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Casper: Zurück zu Hause – Das Abschlusskonzert 2019

Casper lädt zum achten Mal zu seinem Zurück zu Hause Festival in Bielefeld ein. Dabei sind dieses Jahr Pabst, Amilli und Kummer.

Das Zurück zu Hause Festival findet dieses Jahr bereits zum achten Mal im Lokschuppen Bielefeld statt. Fans, die in der deutschen Indieszene unterwegs sind, wird dies mittlerweile ein Begriff sein. Etablierter Künstler Casper veranstaltet dieses Festival seit 2012 (anfangs noch unter dem Namen Willkommen Zuhause Festival) in seiner Heimatstadt. Er selbst tritt natürlich auch auf und lädt dazu mehrere Freunde ein. Zu diesen Freunden zählen in den vergangenen Jahren nicht nur bekannte und erfolgreiche KünstlerInnen sondern auch noch relativ unbekannte. So kann es auch als eine Art Sprungbrett für Newcomer bezeichnet werden. So haben auch in früheren Jahren Bilderbuch und Feine Sahne Fischfilet im Bielefelder Lokschuppen performt kurz bevor sie ihren großen kommerziellen Durchbruch erreichten. Ich fahre seit 2015 jedes Jahr kurz vor Weihnachten zwei Stunden nach Bielefeld, um dort zusammen mit meinen Freunden, Casper und Caspers Freunden den Konzertabschluss des Jahres zu feiern.

Berliner Punkband Pabst läutet den Abend ein

Pünktlich um 19 Uhr eröffnet die Punkband Pabst die Bühne. Kein großes Set-Up, nur einen Bassisten, den Sänger mit Gitarre und einen Schlagzeuger. Zusammen sind die drei Berliner einlautes Statement, der den Punk zurück auf die große Bühne bringt. Man hört Einflüsse von Post-Punk, Rock und ein paar Indierock-Melodien lassen das Publikum warm werden. Ich persönlich bin kein großer Punk-Fan, aber als ich sehe, wie verausgabend der Schlagzeuger auf seine Drums schlägt, muss ich doch ein bisschen lächeln. Live entwickelt man doch einen anderen Zugang zu Musik als auf Spotify. Als der Sänger zum ersten Moshpit des Abends auffordert, drängen sich sogar ein paar Menschen aus den vorderen Reihen nach hinten, um mitzumoshen. Ich bin mir sicher, dass Pabst, ähnlich wie andere Bands, denen Casper die Plattform bietet, viele neue Fans an diesem Abend gewonnen hat. Sie klingen lebendig, aufregend und hart, auf eine gute Art und Weise. Privat werde ich wahrscheinlich nicht auf sie zurückgreifen, dennoch ist es definitiv ein frischer Wind in der Punkszene und für jeden, der sich darin bewegt. Also –unbedingt auschecken! Zum Beispiel nächstes Jahr als Support von Itchy.

Träumerischer R’n’B von und mit Newcomerin Amilli

Amilli könnte euch schon länger bekannt sein. Erst letztes Jahr hat sie überraschenderweise den Förderpreis der 1Live Krone gewonnen und der Ohrwurm Rarri lässt uns seit dem nicht mehr los. Nun hat sie Anfang November ihre Debüt-EP Wings veröffentlicht. Das hat sie auch auf den Radar von Casper gebracht, der sie kurzerhand zum Zurück zu Hause eingeladen hat. Auch ich habe vorher schon in ihre EP reingehört und wusste, was mich zu erwarten hatte. Amilli spielt verträumten R’n’B mit einer leichten Indiemelodie, die einen auf leichte und leidenschaftliche Reisen nimmt. Ihr Bühnen Set-Up erinnert etwas an eine versteckte und verruchte Bar, in der unentdeckte, lokale Musiker ihre selbst geschriebenen Songs und Cover zum Besten geben. Aus Neonschläuchen geformt hängt ihr Namenszug über dem Schlagzeug und verstrahlt rotes Licht. Das Keyboard rechts und der Bassist links rahmen das ganze Set-Up ein. Amilli steht in der Mitte und sobald ihre klare und sanfte Stimmeerklingt, setzt sich alles zusammen. Man wird Zeuge einer intimen Performance und fühlt sich fast so wohl wie zuhause (Wortwitz). Auch wenn ich davon relativ wenig mitbekomme, weil zwei Typen, einer größer als der andere, direkt vor mir stehen bleiben. Doch anstatt mich darüber aufzuregen, schließe ich einfach meine Augen und lasse mich von den musikalischen Klängen Amillis beruhigen. Sie spielt sowohl Lieder aus Wings als auch ein paar neue, die hoffentlich nächstes Jahr erscheinen werden. Jeder einzelne Song hat mich abgeholt und auch wenn ich nicht allzu viel von ihr gesehen habe, bin ich trotzdem begeistert von so viel jungem Talent.

