Am 16.04 veröffentlichten Zimmer90 ihre Debüt EP Fall Back mit einem erstklassigen Mix aus Indie und Electro-Pop. Hier finden sich entspannte Vibes, tiefe Emotionen und einprägsame Melodien verpackt in fünf Songs von drei Jungs aus Stuttgart. Sowohl ihre Sounds, als auch die Stimme von Sänger Joscha haben hohen Wiedererkennungswert und können schon nach diesem ersten Release zweifellos bei den großen Bands mithalten. Obwohl viele Alben und EPs dieser musikalischen Ecke oft dazu tendieren sehr ähnliche und beim ersten Hören kaum unterscheidbare Songs zu enthalten, zeigen die Songs auf Fall Back Vielfältigkeit und ergeben trotzdem ein stimmiges Ganzes. Sie greifen ziemlich gelungen in einander und ich bin mir sicher, dass Zimmer90 damit viele neue Hörer:innen für sich gewinnen werden. Durch die besondere Atmosphäre, die Zimmer90 hiermit kreiert haben, hat sich Fall Back jetzt schon einen festen Platz in der Liste meiner Lieblingsreleases 2021 verdient.
Zimmer90 im Interview
Dascha: Hey, schön, dass das geklappt hat! Seid ihr aufgeregt über den Release eurer EP?
Joscha: Also ich schon, ziemlich. Wir haben ja noch nie etwas released, was wirklich so ein ganzes Ding ist und komplett zusammenhängt. Das ist schon ziemlich aufregend für mich und ich glaube für die anderen beiden auch.
Michi: Ja, absolut.
Dascha: Könnt ihr euch mal vorstellen für die, die euch noch nicht kennen?
Finn: Wir sind Zimmer90 aus Stuttgart. Wir sind Joscha, Michi und Finn, kommen auch alle aus Stuttgart und haben uns über verschiedene Wege in Stuttgart kennengelernt. Michi und ich haben uns schon etwas länger davor gekannt und Musik gemacht. Dann haben wir Joscha kennengelernt und zu dritt ein bisschen gejammed. Und so sind wir auf einen ganz coolen Sound und Vibe gekommen. Dann hatten wir richtig Bock daraus was zu machen.
Dascha: Und seit wann macht ihr zusammen Musik?
Michi: Seit vier Jahren inzwischen, seit 2017.
Joscha: Wir haben halt davor immer einfach gejammed, aber so richtig real ist es für uns seit einem Jahr geworden. Wo wir gesagt haben okay, wir stellen jetzt was in’s Internet und erscheinen sozusagen auf der Bildfläche.
Dascha: Wie würdet ihr eure Musik in nur drei Wörtern beschreiben?
Michi: Ist jetzt nicht nur ein Wort, aber ich würde sagen, dass man ziemlich schnell in den Vibe reinkommt. Relativ leichte feel-good-Vibes, so ein bisschen dancy.
Joscha: Also wäre dein Wort feel-good?
Michi: Eher so der Vibe. So vibey.
Joscha: Also mein Wort ist, weil bei der EP die Songs schon relativ unterschiedlich sind, aber trotzdem alles matched, divers.
Finn: Ich wollte auch kontrastreich sagen. Oder energetic oder soft, aber dann ist es auch ein Widerspruch. Ne, ich hab ein Wort: intuitiv.
Michi: Also divers, intuitiv, vibey.
Dascha: Wer oder was inspiriert euch musikalisch am meisten?
Finn: Es ist hart das so runterzureduzieren, weil wir beim Musik machen versuchen offen ranzugehen und, wie gesagt, auch ziemlich intuitiv. Irgendwie auch viel aus dem Moment heraus zu finden, was uns gefällt. Wir hatten selten mal Songs nach einem bestimmten Vorbild grundlegen ausgelegt, sondern wir versuchen es wirklich aus uns raus zu holen. Ich glaube, dass man die Inspiration dann aus tausend verschieden Eindrücken und Ecken nimmt. Und dadurch, dass wir uns in verschiedene Richtungen, an dem was wir musikalisch mögen, bewegen, ist es sehr schwer das runter zu brechen.
Joscha: Ich glaube man kann aber sagen, dass wir drei relativ offen für alles sind. Auch ein Chart-Song kann mega geil sein, wenn der gut gemacht ist und das muss nicht verteufelt werden. Wir sind da alle so, dass wir eher Songs hören, die uns taugen und nicht dieses eine Genre fixiert haben.
Michi: Elektronische Musik, Indie, Pop Musik, Alternative, da ist von allem ein bisschen mit dabei. Und das kommt immer darauf an in welchem Vibe wir gerade sind, wenn wir zusammen jammen und was dann dabei rauskommt. Es war noch nie so, dass wir sagen: “Hör mal die Band und lass mal so einen Song machen”, sondern eher so, wenn der Song fertig war: “Ah, witzig, das erinnert daran”.
Dascha: Um jetzt konkret zur EP zu kommen- Wie war eure Erfahrung mit dem Entstehungsprozess? Was hat euch besonders Spaß gemacht und wo gab es vielleicht mal Schwierigkeiten?
Joscha: Ich glaube, der Tunnel in dem wir waren, war für uns alle was neues. Wir sind ins Studio gegangen mit unserem Produzenten, den wir erst seit der EP haben. Das war der erste große Step, dass wir sagen, wir gehen jetzt in ein richtiges Studio und nehmen nicht von zu Hause auf. Wir wussten, wir haben zwei Wochen Zeit und dann sind wir dahin gegangen mit Zeug im Gepäck, weil wir die ganze Zeit, wenn wir Ideen hatten, das schon Demo-mäßig aufgenommen hatten. Da haben wir dann am ersten Tag alles durchgehört und geschaut, was uns am meisten anspricht und uns da einfach einen Song rausgepickt, Now or Never war das. Der war schon relativ weit und wir haben einfach angefangen drauf los zu arbeiten und waren 14 Tage wie in einem Film.
Man macht weiter, dann kommt da wieder was neues, dann muss man wieder zurück gehen. Es war schon auch ein bisschen Teambuilding, weil natürlich ist auch mal einer unzufrieden und man sich dann in einander verhakt. Wenn man irgendeine coole Idee hat und in seinem Kopf eine Vision wie “Boah, ich hab gerade das krasseste entdeckt” und dann hört man von drei Leuten “Brudi, das ist übel kacke”. Jeder von uns hatte glaube ich mal diese Situation. Es ist aber trotzdem voll schön am Ende zu wissen, da ist was rausgekommen, mit dem wir zu dritt zufrieden sind und was von jedem von uns etwas beinhaltet.
Dascha: Hat euch irgendein bestimmtes Konzept durch die EP geleitet?
Finn: Das Konzept war ein bisschen, dass es kein Konzept gibt. (lacht) Und dass wir uns nicht so viele Gedanken darüber gemacht haben, wie die EP aufgebaut ist und wie wir da genau heran gehen wollen. Ich würde sagen, das, was sich durchzieht und irgendwie schon ein Konzept ist, sind die Sounds, die wir verwendet haben. Dass wir versucht haben, dass es am Ende doch Verbindungen untereinander gibt über den Sound.
Joscha: Die Songtexte verbinden die Songs aber auch, würde ich sagen. Wie Finn auch schon sagte, es war unser Plan dahin zu gehen und eben keinen Plan zu haben, um uns davon nicht einzuschränken und nur diesem Plan nachzurennen. Es war uns wichtig, dass wir einfach hingehen und schauen, was passiert, auch wenn wir am Ende nur einen oder zwei Songs in der Hand haben. Wir sind hingegangen und dann ist das passiert. Und jetzt kommt’s raus.
Dascha: Auf der EP hat mich Sometimes total gecatched und berührt. Wollt ihr mal erklären, worum es in dem Song geht und was er euch bedeutet?
Joscha: Ich hatte den Text schon davor geschrieben und hatte den eigentlich als Klavier-Ballade ausgelegt. Ich wollte voll lang Psychologie und Medizin studieren und hatte ein Praktikum in zwei Psychatrien. Ich hatte dort lange Gespräche mit einem Flüchtling, der eine posttraumatische Belastungsstörung hatte. Der Song greift eigentlich seine Gefühlswelt auf. Dass er nur für sich seine Gefühle zeigen kann und immer nur in seinem Zimmer ist. Diese Hoffnungslosigkeit wollte ich damit darstellen.
Dascha: Krass, ich hätte nicht gedacht, dass dahinter so eine Geschichte steckt. Ich hab den Song letztens abends im Zug das erste Mal gehört, während des Sonnenuntergangs und ich dachte zu mir selbst nur: “Ey, don’t cry”. Schreibt ihr sonst lieber Songs über eure eigenen Gefühle und Erfahrungen oder findet ihr, das muss nicht sein?
Michi: Momentan haben wir in unseren Texten sehr viel über unser Erleben von Dingen, Gefühlen, Nostalgie, Gedanken. Wenn wir die Texte dann wieder zusammen durcharbeiten, kommt es immer wieder zu so Punkten, dass wir manche Passagen, die wir z.B. nicht verstehen, durchsprechen und versuchen sie auf unser Leben zu beziehen. Damit sie sich immer schlüssig mit unserer Wahrnehmung und Erfahrung decken. Es ist ein Sammelsurium von unseren drei Wahrnehmungen, wie wir einfach alles erleben. Das ganze Leben und Verbindungen zu anderen Menschen.
Joscha: Wir achten bei den Songs darauf, gerade bei der EP, dass wir das Thema nicht schon komplett vorschreiben und detailliert ausarbeiten, sondern, dass es bei jedem was anderes auslösen kann. So wie du meintest, du hättest das bei Sometimes nicht so gedacht. Für mich ist es das, aber für jemand anderen kann es etwas ganz anderes sein. Das ist auch das Ziel dahinter, dass jeder seine eigene freie Vorstellung haben kann.
Michi: In der ganzen EP erwähnen wir wenig ganz konkrete Dinge, sondern eher so, dass man viel Interpretationsfreiraum hat.
Dascha: Wie ist es für euch, dass ihr im Lockdown jetzt so richtig losgelegt habt mit eurem ersten großen Release? Denkt ihr, wenn die Umstände nicht so wären, liefe es anders?
Finn: Wir hätten ein paar mehr Sachen organisiert, zum Beispiel eine fette Release-Party und wir hätten uns darum gekümmert, das wir auf so vielen Bühnen stehen, wie es nur geht.
Michi: Tatsächlich ist aber auch viel dadurch möglich geworden. Finn studiert ja Architektur, Joscha Jazz und Pop-Gesang in Freiburg und ich mache eine Kochausbildung. Gerade bei mir ist es so, dass ich viel mehr Freizeit bekommen habe durch Corona. Davor wäre das gar nicht möglich gewesen. Es war da super schwer für uns drei Zeit zu finden. Dadurch ist viel Freiraum entstanden, ich hab ja auch kein Homeschooling oder so.
Dascha: Na immerhin auch was positives! Ich hab euch natürlich auch vorher auf Instagram gestalked und bin auf euer wunderschönes Atelier gestoßen, das auch immer wieder von irgendwelchen Ästhethik-Accounts repostet wird. Was hat es mit dem Atelier auf sich, wo ist das?
Joscha: Ich kann eine Sache sagen, das Atelier gehört meiner Großtante, aber leider muss ich die genaue Location geheim halten. Aber es ist in der Nähe von Stuttgart.
Dascha: Es ist auf jeden Fall sehr sehr schön!
Joscha: Ja, voll! Das ist ein Ort, wo wir immer richtig cool hingehen können, weil meine Großtante ist viel in Frankreich, sie ist Künstlerin. Es ist super dort zum Abschalten und Musik machen. Da gibt es kein Internet, kein WLAN, dann ist man einfach nur da.
Finn: Wir waren auch um Silvester rum dort für ein paar Tage, das war auch crazy. Es ist schon ein ziemlich eigener Space. Das ist so die perfekte Voraussetzung, um irgendwie kreativ zu werden, weil man sich da mal stark abkapseln konnte. Die Umgebung engt auch nicht ein, sondern lässt eher den Raum für kreative Sachen.
Joscha: Ja, wir waren da 10 Tage und da ist halt wirklich kaum Empfang, kein WLAN. Man ist so viel abgelenkt heutzutage von seinem scheiß Handy, was glaube ich jeden aufregt, aber was einfach so ist und auch nicht mehr wegzumachen ist. Ich würde behaupten, fast jeder ist irgendwie süchtig nach seinem Handy. Das war so angenehm, dass das Ding da einfach weggefallen ist und wir da den ganzen Tag nur Musik gemacht haben, gelesen, entspannt.
Dascha: Ja, ich glaube, nach dieser Lockdown-Zeit schmeiße ich mein Handy einfach erstmal weg. (lacht) Welche Musiker und Musikerinnen feiert ihr selbst zur Zeit?
Joscha: Was mir vor kurzem gezeigt worden ist, Golf, heißt die Band. Die hatte mal so ihren Hochpunkt und ist dann ein bisschen in den Hintergrund getreten. Die machen ganz coole Mucke! Benny Sings, Bilderbuch, es gibt viel, was ich cool finde.
Michi: Ich hör momentan ganz wenig Alben, sondern ganz viele Playlisten. Elektronische Bands hab ich sehr viele sehr gerne.
Finn: Ist glaube ich oft so, wenn man viele Playlisten hört, dass man sich eher einzelne Songs als ganze Artists rauspickt. Men I Trust z.B. find ich zur Zeit wieder richtig cool, eine meiner absoluten Lieblingsbands.
Michi: Ich mag Billie Eilish zur Zeit ganz gerne und AURORA. Da hör ich tatsächlich die Künstlerinnen einfach durch. Irgendwie haben die mich beide super gehooked.
Dascha: Cool! Auch wenn es durch Corona schwer ist, irgendwas zu planen, habt ihr trotzdem irgendwelche besonderen Pläne, auf die ihr euch freut dieses Jahr?
Joscha: Ich würd das grad mal so anteasern, Release-technisch kommen da ziemlich lustige Sachen. Und auch ein crazy Feature, wozu ich jetzt noch nichts verraten darf und werde. Ansonsten wollen wir auf jeden Fall schauen, dass wir, sobald es irgendwie geht, ein paar Konzertchen am Start haben. Eine Sache die ich noch sagen kann, es kommt tatsächlich noch was deutsches von uns.
Michi: Oh ja, ich war mir gerade nicht sicher, ob wir das schon verraten sollen. Wir haben auf Deutsch eigentlich angefangen. Unsere ersten Songs waren alle nur live, davon haben wir leider nicht mehr so viele Aufnahmen, aber viel auf Deutsch.
Dascha: Wow, wie kommt es dann dazu, dass ihr doch zu Englisch gewechselt habt?
Michi: Bei den Produktionen war dann ziemlich schnell klar, dass die englischen Songs super gut funktionieren zum Durchproduzieren. Und wir wollen auf jeden Fall auch international ansprechen.
Joscha: Wir haben übel Bock auch in anderen Ländern irgendwann mal Konzerte zu spielen, weil es für uns auch dazugehört zu reisen und unterwegs zu sein. Nicht darauf zu beschränken, dass nur die wenigen Menschen, die Deutsch können, auf die Texte Zugang haben, sondern, dass jeder den Text verstehen kann.
Michi: Es ist auch schwierig, dass man mit deutscher Musik, gerade wenn man Pop macht, schnell zu Schlager-Musik tendiert. Da sind wir noch nicht so sehr gehooked von, da kann ich für uns alle sprechen.
Joscha: Ich finde es wird sehr schnell kitschig oder zu künstlerisch.
Dascha: Dann bin ich mal sehr gespannt zu hören wie ihr auf Deutsch klingt! Und ich komme auch schon zur letzten Frage. Da frage ich immer nach einer Untold Story, also einem kleinen Geheimnis oder einer Geschichte, die ihr noch nicht öffentlich erzählt habt.
Michi: Der eine Release wird auf jeden Fall überraschend.
Joscha: Unser Feature oder nein, eher unser zusammenarbeitender-Gast, ist auf jeden Fall überraschend. Aber ich hab noch eine geile Story! Unzwar sind wir ganz gut befreundet mit Rikas und wir waren mit denen Boule spielen. Michi und ich waren in einem Team und es ging so richtig über drei, vier Stunden mit mehreren Runden und aufschreiben. Und dann bringt Michi einfach so einen Move.
Michi: Es war ein wichtiger Wurf! Am Anfang lagen wir hinten, dann haben wir ziemlich schnell aufgeholt. Es war dann schon ein bisschen unangenehm noch weiter Punkte zu machen, aber das war der entscheidende Wurf für diese Runde und Joscha war so “Michi, mach jetzt irgendwas krasses!”
Joscha: Michi kann halt ein Spagat, so komplett runter. Und dann macht er einfach aus dem nichts ein Spagat und wirft diesen Ball und gewinnt einfach.
Michi: Die ganzen Leute saßen auf der Bank und guckten zu, hätte ich dann einen schlechten Wurf gemacht, wär das super peinlich. Aber alle sind aufgestanden und haben angefangen zu schreien. (lacht)
Joscha: Da saßen dann auch einfach viele Leute und haben zugeschaut und getrunken. Das wäre so weird geworden, wenn du dieses krasse Spagat machst und dann den Ball einfach irgendwohin geworfen hättest. (lacht)
Dascha: Eine gute Story mit einer guten Wendung, zum Glück!
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Foto Credits: Jo Hannes Klingelhöfer, Mario Simic