CARY nimmt uns auf ihrem Debütalbum Allein oder Einsam auf eine intensive Reise durch persönliche und universelle Gefühlswelten und beschäftigt sich mit Verlusten, Depression, dem Bruch mit der Familie oder Freund:innen – aber auch mit der Hoffnung, dass alles besser werden kann. Warum fühlen wir uns alle so einsam? Und was können wir dagegen tun? Über all das und noch mehr haben wir mit ihr gesprochen.
CARY im Interview
Anna: Hey CARY, als erstes ein kleiner Check-In: Wie geht’s dir gerade?
CARY: Hi Anna, danke der Nachfrage! Mir geht es aktuell sehr gut. Ich genieße und sauge auf. Es gab am Anfang des Writing-Prozesses sehr viel Hürden zu überwältigen. Die Findungsphase und auch die Album- und Tourpromo kommen mit steilen Hindernissen. Jetzt aktuell freue ich mich einfach, dass das Album so gut ankommt, verstanden wird und meine Tour ansteht!
Anna: Willst du dich und dein kommendes Projekt für alle vorstellen, die dich noch nicht kennen?
CARY: Sich selbst vorstellen ist immer so ne Sache. Ich würd sagen: Hört mein Album und kommt Ende Februar zu meinen Tour-Shows in Berlin, Hannover & Leipzig. Danach kennt ihr mich in und auswendig.
Anna: Du machst ja schon seit ein paar Jahren Musik. Ich hab die ersten Sachen so richtig erst 2023 mitbekommen, als du Teil der 365XX-Vol.I Reihe warst. Wie bist du zur Musik gekommen und was bedeutet die 365XX Family für dich?
CARY: Ich mach schon super lange Musik. Ich habe mit sechs angefangen, Klavier zu spielen und mit sieben meine ersten eigenen Songs geschrieben. Als ich mit 12 das erste Mal Whitney Houston und Mariah Carey gehört habe, war für mich klar, dass ich den Großteil meines Lebens mit dem Singen füllen möchte. Dass natürlich neben den Kreativprozessen noch sehr viel Business dazugehört, musste ich dann als Artist erfahren. Mit der 365XX-Family allerdings habe ich zum ersten Mal gemerkt, dass sich Professionalität und „miteinander lieb umgehen“ überhaupt nicht ausschließen müssen. Lina ist für mittlerweile für mich weitaus mehr geworden. Sie ist Teil meines Management-Teams und eine Freundin. Sie unterstützt mich in allem, wo sie kann und das nun schon seit zwei Jahren. Dafür bin ich sehr dankbar.
„Die Grenze ist nicht klar, sie verschwimmt.“
Anna: In deinem Debütalbum geht es, das sagt der Titel ja schon, um Einsamkeit. Du beschäfigst dich mit vielen traurigen und deepen Themen wie Depression, toxische Beziehungen oder den Verlust von Freundschafen. Dort greifst du auch das Thema Familie auf. Was bedeutet Familie für dich in diesem Zusammenhang?
CARY: Familie bedeutet für mich, vom gleichen Blut zu stammen. Alle, die mir erzählen, dass meine engen Freunde oder Familienmitgliedern von meinen Freunden doch meine Familie sind, weiß einfach nicht, wie es sich anfühlt, keine echte Blutsfamilie mehr bei sich zu haben. Das bedeutet nicht, echte Blutsfamilie auch immer als Familie anzusehen. Aber ich glaube, das größte Glück ist es, ein Blutsfamilienmitglied zu haben, das einen bedingungslos liebt. Ich hatte die Ehre, eine Mama zu haben, die genau das getan hat, mich geliebt. Ich musste sie 2015 gehen lassen und hab das auf meinem Song Asche verarbeitet.
Anna: Wie definierst du Einsamkeit? Und warum denkst du fühlen so viele von uns diese Emotion so stark und präsent?
CARY: Einsamkeit begleitet mich schon mein Leben lang. Es passiert mir sehr schnell, dass wenn ich alleine bin, ich mich einsam fühle. Die Grenze ist nicht klar, sie verschwimmt. Und manchmal frage ich mich eben: “Bin ich gerade allein oder einsam?” Es ist ein Problem unserer Zeit. Es passiert immer mehr online. Kellner werden Roboter. Der Einkauf passiert über Flink. Wir vereinsamen nach, ohne dass wir es merken. Ich glaube sogar, dass noch viel mehr Menschen dieses Gefühl der Einsamkeit haben, ohne dass sie wissen, dass es sich bei ihrer „schlechten Laune“ gerade um „Einsamkeit“ handelt.

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Anna: In Lena geht es um den Verlust einer sehr engen Freundschaft – wer das schon einmal erlebt hat, weiß, dass der Schmerz anders tief sitzt als der Verlust einer Beziehung. Es ist aber auch Teil vom Älterwerden und sich Weiterentwickeln – wie hast du einen Weg gefunden, mit dem Verlust umzugehen? Was hast du daraus vielleicht auch gelernt?
CARY: Lena und ich haben uns im Prozess des Erwachsenwerdens irgendwie aus den Augen verloren, sind unsere eigenen Wege gegangen und haben vergessen, wie wir eigentlich zusammen waren. So einen richtigen „Cut“ wie bei einer Liebesbeziehung gab es da aber nie. Als ich Lena geschrieben hab, habe ich gemerkt, dass ich dieses Thema unserer zerrissenen Freundschaft lange verdrängt hatte, weil andere Themen akuter waren. Und doch war da etwas in meinem Herzen, dass zu mir gesagt hat, “ich vermisse sie eigentlich”, „wie geht es ihr?“. In dem Moment wusste ich, ich muss ihr nach all den Jahren einfach den Song senden. Es war für mich an der Zeit, ich hatte mich weiterentwickelt und reflektiert. Es ist für mich also nie ein „Verlust“ gewesen, sie war und ist immer noch da.
„Das Schreiben von Songs ist wie Therapie.“
Anna: Hat dir das Schreiben der Songs geholfen, all das zu verarbeiten?
CARY: Das Schreiben von Songs ist wie Therapie. Erst kommt der Schmerz doppelt so schlimm und dann wird es immer besser, weil du auf einmal Zusammenhänge verstehst, warum du so fühlst. Also ja. Ich hab das Glück, mich als Künstlerin sehr viel refektieren zu dürfen und mir Zeit für mich nehmen zu können. Das ist ein großes Privileg und weiß ich zu schätzen. Ich musste aber auch während des Albumprozesses und der wirklich deepen Songthemen aufpassen, dass ich mich nicht zu sehr retraumatsiere. Man verliert sich schnell, wenn so tef taucht, ich habe aber meistens ein Seil mit, um wieder nach oben zu gelangen 😉
Anna: Was sind die größten Erkenntnisse, die du während des Albumprozesses über dich aber auch über den Umgang mit all diesen Themen gezogen hast?
CARY: Als ich das Album angefangen habe zu schreiben, war für mich die Frage: “Was ist der Unterschied zwischen “Allein” und “Einsam”?“ nicht ganz klar. Es war schwammig. Dann, als ich den Titeltrack Allein oder Einsam geschrieben habe, ist mir ganz viel bewusst geworden. Dass sich Einsamkeit aus einem reinen Gefühl, sogar aus einem Hirngespinst zusammensetzt, das einem ganz schön weh tun kann. Mittlerweile hab ich sogar das Gefühl, Einsamkeit etwas besser lenken zu können und mich davor so manchmal zu bewahren, bevor sie eintritt.
Anna: Viele werden dein Album wahrscheinlich hören, wenn sie sich einsam fühlen und es wird sie hoffentlich auffangen können. Welche Artists fangen dich auf, wenn du dich down fühlst?
CARY: Es sind nie die positiven Songs, die mich in meinem Schmerz halten. Viel mehr sind es die, die mich fühlen lassen, dass ich nicht die Einzige mit dem Thema bin. Ich hab im Winter ’23 Crystal F kennen und schätzen gelernt. Er ist ein Künstler, der sehr transparent über seinen Feelings redet, ohne ein Blatt vor dem Mund zu nehmen. Seine Texte berühren, weil sie echt sind. Ich bin 1000fach dankbar, dass er mit Eingefrorenen ein wichtiger Part auf meinem Album ist.

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Anna: Du bringst Allein oder Einsam im Februar auch auf die Bühne! Es wird deine erste Headline-Tour sein – auf was freust du dich am meisten?
CARY: Ich freue mich auf die Bühne und dass ich meine Songs mit anderen Menschen teilen kann. Während des Albumprozesses ist man sehr mit sich, setzt sich alleine mit dunklen Themen auseinander, ist in seinen eigenen Gedanken. Auf der Bühne kann ich dann sehr extrovertiert Gefühle rauslassen und sie mit meinen Zuhörer*Innen teilen und nach der Show dann erfahren, wie es ihnen mit ihren Problemen geht. Zusammen weinen, zusammen tanzen und wissen, dass wir alle nicht alleine sind.
Anna: Die letzte Frage bezieht sich bei uns immer auf eine untold story, etwas, was du in keinem Interview bisher erzählt habt. Gibt es etwas, was du in diesem Kontext noch loswerden möchtest?
CARY: Ein Songwriter sagte mir mal, dass ich doch mal einen heiteren Partysong im Repertoire haben sollte. Wir haben keinen Kontakt mehr.
Hier könnt ihr in CARYs Debütalbum reinhören! Vielleicht fängt es ja den ein oder anderen February-Blues auf 🫂
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Fotocredit: Corinna Dumat