Kummer reißt den Laden ab

Das Zurück Zu Hause war dieses Jahr innerhalb weniger Minuten ausverkauft –und das bevor man wusste, wer eingeladen wird. Hätte man gewusst, dass Felix Brummer von Kraftklub mit seinem diesjährigen Solo-Projekt Kummer vorbeikommt, wäre es wahrscheinlich noch schneller ausverkauft gewesen. Mit seinem Debütalbum KIOX hat Kummer wirklich noch einmal ganz ordentlich in der Deutschrap-Szene aufgeräumt. Schon fest zu seiner Setlist gehört Lana Del Reys Song Summertime Sadness, der laut aus dem Off eingespielt wird und das ganzePublikum gemeinsam mitsingen lässt. Der letzte Ton des Songs wird dann leicht gepitcht und geloopt, bis irgendwann am Ende das Intro zu Nicht Deine Musik daraus entsteht. Es ist wirklich nicht übertrieben, wenn ich sage, dass der Laden, kaum dass Kummer die Bühne betritt, sich einmal selbst auseinander nimmt. Wo die Moshpits sind, ist eigentlich egal, weil wir alle eine springende Masse sind. Casper Fans sind KraftklubFans und Casper Fans sind Kummer Fans.

Kummer und Casper beim ZZH, © Philipp Gladsome

Songs wie Aber Nein oder Wie viel ist dein Outfit wert lassen niemanden ruhig stehen. Es ist, als würde Kummer ein Solo-Konzert spielen und wir alle sind nur für ihn da. Auch er ist ein bisschen überrumpelt von der Energie, die ihm entgegentritt, und bedankt sich ganz gerührt dafür. Felix ist nur am lächeln und ich kann gar nicht anders, als ihn noch ein bisschen mehr in mein Herz zu schließen. Denn eigentlich ist KIOX gar nicht so die Moshpit-Platte. Eigentlich ist sie sehr persönlich, sehr gesellschafts-und politikkritisch und an Stellen auch sehr traurig. Doch die Stimmung im Ringlokschuppen ist energiegeladen, lebendig und moshig (das ist ab jetzt ein Adjektiv). Nach diesen 40 Minuten bin ich eigentlich auch schon durch mit den Abend. Doch jetzt kommt ja erst der eigentlich Act des Abends, nämlich Casper selbst.

Endlich angekommen

Nachdem Kummer von der Bühne ist, ist wieder Warten angesagt. Insgesamt bin ich seit Einlass nun schon vier Stunden hier im Ringlokschuppen und merke, wie meine Knie langsam vom langen Stehen wehtun. Auch mein Rücken fühlt sich nicht mehr ganz so jung an und einen Haufen blauer Flecke habe ich auch schon. Jedes Jahr aufs Neue frage ich mich, wie ich das das Jahr davor ausgehalten habe und warum Casper nicht einfach früher als 19 Uhr mit dem ganzen Spektakel anfängt. Vielleicht spricht auch nur das Alter aus mir.

Die Leute, die die Bühne umbauen, scheinen auch ein bisschen lange schon gearbeitet zu haben, der verkomplizierte Umbau dauert mal eben 20 Minuten länger als geplant. Nach langer Wartezeit ertönen die allbekannten Töne, die Alles ist erleuchtet einläuten und kurz danach kommt er mit Einsetzen des Basses auf die Bühne gesprungen. Obwohl ich mich noch nie so richtig mit dem Lied anfreunden konnte, ist es ein Liebling vieler und genauso wird es in der Menge auch aufgenommen. Alle springen hoch und begrüßen Casperzurück zu Hause.

Ich muss sagen, dass ich mich mit 23 Jahren langsam immer wohler bei Casper Konzerten fühle. Viele der jungen Fans sind mittlerweile auch fast Anfang 20 und auch wenn ein paar jüngere immer noch dabei sind, hat sich der Altersdurchschnitt ein bisschen gehoben. Es wird deutlich mehr gemosht als ich es in Erinnerung hatte und allgemein ist es eine sehr angenehme, wenn auch körperlich anstrengende Stimmung.

Casper lächelt und auch ich muss das ganze Konzert durch lächeln. Es ist immer wieder schön, ihn live zu sehen und ich merke, wie sehr ich ihn das Jahr über vermisst habe. Denn auch wenn ich ihn bewusst kaum noch höre in meinem Musik-Alltag, so kann ich immer noch alle Texte und habe unglaublich viel Spaß. Als dann zum Schluss noch Marteria, Drangsal und Felix (alle sind als Feature während des Konzerts aufgetreten) im größten Moshpit in der Mitte mitfeiern und anschließend nach vorne crowdsurfen, weiß auch Casper, das ist heute alles egal. Und wenn die Show 10 Minuten länger geht als geplant, weil auf einmal alle anfangen, sich zur Bühne tragen zu lassen, dann ist das so.

„Heute ist alles cool, heute sind wir zuhause“.

Genauso fühlt es sich auch an. Für Casper war es die erste Solo-Show nach langer Zeit, da er im letzten Jahr nur mit Marteria unterwegs war. Auch mit den vielen Feature Gästen (eben genannte und Ahzumjot), die er sich wie jedes Jahr einlädt, merkt man, wie nervös er ist. Doch das alles kreiert nur eine so unglaublich positive Atmosphäre, dass die vier Stunden Warten komplett vergessen sind. Es ist wahrhaft ein nach Hause kommen. Highlights des Abends sind definitiv die zwei lange nicht live gespielten Lieder Das Grizzly Lied und Endlich Angekommen. Beide sind absolute Herzensfavoriten von mir.

Nächstes Jahr wird Casper sich weiter zurückziehen, um nach eigenen Aussagen weiter am neuen Album zu arbeiten. Wir dürfen also sehr gespannt sein. Und auf den nächsten traditionellen Jahresabschluss mit dem Zurück zu Hause Festival 2020 warten.

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