Welcome to the Madhouse
Allan Rayman macht mit seiner Musik Prosa. Er denkt sich Personen und Szenarien aus und taucht komplett in diese Figuren ein. Christian ist nicht, wie der Titel auf dem ersten Lesen vermuten lässt, religiös, sondern derName der Figur des Albums. Allan schreibt seine Musik innerhalb dieser Szenarien, die er fast zu einem eigenen Universum werden lässt. In seinen ersten zwei Alben schafft er ein Ausganssetting, in welchem sein alter Ego sich dazuentscheidet, seine Freunde und Familie zu verlassen, um sich abgeschottet der Musik hinzugeben. Er zieht sich in den Wald zurück und schreibt seine EP Courtney, das Album Nummer drei Harry Hard-On und jetzt vier mit Christian.
Mit Papa eröffnet Allan das Album und ich bin so hyped, jetzt schon. Es ist kurz, eröffnet mit Klatschen und wird dann zu einem simplen aber relativ schnellen Intro. Es ist voll mit References zu alten Alben und Geschichten und macht so klar: Christian gehört mit zum Universum Allan Rayman.
Dann kommt Madhouse. Es fängt an mit einer Art Rauschen, das einen leicht einhüllt und mit hellen Gitarrenklängen den Song einleitet. Als dieser sich dann entfaltet, ist es genau das, was ich mir erhofft habe. Seine Stimme, Leute über die Stimme habenwir noch gar nicht geredet. Allans Stimme ist so eigen und drückt mehr aus, als ich es selten von jemand anderen gehört hab. Sie ist besonders. Und in Madhouse ist es fast, als würde er uns mit ihr zu seinem Lagerfeuer im Wald führen wollen, bis wir seinen Geschichten lauschen: „Welcome to the big show, Welcome to the circus, Welcome to the madhouse“. Allan erschafft mit seinen Liedern Kulissen, benutzt das Rauschen als Wiedereinstieg nach der Bridge mit diesen hellen Gitarrenklängen, dass ich mich wirklich fühle, als würde man mich aus einem Sog hoch an die Oberfläche ziehen.
Blush, little bunny
Stitch kam schon im Juni letzten Jahres raus und greift eher den Sound vom letzten Album auf. Es ist rockiger und versprüht eine lässige, gut gelaunte Stimmung.
Dann kommt Blush. Eine Gitarre spielt ins Nichts ein paar Töne bevor eine simple Trommel sie unterstreicht und Allan mit seiner Stimme darüber tanzt. Man kann seine Stimme fast schon als eigenes Instrument bezeichnen, er weiß sie einfach zu benutzen. Das ganze Lied geht nur knapp drei Minuten und bleibt so tänzelnd simpel. Man braucht nicht immer eine riesen Produktion um Musik, meist kommt sie am besten in ihrer stripped down Version, wie sie sich der Künstler ausgedacht hat. Bei Blush kommt dann immer noch kurz eine Gitarre aus dem Off rein, die so viel Hall hat, dass ich gar nicht weiß, wie ich damit umgehen soll. Es rundet alles perfekt ab.
Blush ist zu Ende und ich habe schon wieder den Fehler gemacht und gedacht, zu wissen, was mich zu erwarten hat. Bunny fängt an und beweist mir, ich tu‘s nicht. Allan schreibt seine Songs nicht nach einer Erfolgsrezeptur, sondern jedes einzelne Lied steht für sich. Hier zum Beispiel fängt es nicht mal musikalisch an sondern mit zwölf „I love you“s in die Stille reingesprochen. Dann kommt wieder so ein leicht rockiges Riff wie in Stitch und alles hört sich leicht unharmonisch an. Während der Sound ruhig ist, sorgt der leicht im Hintergrund stehende schnelle Beat dafür, dass ich nicht zur Ruhe kommen kann. Es fühlt sich fast an wie eine Flucht oder Jagd, was es, wenn man drüber nachdenkt, wahrscheinlich auch soll, wenn er singt: „Run like bunny“. Doch Allans Kunst ist es, selbst solche unharmonisch klingende Lieder irgendwie harmonisch zu machen, dass man sie im Endeffekt immer und immer wieder hört.
Allan talks to his cigarette and I never want it to end
Next up: Pretty Please. Meiner Meinung nach, einer der besten Songs, die Allan Rayman jemals veröffentlicht hat.Das merk ich allein nur daran, dass ich seitdem es im August 2019 rausgekommen ist, jede Woche mehrmals höre und es einfach immer noch so sehr liebe wie beim ersten Mal. Es ist ein ganzer Vibe. Alles stimmt sich miteinander ab und es ist so simpel, aber Allan macht es einfach zu Gold. Mir fehlen wirklich die Worte, euch das irgendwie zu beschreiben, also hört einfach hier rein.
Hello To Me. Ich bitte euch wirklich, parallel dieses Album zu hören, weil langsam sind meine Worte ausgeschöpft. Allan Rayman ist eine andere League, findet völlig abseits der Musikindustrie statt und ist EINFACH SO GUT. Die immer wieder abbrechenden Drums, die leicht verspielte Gitarre und seine Stimme klingen einfach hot. There, i said it. Allans Musik hat Sexappeal.
Road Warrior ist ein Indie-Bop
Okay, den werdet ihr lieben. Road Warrior ist wieder komplett ein anderer Vibe, es ist fucking Indie. Allan kann auch Indie, aber was für einen. Er nimmt diese Indie-Gitarre, die von eurer Lieblingsband sein könnte, und macht einfach sein eigenes Ding draus. Mit sowas hätte ich wirklich nie gerechnet, für mich ist Allan ein R’n’B Genie, aber auch ich lerne aus meinen Fehlern und möchte ihn nie wieder genren (wie gendern nur mit Genre, get it). Road Warrior ist ein Sommer Song, ein sich die Sonne ins Gesicht scheinen lassen und einfach gute Laune.
Ich muss hier wirklich jeden einzelnen Song mit euch durchgehen, weil sie alle so gut sind und jeder von ihnen könnte eurer nächster Lieblingssong sein. Vielleicht ist es Chief? Es ist ein bisschen lebendiger, sogar ein bisschen groovig. Vielleicht ist es aber auch Eye To Eye, das ist ein bisschen wie Blush, nur mit weniger Lounge-Vibe. Allan tänzelt auch hier über die im Vordergrund stehende Drums. Vor allem der Anfang vom Song sticht hervor, ich bin von Sekunde eins dabei. Auch wenn es sich danach weiterentwickelt und mehrere Elemente hinzukommen, kommt es im Endeffekt immer wieder auf diese Drums vom Anfang zurück und das liebe ich.
It’s 6am and I’m still listening to this album
Das Album neigt sich dem Ende zu, aber ein Ass hat Allan noch im Ärmel: Russia klingt irgendwie tatsächlich nach einer Waldhütte im abgelegenen Russland mit Wodka und Kaviar, wie Allan singt, aber zugleich auch aufbrechend und dynamisch. Das kriegt mich zum Schluss noch einmal voll. Auch hier wieder, Gitarre mit Hall und seine Stimmeharmonisieren einfach perfekt. Es ist eine kleine Reise, bei der ich eine Stunde vor Abreise da sein will, damit ich auf jeden Fall nichts verpasse. Dieses ganze Album war eine Reise und ich weiß, ich werde mich noch so viele Male auf sie begeben dieses Jahr.
Mit 6am schließt Allan die Reise und das Album ab. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob euch diese mit meinen Gefühlen vollgeschriebene Review überzeugt hat, in Christian reinzuhören und Allan Rayman als Künstler auf eurem Radar zu behalten oder nicht. Wenn dies noch nicht so ist, ist jetzt wirklich der allerletzte Aufruf euch dieses Album anzuhören. Und falls ihr das getan habt und euch wie ich ein bisschen (sehr) in Allan und seine Rundum-Ästhetik verliebt habt, dann geht gut mit ihm um. Er ist ein bisschen eigen und distanziert, hat sich zur Promo diesen Albums zwar zu ein paar Interview geöffnet, findet aber sonst wirklich gar nicht in der Öffentlichkeit statt, weil er das einfach nicht möchte. Er lässt lieber seine Musik für sich sprechen. Und das tut sie.
Hört euch hier Christian von Allan Rayman in Volllänge an: