Fynn Kliemann vereinigt Heimwerker, Webdesigner, Hausboot-Inhaber, Gründer des Kliemannsland, YouTuber und Musiker in einer Person. Wie das geht? Einfach unglaublich viele Ideen und Motivation, die Dinge anzupacken, die du Jahre lang vor dir herschiebst. Fynn Kliemann träumt nicht, er macht. 2018 hat er mit nie eins der meist verkauften Alben des Jahres veröffentlicht, und das, obwohl er seine Musik nie rausbringen wollte. Und jetzt? Jetzt kündigt er sein zweites Album POP für den 29. Mai diesen Jahres an. Drei Singles sind schon draußen und geben uns einen Geschmack darauf, was noch kommt. Anna bekam 20 Minuten seines stressigen Alltags, um ihm auf Skype ein paar Fragen zu stellen. Das Resultat lest ihr hier!
Anna: Erste Frage vorweg: Für alle, die dich aus unentschuldbaren Gründen nicht verfolgen, was hat es mit deinem neuen Projekt POP auf sich? Wofür steht POP?
Fynn: Naja, das ist mein neues Album, ich hab Musik gemacht (lacht). POP steht für viele Sachen, aber am Ende des Tages mach ich Pop-Musik wenn du so willst und so heißt das Album.
Anna: Du hast davor ja auch immer schon Musik gemacht, und dich mit deinem ersten Album nie dazu entschlossen, sie das erste Mal zu veröffentlichen…
Fynn: Richtig.
Anna: … aber wolltest das ja danach nie wieder machen. Wieso hast du dich jetzt entschieden, das nochmal in Angriff zu nehmen?
Fynn: Weil ich ein bisschen dumm bin (lacht). Ich hab den Aufwand mal wieder ein bisschen unterschätzt. Ich hab das ja nur gesagt, dass ich das nicht nochmal mache, weil das so ein Killer-Aufwand war und weil das alles irgendwie viel anstrengender und viel mehr war als ich jemals befürchtet habe. Und dann hab ich gedacht, egal, komm, weißte, je länger das her ist, desto mehr vergisst man, dass das anstrengend war (lacht). Dann sagt man irgendwann so „Ach ja, so schlimm war’s ja gar nicht“ und dann macht man das nochmal.
Anna: Hast du retroperspektiv was aus der Veröffentlichung von nie gelernt? Also was mitgenommen oder diesmal anders gemacht?
Fynn: Mhm.. Ich find das schwer über Musik zu sprechen, ich hab mir dabei gar nichts gedacht. Ich setz mich da hin und mach halt Musik und was dabei rauskommt ist das, was dabei rausgekommen ist. So nachträglich betrachtet hab ich auf jeden Fall ein bisschen freier an Beats und Samples gearbeitet. Normalerweise machtman sich die ganze Zeit Gedanken darüber, ob man das benutzen kann oder die Aufnahme zu schrottig ist. Davon hab ich mich komplett frei gemacht. Ich hab jetzt nicht mehr den Anspruch oder die Angst davor, professionelle Musik auf meine laienhafte Weise zumachen. Das ist schon befreiend.
Anna: Die Konzepte um Promo und Veröffentlichung sind aber an sich ähnlich aufgebaut: POP ist, wie der Vorgänger nie, nur bis zum Release Datum vorbestellbar und danach nie wieder.
Fynn: Ja. Das werd ich auch immer so machen und kann das auch jedem nur ans Herz legen, der Musik macht. Meist geht es nur um möglichst viel Gewinnspanne an dem jeweiligen Produkt, also: billige Vinyl, billige Verpackung, billige CD-Hülle, billiges Booklet, billiges Papier, billiges Alles. Ich finde das ist genau falsch, man muss das Wertigste, das Teuerste, das Beste, das für die Umwelt Schonendste wählen, was es gibt, damit dieses physische Produkt so geil wie irgend möglich ist. Und wenn man das so macht, dann ist diese Limitierung einfach nureine kleine Kirsche obendrauf. Das ist das, worauf ich achte, dass das Zeug wirklich einfach richtig gut ist und nicht viel Geld einbringt. Man schätzt auch seine Hörer und Hörerinnen viel mehr. Die Leute, die einen früh kennengelernt haben und schon seit Stunde eins unterstützen, die haben das und alle anderen nicht. Das find ich irgendwie geil (lacht).
Anna: Für POP hast du angekündigt, deinen gedrehten Dokumentarfilm zu niefür genau einen Tag in die Kinos zu bringen. Wie war die Resonanz bis jetzt darauf?
Fynn: Sehr gut, richtig krasses Feedback auf jeden Fall. Wir haben irgendwie 70.000 Anmeldungen für diesen Film, was riesengroß ist für ein Dokumentarfilm in Deutschland. Aber die Resonanz ist super, das hat mich auch gewundert, weil das auch schon bisschen her ist, aber dann ist es ja auch ne zeitlose Geschichte. Wir haben eins der meistverkauften Alben in dem Jahr produziert mit zwei Leuten. Wir haben keine Kohle gehabt, wir hatten gar nix. In der Doku erfährst du alles, über Plattenvertrag abgelehnt und Label gegründet und alles irgendwie selber gemacht. Ich glaub, das ist schon ne spannende Story.
Anna: Soll der danach noch über andere Plattformen verfügbar sein?
Fynn: Wissen wir auch noch nicht. Es haben sich viele Leute beschwert, aus Österreich und der Schweiz, weil die hätten das ja alle nicht gucken können und das hab ich nicht so richtig bedacht (lacht). Das ist natürlich eine Sache, die man einrechnen muss. Ich will eigentlich auch jedem die Chance geben, dass man das sehen kann. Kino ist für mich das, was Vinyl bei Musik ist. Das ist so die Art und Weise wie man seinen Film im besten Fall einmal rausbringt. Den einmal ins Kino zu bringen ist genau wie eine Vinyl zu veröffentlichen, danach kannst du’s trotzdem noch bei Spotify streamen, aber die Vinyl gibt’s halt nicht mehr. Ich find dieses einmalige Kino-Erlebnis eigentlich schon voll geil. Wir müssen mal gucken, wie da die Lösung ist.
Anna: Du bist ja seit Jahren am Projekte umsetzen und neu planen, machst alles, was dir so in Kopf kommt. Was ist dein To-Go Plan, wenn dir das alles ein bisschen viel wird?
Fynn: Naja, also Zuhause ist schon bisschen so genau das. Ich hab hier die Möglichkeit, mein Telefon auszumachen, mich ans Klavier zu setzen und ein bisschen rumzudaddeln, mit dem Hund spielen und so. Das sind schon Sachen, die bringen mich runter. Aber meistens ist es dann auch Musik.
Anna: Priorisierst du dann deine Projekte? Hast du das Album zum Beispiel nebenbei produziert oder dafür andere Sachen kurz auf Pause gemacht?
Fynn: Nee, das kann ich nicht so gut, ich mach immer alles gleichzeitig (lacht). Aber Prio für mein Leben hatte in der Zeit von der Albumproduktion schon das Album. Also ich hab da ein Jahr lang dran gearbeitet, jede Nacht, und hab’s niemanden erzählt. Das heißt, alles, was in der Zeit passiert ist, mit dem Hausboot und dem ganzen Kram drum herum, war so im Fokus der Außenwelt, dabei hab ich eigentlich ein ganz anderes Leben geführt. Ich hab ein Jahr lang wirklich jeden Tag nur an diesem Album gearbeitet, es aber keinem erzählt, bis es fertig war. Das war halt schon ein bisschen stramm, die Woche so strukturieren, dass man nicht merkt, dass ich 50 % der Zeit was völlig anderes mache (lacht).
Anna: Hättest du vor fünf Jahren gedacht, dass du einmal heute hier landest, in einem Interview über dein zweites Album?
Fynn: Nee nee nee (lacht). Also erstmal vor fünf Jahren hätte ich nie gedacht, dass ich jemals überhaupt Musik mache. Hättest du mir gesagt, ich release irgendwann mal einen richtigen Song, hätte ich gesagt „alter nee“. Das waren die richtigen Leute am richtigen Ort und dann irgendwann meinten alle „ey Fynn, du hast da hunderte Skizzen auf dem Rechner und davon ist auch irgendwas richtig ok (lacht), mach da damit mal was“. Und durch diesen ganzen Ansporn dachte ich „okay na gut, arbeite ich mal was aus“.
Anna: Gut, dass du’s gemacht hast!
Fynn (lacht): Danke!
Anna: Aus aktuellem Anlass: Wie beeinflusst dich die Corona-Krise momentan, hat das Auswirkungen auf den Release von POP?
Fynn: Auf den Release nicht, nee, bis zum 29.05. kann man weiterhin vorbestellen. Was sein kann ist, dass sich die Auslieferung ein bisschen verschiebt. Ich kann’s halt nicht garantieren, normalerweise haben wir den 29.05. als Abschluss von der Vorbestellungszeit, auch alsfinales Lieferdatum für alle, die bis zu einem bestimmten Datum bestellt haben, angesagt.
Und das ist jetzt halt kompliziert geworden. Die Presswerke haben gerade geschlossen, das heißt, ich kann grad gar nicht pressen. Kino ist in Gefahr, das Album, der Versand des Albums und überhaupt die Produktion des physischen Datenträgers ist in Gefahr, das Kliemannsland-Café hat geschlossen, unser Elektrofestival fällt wahrscheinlich aus, also das hat gerade schon weitreichende Konsequenzen, auf jeden Fall.
Anna: Und wie sieht dein Tagesablauf momentan so aus?
Fynn: Ich mach ja sehr viele Sachen, unter anderem habe ich noch ne Agentur, mit der wir Websites und Shops bauen, das fluktuiert jetzt natürlich wahnsinnig. Und dann naja, erstmal den ganzen Stress mit Kino und Album richtig in die Wege leiten, das Musikvideokommt morgen raus, die ganzen Dinge. Ich steh morgens um halb sieben auf, geh um drei Uhr morgens ins Bett und arbeite den ganzen Tag halt, nur eben von zuhause. Das ist die stressigste Zeit meines Lebens gerade (lacht).
Anna: Die letzte Frage fungiert bei uns immer als Blank Space, heißt, hier kannst du jetzt ein bisschen Selbstpromo, aber vielleicht auch einpaar aufmunternde Worte an alle, die seit Wochen in ihrer Wohnung hocken, dalassen.
Fynn: Jetzt gerade ist ne wichtige Zeit für Musik, also für Hörer, aber auch für Musiker und Musikerinnen. Indem man Musik von zuhause streamt, kann man damit halt voll einfach Musiker und Musikerinnen unterstützten. Aber auch für seine eigene Psyche kann Musik helfen, das ist ja die stärkste Waffe, find ich. Das ist total einfach über Musik von zuhause irgendwo hinzureisen, wo man gerade will, nur eben in seinem Kopf. Von daher, nutzt das!
Anna: Hast du schön gesagt. Dann danke dir für’s Interview.
Fynn: Gerne, danke dir auch.
Checkt hier das mit 2906 Darsteller*innen rekordbrechende Video zu Schmeiß mein Leben auf den Müll: