Untoldency-Redakteurin Maja war nie der Technotyp, zumindest nicht wenns um harten Techno ging, der unendlichlang den selben Loop vorantreibt. Es hat sie nicht meditativ in den Song reingezogen, sondern meist einfach nur müde gemacht. Der Soundtrack zum Film Challengers, inbesondere der Song “Brutalizer”, hat das geändert. Wenn ihr herausfinden wollt, wie “Brutalizer” es schafft sogar euren Metal-Onkel an Techno ranzubringen, lest den Artikel.
Luca Guadagninos Filme reißen ab
Die Regie von Challengers wurde von Luca Guadagnino übernommen. Die meisten kennen ihn vermutlich durch den 2017 erschienenen und mich bis heute von Italien träumen lassenden Film Call Me By Your Name. Auch das 2022 erschiene Horrer-Drama Bones and All hat Luca Guadagnino gedreht. Challengers hingegen handelt von Tennis, Tennis, TENNIS. Naja, also eigentlich geht es viel mehr um die Begierde der drei Hauptfiguren, die sich in ihrem eigenen Cosmos bewegen, sich wie Planeten umeinander drehen. Das Spielfeld dieser Konstellation ist der Tennis und das Spiel bildet auch immer etwas von der Beziehung der Charaktere untereinander ab. Dabei geht es in den Matches teilweise um mehr als Triumph in Tennis, es wird beispielsweise auch um Tashis Nummer gespielt, was sie selbst vorschlägt. Es scheint, als würde den Charakteren diese Spannung gefallen, diese ist besonders in “Brutalizer” nachempfindbar.
Behind “Brutalizer”
Produziert wurde “Brutalizer” in einer Zusammenarbeit von Trent Reznor und Atticus Ross, die bereits an vielen gemeinsamen Projekten arbeiteten. Sie erhielten den Academy Award, den Oscar und Golden Globe Award für den Soundtrack zum Film The Social Network. Übrigens auch ein sehr empfehlenswerter Film und Soundtrack, der Song “Hand Covers Bruise“ begleitet einen gut beim Bodenliegen und weiße Wandtextur anstarren. Trent Reznor und Atticus Ross waren auch Produzenten für die Musik von Mid90s von Jonah Hill, Bones and All, einem weiteren Film von Luca Guadagnino, sowie Soul und weiteren bekannten Filmen der letzten 20 Jahre. Die beiden sind zusammen in dem bekannten Musikprojekt Nine Inch Nails, das in den 90ern dem Genre des Industrial Rocks zuordnenbar war und nun auch incorporate athmospheric electronic-Elemente, beeinflusst von ihrer Filmmusik, enthält. (Quelle: Spotify)
Die schnellen Beats erschaffen Spannung, die von “klassischen” Stücken wie “Friday Afternoons, Op.7: A New Year Carol” von Benjamin Britten unterbrochen werden. Sie treten meist auf, wenn tiefere Gefühle erkennbar sind oder mehr als nur die Oberflächlichkeiten der Figuren gezeigt wird. Für mich ist vor allem “Brutalizer”, der für mich nach dem protypischsten Technotracktitel klingt, die unglaublich gute Vertonung von den Gefühlen während eines Wettkampfs. Dabei ist egal, ob es sich um ein sportliches Tennismatch, ein verkopftes Schachspiel oder um einen mentalen Wettkampf handelt. Bis 2:15 min. hält sich die Spannung durch einen fortwährenden Loop, der sich entwickelt, dem Elemente barweise hinzugefügt und entnommen werden. Er wird schließlich bei 2:16 min. durch einen melodischen Synthesizer untermalt. Schließlich entfällt der Loop bei 2:37 min. und schafft so dem Synthesizer Raum.
Für Interessierte gibt es hier ein Visualizer vom Film untermalt von dem benannten Track:
Ein Song wie auf der Bühne
Wenn man denn möchte, kann man “Brutalizer” wie eine Theaterstück in drei Akte aufteilen: Die Exposition (0:00-2:15 min.), en Höhepunkt (2:16-2:36 min.) und die Lösung. Hier ist interpretierbar, ob es eine gutes (Komödie) oder ein schlechtes Ende nimmt (Tragödie) (2:37 min. bis Ende). Hier schließt der erste Teil sowohl Akt 1 und Akt 2 ein, der zweite besteht aus Akt 3 und Akt 4.
Während die Exposition mich bei jedem Basketballspiel zu Höchstleistungen motiviert (motiviert heißt nicht bringt), aber das Gefühl ist genauso gut, und mich nach den längsten Bahnfahrten aus der Müdigkeit hebt, stellt sie für mich die Verkörperung jedes bedeutsamen Wettkampfs dar, den man anstrebt zu gewinnen. Nicht, dass der Kampf gegen die Müdigkeit jetzt so ein ernster Wettkampf wäre, es hilft trotzdem. Der Höhepunkt ist wie ein kurzer, 20-sekündiger Augenblick, an dem man fast eine Art Entspannung, durch die Hoffnung des Siegs, und Stolz durch den bereits zurückgelegten Weg, der einen zu diesem Hoch, diesem Ausblick gebracht hat. Für mich bleibt mit dem Ende von “Brutalizer” unklar, ob “der Wettkampf” ein Sieg oder eine Niederlage ist. Der Synthesizer wiederholt sich dreimal und endet beim letzten Mal, nach einem Abwärtssprung, in seiner Bewegung. Das Ende bahnt sich bereits vorher an, es ist bereits vorher spürbar, wirkt trotzdem, durch den fehlenden Ton, abrupt.
“Brutalizer” hat mich aufmerksamer auf die kleinen Momente und Veränderungen von Technoloops gemacht. Früher war ich wahrscheinlich nicht offen genug für Techno, sodass ich gar nicht draufgeachtet wie variatenreich Songs aus ein, zwei Loops sein können. Entgegen meiner Erwartung, Technoloops seien starre Modelle, die einer kreisförmigen Zeitidee folgen, erkennt man hier deutlich eine lineare Erzählung und Weiterentwicklung der musikalischen Grundidee.
Ich hoffe, “Brutalizer” holt euch auch mal aus der Nachmittagsmüdigkeit.
Hier gibt es noch den Trailer zu Challengers für alle Filminteressierten unter euch, die ihn noch nicht gesehen haben: