In ihm verarbeite ich eine toxische Beziehung und diesen Prozess, wie man in diese Co-Dependency Schleife reinrutscht und das im Zweifel weder merkt, noch böse meint bzw. bewusst toxisch ist. Was man aber, früher oder später, merkt ist, dass es einem nicht so gut geht wie vor der Beziehung. Der Song ist aber dahingehend speziell, dass er das nicht so sehr verurteilt und bewertet, sondern eher verbildlicht und zeigt was in den Leuten während dieses Prozesses vorgeht.
Anna: Danach geht’s mit Palmleaves direkt weiter, du haust auf der ganzen EP mit wirklich sehr heftigen Produktionen um dich. Gibt’s da eine Person, die einen s/o für die Produktion verdient hat oder machst du das alles selbst?
Kasimp: Grundsätzlich mach ich die Produktionen selbst, ja. Aber die Sachen würden nie so klingen, wenn Dennis Keil nicht dabei gewesen wäre. Er war son bisschen mein Guide und mein zweites Paar Ohren für die Platte. Er hat mir Produktionsdetails, Vocalperformance und sogar Songauswahl gefeedbackt und obendrein die Platte gemischt und gemastered. Das hat auf jeden Fall nochmal nen guten Taste reingebracht und ich war nicht so in meinem prokrastinatorischen Perfektionismus-Film gefangen.
Anna: Hide ist die zweite Single, die du von der EP veröffentlicht hast – es ist auch dein bisher meistgestreamter Song auf Spotify. Jetzt ganz lapidar gefragt: What are you hiding from?
Kasimp: Hide ist für mich thematisch der komplexeste Song. Einerseits setz ich mich bei Hide stark mit Impulskontrolle und Aggression auseinander. Andererseits geht es auch um den Druck, den man von sich, der Gesellschaft, Familie, evtl. Partner etc. auferlegt bekommt und vor dem man sich eben verstecken möchte. Da kommt dann auch diese Huhn oder Ei Frage ins Spiel: muss ich achtsam sein, weil ich so viel externen Druck auferlegt bekomme? Oder empfinde ich Druck, weil ich nicht achtsam bin? Ich denke, es ist ne Mischung aus beidem und die Übergänge sind fließend.
„Die EP war mein Ablassrohr für alles.“
Anna: The Way beschreibst du als ganz klassischen Herzschmerz und in Hamstrung geht es darum, im „falschen“ Umfeld zu verharren und dort nicht rauszukommen. Sind diese beiden Themen miteinander verknüpft?
Kasimp: Nope, tatsächlich haben die beiden Songs gar nichts miteinander zu tun. Hamstrung bezieht sich sehr auf die Umstände und die Leute, die man um sich hat, die einem nicht geben, was man braucht. Nicht, dass die Leute „schlecht“ sind oder so, aber es ist einfach nicht der richtige Dünger für die Pflanze, da kann er noch so gut sein. The Way ist eher so der klassische Herzschmerz/Breakup song. So man hatte ne gute Zeit und es tut auch weh, aber man schaut einfach so nostalgisch auf die Zeit zurück und ist dankbar, dass man sie hatte. Eigentlich so, wie’s im Idealfall sein sollte. Für mich hat The Way voll was von diesem Harlekin, der ein lachendes und ein weinendes Auge hat.
Anna: Und da wir jetzt so jeden Song ein bisschen angerissen haben, natürlich auch zu den Lifeskits: Sie rahmen die ganze EP ein und geben ihr sowohl Kontext als auch Closure. Hast du durch den Prozess der EP gemerkt, wie du selbst auch eine persönliche Entwicklung mitgemacht hast?
Kasimp: Auf jeden Fall. Die EP war mein absolutes Ablassrohr für alles. Sehr selbst-therapeutisch. Ich hab meine Gedanken „geflutet“. Und durch diese Flut kam alles raus, das gute und das schlechte.
Und ich hab zum ersten Mal bewusst vor mir gesehen und gehört, was so in mir war, und das hat auf jeden Fall ein Wachstum auch vorangetrieben.
Die Skits waren lustigerweise ein zweiteiliger Song, der als letztes geschrieben wurde. Und plötzlich kam mir die Idee, dass eigentlich sinnvoller wäre, ihn in zwei zu teilen und daraus den Intro bzw. Outro track zu machen.
„Wenn wir das performen, wird das auf jeden Fall ein Fest.“
Anna: Du bist ja, wie alle anderen auch, sehr von den Live-Einschränkungen letztes Jahr getroffen worden. Jetzt, wo sich alles langsam ein bisschen aufklärt, fühlst du dich da auch hoffnungsvoller, was das angeht?
Kasimp: Auf jeden Fall. Ich hab das Gefühl, der Andrang und die Lust auf Gigs ist ziemlich groß bei den Leuten. Jetzt finden ja schon so die ersten Sitzkonzerte mit Abstand statt. Meine fantastische Live Band und ich sind auch schon uuuuultra heiß auf Gigs und sind nur am Proben. Die Songs klingen auch live ganz anders, viel „Band-iger“ und vielleicht sogar ein bisschen jazziger als auf der Platte. Wenn wir dann performen, wird das auf jeden Fall ein Fest.
Anna: Mit welchen Künstler:innen würdest du denn gerne mal auf Tour gehen?
Kasimp: Alabama Shakes, Choker, Tyler the Creator.
Anna: Last but not least – unsere untold story. Was kannst du uns erzählen, über dich oder die EP, erzählen, was du so noch nie vorher in einem Interview erzählt hast?
Kasimp: Der ganze Prozess von Flood hat zwar mega Spaß gemacht, aber auch unfassbar viel Arbeit und Commitment erfordert. Das sind die Dinge die man auf Social Media nicht sieht und es auch in Interviews nicht sagen will, weil es schlicht weg „unsexy“ klingt. Ist aber die Wahrheit. Das soll aber nicht heißen, dass es keinen Spaß gemacht und ich es nicht jederzeit wieder tun würde. Und ich bin froh, das Projekt jetzt abgeschlossen zu haben und meine zweite EP Flood am 06.06. releasen zu können 😊
Hier könnt ihr Kasimps EP reinhören und vielleicht schafft er’s ja in eine eure Playlisten. Potential hat es:
Fotocredit: Ana Shestner